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Kitabı oku: «Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Dritter Teil», sayfa 4

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Abt Sibold von 1180-1190

Abt Sibold oder Siboldus war der erste Abt von Lehnin, und in derselben Weise, wie der älteste Teil des Klosters am besten erhalten geblieben ist, so wird auch von dem ersten und ältesten Abt desselben am meisten und am eingehendsten erzählt. Die Erinnerung an ihn lebt noch im Volke fort. Freilich gehören alle diese Erinnerungen der Sage und Legende an. Historisch verbürgt ist wenig oder nichts. Aber ob Sage oder Geschichte darf gleichgültig für uns sein, die wir der einen so gerne nachforschen wie der andern.

Abt Sibold, so erzählen sich die Lehniner bis diesen Tag, wurde von den umwohnenden Wenden erschlagen, und im Einklange damit lesen wir auf einem alten, halb verwitterten Bilde im Querschiff der Kirche: „Seboldus, primus abbas in Lenyn, a Slavica gente occisus.“

Abt Sibold wurde also erschlagen. Gewiß eine sehr ernsthafte Sache. Die Geschichte seines Todes indessen wiederzugeben ist nicht ohne eigentümliche Schwierigkeiten, da sich, neben dem Ernsten und Tragischen, auch Tragikomisches und selbst Zweideutiges mit hineinmischt. Und doch ist über diese bedenklichen Partien nicht hinwegzukommen; sie gehören mit dazu. Es sei also gewagt.

Abt Sibold und seine Mönche gingen oft über Land, um in den umliegenden Dörfern zu predigen und die wendischen Fischerleute, die zäh und störrisch an ihren alten Götzen festhielten, zum Christentum zu bekehren. Einstmals, in Begleitung eines einzigen Klosterbruders, hatte Abt Sibold in dem Klosterdorfe Prützke gepredigt, und über Mittag, bei schwerer Hitze heimkehrend, beschlossen Abt und Mönch, in dem nahe beim Kloster gelegenen Dorfe Nahmitz zu rasten, das sie eben matt und müde passierten. Der Abt trat in eines der ärmlichen Häuser ein; die Scheu aber, die hier sein Erscheinen einflößte, machte, daß alles auseinanderstob; die Kinder versteckten sich in Küche und Kammer, während die Frau, die ihren Mann samt den andern Fischern am See beschäftigt wußte, ängstlich unter den Backtrog kroch, der nach damaliger Sitte nichts als ein ausgehöhlter Eichenstamm war. Abt Sibold, nichts Arges ahnend, setzte sich auf den umgestülpten Trog, die Kinder aber, nachdem sie aus ihren Schlupfwinkeln allmählich hervorgekommen waren, liefen jetzt an den See und riefen dem Vater und den übrigen Fischersleuten zu: „Der Abt ist da,“ zugleich erzählend, in welch eigentümlicher Situation sie die Mutter und den Abt verlassen hatten. Die versammelten Fischersleute gaben dieser Erzählung die schlimmste Deutung, und der bittre Groll, den das Wendentum gegen die deutschen Eindringlinge unterhielt, brach jetzt in lichte Flammen aus. Mit wildem Geschrei stürzten alle ins Dorf, umstellten das Haus und drangen auf den Abt ein, der sich, als er wahrnahm, daß ihm dieser Angriff gelte, samt seinem Begleiter durch die Flucht zu retten suchte. Der nahe Wald bot vorläufig Schutz, aber die verfolgenden Dörfler waren ausdauernder als der ältliche und wohlbeleibte Abt, der es endlich vorzog, einen Baum zu erklettern, um, gedeckt durch das dichte Laubgebüsch desselben, seinen Verfolgern zu entgehen. Der Mönchsbruder eilte inzwischen voraus, um Hilfe aus dem Kloster herbei zu holen. Abt Sibold schien gerettet, aber ein Schlüsselbund, das er beim Erklettern des Baumes verloren hatte, verriet sein Versteck und brachte ihn ins Verderben. Wohl kamen endlich die Mönche und beschworen den tobenden Volkshaufen, von seinem Vorhaben abzulassen. Der Säckelmeister bot Geld, der Abt selbst, aus seinem Versteck heraus, versprach ihnen Erlaß des Zehnten, dazu Feld und Heide, – aber die wilden Burschen bestanden auf ihrer Rache. Sie hieben, da der Abt sich weigerte herabzusteigen, die Eiche um und erschlugen endlich den am Boden Liegenden. Die Mönche, die den Mord nicht hindern konnten, kehrten unter Mißhandlungen vonseiten der Fischersleute in ihr Kloster zurück und standen bereits auf dem Punkte, wenige Tage später die Mauern desselben auf immer zu verlassen, als ihnen, so erzählt die Sage, die Jungfrau Maria erschien und ihnen zurief: Redeatis! Nihil deerit vobis (Kehret zurück; es soll euch an nichts fehlen), Worte, die allen ein neues Gottvertrauen einflößten und sie zu mutigem Ausharren vermochten. So die Tradition, von der ich bekenne, daß ich ihr anfangs mißtraute. Sie schien mir nicht den Charakter des zwölften Jahrhunderts zu tragen, in welchem das Mönchtum, gehoben und miterfüllt von den großen Ideen jener Zeit, auch seinerseits ideeller, geheiligter, reiner dastand als zu irgend einer anderen Epoche kirchlichen Lebens. Auch jetzt noch setze ich Zweifel in die volle Echtheit und Glaubwürdigkeit der Überlieferung und neige mich mehr der Ansicht zu, daß wir es hier mit einer im Laufe der Zeit, je nach dem Bedürfnis der Erzähler und Hörer, mannigfach gemodelten Sage zu tun haben, der, namentlich im fünfzehnten Jahrhundert, wo der Verfall des Mönchstums längst begonnen hatte, ein Liebes-Abenteuer, oder doch der Verdacht eines solchen, statt des ursprünglichen Motivs, nämlich des Rassenhasses, untergeschoben wurde.

