Kitabı oku: «Die fliegende Schule der Abenteurer»

Yazı tipi:

eISBN 978-3-649-63816-2

© 2020 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG,

Hafenweg 30, 48155 Münster

Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise

Lizenziert durch: Mack Media & Brands GmbH & Co. KG.

Geschäftsführer Michael Mack

Die Figuren um die ACE Scouts und Die fliegende Schule der Abenteurer sowie die Storywelt um den Adventure Club of Europe sind urheberrechtlich geschützt und eingetragene Marken der MackMedia & Brands GmbH & Co KG.

In Kooperation mit

Basierend auf einer Idee von:

Michael Mack, Jörg Ihle, Nils Feigenwinter, Tobias Mundinger

Text: THiLO

Illustrationen: Max Meinzold

Layout: Max Meinzold und Helene Hillebrand

Lektorat: Anja Fislage, David Ginnuttis

Satz: Helene Hillebrand, Bielefeld

www.coppenrath.de

Die Print-Ausgabe erscheint unter der ISBN 978-3-649-63722-6.



Inhalt

Prolog - Eine Entscheidung mit Folgen

Gäste aus aller Welt

Zu spät!

Fest mit Überraschungen

Wo sind denn alle?

Eine Gruppe von Außenseitern

BONE

Ein kühner Plan

Kopfüber ins Abenteuer

Die Eismaschine im Heuhaufen

Ein Eimer voll Blut

Gefangen

Elf-Finger-Louie

Auf der Flucht

Kurs: Tempel des Feuertigers

Im Dschungel

Der Tempel des Feuertigers

Die vier erscheinen

Sonderstatus

Dank

Prolog -
Eine Entscheidung mit Folgen


Professor Severin Maximov knallte seine flache Hand auf den Tisch. „Nein!“

Der weißhaarige Mann zitterte vor Aufregung am ganzen Leib. Die Ader auf seiner Stirn war geschwollen.

Die anderen drei Männer im Raum erschraken. So unbeherrscht wie in diesem Moment hatten sie den Leiter der ACE-Akademie noch nie erlebt.

Catherine Noir zuckte als einzige Person im Raum nicht einmal mit der Wimper.

„Doch!“, erwiderte sie ruhig, aber bestimmt.

Severin Maximov sprang so heftig auf, dass sein Stuhl zu Boden kippte.

„Arrgggh, wie kann man nur so dickköpfig sein!“, schimpfte er. „Sie werden in die Geschichte eingehen, meine Liebe! Catherine Noir, die 22. Präsidentin des ACE, ließ sich trotz aller Warnungen das wertvollste Artefakt des Clubs stehlen.“ Wieder schlug er auf den Tisch.

„Leichtsinnig! Stur! Geradezu … dumm …!“

Catherine Noir stand auf und ging zum Fenster. Der Park von Deep Fog Castle war in Dunkelheit versunken. Nur die Umrisse der Bäume waren gegen den Mond zu sehen. Sie war rauen Umgangston gewohnt. Wenn es um verschollene Schiffe, versunkene Städte oder Gerüchte um unbekannte Lebewesen ging, versuchte jedes Club-Mitglied, die Präsidentin von einer Expedition zu überzeugen. Auch mal mit wüsten Beschimpfungen. Catherine Noir freute sich sogar insgeheim über die Leidenschaft der Abenteurer. Denn genau dieses Feuer, das in allen Mitgliedern brannte, hielt den Club seit 1716 am Leben. Severin Maximov jedoch sah nun dessen Existenz gefährdet.

Noir drehte sich wieder zu den Männern um.

