Kitabı oku: «Schwere Körperverletzung»

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Schwere Körperverletzung

Ted Lewis

Vorwort

Derek Raymond

GBH ist ein ebenso direkter wie atemraubender Roman. Die Wucht der Eingangsszene, als ein Gangster unter der Regie seines psychopathischen Bosses einen des Verrats verdächtigen Gangster zu Tode foltert, enthüllt – wie die Jagd nach Spitzeln und Verrätern, sei es innerhalb des Mobs oder innerhalb der Polizei, überhaupt – den Abscheu des Autors vor jeglicher Denunziation. Und als Ganzes hat das Buch, das in keiner einzigen Passage seinen Griff lockert, auf den Leser den gleichen aufwühlenden Effekt wie sein berühmter Vorgänger Jack’s Return Home (erschienen auch unter dem Titel Get Carter). Ted Lewis starb 1982 an Alkohol, gerade mal in seinen Vierzigern, und sein Tod war ein immenser Verlust. Was den zeitgenössischen britischen Roman noir angeht, war Lewis – zumal im Umfeld meiner Generation – der Inbegriff seiner Wiedergeburt. Und zwar dergestalt, dass die halluzinierende Wirkung seines in der Ich-Form geschriebenen Porträts des Killers in GBH noch lange im Leser nachwirkt, wenn es ihm denn überhaupt ge­lingt, sie jemals auszulöschen. Ein weiterer Punkt, der hier betont werden muss: Wenn Lewis im eigenen Lande nicht den Grad an Bekanntheit erlangte, den er hätte erlangen sollen, dann, weil zu dieser Zeit ein Roman, je besser er geschrieben war, je schwärzer, je direkter, desto mehr Gefahr lief, die störanfällige Empfindsamkeit zart besaiteter Verleger durcheinanderzubringen. Eine blinde Hingabe an den Geschmack der middle-class, zugleich eine Angst vor Entfremdung, war eine viel zu weit verbreitete Haltung unter britischen Verlegern. Dieser Hang zur Zensur senkte die Qualität eines Großteils britischer Prosa herab auf das Niveau einer albernen Mutprobe, ebenso wie die verzerrte verlegerische Sicht bei der Be­urteilung des Kommerziellen – eine Beurteilung, die, nebenbei bemerkt, verschiedentlich lächerlich war, tatsächlich sogar spektakulär falsch. Um ein klassisches Beispiel zu zitieren, die Reaktion meines ersten Verlegers auf Len Deightons The Ipcress File: »Interessant, aber natürlich pure Fantasie ... kann für den Durchschnittsleser nicht von Interesse sein ...« Diese Haltung führte dazu, dass, selbst wenn sich ein junger, kühner Lektor in einem großen Verlag aus dem Fenster lehnte und Ro­mane wie den von Lewis annahm, die Bosse in den Etagen über ihm der Sache diskret aus dem Weg gingen, indem sie keinen Finger für Werbemaßnahmen rührten und so sicherstellten, dass sie vereitelt wurde. Doch man muss ihn nur lesen, um zu erkennen, dass Lewis einer der ersten britischen Autoren der 1960er war, die Chandler beim Wort nahmen – »The crime story tips violence out of its vase on the shelf and pours it back down into the street where it belongs« – und Jack’s Return Home ist ein Buch, das ich und eine Menge anderer Leute seinerzeit als einen Klassiker auf diesem Gebiet betrachteten, von den reinen schriftstellerischen Fähigkeiten, die es offenbart, abgesehen. Und ein Klassiker ist es noch immer. Es ist aber auch nicht mehr erhältlich; vergriffen, eingestampft, dank dieser Haltung – die im Grunde einer Unkenntnis gleichkommt –, so prävalent in der Gruppe britischer Verleger, auf die ich mich kurz zuvor bezog und die unerschütterlich davon überzeugt zu sein schien, dass, solange Agatha Christie und P.D. James sich gut verkaufen, man das Feld auf redliche Weise bestellt und zugleich nicht auf den Union Jack gespuckt habe.

Was – wie meinerseits bereits ausgeführt – bedeutet, dass sie eine gehörige Portion an beeindruckender und außergewöhnlicher Arbeit mit Erde bedeckt, sprich begraben haben.

