Kitabı oku: «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.», sayfa 22
Militärische Operationen in den Niederlanden
Im Ganzen genommen waren die britischen Inseln seit zehn Jahren nie so frei von inneren Unruhen gewesen als in dem Augenblicke wo Wilhelm, Ende April 1697, nach dem Continent aufbrach. Der Krieg in den Niederlanden wurde ein wenig, aber auch nur ein wenig lebhafter betrieben als im vorhergehenden Jahre. Die französischen Generäle eröffneten den Feldzug mit der Einnahme der kleinen Stadt Aeth. Hierauf faßten sie eine bei Weitem wichtigere Eroberung ins Auge. Sie machten einen plötzlichen Angriff auf Brüssel, und ohne Wilhelm’s Umsicht würde ihr Vorhaben wahrscheinlich gelungen sein. Er campirte auf einer Stelle in unmittelbarer Nähe des Löwen von Waterloo, als er spät Abends die Nachricht erhielt, daß die Hauptstadt der Niederlande in Gefahr sei. Er setzte unverzüglich seine Truppen in Bewegung, marschirte die ganze Nacht und nachdem er die Ebene, welche hundertachtzehn Jahre später eine schreckliche Berühmtheit erlangen sollte, sowie die langen Defilés des Waldes von Soignies passirt hatte, erschien er am Morgen auf dem Punkte, von wo aus Brüssel zwei Jahre früher bombardirt worden war und aufs Neue bombardirt worden sein würde, wenn er nur drei Stunden später angekommen wäre. Hier umgab er sich mit Verschanzungen, welche der Feind nicht anzugreifen wagte. Dies war das wichtigste militärische Ereigniß, das während dieses Sommers in den Niederlanden stattfand. Man war in beiden Lagern nicht geneigt, am Vorabend eines allgemeinen Friedensschlusses viel aufs Spiel zu setzen.
Von Frankreich offerirte Friedensbedingungen
Ludwig hatte zu Anfang des Frühjahrs zum ersten Male seit seiner langen Regierung aus freiem Antriebe seinen Feinden billige und ehrenvolle Bedingungen angeboten. Er hatte sich bereit erklärt, die Eroberungen, die er im Laufe des Kriegs gemacht, zurückzugeben, Lothringen seinem eigenen Herzoge abzutreten, Luxemburg an Spanien, Straßburg an das deutsche Reich zurückzugeben und die bestehende Regierung England’s anzuerkennen.240 Wer sich der großen Leiden erinnerte, die sein wortbrüchiger und erbarmungsloser Ehrgeiz über Europa gebracht hatte, konnte mit gutem Grunde vermuthen, daß diese ungewohnte Mäßigung nicht Gefühlen der Gerechtigkeit oder Humanität zuzuschreiben sei. Aber was ihn auch bestimmt haben mochte, solche Bedingungen anzubieten, es war offenbar das Interesse und die Pflicht der Conföderation, sie anzunehmen. Denn man hatte in der That wenig Hoffnung ihm durch Krieg größere Zugeständnisse abzuzwingen, als die, welche er jetzt freiwillig als Friedenspreis anbot. Die sanguinischsten seiner Feinde konnten schwerlich eine lange Reihe so glücklicher Feldzüge wie der von 1695 erwarten. Und selbst in einer langen Reihe ebenso glücklicher Feldzüge wie der von 1695 würden die Verbündeten schwerlich im Stande gewesen sein, Alles das wiederzuerobern, was er jetzt zurückzugeben sich bereit erklärte. Wilhelm, der, wie gewöhnlich, eine klare und staatsmännische Ansicht von der ganzen Situation faßte, stimmte jetzt eben so entschieden für Friedensschluß, als er in früheren Jahren für energische Fortsetzung des Kriegs gestimmt hatte, und er wurde durch die öffentliche Meinung England’s sowohl als Holland’s unterstützt. Leider aber begannen gerade in dem Augenblicke, wo die beiden Mächte, welche allein unter den Mitgliedern der Koalition in dem langen Kampfe treulich ihre Pflicht gethan hatten, anfingen sich in der nahen Aussicht auf Ruhe zu erfreuen, einige von den Regierungen, welche niemals ihre vollen Contingente gestellt hatten, welche nie zur rechten Zeit schlagfertig gewesen waren, und die zum Dank für empfangene Subsidien stets Entschuldigungen geschickt hatten, Schwierigkeiten zu erheben, welche die Drangsale Europa’s bis ins Unendliche zu verlängern drohten.
