Kitabı oku: «Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.», sayfa 2
Neue Arrangements für die Verwaltung der spanischen Niederlande
Wilhelm hatte sich bei der spanischen Regierung bitter über die Unfähigkeit und Trägheit Gastanaga’s beklagt, und die spanische Regierung konnte, so hülflos und schläfrig sie auch war, nicht ganz gleichgültig gegen die Gefahren sein, welche Flandern und Brabant drohten. Gastanaga wurde abberufen und Wilhelm ersucht, die Verwaltung der Niederlande mit Gewalten, welche denen eines Königs nicht nachstanden, selbst zu übernehmen. Philipp II. würde so leicht nicht geglaubt haben, daß innerhalb eines Jahrhunderts nach seinem Tode sein Urenkel den Urenkel Wilhelm’s des Schweigsamen bitten würde, in Brüssel die Autorität eines Souverains auszuüben.15
Der Antrag war in einer Hinsicht lockend; Wilhelm aber war zu klug, um ihn anzunehmen. Er wußte, daß die Bevölkerung der spanischen Niederlande der römischen Kirche fest anhing. Jede Maßregel eines protestantischen Regenten konnte sicher sein, von dem Klerus und der Bevölkerung dieses Landes mit Mißtrauen betrachtet zu werden. Gastanaga hatte bereits im Aerger über seine Entlassung den römischen Hof schriftlich benachrichtigt, daß man Veränderungen im Sinne habe, welche Gent und Antwerpen eben so ketzerisch machen würden wie Amsterdam und London.16 Ohne Zweifel hatte Wilhelm auch erwogen, daß, wenn es ihm auch durch eine milde und gerechte Regierung und durch Bezeigung einer geziemenden Achtung für die Gebräuche und Diener der katholischen Religion gelingen sollte, sich das Vertrauen der Belgier zu erwerben, er unvermeidlich auf unsrer Insel einen Sturm von Vorwürfen gegen sich heraufbeschwören würde. Er wußte aus Erfahrung was es hieß, zwei Nationen zu regieren, welche fest an zwei verschiedenen Kirchen hielten. Eine zahlreiche Partei unter den Episkopalen England’s konnte es ihm nicht vergeben, daß er in die Einführung der presbyterianischen Kirchenverfassung in Schottland gewilligt hatte. Eine zahlreiche Partei unter den Presbyterianern Schottland’s tadelte ihn, daß er die episkopale Kirchenverfassung in England aufrecht erhielt. Wenn er jetzt Messen, Processionen, geschnitzte Bilder, Mönchsklöster, Nonnenklöster und, was das Schlimmste von Allem war, Jesuitenkanzeln, Jesuitenbeichtstühle und Jesuitencollegien unter seinen Schutz nahm, was konnte er dann Andres erwarten, als daß England und Schottland einen einstimmigen Tadelsschrei erheben würden? Er weigerte sich daher, die Verwaltung der Niederlande zu übernehmen und schlug vor, sie dem Kurfürsten von Baiern zu übertragen. Der Kurfürst von Baiern war nach dem Kaiser der mächtigste katholische Potentat Deutschland’s. Er war jung, tapfer und lüstern nach militärischer Auszeichnung. Der spanische Hof war geneigt, ihn zu ernennen und er sehnte sich danach, ernannt zu werden; aber eine alberne Schwierigkeit verursachte eine lange Verzögerung. Der Kurfürst hielt es unter seiner Würde, das zu verlangen, was er so sehr wünschte, und die Formalisten des Cabinets von Madrid hielten es unter der Würde des katholischen Königs, etwas zu geben, um was nicht nachgesucht worden war. Eine Vermittelung war nothwendig, und sie führte endlich zum Ziele. Aber es war viel Zeit verloren worden, und das Frühjahr war schon weit vorgerückt, als der neue Gouverneur der Niederlande seine Functionen antrat.17
Ludwig rückt ins Feld
Wilhelm hatte die Coalition vor der Gefahr behütet, durch Uneinigkeit zu Grunde zu gehen. Aber durch keine Vorstellungen, durch keine Bitten, durch keine Bestechungen konnte er seine Verbündeten bewegen, bei Zeiten im Felde zu stehen. Sie hätten die harte Lection, die ihnen im vorhergehenden Jahre gegeben worden war, benutzen sollen. Doch abermals zauderte Jeder und wunderte sich warum die Anderen zauderten, und abermals erwies sich der Mann, der allein die ganze Macht Frankreich’s in seiner Hand hatte, wie seine stolze Devise sich dessen seit langer Zeit rühmte, einer Menge von Gegnern gewachsen.18 Während seine Feinde noch immer nicht schlagfertig waren, erfuhren sie mit Schrecken, daß er persönlich an der Spitze seines Adels ins Feld gerückt war. Noch bei keiner Gelegenheit war dieser tapfere Adel mit größerem Glanze in seinem Gefolge erschienen. Ein einziger Umstand mag genügen, um einen Begriff von der Pracht und dem Luxus seines Lagers zu geben. Unter den Musketieren seiner Haustruppen ritt zum ersten Male ein siebzehnjähriger Jüngling, der bald nachher den Titel eines Herzogs von Saint-Simon erbte und dem wir die unschätzbaren Memoiren verdanken, welche zur Unterhaltung und Belehrung vieler Länder und vieler Geschlechter das lebensvolle Gemälde eines längst entschwundenen Frankreich erhalten haben. Obgleich sich die Familie des Knaben damals in arger Geldverlegenheit befand, reiste er doch mit fünfunddreißig Pferden und Saumthieren. Die Prinzessinnen von Geblüt, jede von einer