Und außerdem, wie falsch kann man liegen? Der Unterschied zwischen dem, was die Leute heute lesen wollen, und dem, was ihre Eltern vor fünfzig Jahren lasen, ist so immens wie der Wandel bei den Problemen, mit denen die heutige Gesellschaft konfrontiert wird (gesellschaftliche Wirklichkeit, zu deren Widerspiegelung Literatur idealerweise berufen ist). Weshalb mehr und mehr Werke des Noir in Großbritannien entstehen, die keinerlei Be­zugspunkte zu den beiden soeben erwähnten Schriftstellerinnen haben.

Schade, Ted Lewis hat dies nicht mehr erlebt.

Während der Lektüre von GBH denke ich daran, dass sein Verfasser aus dem Norden Englands stammt. Er wurde in Manchester geboren und studierte vier Jahre an der Hull Art School – sehr wahrscheinlich zur gleichen Zeit wie Peter Everett, der Negatives schrieb, ein weiterer düsterer Noir, in Großbritannien unterschätzt und 1964 von Cape herausgegeben (mit Verunsicherung, wenn die unsägliche Gestaltung des Covers etwas ist, woran man sich orientieren kann) und später von Claude Chabrol verfilmt. Wie Lewis’ Roman katapultierte dieser Roman den Mord zurück auf die Straße, hinein in die erdrückende Realität der Slums von Notting Hill. Auch er verband Wahnsinn und sexuelle Perversion mit Mord (die drei reisen niemals getrennt, was immer die M’Naghten Rules auch sagen mögen), genauso wie Lewis es in seinen Büchern tat. Was diese verfallenden, wirtschaftlich sterbenden und benachteiligten Städte im Norden anbelangt – Newcastle, Liverpool, Hull und Manchester –, ich habe einige von ihnen kennengelernt. Neben London sind sie die mit der meisten Gewalt, der größten Verzweiflung im Lande, und Lewis’ Verständnis für ihre Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit, die gefauchten Dialoge als Ausdruck mörderischen Misstrauens, brodelnd vor Hass selbst zwischen Angehörigen ein und derselben Familie oder offenkundig lebenslangen Freunden lassen bei mir die Frage aufkommen, wie nah genau ihm die düsteren Geschichten waren, die er erzählte, wenn sie nicht gar autobiografisch waren oder verknüpft mit Leuten, die ihm im wirklichen Leben nahestanden, womöglich sogar mit seiner Familie. Für mich ist es schwer nachvollziehbar, wie, wo oder weshalb er sonst eine derart genaue Analyse von ihnen gemacht haben könnte.

*

Ich kannte Ted Lewis – nein, ich kannte ihn nicht, ich saß nur neben ihm. Niemand, den ich kannte, kannte jemals Ted Lewis – es war ausgeschlossen, ihn kennenzulernen, nicht einmal oberflächlich. Ich traf auf ihn, weil Jack's Return Home in derselben New-Authors-Reihe von Hutchinson (längst eingestellt) erschien wie mein erster Roman. Lewis war so regelmäßiger Gast des Pubs unter Hutchinsons Büro, des Horse and Groom in der Great Portland Street, genau wie der Rest von uns (inklusive unseres Lektors Graham Nicol). Und aus dem gleichen Grund – nicht nur des Biers wegen, sondern weil wir sehen wollten, ob wir ihnen nicht zusätzlich zu unserem Vorschuss ein paar Scheine aus den Rippen leiern konnten (niemand von uns hatte es leicht und ich hatte dazu noch eine kostspielige Freundin!).

Aber Lewis saß ausnahmslos allein am anderen Ende der Bar, und ich sah ihn nie mit einem Mädchen. Gewöhnlich saß er nach vorn gebeugt, mit einer Haltung, die entfernt an einen Betenden erinnerte, den Kopf dabei auf seine Arme gestützt. Und keiner von uns hat ihn je kennengelernt, denn er war immer völlig betrunken. Er hatte blondes Haar, sah gut aus, hatte ein Gesicht, das ich mochte. Und ich hätte überhaupt nichts gegen ein langes oder auch nur kurzes Gespräch mit ihm einzuwenden gehabt, insbesondere nachdem ich Jack’s Return Home gelesen hatte.