Verhalten Spanien’s
Spanien hatte, wie Wilhelm in seinem Unmuth an Heinsius schrieb, für die gemeinsame Sache nichts beigetragen als Rodomontaden. Es hatte keine energische Anstrengung gemacht, auch nur sein eignes Gebiet gegen Einfälle zu vertheidigen. Ohne die englischen und holländischen Armeen würde es Flandern und Brabant verloren haben. Ohne die englischen und holländischen Flotten würde es Katalonien verloren haben. Das Mailändische hatte es nicht durch Waffengewalt, sondern dadurch gerettet, daß es trotz der Vorstellungen von Seiten der englischen und holländischen Regierungen einen schimpflichen Neutralitätsvertrag abschloß. Es besaß kein einziges Kriegsschiff das einen Windstoß hätte aushalten können. Es besaß kein einziges Regiment, das nicht schlecht bezahlt und schlecht disciplinirt, schlecht gekleidet und halb verhungert gewesen wäre. Dennoch hatte es in den letzten zwei Jahren sowohl Wilhelm als die Generalstaaten mit einer Impertinenz behandelt, welche bewies, daß es seine Stellung unter den Staaten gänzlich verkannte. Es wurde jetzt über die Maßen anspruchsvoll, verlangte von Ludwig Concessionen, die es nach dem Verlaufe des Kriegs nicht zu erwarten berechtigt war, und schien es hart zu finden, daß Verbündete, die es fortwährend unwürdig behandelte, keine Lust hatten, ihr Blut und Geld noch weitere acht Jahre für ein solches Land zu opfern.
Verhalten des Kaisers
Das Verhalten Spaniens ist lediglich der Arroganz und Thorheit zuzuschreiben. Aber die Abgeneigtheit des Kaisers, selbst in die billigsten Friedensbedingungen zu willigen, war eine Wirkung selbstsüchtigen Ehrgeizes. Der katholische König war kinderlos und kränklich, sein Leben war keine drei Jahre mehr werth, und wenn er starb, so wurden seine Besitzungen der Zankapfel für eine Menge Prätendenten. Das Haus Oesterreich sowohl als das Haus Bourbon hatten Ansprüche auf diese große Erbschaft. Es lag offenbar im Interesse des Hauses Oesterreich, daß der bedeutungsvolle Tag, mochte er kommen wann er wollte, eine große europäische Coalition gegen das Haus Bourbon gerüstet fände. Der Zweck des Kaisers war daher, daß der Krieg so wie er bisher geführt worden, mit geringen Kosten für ihn selbst und mit großen Kosten für England und Holland fortgeführt werde, nicht bis billige Friedensbedingungen erlangt werden könnten, sondern einfach bis zum Tode des Königs von Spanien. „Die Minister des Kaisers,” schrieb Wilhelm an Heinsius, „sollten sich ihrer Handlungsweise schämen. Es ist unerträglich, daß eine Regierung, die alles Mögliche thut, um den Erfolg der Unterhandlungen zu hintertreiben, nichts zur gemeinsamen Vertheidigung beiträgt.”241
Es ist kein Wunder, daß unter solchen Umständen das Friedenswerk geringe Fortschritte machte. Das Völkerrecht hat, wie jedes andre Recht, seine Chikanen, seine Spitzfindigkeiten, seine technischen Formen, welche nur zu leicht dazu angewendet werden können, es unwirksam zu machen. Es wurde daher denjenigen streitenden Theilen, welche den Streit nicht bald beendigt zu sehen wünschten, nicht schwer, Verzögerungen herbeizuführen. Es wurde lange über den Ort disputirt, wo die Conferenzen gehalten werden sollten. Der Kaiser schlug Aachen vor. Die Franzosen machten Einwendungen und schlugen den Haag vor. Dagegen machte der Kaiser wieder Einwendungen. Endlich kam man dahin überein, daß die Gesandten der verbündeten Mächte im Haag und die französischen Bevollmächtigten fünf Meilen davon in Delft zusammenkommen sollten.242 Nach Delft begaben sich demgemäß Harlay, ein Mann von ausgezeichnetem Geist und feiner Bildung, Crecy, ein schlauer, geduldiger und fleißiger Diplomat, und Cailleres, der, obgleich er in den Accreditiven als Dritter genannt war, über alle Punkte, welche voraussichtlich zu berathen waren, viel besser unterrichtet war als jeder seiner beiden Collegen.243 Im Haag befanden sich der Earl von Pembroke, und Eduard, Viscount Villiers, welche England repräsentirten. Prior begleitete sie in der Eigenschaft eines Sekretärs. An der Spitze der kaiserlichen Gesandtschaft stand Graf Kaunitz, an der Spitze der spanischen Don Francisco Bernardo de Quiros; die Gesandten untergeordneten Ranges aufzuzählen würde ermüdend sein.244