„In sieben Tagen beginnt das neue Schuljahr“, erwiderte sie. „Als Höhepunkt des Festes wird immer – auch in diesem Jahr! – der legendäre Feuertiger präsentiert.“

Severin Maximov raufte sich die Haare. „Der Feuertiger ist mehr als nur ein goldener Dolch, Madame! Er ist das Symbol unseres Clubs! Durch ihn wurde unser Gründer Bartholomeus van Robbemond vom Piraten zum Sammler und Beschützer einzigartiger Artefakte. Wenn er gestohlen würde, dann …“

Nun mischte sich auch Mads-Arnor Helmstad in das Gespräch ein. Der Norweger war lang, hager und hatte einen struppigen strohblonden Bart und zerzauste Haare. Durch all das zusammen wirkte er wie eine Birke, die eben erst einen Orkan überstanden hatte.

„Catherine, meine Quelle ist wirklich vertrauenswürdig“, beschwor er die Präsidentin. „Der Dolch soll gestohlen werden. Niemand Geringeres als das Phantom mit der Maske wurde damit beauftragt …“

Severin Maximov bückte sich nach seiner Aktentasche und tauchte mit einem Stapel internationaler Zeitungen wieder auf. Er warf sie auf den Tisch, als wollte er dort ein Lagerfeuer vorbereiten.

„Da!“, rief er verächtlich. „Paris, London, New York – sogar im Sudan wird über ihn berichtet!“

Tatsächlich hatte es der berüchtigte Meisterdieb bei den meisten dieser Zeitungen auf die Titelseite geschafft. Diesmal nach dem dreisten Raub eines Van-Gogh-Gemäldes aus einem Museum bei Amsterdam. Wie nach jedem erfolgreichen Einbruch winkte das Phantom auch hier dreist in eine Sicherheitskamera, natürlich mit seiner berühmten Panthermaske über dem Gesicht.

„Catherine …“, brummte Dr. Helmut Martinsberger mit der beruhigenden Stimme eines Löwenbändigers. „Im Tresorraum liegt der Feuertiger sicher. Im Rittersaal jedoch …“

Maximov und Helmstad nickten.

Catherine Noir aber warf nur einen kurzen Blick auf die Zeitungen.

„Muss ich euch daran erinnern, wer wir sind?“, stauchte sie die Männer zusammen. „Seit über dreihundert Jahren erforschen und entdecken die Mitglieder des Adventure Club of Europe die Geheimnisse und Mysterien dieser Welt. Von den Tiefen von Loch Ness bis auf die Gipfel des Himalajas – kein Risiko, keine Gefahr konnte die tapferen Männer und Frauen des ACE jemals aufhalten. Und nun sollen wir vor einem Dieb mit einer Leopardenmaske in die Knie gehen?“

„Panther …“, widersprach Helmstad zögerlich. „Das Phantom trägt eine Panthermaske …“

Noir achtete nicht auf ihn.

„Ob die Gebrüder Eulenstein, Entdecker der Lüfte, Ursula Weber, die Erfinderin des ersten Androiden, oder unser Gründungsvater – sie alle glaubten an das Unglaubliche, das Unfassbare.“

Unvermittelt schlug nun auch Noir auf den Tisch. „Ich werde nicht zulassen, dass sich die heutigen Mitglieder wie Kaninchen in ihren Höhlen verkriechen. Das Phantom will uns besuchen? Schicken wir ihm eine Einladung!“

Nun räusperte sich der Mann auf dem Sessel, der bisher mit keinem Wort zu der Diskussion beigetragen hatte. Harold Godric McFinnegan war Lehrer für Kartografie und Geomantie – und Schotte. Wie die meisten seiner Landsleute war auch McFinnegan kein Mann großer Worte.

„Schotten fürchten sich vor nichts und niemandem“, knurrte er bärbeißig. „Außer, dass der Whisky alle ist …“

Noir lächelte. „Dann bleibt alles so wie immer! Meine Stimme zählt dreifach!“

Maximov boxte mehrmals wutschnaubend in die Luft. Dann drehte er sich um und verließ das Zimmer. Die anderen Männer folgten ihm.

Catherine Noir blieb alleine zurück. „Jede Krise birgt auch eine Chance …“, murmelte sie und verstaute die Zeitungen in ihrer Schublade.

