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Kitabı oku: «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.»

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Einundzwanzigstes Kapitel.
Wilhelm III

Eindruck von Mariens Tode auf dem Continent

Auf dem Continent machte die Nachricht von Mariens Tode einen sehr verschiedenen Eindruck. Die Hugenotten beweinten in allen Gegenden Europa’s, wohin sie verschlagen waren, die Auserwählte, die ihren königlichen Aufwand beschränkt hatte, um dem verfolgten Volke Gottes Brot und Obdach zu geben.1 In den Vereinigten Provinzen, wo sie genau gekannt und immer populär gewesen war, wurde ihr Tod aufrichtig bedauert. Matthias Prior, dem seine Talente und Kenntnisse die Gönnerschaft des freigebigen Dorset verschafft hatten und der jetzt der Gesandtschaft im Haag attachirt war, schrieb, daß die kälteste und für Gefühlsaffecte unempfänglichste aller Nationen berührt sei. Der Marmor selbst, sagte er, weine.2 Die Klagen von Cambridge und Oxford fanden in Leyden und Utrecht Wiederhall. Die Generalstaaten legten Trauer an. Auf allen Kirchthürmen Hollands ertönte jeden Tag Trauergeläute.3 Inzwischen verbot Jakob in Saint-Germains jede Trauerfeier aufs Strengste, und bestimmte Ludwig, ein gleiches Verbot auch in Versailles zu erlassen. Einige der vornehmsten Edelleute Frankreich’s, unter andern die Herzöge von Bouillon und von Duras, waren mit dem Hause Nassau verwandt und hatten jedesmal, wenn der Tod dieses Haus heimsuchte, die schicklichen Trauerceremonien genau beobachtet. Diesmal wurde ihnen untersagt, sich schwarz zu kleiden, und sie fügten sich; aber die Macht des großen Königs ging nicht so weit, daß er seine hochgebildeten und geistreichen Höflinge hätte verhindern können einander zuzuflüstern: es liege doch etwas Erbärmliches in dieser Rache, die der Lebende an dem Todten, ein Vater an seinem Kinde nehme.4

Die Hoffnungen Jakob’s und seiner Exilgefährten waren jetzt größer als sie seit der Schlacht von La Hogue je gewesen. Die Staatsmänner, sowohl bei uns, als auch auf dem Continent, waren in der That allgemein der Ansicht, daß es Wilhelm nicht möglich sein werde, sich noch lange auf dem Throne zu halten. Ohne den Beistand seiner Gemahlin, sagte man, würde er sich nicht einmal so lange haben halten können. Ihre Leutseligkeit habe Viele gewonnen, die sein kaltes Benehmen und seine kurzen Antworten abgestoßen hätten. Ihr englischer Accent, ihre englischen Gesinnungen und Neigungen hätten Viele bezaubert, denen sein holländischer Accent und seine holländischen Gewohnheiten zuwider gewesen seien. Obgleich sie der Hochkirchenpartei nicht angehört, habe sie doch dieses Ritual geliebt und sich gern und ehrerbietig einigen Ceremonien anbequemt, die er zwar nicht als sündhaft, doch als kindisch angesehen und an denen Theil zu nehmen er schwer habe über sich gewinnen können. So lange der Krieg daure, müsse er nothwendig fast die Hälfte des Jahres außerhalb England’s zubringen. Bisher habe sie in seiner Abwesenheit ihn vertreten, und gut vertreten. Wer solle ihn jetzt vertreten? In welchen Stellvertreter könne er gleiches Vertrauen setzen? Welchem Stellvertreter werde die Nation gleiche Achtung zollen? Alle Staatsmänner Europa’s stimmten daher in der Ansicht überein, daß seine zum mindesten schwierige und gefährliche Lage durch den Tod der Königin noch schwieriger und gefährlicher geworden sei. Aber alle Staatsmänner Europa’s täuschten sich, und merkwürdigerweise war seine Regierung nach dem Ableben Mariens entschieden glücklicher und ruhiger als zu ihren Lebzeiten.