Congreß von Ryswick
Auf halbem Wege zwischen Delft und dem Haag liegt ein Dorf, Namens Ryswick, und in der Nähe desselben stand damals, in einem von geradlinigen Kanälen umgebenen, in regelmäßige Gehölze, Blumen- und Melonenbeete eingetheilten rechtwinkeligen Garten ein Landhaus der Prinzen von Oranien. Das Haus war wie geschaffen für eine Gesellschaft von Diplomaten, wie sie hier zusammenkommen sollte. Im Centrum befand sich ein von Honthorst gemalter Saal. Zur Rechten und Linken waren genau correspondirende Seitenflügel angebaut. Zu jedem der beiden Flügel führte eine besondere Brücke, ein besonderer Eingang und eine besondere Avenue. Der eine Flügel wurde den Verbündeten, der andre den Franzosen, der Saal im Centrum dem Vermittler angewiesen.245 Einige Vorfragen der Etikette wurden nicht ohne Mühe erledigt, und endlich, am 9. Mai, näherten sich eine Menge sechsspänniger Equipagen, von Läufern, Bedienten und Pagen begleitet, von verschiedenen Seiten dem Schloß. Der schwedische Gesandte stieg am Haupteingange aus. Der Zug vom Haag kam durch die rechte Seitenallee an; der Zug von Delft durch die linke Seitenallee. Bei der ersten Zusammenkunft überreichten die Vertreter der kriegführenden Regierungen ihre Vollmachten dem Vermittler. Beim zweiten Zusammentreffen, achtundvierzig Stunden später, vollzog der Vermittler die Ceremonie der Auswechslung dieser Vollmachten. Dann wurden mehrere Zusammenkünfte damit hingebracht, die Zahl der Wagen, Pferde, Lakaien und Pagen festzustellen, welche jeder Gesandte nach Ryswick mitzubringen berechtigt sein sollte, ob die Dienstleute Stöcke tragen sollten, ob sie Degen tragen sollten, ob sie Pistolen in den Halftern haben sollten, wer bei den Ausfahrten den Vorrang haben und wessen Equipage auf den Straßen ausweichen sollte. Es zeigte sich bald, daß der Vermittler nicht allein zwischen der Koalition und den Franzosen, sondern auch zwischen den verschiedenen Mitgliedern der Coalition zu vermitteln haben würde. Die kaiserlichen Gesandten beanspruchten das Recht, am Berathungstische obenan zu sitzen. Der spanische Gesandte wollte dieses Recht nicht anerkennen und versuchte sich zwischen zwei von jenen einzudrängen. Die kaiserlichen Gesandten wollten die Gesandten von Kurfürsten und Republiken nicht Excellenz tituliren. „Wenn ich nicht Excellenz genannt werde,” sagte der Minister des Kurfürsten von Brandenburg, „so wird mein Gebieter seine Truppen aus Ungarn zurückziehen.” Die kaiserlichen Gesandten verlangten ein Zimmer für sich im Gebäude und einen besonderen Platz im Hofe für ihre Equipagen. Alle anderen Gesandten der Conföderation erklärten dies für ein durchaus ungerechtfertigtes Verlangen, und eine ganze Sitzung wurde mit diesem kindischen Streite verschwendet. Man wird leicht glauben, daß Verbündete, die in ihrem Verkehr unter sich so kleinlich waren, aller Wahrscheinlichkeit nach in ihrem Verkehr mit dem Feinde nicht sehr gefällig sein würden. Die Hauptbeschäftigung Harlay’s und Kaunitz’ bestand darin, gegenseitig ihre Füße zu beobachten. Keiner von ihnen hielt es für verträglich mit dem Ansehen der Krone, der er diente, sich dem Andren mit rascheren Schritten zu nähern, als der Andre sich ihm näherte. Wenn daher der Eine bemerkte, daß er aus Versehen zu rasch gegangen war, kehrte er bis zur Thür zurück, und die steife Menuett