Es ist mir nie gelungen. Man konnte etwas zu ihm sagen, aber er erwiderte nichts darauf, und sah man ihm ins Ge­­sicht, vermittelte sich einem im Gegenzug nur der geheimnisvolle Anblick, den man von einem Fenster aus Buntglas erwarten würde. Ich denke, das war 1962 oder 1963. Ich ging dann zurück nach Spanien und Tanger und sah ihn nie wieder.

Ich weiß nicht, ob jemand von den anderen im Horse ihn jemals richtig hatte kennenlernen können (ich traf nirgendwo anders auf ihn). Aber welcher Mensch ist geheimnisvoller als der stumme Trinker?

Nicht dass der Eindruck entsteht, das Vorangegangene sei eine Kritik an Lewis. Das ist es nicht. Es ist nur eine Erinnerung an ihn, die ich mir bewahrt habe – und eine, die 28 Jahre alt ist. Kritik? Fernab jeder Kritik erinnert mich Lewis eher an meine Vorstellung, wie David Goodis ausgesehen haben könnte, und schmeichelhafter könnte ich mich kaum äußern.

Um aber zu meinem Anfang zurückzukehren, die Lektüre von GBH gab mir gewiss einen Einblick in die Gründe, weshalb sein Autor trank. Wie ich bereits sagte, denke ich, dass er einen Großteil dessen, worüber er schrieb, aus nächster Nähe kannte – eine Nähe, die wo­möglich gefährlich war. Das an seinem Werk springt einem sofort ins Auge. Wie auch immer es sich in Wahrheit verhalten mag, er hat den Dialog der Leute perfekt eingefangen, bis zur letzten Kadenz.

Bleibt mir nur noch, ihm meinen Respekt für seinen Mut zu zollen, der ihn dazu befähigte zu schreiben, wie er schrieb, solange er schrieb, das Grauen, das ihn um­gab, mit Begriffen des eigenen inneren Grauens zum Ausdruck zu bringen, wenn nötig, mit Unterstützung des Alkohols oder einer anderen Waffe, um sich selbst Beine zu machen. Indem er es vorzog, der Straße direkt ins Angesicht zu schauen, statt von oben, hinter einer Gardine einen verstohlenen Blick darauf zu werfen, schlug er eine Schneise geradewegs durch den schwarzen Dschungel, und das hätte ihm nach meinem Dafürhalten einen Platz an der Spitze einbringen müssen, auch wenn er am Leben geblieben wäre.

Er ist ein Beispiel dafür, wie gefährlich das Schreiben tatsächlich sein kann, wenn man es richtig betreibt, und Ted Lewis’ Schreiben beweist, dass er nie vor einer Seite davongerannt ist.

Nein – denn bei Ted Lewis war die Seite das Schlachtfeld.

Derek Raymond, Le Peuch am 5. August 1990

G B H

1861. Section 18. Offences Against the Person Act:

‘Whosoever shall unlawfully and maliciously by any means whatsoever wound or cause any Grievous Bodily Harm to any person ... with intent ... to do some Grievous Bodily Harm to any person, or with intent to resist or prevent the lawful apprehension or detaining of any person shall be liable to “imprisonment only”... for life.’

Amended 1967, Section 10 (2), Schedule 3

DIE SEE

Ein leichter, trockener Wind säuselt über die Küstenebene, raunt auf seinem Weg zu den Dünen und dem zitternden spröden Dünengras an den Ecken des Bungalows.

Vom Bett aus starre ich durch das Fenster und beobachte ein paar Wolkenfetzen, wie sie sich leuchtend über das Antlitz des Mondes schieben. Die Wolken ziehen weiter und der Mond ist wieder allein, lässt mit seinem klaren Licht die Details des Schlafzimmers deutlich werden. Eine Meile entfernt gibt sich die See beherrscht, wenn sie auf den flachen, harten Strand trifft. Ich schaue auf meine Uhr. Es ist Viertel vor drei.

Ich nehme die Waffe vom Nachttisch, steige aus dem Bett und gehe vom Schlafzimmer in die große, leere L-förmige Eingangshalle. Das Mondlicht wirft den Schatten der Treppe, die nach oben führt, tiefschwarz auf den glatten Linoleumboden. Unter meinen nackten Füßen fühlt sich der Fußboden unerwartet warm an. Ich gehe zur Vordertür, mein Näherkommen provoziert das Mond­licht, sich hinter dem Milchglas zu kräuseln.