Luxemburg’s Tod

Wenige Stunden nachdem er das zärtlichste und geliebteste aller ihm befreundeten Wesen verloren hatte, wurde er von dem gefürchtetsten aller seiner Feinde befreit. Der Tod hatte in Paris so gut wie in London ein Opfer gefordert. Während Tenison an Mariens Sterbelager betete, reichte Bourdaloue dem Marschall von Luxemburg die letzte Oelung. Der große französische General war nie ein Günstling des französischen Hofes gewesen; als man aber erfuhr, daß sein schwächlicher, durch Kriegsstrapatzen und sinnliche Genüsse erschöpfter Körper einer gefährlichen Krankheit erliege, wurde der Werth seiner Dienste zum ersten Male vollständig gewürdigt; die königlichen Leibärzte wurden zu ihm gesandt, um Heilmittel zu verordnen, die Schwestern von Saint-Cyr erhielten Befehl, für ihn zu beten, aber Heilmittel und Gebete waren vergebens. „Wie wird sich der Prinz von Oranien freuen,” sagte Ludwig, „wenn er Kenntniß von unsrem Verluste erhält!” Er irrte sich. Die Nachricht kam Wilhelm in einem Augenblicke zu, wo er an keinen andren Verlust zu denken vermochte, als der ihn selbst betroffen hatte.5

Wilhelm’s Schmerz

Während des ersten Monats nach Mariens Tode war der König zu keiner Anstrengung fähig. Selbst auf die Adressen der beiden Parlamentshäuser antwortete er nur mit einigen unartikulirten Lauten. Die Antworten, welche in die Protokolle aufgenommen sind, waren nicht mündlich von ihm gesprochen, sondern schriftlich eingereicht. Die unaufschiebbaren Geschäfte wurden durch die Vermittelung Portland’s erledigt, der selbst vom Kummer gebeugt war. Einige Wochen lang ruhte die wichtige und vertrauliche Correspondenz zwischen dem Könige und Heinsius. Endlich zwang sich Wilhelm, diese Correspondenz wieder aufzunehmen; aber sein erster Brief war der Brief eines Mannes, dessen Herz gebrochen war. Selbst sein kriegerisches Feuer war durch den Schmerz gedämpft worden. „Ich sage Ihnen im Vertrauen,” schrieb er, „daß ich mich für das Militärcommando nicht mehr tauglich fühle. Ich will indessen versuchen meine Pflicht zu thun und hoffe, daß Gott mir Kraft verleihen wird.” So verzagt sah er dem glänzendsten und glücklichsten seiner vielen Feldzüge entgegen.6

Parlamentsverhandlungen; Emancipation der Presse

Die parlamentarische Thätigkeit wurde nicht unterbrochen. Während die Abtei wegen des Leichenbegängnisses der Königin schwarz ausgeschlagen war, kamen die Gemeinen zu einem Beschlusse, der damals wenig Aufmerksamkeit und gar keine Aufregung hervorrief, den voluminöse Annalisten unerwähnt gelassen haben und dessen Geschichte man nur unvollständig aus den Parlamentsarchiven ersehen kann, der aber für die Freiheit und Civilisation mehr gethan hat als die Große Charte oder die Rechtsbill. Kurz nach Beginn der Session war ein gewählter Ausschuß beauftragt worden zu ermitteln, welche temporären Gesetze dem Erlöschen nahe seien, und um zu erwägen, welche von diesen Gesetzen fortbestehen zu lassen zweckmäßig sein würde. Der Bericht wurde erstattet, und alle in diesem Berichte enthaltenen Vorschläge wurden, bis auf einen, angenommen. Unter den Gesetzen, deren Erneuerung der Ausschuß dem Hause anempfahl, befand sich auch das, welches die Presse einer Censur unterwarf. Es wurde die Frage gestellt, „ob das Haus mit dem Comité in dem Beschlusse übereinstimme, daß die Acte unter dem Titel: Acte zur Verhütung von Mißbräuchen beim Drucken aufrührerischer, hochverrätherischer und unerlaubter Pamphlets und zur Regulirung des Buchdrucks und der Buchdruckerpressen, fortbestehen solle.” Der Sprecher erklärte, daß die Neins überwögen, und die Jas hielten es nicht für rathsam, ein Scrutinium vornehmen zu lassen.