begann von neuem. Die Gesandten Ludwig’s setzten einen Vertragsentwurf in ihrer Muttersprache auf. Die deutschen Staatsmänner protestirten gegen diese Neuerung, gegen diese Beleidigung der Würde des heiligen römischen Reichs, gegen diesen Eingriff in die Rechte unabhängiger Nationen und wollten nicht eher etwas von dem Entwurfe wissen, als bis er aus gutem Französisch in schlechtes Latein übersetzt war. Schon Mitte April wußte Jedermann im Haag, daß Karl XI., König von Schweden gestorben und daß sein Sohn ihm auf den Thron gefolgt war; aber es widerstritt der Etikette, daß irgend einer der versammelten Gesandten die Kenntniß dieses Ereignisses äußerte, bevor Lilienroth es förmlich annoncirt hatte; nicht minder widerstritt es der Etikette, daß Lilienroth diese Anzeige machte, bevor seine Equipagen und seine Dienerschaft in Trauer gehüllt waren, und es vergingen einige Wochen, bis seine Wagenbauer und Kleidermacher ihre Aufgabe vollendet hatten. Endlich, am 12. Juni, kam er in einem schwarz ausgeschlagenen und von Bedienten in schwarzer Livree begleiteten Wagen nach Ryswick und kündigte hier in vollem Congreß an, daß es Gott gefallen habe, den großmächtigsten König Karl XI. zu sich zu nehmen. Sämmtliche Gesandten bezeigten ihm hierauf ihre Theilnahme an der betrübenden und unerwarteten Nachricht und begaben sich dann nach Hause, um ihre Stickereien abzulegen und sich in Trauer zu kleiden. Unter solchen feierlichen Tändeleien verging eine Woche nach der andren, und es wurde kein reeller Fortschritt gemacht. Lilienroth hegte keineswegs den Wunsch, die Sache zu beeilen. So lange der Congreß dauerte, nahm er eine hochangesehene Stellung ein. Er wäre gern beständig Vermittler geblieben, und er hätte aufgehört dies zu sein, wenn die Parteien zu seiner Rechten und Linken aufhörten, mit einander zu hadern.246
Im Juni begann die Hoffnung auf Frieden zu sinken. Man erinnerte sich, daß der vorige Krieg noch Jahre lang fortgedauert hatte, während ein Congreß in Nymwegen tagte. Die Vermittler hatten im Februar 1676 ihren Einzug in diese Stadt gehalten, und erst im Februar 1679 war der Vertrag unterzeichnet worden. Indessen waren die Unterhandlungen von Nymwegen nicht langsamer von Statten gegangen als die Unterhandlungen von Ryswick. Es war nur zu wahrscheinlich, daß noch das 18. Jahrhundert große Armeen einander am Rhein und der Maas gegenüberstehend, betriebsame Bevölkerungen durch Steuern zu Boden gedrückt, fruchtbare Provinzen verwüstet, die Schifffahrt auf dem Ocean durch Corsaren beunruhigt und die Bevollmächtigten Noten wechselnd, Protokolle aufnehmend und sich über den Platz, wo dieser Minister sitzen und über den Titel, der jenem Minister bewilligt werden sollte, streitend finden würde.
Wilhelm eröffnet eine bestimmte Unterhandlung
Wilhelm hatte sich jedoch fest vorgenommen, dieser Komödie bald ein Ende zu machen. Er wollte entweder Frieden oder Krieg. Jedes von beiden war seiner Ansicht nach besser als dieser interimistische Zustand, der die Nachtheile beider in sich vereinigte. So lange die Unterhandlungen dauerten, konnten die Lasten, die sein Volk drückten, sich nicht vermindern, und doch konnte er von seinen Verbündeten kein energisches Handeln erwarten. Wenn Frankreich wirklich geneigt war, einen Tractat unter billigen Bedingungen zu schließen, so sollte dieser Tractat trotz der Bornirtheit des katholischen Königs und trotz der selbstsüchtigen Arglist des Kaisers zu Stande kommen. Meinte es Frankreich nicht aufrichtig, dann war es um so besser, je eher die Wahrheit bekannt wurde, je eher die in Ryswick spielende Posse aufhörte, je eher die Bevölkerungen England’s und Holland’s – denn von ihnen hing Alles ab – erfuhren, daß sie sich zu großen Anstrengungen und Opfern entschließen mußten.