Soweit meine Zweifel.

Auf der andern Seite deutet freilich (von der Backtrog-Episode und andern nebensächlichen Zügen abgesehen) alles auf ein Faktum hin, daß in seinem ganzen äußerlichen Verlauf, durch fast siebenhundert Jahre, mit großer Treue überliefert worden ist. Eine Menge kleiner Züge vereinigen sich, um es mindestens höchst glaubhaft zu machen, daß Siboldus der erste Abt war, daß er wirklich von den Wenden erschlagen wurde, daß sein Eintritt in ein Nahmitzer Fischerhaus das Signal zum Aufstande gab, und daß er, auf der Flucht einen Baum erkletternd, auf diesem Baume sein Versteck und endlich unter demselben seinen Tod fand. Die Überlieferungen nun, die sich sämtlich auf diese Punkte hin vereinigen, sind folgende:

Im Querschiff der Lehniner Kirche hängt bis diesen Tag ein altes Bild von etwa drei Fuß Höhe und fünf Fuß Länge, auf dem wir in zwei Längsschichten unten die Ermordung des Abtes, oben den Auszug der Mönche und die Erscheinung der Jungfrau Maria dargestellt finden. Vor dem Munde der Maria schwebt der bekannte weiße Zettel, auf dem wir die schon oben zitierten Worte lesen: Redeatis, nihil deerit vobis. Rechts in der Ecke des Bildes bemerken wir eine zweite lateinische, längere Inschrift, die da lautet:

Anno milleno centeno bis minus unosub patre Roberto cepit Cistercius ordo.Annus millenus centenus et octuagenusquando fuit Christi, Lenyn, fundata fuistisub patre Siboldo, quam Marchio contulit OttoBrandenburgensis; aprilis erat quoque mensis.Hic iacet ille bonus marchravius Otto, patronusistius ecclesiae. Sit, precor, in requie!Hic iacet occisus prior abbas, cui paradisusiure patet, Slavica quem stravit gens inimica.

Zu deutsch etwa:

Im Jahre 1098 begann, unter dem Pater Robert, der Zisterzienser-Orden. Als das Jahr Christi 1180 war, bist du, Lehnin, gegründet worden unter dem Pater Siboldus, welches der Markgraf Otto von Brandenburg dotiert hat, es war auch der Monat April. Hier ruhet jener gute Markgraf Otto, der Schützer dieser Kirche. Er möge in Frieden schlafen. Hier ruht auch der erste gemordete Abt, dem das Paradies mit Recht offen steht, den das feindselig gesinnte Slavenvolk ermordet hat.