Eine Bill zu Verlängerung aller übrigen temporären Gesetze, die man nach der Ansicht des Ausschusses zweckmäßigerweise nicht erlöschen lassen könne, wurde eingebracht, angenommen und den Lords zugesandt. Diese Bill kam sehr bald mit einem wichtigen Amendement versehen zurück. Die Lords hatten in der Liste der zu verlängernden Acten diejenige mit aufgenommen, welche die Presse der Aufsicht von Censoren unterstellte. Die Gemeinen beschlossen, dem Amendement nicht beizutreten, verlangten eine Conferenz und ernannten einen Ausschuß von Wortführern. Der leitende Wortführer war Eduard Clarke, ein entschiedener Whig, welcher Taunton vertrat, seit fünfzig unruhigen Jahren das Bollwerk der bürgerlichen und religiösen Freiheit.

Clarke überreichte den Lords im gemalten Zimmer ein Schriftstück, welches die Gründe enthielt, die das Unterhaus bestimmt hatten, die Censuracte nicht zu erneuern. Dieser Aufsatz vertheidigt siegreich den Beschluß, zu dem die Gemeinen gekommen waren. Aber er beweist zu gleicher Zeit, daß sie nicht wußten was sie thaten, welche Revolution sie herbeiführten, welche Macht sie ins Leben riefen. Sie hoben kurz, klar, nachdrücklich und zuweilen mit einer nicht unpassenden ernsten Ironie die Widersinnigkeiten und Unbilligkeiten des Gesetzes hervor, das im Begriff war zu erlöschen. Aber man wird finden, daß alle ihre Einwürfe sich auf Details beziehen. Ueber die große Prinzipfrage, über die Frage, ob die Preßfreiheit im Ganzen ein Segen oder ein Fluch für die Gesellschaft sei, ist kein Wort gesagt. Die Censuracte wird verdammt, nicht als etwas dem Wesen nach Schlimmes, sondern nur wegen der kleinen Unzuträglichkeiten, wegen der Erpressungen, der Beeinträchtigungen, der Handelsbeschränkungen, der Haussuchungen, welche aus ihr entsprangen. Sie wird für nachtheilig erklärt, weil sie die Sortimentsbuchhändler in den Stand setzt, von den Verlegern Geld zu erpressen, weil sie die Agenten der Regierung ermächtigt, unter der Autorität von Generalvollmachten Haussuchungen vorzunehmen, weil sie den ausländischen Buchhandel auf den Hafen von London beschränkt, weil sie werthvolle Bücherballen im Zollhause zurückhält, bis die Blätter verschimmelt sind. Die Gemeinen hoben hervor, daß der Betrag der Gebühren, die der Censor verlangen kann, nicht festgestellt sei. Sie hoben hervor, daß es einem Zollbeamten bei Strafe verboten sei, eine von auswärts kommende Bücherkiste anders als in Anwesenheit eines der Censoren der Presse zu öffnen. Wie soll der Beamte wissen, wird sehr richtig gefragt, ob Bücher in der Kiste sind, so lange er sie nicht geöffnet hat? Dies waren die Argumente, welche erreichten, was Milton’s Areopagitica nicht gelungen war.

Die Lords fügten sich ohne Kampf. Sie erwarteten wahrscheinlich, daß eine weniger Einwendungen zulassende Bill zur Regulirung der Presse ihnen bald zugesandt werden würde, und eine solche Bill wurde auch wirklich im Hause der Gemeinen eingebracht, zweimal gelesen und einem gewählten Ausschusse überwiesen. Aber die Session ging zu Ende, bevor der Ausschuß seinen Bericht erstattet hatte, und die englische Literatur wurde von der Aufsicht der Presse befreit, und für immer befreit.7 Dieses hochwichtige Ereigniß ging fast unbeachtet vorüber. Evelyn und Luttrell hielten es nicht der Mühe werth, es in ihren Tagebüchern zu erwähnen, so wenig wie die holländischen Gesandten in ihren Depeschen. Auch in den Monthly Mercuries findet sich keine Notiz darüber. Die öffentliche Aufmerksamkeit war von anderen und weit aufregenderen Dingen in Anspruch genommen.