Ich ziehe den Riegel zurück, schließe die Tür auf und öffne sie leise, nur einen Spalt breit. Für einen Augenblick zögert der warme Nachtwind am Eingang, dann fährt er über meinen nackten Körper. Einen Moment lang verharre ich reglos, ziehe dann an der Tür, bis sie vollständig offen ist. Ich lausche.

Da ist nur das sanfte Geräusch von der Küste und das nächtliche Rascheln des Stechginsters und der Gehölze, der Feuchtwiesen, die sich bis zum Horizont erstrecken. Ich mache einen Schritt nach vorn, auf die gefliesten Stufen, und schaue nach links. Drei Meilen entfernt funkeln die Lichter des Gas-Terminals in der stillen Nacht – wie das Zentrum einer Stadt ohne Vororte. Ich gehe zurück in den Bungalow, verschließe und verriegele die Tür hin­ter mir.

In dem großen Wohnbereich bleibt es mir der nackten Fenster wegen erspart, das Licht anzuschalten. Ich steige die Stufen hinauf, gehe hinüber zu den Drinks, gieße mir einen Brandy ein und dazu Ginger Ale. Ich lege die Waffe auf den Flügel und stecke mir im Dunkeln eine Zigarette an.

DER RAUCH

Zu meiner Überraschung öffnete Sammy höchstpersönlich die Tür, obwohl er mich erwartet hatte. Sammy geht durchs Leben, als rechne er stets mit dem Schlimmsten. Da dem so ist, war ich davon ausgegangen, dass seine bessere Hälfte öffnen werde. Selbst nachdem er gecheckt hatte, dass tatsächlich ich es war und nicht irgendein Stadtgorilla, schielte er mit seinen flinken, kleinen Augen hierhin und dorthin, bemüht, hinter den recht großen Umrissen von Jean und mir die Dunkelheit von Hammersmith zu erforschen. Was er hinter uns vermutete, weiß ich nicht.

Sammy trat zurück und hielt die Tür auf, und Jean und ich bewegten unsere Schatten weg von den geschmacklosen georgianischen Säulen, hinein in das gelbe Licht, das für Sammys schmucklose Eingangshalle nicht sonderlich vorteilhaft war. Auch nicht für Sammys Teint, wie sich herausstellte. »Margaret und die Kinder bin ich losgeworden«, sagte er. »Die Luft ist rein.«

»Das ist gut so, Sammy«, sagte ich. So, als wäre das Gegenteil der Fall.

Sammy ging rückwärts an der Wand jenseits der Trep­pe entlang und glitt bis zur ersten Tür auf der linken Seite.

»Hier ist es«, sagte er.

»Danke«, sagte ich zu ihm.

Jean sah mich an, drückte ihre Meinung über Sammy mit einem eisigen Lächeln aus und ging durch die Tür. Ich war bereits dabei, ihr zu folgen, wurde jedoch in meinem Schritt aufgehalten, mehr durch den Ausdruck in Sammys Augen als durch etwas eher physischer Na­tur.

»Mr. Fowler«, sagte Sammy, »ich muss es Ihnen sagen. Mir gefällt das alles nicht. Mir gefällt das alles ganz und gar nicht.«

Ich sah ihn an.

»Das wollte ich Ihnen nur sagen«, meinte er und wünschte, er würde nicht bestätigen müssen, was er be­reits gesagt hatte.

»Warum?«, fragte ich und behielt den Blick bei, und je länger ich ihn beibehielt, desto weniger war Sammy geneigt zu antworten. Nachgiebig sagte ich zu ihm:

»Du musst nicht hierbleiben. Du kannst dich in die Kneipe verpissen. Sag Harry, es geht auf meine Rechnung. Oder verzieh dich nach oben und sieh dir das Spiel im Fernsehen an.«

»Oh nein. Ich könnte den Ton gar nicht laut genug einstellen.«

»In diesem Fall«, sagte ich, »bleibt nur die Kneipe, oder?«

Eine kurze Stille. Dann sagte Sammy:

»Ja. So mach ich es, Mr. Fowler. Ich verschwinde und nehme Ihr freundliches Angebot an.«

Als wäre er ganz von allein zu diesem Schluss gekommen.

»Gut«, sagte ich ihm.

Ich ging über die Schwelle in den Raum.