Bevor sie die Lade schloss, fiel ihr Blick noch auf eines der Fotos vom Phantom mit der Panthermaske. Es lächelte zurück. So als würde es sich auf das Kräftemessen mit dem ACE freuen.

Gäste aus aller Welt


Belle Pompadour saß auf dem Beifahrersitz des schwarzen Oldtimers, der mit 160 Stundenkilometern die schmale Straße entlangbretterte und genoss den scharfen Fahrtwind. Zwischendurch überprüfte sie immer wieder ihre Frisur. Heute Vormittag hatte sie sich in London eine rosa Strähne ins blonde Haar färben lassen, noch hatte sie sich nicht daran gewöhnt. Sie klappte den Spiegel hoch. Genauso wenig würde sie sich jemals an die Sturheit ihres Vaters gewöhnen. Die Straßen wurden immer schmaler und schlechter – aber Pierre Pompadour weigerte sich einfach, ein Navi anzustellen.

„Papa“, ermahnte sie ihn. „Sind wir auch wirklich richtig? Ich habe seit einer Viertelstunde kein einziges Straßenschild mehr gesehen.“ Auch an Häusern, geschweige denn Menschen, waren sie schon ewig nicht mehr vorbeigekommen.

Pierre Pompadour grinste und drückte das Gaspedal noch mehr durch. Belle seufzte und sah aus dem Fenster. Sie war aufgeregt wie … wie … na, wie an ihrem ersten Schultag eben. Ihre Familie hatte bisher mit dem ACE absolut nichts zu tun gehabt. Der Club war auf sie aufmerksam geworden, weil Belle nach einer missglückten Safari als Achtjährige eine Woche alleine in der Sahara überlebt hatte. Außerdem beherrschte sie mittlerweile acht Sprachen und war eine Expertin für Hieroglyphen des Altertums. Trotzdem war Belle angespannt. Konnte sie mit all den Supertalenten der Akademie überhaupt mithalten? Die meisten der anderen Schülerinnen und Schüler stammten aus Familien, die seit Jahrhunderten mit dem Adventure Club of Europe zu tun hatten, wie Belle wusste. Deren Vorfahren waren bei Ausgrabungen von ägyptischen Pharaonen dabei gewesen, hatten die letzten Tasmanischen Tiger in Australien wieder ausgewildert oder 1924 an der ersten unbemannten Mondumrundung teilgenommen (die Passagiere waren ausschließlich Frauen gewesen, was Belle sehr belustigte …).

Und sie? Ja, sie hatte eine Menge Wissen zu bieten und nebenbei auch noch alle Jugendturniere Frankreichs im Fechten gewonnen. Aber reichte das?

Mit quietschenden Reifen bog der Oldtimer im letzten Moment in einen Waldweg ein.

„Papa!“, brüllte Belle aufgeregt.

„Belle!“, antwortete ihr Vater mit einem beinahe schon herablassenden Lächeln. „Ich bin noch immer da hingekommen, wo ich hinwollte. So ein modernes Gerät passt einfach nicht zu diesem Auto.“

Belle schnaubte. „Wenn wir zu spät kommen, dann …“

Pierre Pompadour kaute auf den Spitzen seines Schnurrbartes herum. Da plötzlich die Sicht schlechter wurde, musste er das Tempo auf für ihn lahme 120 km/h drosseln. Es wurde von Minute zu Minute nebeliger. Bald sah Belle fast gar nichts mehr. Und dann standen sie vor einer alten Mühle. Dahinter war nur Wald.

„Bist du sicher, dass das die Akademie ist?“, fragte Belle spitz.

Pierre Pompadour antwortete nicht. Er riss nur das Steuer herum, gab Vollgas und brauste in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.

Belle hätte ihn erwürgen können! Wie konnte man nur so verstockt sein! Wahrscheinlich waren sie von Deep Fog Castle mittlerweile weiter entfernt als vom Mond! Der Nebel allerdings passte immerhin. Aber den gab es in England ja häufiger als Wochentage …

Belle wurde herumgeschleudert, als ihr Vater in eine Allee einbog. Hupend überholte er einen dreckverkrusteten Geländewagen mit ausklappbarem Zelt auf dem Dach. Auch an einem glänzenden Sportwagen drängelte er sich vorbei. Und dann war sie plötzlich da. Wie aus dem Nichts tauchte die Burg aus dem dichten Nebel auf, der ihr den Namen gab.