Halifax’ Tod

Eines dieser Dinge war der Tod des gebildetsten, erleuchtetsten und trotz großer Fehler achtungswerthesten der in dem verderbten und ausschweifenden Whitehall der Restauration gebildeten Staatsmänner. Ungefähr einen Monat nach dem glänzenden Leichenbegängnisse Mariens bewegte sich ein Leichenzug von fast prahlerischer Einfachheit um den Schrein Eduards’ des Bekenners nach der Kapelle Heinrich’s VII. Dort steht, wenige Fuß von ihrem Sarge, der Sarg Georg Savile’s, Marquis von Halifax.

Halifax und Nottingham waren seit langer Zeit Freunde, und Lord Eland, jetzt Halifax’ einziger Sohn, war mit Lady Marie Finch, Nottingham’s Tochter, verlobt. Der Tag der Vermählung war festgesetzt, eine heitere Gesellschaft versammelte sich in Burley on the Hill, dem Schlosse des Vaters der Braut, das von einer der schönsten Terrassen der ganzen Insel auf prächtige Buchen- und Eichenwälder, auf das fruchtbare Thal von Catmos und auf den Kirchthurm von Oakham herabsieht. Der Vater des Bräutigams wurde durch eine Unpäßlichkeit, die man nicht für gefährlich hielt, in London zurückgehalten. Plötzlich nahm die Krankheit einen beunruhigenden Character an. Man sagte ihm, daß er nur noch einige Stunden zu leben habe. Er hörte die Mittheilung mit ruhiger Fassung an. Es wurde vorgeschlagen, seinen Sohn durch einen Expressen nach der Stadt holen zu lassen. Aber Halifax, bis zum letzten Augenblicke gutmüthig, wollte die Freude des Hochzeitstages nicht stören. Er gab strengen Befehl, daß die Beerdigung in aller Stille vor sich gehen solle, und bereitete sich auf den großen Wechsel durch Andachtsübungen vor, welche Diejenigen in Erstaunen setzten, die ihn für einen Atheisten hielten, und starb mit der heiteren Ruhe eines Philosophen und eines Christen, während seine Freunde und Verwandten, seine Gefahr nicht ahnend, Weinmolken tranken und die Gardine zogen.8

Seine legitime männliche Nachkommenschaft starb bald aus. Doch kein geringer Theil seines Geistes und seiner Beredtsamkeit ging auf seinen Tochtersohn, Philipp Stanhope, vierten Earl von Chesterfield über. Aber es ist wahrscheinlich nicht allgemein bekannt, daß einige Abenteurer, die sich, ohne die Vortheile des Reichthums oder der Stellung zu besitzen, durch die bloße Kraft des Talents einen Namen gemacht haben, das Blut Halifax’ erbten. Er hinterließ einen natürlichen Sohn, Heinrich Carey, dessen Dramen einst zahlreiche Zuschauer ins Theater lockten und von dessen heiteren und geistreichen Versen einige noch im Gedächtniß von Hunderttausenden leben. Von Heinrich Carey stammte Edmund Kean ab, der sich in unsrer Zeit so wundervoll in Shylock, Jago und Othello verwandelte.

Mehr als ein Schriftsteller ist der Parteilichkeit für Halifax beschuldigt worden. Allerdings hat auch das Gedächtniß Halifax’ ganz besonderen Anspruch auf den Schutz der Geschichte. Denn was ihn vor allen anderen englischen Staatsmännern auszeichnet, ist der Umstand, daß er während einer langen öffentlichen Laufbahn und durch häufige und heftige Umwälzungen in der öffentlichen Meinung, von den großen Fragen seiner Zeit fast stets diejenige Ansicht faßte, welche die Geschichte schließlich angenommen hat. Er wurde unbeständig genannt, weil seine relative Stellung zu den streitenden Parteien fortwährend wechselte. Eben so gut könnte man den Polarstern unbeständig nennen, weil er bald östlich bald westlich von den Zeigern steht. Die alte und gesetzliche Verfassung des Reichs zu der einen Zeit gegen eine aufständische Volksmasse, zu einer andren Zeit gegen eine despotische Regierung vertheidigt zu haben; der hervorragendste Vertheidiger der Ordnung in dem stürmischen Parlamente von 1680, und der hervorragendste Vertheidiger der Freiheit in dem servilen Parlamente von 1685 gewesen zu sein; in den Tagen des papistischen Complots gegen die Römisch-Katholischen, in den Tagen des Ryehousecomplots gegen die Exclusionisten gerecht und nachsichtig gewesen zu sein; alles in seiner Macht Stehende gethan zu haben, um sowohl Stafford’s Kopf als auch Russell’s Kopf zu retten: dies war eine Laufbahn, welche Zeitgenossen, die von der Leidenschaft erhitzt und durch Namen und Parteizeichen verblendet waren, leicht begreiflicherweise wankelmüthig nennen konnten, die aber von Seiten der späten Gerechtigkeit der Nachwelt eine ganz andre Bezeichnung verdient.