Jean stand am Erkerfenster, zündete sich eine Zigarette an. Die geschlossenen Vorhänge waren hinter Decken verborgen, die man an den Gardinenstangen befestigt hatte. Gemäß den Anweisungen war auch der Teppich zu­sammengerollt worden, und auf den nackten Dielen, in der Mitte des Zimmers, stand ein Stuhl mit gerader Rückenlehne. Dem Stuhl gegen­über stand ein billiges Sofa; neben dem Sofa ein zusammenklappbarer Kartentisch und auf diesem Tisch befanden sich eine Flasche Scotch, eine Flasche Wodka, einige Flaschen Tonic Water, einige Flaschen Ginger Ale und mehrere Gläser. Außerdem stand eine Lampe auf diesem Tisch, die die Beleuchtung des Zimmers besorgte – die Lampenfassung der Deckenbeleuchtung war aktuell mit einer anderen Aufgabe betraut. Auf dem Boden, neben dem Klapp­tisch, stand ein mit Wasser gefüllter Aluminiumeimer. Neben dem Eimer dann die übrige Ausrü­stung.

Ich musterte alles, und dann blickte ich zu Jean, nur um festzustellen, dass sie mich bereits ansah. Unsere Blicke, scheinbar ausdruckslos, übermittelten unsere beiderseitigen Gefühle.

Sammy tauchte an der Tür auf, dabei, seinen Mantel anzuziehen.

»Nun«, sagte er, »ich mach mich dann mal auf den Weg.«

Wir sahen ihn beide an.

»Ich denke, es ist alles so, wie Sie es wollten.«

»Es sieht so aus, Sammy.«

»Also, ich bin dann mal weg.«

Er hielt kurz inne, wie ein Laienschauspieler, der auf sein Stichwort zum Verlassen der Bühne wartet. Dann verschwand er, und man hörte das Geräusch der sich schließenden Haustür.

Nachdem er gegangen war, sagte Jean: »Meinst du, Mickey wird pünktlich sein?«

»Davon gehe ich aus. Um Viertel vor sieben hat er sich Arthur geschnappt.«

Jean schaute auf ihre Uhr. Die Asche löste sich von ihrer Zigarette und fiel zu Boden. »Ich denke, ich werde etwas trinken, während ich warte«, sagte sie.

Ich wandte mich dem Klapptisch zu und goss Wodka für Jean ein und Scotch für mich. Ich brachte ihr den Drink hinüber, und als ich ihn ihr gab, läutete die Türglocke. Jean sah mich nicht an, als sie mir das Glas ab­nahm.

Ich verließ den Raum und öffnete die Haustür. Direkt vor mir stand Arthur Philips – Alter frühe Vierziger, Frisur späte Fünfziger. Sein Hemd mit offenem Kragen war aus Terylene und sein Anzug ein modisches Burton-Modell. Hinter Arthur stand Mickey Brice; das sich in seiner dunklen Brille spiegelnde gelbe Licht schuf die Augen eines Morlocks.

»Hallo, Arthur«, sagte ich.

»Mr. Fowler, hören Sie – «

»Gleich«, sagte ich zu ihm. »Komm erst mal rein.«

Hinter ihm legte Mickey den Vorwärtsgang ein und wenn Mickey das macht, hat man – sofern man vor ihm ist – keine andere Wahl, als ebenfalls den Vorwärtsgang einzulegen, was Arthur Philips auch tat. Ich drehte mich um, und Arthur folgte mir durch die Eingangshalle in das Zimmer. Mickey schloss hinter uns die Tür.

»Hallo, Jean«, sagte Arthur.

»Arthur«, erwiderte Jean.

Ich stand neben dem Klapptisch.

»Einen Drink, Arthur?«

»Ja, George. Ja. Ich nehme einen Scotch.«

Ich goss ihm einen ein.

»Etwas dazu?«

»Nein, danke. Pur.«

Ich reichte ihm seinen Drink.

»Danke.«

Er kippte die Hälfte in einem Zug hinunter.

»Möchtest du dich setzen, Arthur?«

Jetzt war es Arthur nicht länger möglich, den Blick auf den einzelnen Stuhl zu vermeiden.