Schwungvoll jagte Pierre Pompadour unter den acht langen Metallbeinen eines käferähnlichen Reiseobjekts hindurch auf den Vorplatz der Burg. Die Limousine bremste scharf, sodass der Kies in alle Richtungen spritzte.

Pierre Pompadour hielt Belle seine Armbanduhr unter die Nase. „15 Uhr, auf die Sekunde pünktlich!“

Augenblicklich riss Belle die Beifahrertür auf und sprang mit hochrotem Kopf aus dem Wagen.

„Danke für die tolle Fahrt, Papa!“, schimpfte sie und warf die Tür zu. Stampfend ging sie zum Kofferraum und holte ihren Seesack hervor. „Weißt du, was?“, rief sie ihrem Vater zu. „Du darfst auch ohne Navi zurückfahren – und zwar jetzt gleich. Das Fest möchte ich gerne genießen, ohne dich.“

Damit drehte sie sich um und stampfte auf einen Stehtisch zu, an dem zwei Lehrer kühle Getränke und traditionelle Gurkensandwichs servierten.

„Belle!“, rief ihr Vater ihr hinterher. „Was hast du denn?“

Doch Belle drehte sich nicht noch einmal um. Ein Lehrer, der wie eine Birke aussah, hielt Belle sein Tablett hin. Doch ihr war der Appetit vergangen. Sie wollte nur noch möglichst schnell auf ihr Zimmer.

Vor dem Eingang der Burg hatte sich eine Schlange gebildet. Belle stellte sich hinten an, was sonst. Neben dem Tor stand ein rothaariger älterer Mann mit ebenso rotem Bart und begrüßte jeden der Ankömmlinge mit Handschlag. Beim Näherkommen erkannte Belle in ihm einen Lehrer, den sie schon bei ihrem Vorstellungsgespräch vor ein paar Monaten kennengelernt hatte.

Harold Godric McFinnegan trug wie immer einen dreiteiligen Tweed-Anzug und sah genauso aus, wie Belle sich einen ehrbaren Professor vorstellte. Jedenfalls wirkte er ganz und gar nicht wie ein verwegener Abenteurer. Aber er repräsentierte den Club mit altenglischem Charme und Klasse – auch wenn er natürlich stolzer Schotte war, wie Belle wusste.

„Ohne Krawatte hockt der sich noch nicht mal in die Badewanne“, behauptete ein Schüler hinter Belle felsenfest.


Als Belle an vorderster Stelle in der Schlange war, erklang hinter den Dächern von Deep Fog Castle ein Knallen wie von Pistolenschüssen. Alle fuhren herum. Ein merkwürdiges Fluggerät kurvte zwischen den Türmen hindurch. Es sah aus wie eine Wurst aus Eisen, aus drei dicken Rohren quoll schwarzer Rauch hervor. Das Ding drehte einen Looping, stoppte mit quietschenden Bremsen in der Luft und senkte sich dann zu Boden. Zischend öffnete sich eine Luke und eine vierköpfige Familie kletterte ins Freie, Vater, Mutter und zwei Jungen. Der jüngere von ihnen sah sich mit puterrotem Kopf um. Der Vater nahm die Schutzbrille ab und schob seinen Sohn auf McFinnegan zu.

„Harold, wie schön!“, grüßte der Mann. „Bewunderst du meine neuste Erfindung? Es ist ein Ü-Boot. Das Ü steht für Über – Überland, Überwasser, Überwolken!“

McFinnegan nickte höflich, aber nicht überschwänglich.