Pembroke und Villiers konnten, obgleich ihnen jetzt ein diplomatischer Veteran, Sir Joseph Williamson, zur Seite stand, wenig oder nichts zur Beschleunigung der Congreßverhandlungen thun. Denn obwohl Frankreich versprochen hatte, den Prinzen von Oranien als König von Großbritannien und Irland anzuerkennen, sobald der Friede zu Stande käme, hatte es ihn doch noch immer nicht anerkannt. Seine Gesandten verkehrten daher nicht direct mit Harlay, Crecy und Cailleres. Wilhelm beschloß mit der Weisheit und Entschlossenheit eines ächten Staatsmannes durch einen der in den Niederlanden commandirenden französischen Marschälle mit Ludwig in Unterhandlung zu treten. Der Marschall Villeroy stand unter ihnen am höchsten im Range. Aber Villeroy war schwach, vorschnell, hochmüthig und empfindlich. Von einem solchen Unterhändler war weit eher zu erwarten, daß er die Dinge verwirren, als daß er sie zu einer gütlichen Ausgleichung bringen werde. Boufflers hingegen war ein Mann von Einsicht und Mäßigung, und zum Glück hatte er während der wenigen Tage, die er nach dem Falle Namur’s in Huy zugebracht, unter der Obhut Portland’s gestanden, der ihn mit der größten Artigkeit und Freundlichkeit behandelt hatte. In Folge dessen hatte sich ein freundschaftliches Verhältniß zwischen dem Gefangenen und seinem Hüter gebildet. Beide waren tapfere Soldaten, ehrenhafte Cavaliere und treue Diener. Wilhelm glaubte daher mit Recht, daß sie viel eher zu einer Verständigung kommen würden als Harlay und Kaunitz selbst mit dem Beistande Lilienroth’s. Portland besaß in der That alle wesentlichen Eigenschaften eines vorzüglichen Diplomaten. In England war das Volk gegen ihn eingenommen, weil er ein Ausländer war; sein Earltitel, sein Hosenbandorden, seine einträglichen Stellen, sein rasch zunehmender Reichthum erweckten Neid; man verstand seinen Dialect nicht, seine Manieren waren nicht die der großen Herren, welche in Whitehall gebildet waren. Daher wurden seine Talente bei weitem nicht gebührend gewürdigt; man pflegte ihn einen Dummkopf zu nennen, der zu nichts tauge als zum Ueberbringen von Botschaften. Auf dem Continent aber, wo er ohne Uebelwollen beurtheilt wurde, machte er einen ganz andren Eindruck. Es ist ein bemerkenswerthes Factum, daß dieser Mann, der in den Gesellschaftszirkeln und Kaffeehäusern London’s ein plumper einfältiger Hogan Mogan247 – dies war die gebräuchliche Redensart – genannt wurde, in Versailles für einen außerordentlich fein gebildeten Hofmann und einen höchst gewandten Unterhändler galt.248 Seine empfehlendste Eigenschaft war jedoch seine unerschütterliche Rechtschaffenheit. Es war gewiß, daß die seiner Fürsorge anvertrauten Interessen ihm eben so theuer sein würden als sein Leben und daß jeder Bericht, den er seinem Gebieter abstattete, buchstäblich genau sein würde.
Zusammenkünfte Portland’s mit Boufflers
Gegen Ende Juni ließ Portland Boufflers freundlich um eine halbstündige Unterredung bitten. Boufflers schickte sogleich einen Expressen an Ludwig und erhielt in der kürzesten Zeit, die ein Courier brauchte, um nach Versailles und wieder zurück zu eilen, Antwort. Ludwig befahl dem Marschall, Portland’s Wunsch zu erfüllen, so wenig als möglich zu sagen, und so viel als möglich zu erfahren.249
Am 28. Juni nach altem Style, fand in der Nähe von Hal, einer ungefähr zehn Meilen von Brüssel auf der Straße nach Mons liegenden Stadt die erste Zusammenkunft statt. Nachdem die ersten Begrüßungen gewechselt waren, stiegen Boufflers und Portland ab, ihre Begleiter zogen sich zurück und die beiden Unterhändler blieben in einem Garten allein. Hier gingen sie zwei Stunden lang auf und ab und erledigten in dieser kurzen Zeit mehr als die Bevollmächtigten in Ryswick in eben so vielen Monaten zu erledigen vermochten.250
Bis dahin hatte die französische Regierung den zwar natürlichen, aber durchaus irrigen Verdacht gehegt, daß Wilhelm den Krieg in die Länge ziehen wolle, daß er sich nur deshalb dazu verstanden habe zu unterhandeln, weil er es nicht wagen dürfe, sich der öffentlichen Meinung England’s und Holland’s zu widersetzen, daß er aber das Scheitern der Unterhandlungen wünsche, und daß das eigensinnige Verhalten des Hauses Oesterreich und die Schwierigkeiten, die in Ryswick entstanden waren, hauptsächlich seinen Machinationen zuzuschreiben seien. Dieser Verdacht war jetzt beseitigt. Kalte und ernste, aber achtungsvolle Artigkeiten wurden zwischen den beiden großen Fürsten gewechselt, deren Feindschaft Europa seit einem Vierteljahrhundert in beständiger Aufregung erhielt. Die Unterhandlungen zwischen Boufflers und Portland schritten so rasch vorwärts als die Nothwendigkeit häufiger Referate nach Versailles es gestattete. Ihre fünf ersten Conferenzen wurden unter freiem Himmel gehalten; bei der sechsten aber zogen sie sich in ein kleines Haus zurück, in welches Portland Tische und Schreibmaterialien hatte bringen lassen, und hier wurde das Ergebniß ihrer Arbeiten zu Papier gebracht.