»Hören Sie, Mr. Fowler, ich dürfte überhaupt nicht hier sein. Überhaupt nicht. Es gibt nichts, was ich Ihnen erzählen könnte.«

Mickey Brice ging hinüber zum Stuhl und verrückte ihn um ein paar Zentimeter, unterstrich so für Arthur den Zweck meiner Frage. Arthur kippte den Rest seines Scotchs, ging und setzte sich auf den Stuhl. Mickey Brice blieb hinter dem Stuhl stehen. Von seinem neuen Aussichtspunkt aus hatte Arthur einen besseren Blick auf das Zubehör neben dem Aluminiumeimer.

»Fang doch damit an, das zu erzählen, was du uns erzählen kannst«, sagte ich und füllte dabei sein Glas auf.

Wieder kippte Arthur die erste Hälfte hinunter.

»Das wissen Sie doch alles schon.«

»Was spricht dagegen, es noch einmal zu erzählen?«

Jean ging hinüber zum Klapptisch und schenkte sich nach. Arthur atmete tief ein.

»Na ja ... klar, weiß ich alles über den Job, denke ich. Da war Lenny White, Tommy Coleman, Maurice Hutton, Billy McClean. Also läuft die Sache. Muss ja auch, wenn die mit an Bord sind, oder? Und die Finanzierung, nun, die sollte von Ihnen kommen, angesichts Ihres Hintergrunds, richtig? Ihr Anwalt weiß das und die Bullen wissen das auch. Sie wissen, wen sie hochnehmen müssen, aber natürlich können sie’s nicht ... ihnen sind die Hände gebunden, wie immer.«

Ein weiterer Schluck Scotch unterbrach Arthurs Mo­nolog.

»Trotzdem haben die Bullen Tommy Coleman kassiert, und das nicht zum Schein, schließlich haben sie zwei Zeugen herbeigeschafft, die Tommys Mär von Zeit und Ort widerlegt haben. Also hockt er immer noch bei denen, und er und die Bullen plaudern weiter miteinander.«

»Was uns zu welcher Vermutung führt?«

»Wer immer der Zuträger ist, es muss einer aus unseren Reihen sein, einer, der weiß, was der Rest der Ge­meinde weiß.«

»Ganz genau. Also, weshalb sollte sich jemand aus unseren Reihen zum Nachteil der Organisation einlassen?«

Schweigen von Arthurs Seite.

»Arthur?«

»Tja, einer der Bullen könnte zu ihm gehen, so, wie sie’s manchmal tun, und zu ihm sagen, pass auf, ich weiß, du hast mit der Sache nichts zu schaffen, aber es war deine Art Job, und du weißt, wer beteiligt war, und wenn ich wollte, könnte ich dir diese Sache anhängen, mit der du nichts zu tun hast, na, wie klingt das?«

Keiner von uns reagierte. Arthur durchbrach die Stille, indem er die Reste seines Drinks hinunterkippte.

»Gib Arthur noch einen, Mickey«, sagte ich.

Mickey nahm Arthur das Glas aus der Hand, und als er zum Klapptisch ging, streifte er die Kabel, die aus der Fassung der Deckenbeleuchtung nach unten hingen. Sie schwangen in Arthurs Richtung. Er wich ihnen aus, als wären sie Giftschlangen, bereit, sogleich zuzubeißen. Was sie in gewisser Hinsicht auch waren.

Mickey gab Arthur das Glas zurück.

»Tja, das ist das, was du Mickey bereits erzählt hast. Dagegen ist nichts zu sagen, schließlich habe ich erklärt, dass du das machen kannst. Aber jetzt will ich eine andere Geschichte hören.«

»Ich habe nichts anderes zu berichten.« Arthur sah mir ins Gesicht. »Ehrlich.«

»Du hast also keine andere Geschichte parat?«

Arthur schüttelte den Kopf.

»Schade.«

Ich ging zu den Drinks und goss mir noch einen ein. Die Stille im Raum war unglaublich. Ich gab einen Spritzer Ginger Ale in den Whisky.

»Zieh deine Hosen aus, Arthur.«

»Mr. Fowler«, sagte Arthur, »ich sage die Wahrheit. Ehrlich.«

»Tu du es für ihn«, befahl ich Mickey.