„Darf ich dir deinen neuen Schüler vorstellen“, fuhr der Pilot fort. „Das ist Oli!“

Der Junge sah beschämt zu Boden. „Ich heiße Oliver!“, beschwerte er sich mit piepsiger Stimme. „Das i am Ende eines Namens ist die Verniedlichungsform. Ich bin aber kein Wellensittich!“

„Oliver Snyder, willkommen“, begrüßte McFinnegan den Jungen. „Wir haben dich in Zimmer Machu Picchu untergebracht.“

Olivers Vater klatschte in die Hände. „Ah, herrlich! Das war auch meine Bude – und die deiner Großmutter!“, er lachte überlaut. „Machu Picchu, Oli, die sagenumwobene Inkastadt in den Anden! Wir sind eben für Höheres geboren!“

Oliver Snyder rollte mit den Augen.


Belle biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht war sie doch zu streng mit ihrem Vater gewesen. Egal wie peinlich er sich benahm, offenbar ging es noch viel, viel schlimmer …

Mitten im Park erschien nun wie aus dem Nichts ein riesiger Elefant. Auf seinem Rücken hockte eine 90-jährige Frau mit dunkler Haut und schneeweißen Haaren. Sie trug unzählige Ketten um den Hals. An ihren Schultern hielt sich ein Mädchen fest, das mit großen Augen die Burg begutachtete. Ebenso neugierig schielte ein Erdmännchen aus ihrem Rucksack hervor.

„Oni Amaka“, murmelte der Lehrer. „Scheint die Gabe ihrer Urgroßmutter geerbt zu haben …“

Die Elefantenkuh umfasste ihre Reiterin mit dem Rüssel und setzte sie behutsam neben einem Pfefferminzbeet ab. Oni hangelte an den Falten des Dickhäuters wie an einer Strickleiter herunter. Das Erdmännchen feuerte sie mit lautem Kreischen an. Kaum waren beide unten, verschwammen die Umrisse des Elefanten, bis er schließlich ganz verschwunden war.

Belle lachte wie irre los. Der Elefant verschwand einfach! Sie blickte sich um, doch keiner der anderen Menschen rundherum schien das für besonders außergewöhnlich zu halten.

Belle schnaufte tief durch. Einerseits hatte sie noch mehr das Gefühl, nicht gut genug für diese Akademie zu sein. Andererseits brannte sie darauf, die Geschichte jedes einzelnen Schülers zu hören.

Als sie wieder nach vorne sah, stand eine Frau neben ihrem Lehrer. Sie hatte schulterlange dunkle Haare und war ganz in vornehmes Schwarz gekleidet. Ihr roter Lippenstift betonte nicht nur ihre Schönheit, sondern verlieh ihr auch etwas Geheimnisvolles.

„Belle Pompadour, willkommen auf Deep Fog Castle“, begrüßte sie Belle auf Französisch. Belle mochte sie nicht nur deshalb sofort. „Ich bin Catherine Noir, die Präsidentin des ACE. Ich glaube, wir beide habe mehr gemeinsam als unsere Nationalität.“

Sie lächelte rätselhaft. Dann sah sie an der Burg hinauf. Hinter einem der Fenster erkannte Belle Severin Maximov, den Direktor der Akademie, der sie damals eingeladen hatte.

„Ob unser Gespensterjäger das Phantom schon gesichtet hat?“, murmelte Noir McFinnegan zu.

Dann räusperte sie sich und wandte sich an alle Schülerinnen und Schüler: „Herzlich willkommen, oder auch: willkommen zurück auf Deep Fog Castle! Bezieht nun erst einmal eure Zimmer, und seht zu, dass ihr nachher pünktlich zur Schuljahres-Anfangs-Zeremonie erscheint!“

Einige der Eltern klatschten, die Schüler kommentierten den Spruch mit coolem Nicken oder aßen einfach weiter.