Diese Inschrift ist die Hauptsache, besonders durch die Form ihrer Buchstaben. Das Bild selbst nämlich ist eine Pinselei, wie sie von ungeschickten Händen in jedem Jahrhundert (auch jetzt noch) gemalt werden kann, die Inschrift aber gehört einem ganz bestimmten Jahrhundert an. Der Form der Buchstaben nach ist das Bild zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts gemalt, und so ersehen wir denn mit ziemlicher Gewißheit aus diesem Bilde, wie man sich etwa um das Jahr 1400, oder wenig später, im Kloster selbst die Ermordung des Abtes Sibold vorstellte. Zweihundert Jahre nach seinem Tode konnte diese Tradition, zumal bei den Mönchen selbst, durchaus noch lebendig und zuverlässig sein. Die Sagen unterstützen den Inhalt dieses Bildes bis diesen Tag.

Ich sprach eingangs schon von einem Stücklein Poesie, das mit dem Tode des Abtes verknüpft sei, und diese poetische Seite ist wirklich da. Aber sie zeigt sich vielmehr in den gespenstigen Folgen der Untat, als in dieser selbst.

In dem mehrgenannten Dorfe Nahmitz bezeichnet die Überlieferung auch heute noch das Gehöft, in das damals der Abt eintrat. Das Haus selbst hat natürlich längst einem anderen Platz gemacht, doch ist ein Unsegen an der Stelle haften geblieben. Die Besitzer wechseln, und mit ihnen wechselt die Gestalt des Mißgeschicks. Aber das Mißgeschick selber bleibt. Das Feuer verzehrt die vollen Scheunen, böse Leidenschaften nehmen den Frieden, oder der Tod nimmt das liebste Kind. So wechseln die Geschicke des Hauses. Jetzt ist Siechtum heimisch darin. Die Menschen trocknen aus, und blut- und farblos, jeder Freude bar, gehen sie matt und müd’ ihrer Arbeit nach.

Und wie die Tradition im Dorfe Nahmitz das Haus bezeichnet, so bezeichnet sie auch in dem schönen Eichenwalde zwischen Nahmitz und Lehnin die Stelle, wo der Baum stand, unter dem die Untat geschah. Der Stumpf war jahrhundertelang zu sehen; daneben lag der abgehauene Stamm, über den keine Verwesung kam und den niemand berühren mochte, weder der Förster, noch die ärmsten Dorfleute, die Reisig im Walde suchten. Der Baum lag da wie ein herrenloses Eigentum, sicher durch die Scheu, die er einflößte. Erst im vorigen Jahrhundert kam ein Müller, der lud den Stamm auf und sagte zu den Umstehenden: „Wind und Teufel mahlen gut.“ Aus dem Stamm aber ließ er eine neue Mühlenwelle machen und setzte die vier Flügel daran. Es schien auch alles nach Wunsch gehen zu sollen und die Mühle drehte sich lustig im Winde, aber der Wind wurde immer stärker und in der Nacht, als der Müller fest schlief, schlugen plötzlich die hellen Flammen auf. Die Mühlwelle, in immer rascherem Drehen, hatte Feuer an sich selber gelegt und alles brannte nieder.

„Wind und Teufel mahlen gut“, raunten sich anderen Tags die Leute zu.

Abt Hermann von 1335-1342

Abt Sibold wurde etwa um 1190 oder etwas später von den umwohnenden Wenden ermordet. Die Urkunden erwähnen dieses Mordes nicht, wie denn überhaupt die ziemlich zahlreichen Pergamente aus der askanischen Epoche lediglich Schenkungsurkunden sind. Es vergehen beinah anderthalb hundert Jahre, bevor wieder ein Lehniner Abt mit mehr als seinem bloßen Namen vor uns hintritt. Dieser Abt ist Hermann von Pritzwalk. Zwei Urkunden von 1335 und 1337 erwähnen seiner; erst eine dritte indes, vom Jahre 1339, gibt uns ein bestimmtes Bild des Mannes, freilich kein schmeichelhaftes. Wie weit wir dieser Schilderung zu trauen haben, das wollen wir nach Mitteilung des Hauptinhaltes der Urkunde, die sich als ein Erlaß des Papstes Benedikts XII. an die Äbte von Kolbatz, Stolp und Neukampen gibt, festzustellen suchen.