»Hören Sie —«

Mickey schnitt Arthur das Wort ab, indem er an die Arbeit ging. Als ich mich umdrehte, hingen Arthurs Hose und Unterhose schon in den Kniekehlen. Mickey nahm Arthur das Glas aus der Hand und stellte es zu­rück auf den Klapptisch, hob die kurzen Stricke neben dem Eimer auf, band Arthurs Knöchel an die Stuhlbeine und fesselte seine Arme hinter der Rückenlehne. Als er damit fertig war, schob Mickey den Eimer etwas näher zu Arthur, wobei ein wenig Wasser über den Rand schwappte und auf dem nackten Fußboden landete. Dann verschloss er Arthur den Mund mit Mull und Heft­pflaster.

»Wir probieren ein paarmal den Knebel aus, Arthur«, erklärte Mickey Brice. »Du wirst schreien und du wirst wollen, dass wir ihn entfernen, damit wir hören können, wie du schreist und das erzählst, was Mr. Fowler wissen möchte. Aber wir machen das nicht sofort. Wie ich bereits gesagt habe, probieren wir’s zwei- oder dreimal mit dem Knebel, damit du dich daran gewöhnen kannst.«

Mickey holte die Handschuhe aus seiner Tasche und streifte sie über, schnappte sich die herabhängenden Kabel, fasste sie nicht direkt an ihren blanken Enden an. Ich nahm plötzlich Jeans Parfüm wahr, als sie sich ganz leise durch den Raum bewegte und neben mich stellte. Jetzt waren die Spiele vorbei.

DIE SEE

Selbst Jean weiß nichts von dem Bungalow.

Hat nichts davon gewusst.

Es gibt ihn seit sieben Jahren. Niemand in der Gegend hat Kenntnis, wem er gehört. Nicht einmal der Bauunternehmer, auch nicht der Mittelsmann, mit dem ich es zu tun bekam. Selbstredend stand ein Name auf den Schecks, die sie erhielten; nette Schecks, die sie anspornten, sich an meine Vorgaben und Wünsche hinsichtlich Inneneinrichtung und Termine zu halten. Seitdem er fertiggestellt wurde, bin ich erst viermal hier gewesen, was irgendwie schade ist, denn er ist wirklich schön. Und wenn ich nicht hier bin, sieht die Vereinbarung vor, dass sich der Mittelsmann um das Grundstück kümmert. Bin ich hier, sagt ihm ein Anruf, dass er das einstellen möge, und ein weiterer Anruf schickt ihn wieder in die Spur, wenn ich abgereist bin.

In den Bauplänen war der Sicherheit extreme Bedeutung zugekommen, genauso wie dem Keller. Ob ich etwas über den Stand der Abrüstungsverhandlungen wisse, was dem Präsidenten der Vereinigten Staaten noch nicht bekannt sei, fragte der Mittelsmann scherzend am Telefon, als ihm die Informationen zum Ausbau des Kellers vorlagen. Ich nahm ihm den kleinen Scherz nicht übel. Aber ich gab ihm zu verstehen, dass die Höhe des Ho­norars, das er erhalte, mich nach meinem Dafürhalten durchaus dazu berechtige, mich in seine Belange einzumischen. Danach legte er die diesem Ge­schäft angemessene Ernsthaftigkeit an den Tag.

Das Äußere des Hauses macht nicht viel her, also das, was man hinter den Ausläufern des Wäldchens erkennen kann. Es gibt zwei Schlafzimmer. Der Wohnbereich erstreckt sich über die gesamte Länge der nach Osten ausgerichteten Seite des Hauses, die der buckeligen Eintönigkeit des Stechginsters zugewandt ist, dem sanften Auf und Ab der Dünen dahinter und dem nicht sichtbaren Anlanden einer See, auf Distanz gehalten von der enormen Weite unberührten Sandes, der sich eine Viertelmeile vor den Dünen erstreckt, bevor er vom ersten Anschlagen des Wassers gestört wird. All das Sichtbare und Unsichtbare ereignet sich hinter einem Fenster, ähnlich dimensioniert wie das im Londoner Penthouse. Nur der Anblick ist ein anderer.

Betritt man den Wohnbereich, so liegt dieses Fenster zur Linken, der Sims jedoch, sofern man von durchschnittlicher Größe ist, befindet sich etwa dreißig Zentimeter über Augenhöhe. Aber wenn man die untere Ebene durchquert und die breite, offene Treppe zur zwei­ten, großzügiger gestalteten Ebene erklommen hat, dann befindet sich der untere Rand des Fensters in Höhe der Schuhe, vorausgesetzt, man trägt welche. Rein theoretisch. Nachdem die Handwerker gegangen waren, haben außer mir nur der Mittelsmann und sein Mitarbeiter einen Fuß in dieses Haus gesetzt.