Ein dunkler Flecken, aber auch nur einer, lastet auf dem Andenken dieses ausgezeichneten Mannes. Es ist ein schmerzlicher Gedanke, daß er, der eine so große Rolle in der Convention gespielt hatte, sich später dazu erniedrigen konnte, mit Saint-Germains zu verkehren. Das Factum läßt sich nicht bestreiten; für ihn aber giebt es Entschuldigungsgründe, welche für Andere, die des nämlichen Verbrechens schuldig waren, nicht geltend gemacht werden können. Er hinterging nicht, wie Marlborough, Russell, Godolphin und Shrewsbury, einen Gebieter, der ihm Vertrauen schenkte und mit Wohlthaten überhäufte. Die Undankbarkeit und Bosheit der Whigs trieben ihn dazu, einen Augenblick bei den Jakobiten Schutz zu suchen. Es muß jedoch hinzugesetzt werden, daß er den Fehler, zu dem ihn die Leidenschaft verführte, bald bereute, daß er, obwohl nie mit dem Hofe wieder ausgesöhnt, sich durch seinen Eifer für die nachdrückliche Fortsetzung des Kriegs auszeichnete und daß sein letztes Werk eine Schrift war, in der er seine Landsleute ermahnte zu bedenken, daß die öffentlichen Lasten, so drückend sie auch scheinen mochten, leicht seien im Vergleich zu dem Joche Frankreich’s und Rom’s.9

Etwa vierzehn Tage nach Halifax’ Tode traf seinen alten Nebenbuhler und Feind, den Lordpräsidenten, ein viel härterer Schlag als der Tod. Dieser talentvolle, ehrgeizige und kühne Staatsmann wurde abermals von der Höhe der Macht herabgestürzt. Sein erster Sturz hatte, so heftig er auch gewesen war, doch etwas Würdevolles gehabt, und indem er mit seltener Geschicklichkeit eine außerordentliche Krisis in den Staatsangelegenheiten benutzte, hatte er sich noch einmal zur höchsten Stellung unter den englischen Unterthanen emporgeschwungen. Der zweite Sturz war zwar minder heftig als der erste; aber er war schimpflich und nicht wieder gut zu machen.

Parlamentarische Untersuchungen wegen der Corruption in den öffentlichen Aemtern

Die Unterschleife und die Bestechungen, durch welche die damaligen Beamten sich zu bereichern pflegten, hatten das Volk in eine Stimmung versetzt, die früher oder später nothwendig eine furchtbare Explosion zur Folge haben mußte. Aber die Gewinne wurden auf der Stelle gemacht, der Tag der Vergeltung war ungewiß und die Plünderer des Staats waren so gierig und frech wie je, als die lange gedrohte und lange verzögerte Rache plötzlich den Stolzesten und Mächtigsten von ihnen ereilte.