Dieser Urkunde nach, die also nichts anderes ist, als ein päpstliches Schreiben (Breve), erschien der Mönch Dietrich von Ruppin, ein Mitglied des Lehniner Klosters, im Jahre 1339 vor Papst Benedikt XII. in Avignon und teilte demselben in Gegenwart des Konsistoriums mit, daß durch „Anschürung des alten Feindes des Menschengeschlechts“ seit etwa fünfzehn Jahren in Kloster Lehnin eine Trennung und Scheidung der Mönche stattgefunden habe, dergestalt, daß die mächtigere Partei, die sich die Loburgsche nenne, einen Terrorismus gegen die schwächere übe und dieselbe weder zu Wort, noch am wenigsten zu ihrem Rechte kommen lasse. An der Spitze dieser stärkeren Partei (der Loburgschen) hätten, bei Bildung derselben, die drei Mönche Theodorich von Harstorp, Nikolaus von Lützow und Hermann von Pritzwalk gestanden, die denn auch, durch ihre und ihrer Partei Übergriffe und Machinationen, ohne den kanonisch festgestellten Wahlmodus irgendwie inne zu halten, sich nach einander zu Äbten des Klosters aufgeworfen hätten.

Unter der Regierung dieser drei Eindringlings-Äbte seien alsdann, von den Anhängern der Loburgschen Partei, sowohl innerhalb wie außerhalb des Klosters, die größten Verbrechen begangen worden. So sei unter anderm ein Adliger aus der Nachbarschaft, mit Namen Falko, der zur Zeit des Abtes Nikolaus von Lützow im Kloster ein Nachtlager bezogen habe, von verschiedenen Laienbrüdern des Klosters, darunter namentlich der Anhang des damaligen Mönches, jetzigen Abtes Hermann, überfallen und samt seiner Begleitung ermordet worden. Als am andern Morgen das Gerücht von diesem Morde die Klosterzellen erreicht habe, sei Hermann (genannt von Pritzwalk) mit seinem Anhang an den Ort der Tat geeilt, und habe denn auch den Ritter Falko, sowie drei seiner Begleiter bereits erschlagen, zwei andere Dienstmannen aber schwer verwundet, im Bettstroh versteckt, vorgefunden. Mönch Hermann habe nunmehr Befehl gegeben, auch diese Verwundeten zu töten. Die Waffen Falkos aber habe er als Beute an sich genommen und späterhin vielfach gebraucht.

Dieser Mord, so heißt es in der Urkunde weiter, habe alsbald eine mehr als zehnjährige Fehde hervorgerufen, in der durch die Anhänger des Ritters Falko nicht nur drei Laienbrüder und viele Knechte und Schutzbefohlene des Klosters getötet, sondern auch die Güter desselben durch Raub, Brand und Plünderei verwüstet worden seien, so daß man den Schaden auf über 60 000 Goldgulden geschätzt habe. Während dieser Fehden und Kriegszüge hätten die Mönche zu Schutz und Trutz beständig Waffen geführt, so daß sie, ganz gegen die Ordensregel, im Schlafsaal und Refektorium immer gewaffnet erschienen wären. An den Kämpfen selbst hätten viele der Fratres teil genommen, andere, namentlich von den Laienbrüdern, hätten das Kloster verlassen und ein anderes Obdach gesucht.

Auch von den Hintersassen des Klosters seien Mord und Brand und Untaten aller Art verübt worden, als deren moralische Urheber das umwohnende Volk längst gewohnt sei, die Klosterbrüder anzusehen, weshalb denn auch all die Zeit über der Notschrei zugenommen habe, daß die Lehninschen Mönche vertrieben und durch Ordensbrüder von besserem Lebenswandel ersetzt werden möchten. Bei Gelegenheit dieser Fehden und Kämpfe seien übrigens die beweglichen und unbeweglichen Güter des Klosters vielfach veräußert und verpfändet worden.