Von dieser neuen Höhe aus böte sich einem nun die Möglichkeit, die See unter dem erhabenen Ostlicht auszumachen, einen nunmehr schmalen Streifen, geschuldet der Weitläufigkeit der Ebene aus Stechginster und Strand davor. Und hat man die höhere Ebene des Raumes er­reicht, sieht man an dessen anderem Ende Mauerwerk, von Wand zu Wand, von der Decke bis hinunter zum Boden, und in dieser Wand einen kleinen offenen Kamin, aluminiumumrandet. Die beiden einzigen anderen Brüche mit der beabsichtigten Monotonie dieser Wand sind das ein Meter zwanzig mal ein Meter große Gemälde von Allen Jones sowie eine schmale Schranktür, dahinter ein Rollwagen mit zwei Filmprojektoren, sechzehn und acht Millimeter. Nah bei dieser Wand platziert, beinahe rund um den Kamin kauernd mit Rücksicht auf das Gefühl von Kälte, hervorgerufen durch die längliche Optik des Raumes, dann der Großteil seines sparsamen Mobiliars, in seinem Charakter niedrig und komfortabel.

Die rechte Wand des Raumes wird von einem Regal verdeckt, das von der Backsteinwand bis zum Rand der Treppe reicht, die zur unteren Ebene führt. Neben ein paar Hundert Büchern, die, von der Zentralheizung ab­gesehen, dem Raum als Einziges eine Anmutung von Wärme verleihen, beherbergt dieses Regal die Hausbar, den Fernseher und die Stereoanlage samt Schallplatten und Bändern. Unmittelbar vor dem Regal, fast am Rand der Treppe nach unten, steht ein schwarzer Konzertflügel, und direkt unter der höheren Ebene des Raumes befindet sich die Garage, aktuell der Platz für einen unauffälligen Marina.

In die Backsteinwand eingelassen, nahe der Stelle, wo sie mit dem Regal zusammentrifft, befindet sich eine schmale Schalttafel. Einer der Schalter steuert die Leinwand, die von der Decke herabgleitet, wenn man es möchte.

Im Augenblick möchte ich es nicht.

Ich steige die offene Treppe hinauf, gehe zu den Drinks, gieße mir einen Scotch ein und betrachte Jeans Foto, das aus meiner Brieftasche zu ziehen und auf den Flügel zu stellen, ich mich vor ein paar Tagen habe zwingen müssen. Bis jetzt habe ich es vermieden, es zu be­trachten, so, wie es ich vermieden hatte, es aus meiner Brieftasche zu ziehen.

Eine Aufnahme, die ich vor einigen Jahren gemacht hatte, auf unserer Hochzeitsreise, als Jean die Villa auf Menorca zum ersten Mal gesehen hatte. Jean hatte am Rand des Pools gestanden, nackt und im Begriff hineinzuhechten, und ich hatte ihren Namen gerufen, woraufhin sie sich umdrehte, aber bereits mit zu viel Schwung für den Sprung, und ich betätigte den Auslöser in dem Moment, als es für sie zwischen der Kante des Pools und dem Wasser kein Zurück mehr gab. Ihr Lachen ist eingefroren in der Wärme des spanischen Sonnenlichts.

Ich nehme einen Schluck von meinem Scotch und be­trachte nun das Foto nicht länger und gehe hinüber zum Fenster und sehe mir eine andere Art Sonnenlicht an, während der Märzwind über die Weite des Himmels braust und über die See darunter.

DER RAUCH

Im Aufzug zum Penthouse war Jean still und angespannt. Sie hielt sich an mir fest, als sei ich eine Art rettender Anker, als könne ich sie bei einem Anfall von Schwindel stützen. Wenn es auch nicht mehr notwendig war, das zu erörtern, was Arthur uns erzählt hatte – das weitere Vorgehen stand fest und harrte nur noch der Durchführung –, fußte dieses Schweigen keineswegs auf einem Mangel an Gesprächsstoff. Das Gegenteil war der Fall. Vielleicht war ein vollständiger Gedankenaustausch zwischen uns allein mit einem Gespräch nicht zu ermöglichen.

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