Das erste Grollen des herannahenden Sturmes verrieth nicht im mindesten die Richtung, die er nehmen, oder die Wuth, mit der er ausbrechen würde. Ein in Royston liegendes Infanterieregiment hatte von den Bewohnern dieser Stadt und deren Umgegend Contributionen erhoben. Die erpreßte Summe war nicht bedeutend. In Frankreich oder Brabant würde die Mäßigkeit des Verlangten für wunderbar gehalten worden sein. Den englischen Kaufleuten und Landwirthen aber war die militärische Erpressung zum Glück etwas ganz Neues und Unerträgliches. Es wurde den Gemeinen eine Petition übersandt, und die Gemeinen forderten die Ankläger und Angeklagten vor die Schranke. Es stellte sich bald heraus, daß ein schweres Vergehen verübt worden, daß aber die Verbrecher einigermaßen zu entschuldigen waren. Die öffentlichen Gelder, welche die Schatzkammer zu ihrer Löhnung und ihrem Unterhalte hergegeben hatte, waren von ihrem Obersten und seinen Agenten betrügerischerweise zurückgehalten worden. Es war kein Wunder, wenn Leute, welche Waffen hatten und denen es an den nothwendigsten Bedürfnissen fehlte, wenig nach der Bitte um Recht und nach der Rechtserklärung fragten. Aber empörend war es, daß der Soldat, während der Bürger schwer besteuert war, damit dem Soldaten der höchste in Europa bekannte Militärsold bezahlt werden konnte, durch gänzlichen Mangel dazu getrieben wurde, den Bürger zu brandschatzen. Dies wurde in einer Vorstellung, welche die Gemeinen Wilhelm vorlegten, nachdrücklich hervorgehoben. Wilhelm, der schon längst gegen Mißbräuche kämpfte, welche die Wirksamkeit seiner Armee empfindlich beeinträchtigten, freute sich, daß seine Hand auf diese Weise gekräftigt wurde. Er versprach vollständige Genugthuung, cassirte den schuldigen Obersten, gab strengen Befehl, daß den Truppen ihr Sold regelmäßig ausgezahlt werde und ernannte eine Militärbehörde zur Entdeckung und Bestrafung solcher Ungebührlichkeiten, wie sie in Royston vorgekommen waren.10

Aber die ganze Verwaltung war in einem solchen Zustande, daß es kaum möglich war, einen Schuldigen zu bestrafen, ohne zehn andere zu entdecken. Im Laufe der Untersuchung über das Benehmen der Truppen in Royston kam es an den Tag, daß Heinrich Guy, Parlamentsmitglied für Heydon und Sekretär des Schatzamts, eine Bestechungssumme von zweihundert Guineen angenommen hatte. Guy wurde sogleich in den Tower geschickt, nicht ohne großen Jubel seitens der Whigs, denn er war eines von den Werkzeugen, welche zugleich mit den Gebäuden und Einrichtungen der öffentlichen Aemter von Jakob auf Wilhelm übergegangen waren; er spielte die Rolle eines Hochkirchlichen, und man wußte, daß er mit einigen Oberhäuptern der Torypartei, und namentlich mit Trevor, eng befreundet war.11

Ein andrer Name, der später eine nur zu weit verbreitete Berühmtheit erlangte, wurde damals dem Publikum zuerst bekannt. Jakob Craggs hatte seine Laufbahn als Barbier begonnen. Dann war er Bedienter der Herzogin von Cleveland geworden. Seine ausgezeichneten, wenn auch nicht durch Unterricht ausgebildeten Naturgaben hatten ihn in der Welt emporgehoben, und er betrat jetzt eine Laufbahn, die nach einem Viertel Jahrhundert des Glücks mit unbeschreiblichem Elend und Verzweiflung endigen sollte. Er war Tuchlieferant für die Armee geworden. Er wurde über seinen Geschäftsverkehr mit den Regimentsobersten vernommen, und da er sich hartnäckig weigerte, seine Bücher vorzulegen, wurde er in den Tower geschickt, um Guy Gesellschaft zu leisten.12

Wenige Stunden nachdem Craggs ins Gefängniß geworfen worden war, legte ein Ausschuß, der ernannt war, um die Begründung einer von einigen Miethkutschern London’s eingereichten Petition zu untersuchen, einen Bericht auf den Tisch des Hauses nieder, der allgemeinen Abscheu und Unwillen erregte. Es ergab sich, daß diese armen ihr Brot sauer verdienenden Menschen von der Behörde, unter deren Aufsicht sie eine Acte der vorigen Session gestellt hatte, schwere Unbill erfahren hatten. Sie waren nicht allein von den Commissaren, sondern auch von dem Bedienten eines Commissars und von der Concubine eines andren gebrandschatzt und insultirt worden. Die Gemeinen richteten eine Adresse an den König und der König entsetzte die Schuldigen ihrer Stellen.13