Die Urkunde berichtet ferner, daß ein Laienbruder, der bei der Ermordung Falkos mit zugegen war und hinterher den Mut hatte auszusprechen, „daß dieser Mord auf Befehl des Abtes und seiner Partei stattgefunden“, ins Gefängnis geworfen und innerhalb zehn Tagen von den Mönchen der Loburgschen Partei ermordet worden sei. Das päpstliche Schreiben meldet endlich, daß nach den Aussagen Dietrichs von Ruppin, der an der Ermordung Falkos und der Seinen vorzugsweise beteiligte Mönch Hermann jetzt Abt des Klosters sei, wobei die herrschende Mönchspartei von dem vorgeschriebenen Wahlmodus abermals Umgang genommen und die gesetzlich geregelte Einführung unterlassen habe. Abt Hermann, dessen Wahl jeder Gesetzlichkeit und Gültigkeit entbehre, habe, wie sein Vorgänger, das Vermögen des Klosters verschleudert, die Ordensregeln mißachtet und ein dissolutes Leben geführt, und als besagter Abt endlich willens gewesen sei, ihn, den „Dietrich von Ruppin“, wegen Dispenses und wegen Absolution für die oben geschilderten Verbrechen an die päpstliche Kurie abzusenden, habe er ihn – lediglich weil er zuvor Rücksprache mit dem Abte eines anderen vorgesetzten Klosters genommen habe – durch einige Mönche und Konversen gefangen nehmen, in Eisen legen und neun Monate lang in den Kerker werfen lassen, alles mit der ausgesprochenen Absicht, ihn durch schwere Peinigungen vom Leben zum Tode zu bringen. Einen anderen Konversen des Klosters aber, mit Namen Geraldus, habe Abt Hermann wirklich töten lassen.

Die Urkunde schließt dann mit einer Aufforderung an die obengenannten Äbte von Kolbatz, Stolp und Neukampen, den Fall zu untersuchen und darüber zu befinden, damit die Angeklagten, wenn ihre Schuld sich herausstellen sollte, vor dem päpstlichen Stuhle erscheinen und daselbst ihren Urteilsspruch gewärtigen mögen.

Soweit der Inhalt der Urkunde von 1336. Ob die Äbte sich des mißlichen Auftrags entledigt und, wenn so geschehen, welche Entscheidung sie getroffen oder welchen Bericht sie an Papst Benedikt gerichtet haben, darüber erfahren wir nichts. Übrigens dürfen wir vermuten, daß, gleichviel, ob die Untersuchung stattfand oder nicht, die Dinge unverändert ihren Fortgang genommen haben werden. Und wahrscheinlich mit Recht. Wir setzen nämlich in die Mitteilungen des Mönches Dietrich von Ruppin keineswegs ein unbedingtes Vertrauen und vermuten darin vielmehr eine jener halbwahren Darstellungen, die meist da Platz greifen, wo die Dinge von einem gewissen Parteistandpunkt aus angesehen, oder, wie hier, Anklagen in zum Teil eigner Angelegenheit erhoben werden. Abt Hermann scheint uns weit mehr ein leidenschaftlicher Parteimann als ein Verbrecher gewesen zu sein.

Stellen wir alle Punkte von Belang zusammen, die sich aus den Aussagen Dietrichs von Ruppin ergeben, so finden wir

• 1) daß im Kloster zwei Parteien waren, von denen die stärkere die schwächere terrorisierte und die Äbte aus ihrer, der Majorität, Mitte wählte;

• 2) daß Ritter Falko von der stärkeren oder Loburgschen Partei ermordet wurde;

• 3) daß das Kloster nach Dispens und Absolution vonseiten des Papstes verlangte, und

• 4) daß Dietrich von Ruppin abgeordnet wurde, um die Absolution einzuholen, wegen vorgängiger Plauderei aber ins Gefängnis geworfen wurde.