Wieder leiser, nur zu Belle und McFinnegan, sagte Noir: „Ich ziehe mich in mein Büro zurück. Es gibt noch ein paar Dinge, die ich vorzubereiten habe.“

Belle verstand nullkommanull, was diese Sätze zu bedeuten hatten. Sie ließ sich von McFinnegan erklären, wie sie zu ihrem Zimmer namens Luxor kam, und schleppte ihren Seesack die breite geschwungene Steintreppe in den ersten Stock hinauf. Beim Anblick des Himmelbettes spürte Belle plötzlich, wie erschöpft sie war, und ließ sich auf die dicke Matratze fallen. Ein kleines Nickerchen vor dem Fest war sicher nicht verkehrt.

Vielleicht hätte sie ihren Vater doch nicht nach Hause schicken sollen? „Wie auch immer“, murmelte Belle in ihr Kissen. „Ich werde dich und Mama nicht enttäuschen.“

Dann war sie fest eingeschlafen.

Zu spät!


Mit einem Ruck wurde Belle wach. Sie brauchte einen Moment, um sich zurechtzufinden. Wo war sie? Wer war sie? Und vor allem wann war sie?

Noch völlig wirr im Kopf warf Belle Pompadour einen Blick auf die Uhr ihres Smartphones.

„Merde!“, rief sie und sprang aus dem Bett. „Merde, merde, merde!“

Belle riss ihren Seesack auf und fischte ihr Festtagskleid heraus. Gleichzeitig streifte sie ihre Hose ab und rannte los. Bevor sie die Zimmertür erreicht hatte, stolperte sie über einen Rucksack mit afrikanischem Muster darauf – der war am Nachmittag noch nicht da gewesen.

Belle knallte mit ihrer Schulter gegen den Bettpfosten. Das würde einen ordentlichen blauen Fleck geben. Zum Glück erst morgen. Mit dem Kleid über dem Kopf torkelte sie auf den Gang. Jetzt hatte sich das blöde Ding auch noch in ihrem Ohrring verhakt. Völlig orientierungslos hechelte sie einen dunklen leeren Gang entlang. Alle anderen Schüler und ihre Familien waren längst im Festsaal. Aber wie kam sie dorthin? Diese Burg war das reinste Labyrinth!

„Merde!“, fluchte sie erneut.

Endlich schaffte sie es, ihr Kleid aus dem Ohrring zu befreien. Jetzt konnte sie wenigstens wieder etwas sehen. Belle blickte auf eine riesige Wanduhr. Noch eine Minute! „Links oder rechts?“, murmelte Belle an der nächsten Kreuzung. Eigentlich hatte sie nur mit sich selbst gesprochen.

„Zum Festsaal links entlang“, antwortete die Uhr.

Belle erschrak, war aber viel zu aufgeregt, um sich noch länger zu wundern. „Danke!“, sagte sie und rannte in die angegebene Richtung. Endlich! Da vorne war die Eingangshalle, die sie schon kannte. Belle wurde langsamer. Zwei Männer mit alten Uniformen standen neben der riesigen Flügeltür. Darüber hing ein Ölgemälde von Bartholomeus van Robbemond, dem Gründer des ACE. Voller Stolz trug er seine Piratenkleidung und den dicken goldenen Ring. Er lächelte selbstsicher und unerschütterlich. Belle versuchte, es ihm nachzumachen.

Doch als Belle nur noch zwanzig Schritte vom Eingang entfernt war, schlug die Glocke der Burgkapelle. Die Wachen griffen nach den Klinken der Türflügel, gingen in zackigen Schritten aufeinander zu, verschwanden schließlich im Saal und schlossen die Tür hinter sich.

„Halt!“, rief Belle außer Atem. „Moment noch!“

Gerade als Belle die Tür erreichte, fing drinnen ein Orchester zu spielen an. Glück gehabt!, durchzuckte es Belle. So würde niemand mitbekommen, wie sie noch in den Saal schlich. Doch die Türen waren verschlossen!

„Merde!“, schimpfte Belle und dachte nach. Das hier war der offizielle Eingang für die Könige und Herzoge und Lords gewesen. Aber es musste auch noch einen Personaleingang geben. Und Belle würde ihn finden!