Die zu erledigenden Hauptpunkte waren vier an der Zahl. Wilhelm hatte zuerst zwei Zugeständnisse von Ludwig verlangt, und Ludwig hatte zwei Zugeständnisse von Wilhelm verlangt.
Wilhelm’s erste Forderung war, daß Frankreich sich verpflichten sollte, keinem Versuche, den Jakob oder seine Anhänger machen könnten, um die bestehende Ordnung der Dinge in England zu stören, direct oder indirect Beistand oder Vorschub zu leisten.
Wilhelm’s zweite Forderung war, daß Jakob nicht mehr gestattet sein sollte, an einem England so gefährlich nahen Orte wie Saint-Germains zu wohnen.
Auf die erste dieser Forderungen entgegnete Ludwig, daß er vollkommen bereit sei, sich auf das Feierlichste zu verpflichten, keinem Versuche zur Störung der bestehenden Ordnung der Dinge in England in irgend einer Weise Unterstützung oder Vorschub zu leisten, daß es aber mit seiner Ehre unverträglich sei, daß der Name seines Vetters und Gastes in dem Vertrage genannt werde.
Auf die zweite Forderung entgegnete Ludwig, daß er einem unglücklichen Könige, der in seinem Lande eine Zufluchtsstätte gesucht habe, seine Gastfreundschaft nicht versagen und daß er nicht einmal versprechen könne, den Wunsch zu äußern, Jakob möchte Saint-Germains verlassen. Aber Boufflers gab, als ob er seine eigne Idee ausspräche, obgleich er ohne Zweifel nichts sagte, was nicht mit den Wünschen seines Gebieters übereinstimmte, zu verstehen, daß die Sache sich wahrscheinlich arrangiren lassen werde, und nannte Avignon als einen Ort, wo die verbannte Familie residiren könnte, ohne der englischen Regierung Grund zu Besorgnissen zu geben.
Ludwig verlangte dagegen seinerseits erstens, daß den Jakobiten eine allgemeine Amnestie gewährt werden, und zweitens, daß Marie von Modena ihr Leibgedinge von funfzigtausend Pfund jährlich erhalten sollte.
Die Bewilligung der ersten von diesen beiden Forderungen verweigerte Wilhelm entschieden. Er werde stets bereit sein, die Vergehen von Männern zu verzeihen, welche den Willen zeigten, in Zukunft ruhig unter seiner Regierung zu leben; allein er könne sich nicht dazu verstehen, die Ausübung seines Begnadigungsrechtes zum Gegenstande eines Uebereinkommens mit einer auswärtigen Macht zu machen. Das von Marien von Modena beanspruchte Jahrgeld werde er gern bezahlen, wenn er die Gewißheit habe, daß es nicht zu Machinationen gegen seinen Thron und seine Person, zur Unterhaltung eines neuen Etablissements an der Küste von Kent wie das Hunt’s oder zum Ankauf von Pferden und Waffen zu einem neuen Attentate wie das von Turnham Green verwendet werden würde. Boufflers habe von Avignon gesprochen. Wenn Jakob und seine Gemahlin dort ihren Aufenthalt nähmen, so sollten wegen des Jahrgeldes keine weiteren Schwierigkeiten gemacht werden.