Unter diesen vier Punkten involviert der zweite, die Ermordung Falkos, ein schweres und unbestreitbares Verbrechen. Der Umstand indessen, daß Abt Hermann für sich und sein Kloster nach der Absolution des Papstes verlangte, deutet darauf hin, daß das Geschehene mehr den Charakter einer sühnefähigen Schuld als den einer schamlosen Missetat hatte. Denn sollte die Gnade des Papstes angerufen werden, so mußten notwendig Umstände vorauf oder nebenher gegangen sein, die imstande waren, eine Brücke zu bauen und für die Schuld bei der Gnade zu plaidieren. Solche entschuldigenden Umstände waren denn wohl auch wirklich da und lagen, wie wir mehr oder weniger aus der Anklage selbst entnehmen können, in dem Parteihaß, der eben damals die ganze Mark in zwei Lager teilte. Es war die bayrische Zeit. Dies sagt alles. Es waren die Tage, wo die Berliner den Propst von Bernau erschlugen und die Frankfurter den Bischof von Lebus verjagten; es waren die Tage des Bannes und des Interdikts, Tage, die dreißig Jahre währten, und in denen sich das Volk der Kirche so entfremdete, daß es verwundert aufhorchte, als zum ersten Male wieder die Glocken durchs Land klangen. Der alte Kampfesruf „hie Welf, hie Waibling!“ schallte wieder allerorten und „bayrisch oder päpstlich“ klang es vor allem auch in der Mark Brandenburg. Lehnin, gehegt und gepflegt vom Kaiser und seiner Partei, war bayrisch, der märkische Adel, vielfach zurückgesetzt, war antibayrisch. Aus diesem Zustande ergaben sich Konflikte zwischen dem Kloster und dem benachbarten Adel fast wie von selbst, und die Ermordung Falkos, die nach den Aussagen Dietrichs von Ruppin einfach als ein brutaler Bruch der Gastfreundschaft erscheint, war möglicherweise nur blutige Abwehr, nur ein Rachenehmen an einem Eindringling, der sich stark genug geglaubt hatte, den Klosterfrieden brechen zu dürfen. Ritter Falko und die Seinen, wenn sie wirklich Gäste des Klosters waren, waren vielleicht sehr ungebetene Gäste, Gäste, die sich nach eigenem Dafürhalten im Kloster einquartiert hatten, vielleicht im Komplott mit der Minorität, die höchst wahrscheinlich zum Papste hielt.6

Dies alles sind freilich nur Hypothesen. Aber wenn sie auch nicht absolut das Richtige treffen, so lehnen sie sich doch an Richtiges an und schweifen wohl nicht völlig in die Irre.

Was immer indes das Motiv dieses Mordes gewesen sein möge, entschuldbarer Parteihaß oder niedrigste Ruchlosigkeit, so viel erhellt aus dieser Überlieferung, daß die Kloster Lehninschen Tage nicht immer interesselos verliefen, und daß, wenn wir dennoch im großen und ganzen einer gewissen Farblosigkeit begegnen, der Grund dafür nicht darin zu suchen ist, daß überhaupt nichts geschah, sondern lediglich darin, daß das Geschehene nicht aufgezeichnet, nicht überliefert wurde.

Mönch Hermann, der mit seinem Anhang an die Stätte des Mordes vordringt, die Verwundeten in ihren Strohverstecken tötet oder töten läßt, dann selber, während zehnjähriger Fehde, in Schlafsaal und Refektorium die Waffenrüstung Falkos trägt, – das gibt schon Einzelbilder, denen es keineswegs an Farbe fehlt, auch nicht an jenem Rot, das nun einmal die Haupt- und Grundfarbe aller Geschichte ist.

Über den Ausgang des Abtes Hermann erfahren wir nichts; sehr wahrscheinlich, daß er noch eine Reihe von Jahren dem Kloster vorstand. Erst 1352 finden wir den Namen eines Nachfolgers verzeichnet.

6.Daß die Majorität des Klosters und dadurch das Kloster selbst entschieden bayrisch war, ergibt sich unter anderm daraus, daß Papst Clemens in seiner Bannbulle am 14. Mai 1350 eigens Veranlassung nahm, dem Kloster seine Hinneigung zur Sache des bayrischen Hauses vorzuwerfen. Auch das Erscheinen des Klage führenden Mönchs vor dem Papst, während ihm doch andere Tribunale, weltliche wie geistliche, so viel näher gelegen hätten, spricht dafür, daß der zu verklagende Abt Hermann, samt der Majorität des Klosters, (der Loburg-Partei) antipäpstlich, d. h. also bayrisch war.
Yaş sınırı:
12+
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28 ekim 2017
Hacim:
591 s. 2 illüstrasyon
Telif hakkı:
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