Sie hastete ein Stück in die Richtung zurück, aus der sie eben erst gekommen war. An einer Kreuzung bog sie ab. Der Gang, durch den sie nun lief, war deutlich niedriger als die anderen. An den Wänden hingen keine Gemälde. Belle war auf der richtigen Fährte! Sofort ging sie langsamer, ihr Herz beruhigte sich.

Plötzlich brandete in der Ferne Applaus auf. Ein Mann mit tiefer, brummiger Stimme sprach zu den Gästen. Belle konnte seine Worte nicht verstehen, doch sie waren lauter als das Klatschen der Zuhörer. Sie musste also nahe am Rednerpult sein. Belle blieb stehen und zog sich das Kleid glatt. Sie hatte keine Lust, unvermittelt wie eine zerzauste Amsel auf einer Bühne zu stehen und die Party zu sprengen. Belle schloss kurz die Augen. Dann eilte sie um die Ecke – und stieß mit etwas Weichem zusammen. Oder besser: mit jemand Weichem.

„Urrgh“, machte ein dunkle Stimme.

Belle fiel rückwärts auf den Boden. Nach einem kurzen Moment der Verwirrung blickte sie nach oben.

Die Gestalt vor ihr stand gekrümmt zwischen zwei Kulissen und presste sich eine Hand gegen den Bauch.

Belle war sich sicher, dass es ein Junge war. Er war ein wenig größer als Belle und komplett schwarz gekleidet. Sogar über dem Kopf trug er eine schwarze Haube, wie unter einem Motorradhelm. Kein Wunder, dass sie ihn hier in der Dunkelheit übersehen hatte.

Wahrscheinlich würde er gleich irgendeinen ACE-typischen Stunt aufführen oder so was. Er wartete bestimmt nur noch auf sein Stichwort.

Belle hielt ihm die Hand hin, doch die Gestalt reagierte nicht. Aber die Augen sahen Belle überrascht an.

„Hilfst du mir jetzt, oder was?“, zischte Belle.

Da zuckte hinter ihr ein Blitz auf. Belle umklammerte schützend ihren Kopf mit den Armen. Als nichts weiter passierte, öffnete Belle die Augen wieder. Mitten im Gang hing eine kleine weiße Wolke. „Was war das …?“, stammelte sie und sah wieder nach oben. Doch da war niemand mehr.

Der Raum vor Belle war leer. Es waren auch keine Schritte zu hören. Nur eine Rede durchschnitt die Stille.

Belle stand auf, schüttelte sich verwirrt und ging auf die Geräusche des Redners zu. Schließlich trennte sie nur noch ein dicker schwarzer Vorhang vom Festsaal. Belle linste hindurch. Sie war nur fünf Meter von einem weißhaarigen Mann entfernt, der wie ein Pfau über die Bühne schritt. Maximov.

Der Junge war nicht bei ihm, auch kein Motorrad. Bis auf den Direktor und einen Tisch, dessen weinrote Samtdecke rundherum bis auf den Boden hing, war die Bühne leer.

Auf Zehenspitzen schlich Belle zum Rand des Vorhangs und wartete. Nach einer halben Ewigkeit verneigte Maximov sich endlich. Applaus donnerte los.

Jetzt! Belle schlug den Vorhang zur Seite, trat in den Saal und ging schnurstracks auf einen der wenigen leeren Stühle zu. Wäre Belle geduckt gelaufen oder herumgeschlichen, wäre sie wohl jedem aufgefallen. So aber war sie beinahe unsichtbar, glaubte Belle, eine Schülerin, die den Auftrag gehabt hatte, hinter der Bühne etwas vorzubereiten.

Belle Pompadour setzte sich, stimmte sofort in den Applaus mit ein und lächelte, als wäre das eben die beste Rede gewesen, die sie je in ihrem Leben gehört hatte. Hätte Belle gewusst, dass die Augen von Catherine Noir jeden ihrer Schritte verfolgt hatten, dann hätte sie sicher nicht gelächelt …

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