Inzwischen aber begann Verbrechern, die in Macht und Rang weit höher standen, bange zu werden. Bei jeder neuen Entdeckung wuchs die Aufregung sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mauern des Parlaments. Das entsetzliche Ueberhandnehmen von Bestechung, Corruption und Erpressung bildete überall den Gegenstand des Tagesgesprächs. Ein zeitgenössischer Pamphletist vergleicht den damaligen Zustand der politischen Welt mit dem Zustande einer Stadt, in der man so eben das Herrschen einer Pestseuche entdeckt hat und in der die Schreckensworte „Gott sei uns gnädig” bereits an einigen Thüren zu lesen sind.14 Geflüster, das zu einer andren Zeit rasch verklungen und vergessen worden wäre, schwoll jetzt zu Murren und dann zu lautem Geschrei an. Es entstand und verbreitete sich das Gerücht, daß die Gelder der beiden reichsten Corporationen des Landes, der City von London und der Ostindischen Compagnie, in bedeutendem Maße zur Bestechung hochgestellter Männer verwendet worden seien, und es wurden die Namen Trevor, Seymour und Leeds genannt.

Die Nennung dieser Namen verursachte eine große Aufregung in den Reihen der Whigs. Trevor, Seymour und Leeds waren alle Drei Tories und übten auf verschiedenen Wegen einen größeren Einfluß aus, als vielleicht irgend drei andere Tories des Königreichs. Wenn sie alle Drei zu gleicher Zeit mit beflecktem Rufe aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden konnten, so hatten dann die Whigs im Parlament wie im Cabinet das entschiedene Uebergewicht.

Wharton war nicht der Mann, sich eine solche Gelegenheit entgehen zu lassen. In White’s Kaffeehause, unter den jungen vornehmen Herren, die in Politik und Ausschweifung seine Schüler waren, würde er gewiß herzlich gelacht haben über die Wuth, mit der die Nation plötzlich Leute deshalb zu verfolgen begann, weil sie etwas thaten, was Jedermann stets gethan hatte und stets zu thun versuchte. Aber wenn die Menschen einmal Thoren sein wollten, so war es Sache eines Staatsmannes, ihre Thorheit zu benutzen. Die Sprache der politischen Reinheit war den Lippen Wharton’s nicht so geläufig als gotteslästerliche und unzüchtige Reden; aber seine Manieren waren so geschmeidig und seine Unverschämtheit so groß, daß er vor der Welt als ein sittenstrenger Patriot aufzutreten wagte, der über die Feilheit und Treulosigkeit eines entarteten Zeitalters trauerte. Während er, von dem heftigen Parteigeiste beseelt, der bei rechtschaffenen Männern für einen Fehler gegolten haben würde, der aber bei ihm fast eine Tugend war, seine Freunde eifrig aufstachelte, eine Untersuchung über die Wahrheit der circulirenden schlimmen Gerüchte zu verlangen, wurde der Gegenstand plötzlich und nachdrücklich in den Vordergrund gedrängt. Der Zufall wollte, daß, als eine Bill von geringem Interesse bei den Gemeinen berathen wurde, der Briefträger mit zahlreichen Briefen an Mitglieder ankam, und die Vertheilung erfolgte an der Schranke unter einem Gemurmel, das die Stimmen der Redner übertäubte. Seymour, den sein gebieterischer Character beständig antrieb zu befehlen und zu moniren, verwies den Plaudernden die anstößige Ordnungswidrigkeit ihres Benehmens und forderte den Sprecher auf, es zu rügen. Es erfolgte ein heftiger Wortwechsel und einer der Schuldigen ließ sich so weit hinreißen, daß er auf die über Seymour und den Sprecher umlaufenden Geschichten anspielte. „Es ist allerdings unpassend zu plaudern, während eine Bill berathen wird; aber noch viel schlimmer ist es, Geld anzunehmen, um eine Bill durchzubringen. Wenn wir eine leichte Formverletzung so streng rügen wollen, wie streng sollten wir dann erst gegen die Corruption auftreten, welche das Wesen unserer Institutionen selbst untergräbt!” Das war genug; der Funke war gefallen, der Pulverfaden lag bereit, die Explosion erfolgte augenblicklich und mit furchtbarer Heftigkeit. Nach einer stürmischen Debatte, in der sich zu wiederholten Malen der Ruf: „der Tower!” vernehmen ließ, traf Wharton Anstalt, sein Vorhaben durchzusetzen. Bevor das Haus die Sitzung aufhob, wurde ein Ausschuß zur Prüfung der Bücher der City von London und der Ostindischen Compagnie ernannt.15

1.Siehe Claude’s Predigt auf Mariens Tod.
2.Prior an Lord und Lady Lexington, 14. (24.) Jan. 1695. Der Brief befindet sich in den Lexington Papers, einer werthvollen und gut edirten Sammlung.
3.Monthly Mercury vom Januar 1695. Ein Redner, der in Utrecht eine Lobrede auf die Königin hielt, war so albern zu sagen, ihr letzter Hauch sei ein Gebet für das Wohl der Vereinigten Provinzen gewesen: – „Valeant et Batavi,” – dies sind ihre letzten Worte, – „sint incolumes; sint florentes; sint beati: stet in aeternum, stet immota praeclarissima illorum civitas, hospitium aliquando mihi gratissimum, optime de me meritum.” Siehe auch die Reden Peter Francius’ von Amsterdam und Johann Ortwinius’ von Delft.
4.Journal de Dangeau; Mémoires de Saint-Simon.
5.Saint-Simon; Dangeau; Monthly Mercury für Januar 1695.
6.L’Hermitage, 1. (11.) Jan. 1695; Vernon an Lord Lexington, 1. 4. Januar; Portland an Lord Lexington, 15. (25.) Jan.; Wilhelm an Heinsius, 22. Januar (1. Febr.).
7.Commons’ Journals, Feb. 11., April 12., 17.; Lords’ Journals April 8., 18. 1695. Leider ist in dem Protokolle der Gemeinen vom 12. April eine Lücke, so daß es jetzt nicht mehr möglich ist, zu ermitteln, ob über die Frage bezüglich des Beitritts zu dem von den Lords vorgeschlagenen Amendement eine Abstimmung stattfand.
8.L’Hermitage 10. (20.) April 1695; Burnet II. 149.
9.An Essay upon Taxes, calculated for the present Juncture of Affairs, 1693.
10.Commons’ Journals, Jan. 12., Feb. 26., Mar. 6.; A Collection of the Debates and Proceedings in Parliament in 1694 and 1695 upon the Inquiry into the late Briberies and Corrupt Practices, 1695; L’Hermitage an die Generalstaaten, 8. (18.) März; Van Citters, 15. (25.) März. L’Hermitage sagt: „Si par cette recherche la chambre pouvoit remedier au désordre qui règne, elle rendroit un service très utile et très agréable au Roy.”
11.Commons’ Journals, Feb. 16. 1695. Collection of the Debates and Proceedings in Parliament in 1694 and 1695; Life of Wharton; Burnet II. 144.
12.Sprecher Onslow’s Note zu Burnet II. 583; Commons’ Journals, Mai 6., 7. 1695. Die Geschichte des schrecklichen Endes dieses Mannes findet man in den Flugschriften über das Südseejahr.
13.Commons’ Journals, March 8. 1695; Exact Collection of Debates and Proceedings in Parliament in 1694 and 1695; L’Hermitage, 8. (18.) März.
14.Exact Collection of Debates.
15.L’Hermitage, 8. (18.) März 1695. L’Hermitage’s Erzählung wird durch die Protokolle vom 7. März 1694/95 bestätigt. Es geht daraus hervor, daß das Haus unmittelbar vor Ernennung des Ausschusses beschloß, daß während einer Sitzung keine Briefe an Mitglieder abgegeben werden sollten.
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
10 ağustos 2018
Hacim:
380 s. 1 illüstrasyon
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