Gruppe vornehmer und anmuthiger Damen umgeben, begleiteten den König, und das Lächeln so vieler reizender Frauen beseelte den Schwarm der eitlen und üppigen, aber hochsinnigen Cavaliere mit einem mehr als gewöhnlichen Muthe. In der glänzenden Schaar, welche den französischen Augustus umgab, sah man auch den französischen Virgil, den eleganten, zarten, melodischen Racine. Er war, in Einklang mit der herrschenden Mode, fromm geworden, hatte das Schriftstellern für die Bühne aufgegeben, und da er sich entschlossen, den Pflichten, die ihm als Historiographen Frankreich’s oblagen, energisch nachzukommen, hatte er sich persönlich eingefunden, um die großen Ereignisse mit anzusehen, welche der Nachwelt zu erzählen sein Amt war.19 In der Nähe von Mons bereitete Ludwig den Damen das Schauspiel der prächtigsten Revue, die man im modernen Europa je gesehen hatte. Hundertzwanzigtausend Mann der schönsten Truppen der Welt waren in einer acht Meilen langen Linie aufgestellt. Es steht zu bezweifeln, ob eine solche Armee jemals unter den römischen Adlern vereinigt gewesen war. Das Schauspiel begann früh am Morgen und war noch nicht vorüber, als der lange Sommertag sich zu Ende neigte. Racine verließ den Platz erstaunt, betäubt, geblendet und todtmüde. In einem vertrauten Briefe wagte er es, einen liebenswürdigen Wunsch zu äußern, den er im Hofzirkel auszusprechen sich wahrscheinlich gehütet haben würde: „Wollte Gott, daß alle diese braven Burschen wieder in ihren Hütten, bei ihren Frauen und ihren Kleinen wären.”20
Belagerung von Namur
Nach diesem prächtigen Schauspiele kündigte Ludwig seine Absicht an, Namur anzugreifen. In fünf Tagen war er an der Spitze von dreißigtausend Mann unter den Mauern dieser Stadt. Zwanzigtausend Landleute, die man in den von den Franzosen besetzten Theilen der Niederlande gepreßt hatte, mußten als Schanzgräber dienen. Luxemburg hatte mit achtzigtausend Mann eine feste Stellung auf der Straße zwischen Namur und Brüssel inne und war bereit, jeder Truppenmacht, die es versuchen sollte, die Belagerung aufzuheben, eine Schlacht zu liefern.21 Diese Theilung der Aufgaben nahm Niemanden Wunder. Es war längst bekannt, daß der große Monarch ein Freund von Belagerungen, nicht aber von Schlachten war. Er sprach die Ansicht aus, daß eine Belagerung der wahre Prüfstein militärischer Tüchtigkeit sei. Der Ausgang eines Zusammenstoßes zwischen zwei Armeen im offenen Felde wurde seiner Meinung nach oft durch einen Zufall entschieden; aber Ravelins und Bastionen, welche die Wissenschaft erbaut, konnte nur die Wissenschaft bewältigen. Seine Verleumder nannten es spöttelnd ein Glück, daß der Zweig der Kriegskunst, den Se. Majestät für den edelsten halte, ein solcher sei, der ihn selten nöthigte, ein seinem Volke unschätzbares Leben ernster Gefahr auszusetzen.
Namur, am Zusammenflusse der Sambre und der Maas gelegen, war eine der großen Festungen Europa’s. Die Stadt lag in einer Ebene und besaß keine andre Stärke als die durch die Kunst hervorgerufene. Aber Kunst und Natur hatten sich vereinigt, um die berühmte Citadelle zu befestigen, die vom Scheitel eines hohen Felsens auf eine von zwei schönen Flüssen bewässerte unabsehbare Fläche von Kornfeldern, Waldungen und Wiesen herniedersieht. Die Bevölkerung der Stadt und Umgegend war stolz auf ihr uneinnehmbares Kastell. Sie bildete sich etwas darauf ein, daß in allen Kriegen, welche die Niederlande verwüstet, Geschicklichkeit oder Tapferkeit nie im Stande gewesen waren, durch diese Mauern zu dringen. Die benachbarten Festungen, in der ganzen Welt wegen ihrer Stärke berühmt, Antwerpen und Ostende, Ypern, Lille und Tournay, Mons und Valenciennes, Cambray und Charleroi, Limburg und Luxemburg, hatten ihre Thore den Siegern geöffnet, noch niemals aber war von den Zinnen Namur’s die Fahne herabgenommen worden. Damit nichts fehlte, um die Belagerung interessant zu machen, standen die beiden Großmeister der Befestigungskunst einander gegenüber. Vauban war viele Jahre hindurch als der erste Ingenieur betrachtet worden; aber ein gefährlicher Nebenbuhler war seit Kurzem aufgetaucht: Menno, Baron von Cohorn, der geschickteste Offizier im Dienste der Generalstaaten. Die Vertheidigungswerke von Namur waren unlängst unter Cohorn’s Oberleitung verstärkt und ausgebessert worden, und er befand sich jetzt innerhalb der Mauern. Vauban war im Lager Ludwig’s. Es ließ sich demnach erwarten, daß Angriff wie Vertheidigung mit ausgezeichneter Geschicklichkeit geleitet werden würden.
Die verbündeten Armeen hatten sich inzwischen versammelt, aber es war zu spät.22 Wilhelm eilte nach Namur. Er bedrohte die französischen Werke zuerst von Westen, dann von Norden, dann von Osten. Aber zwischen ihm und den Circumvallationslinien stand die Armee Luxemburg’s, allen seinen Bewegungen folgend und stets in so starker Position, daß es die größte Unklugheit gewesen wäre, ihn anzugreifen. Mittlerweile machten die Belagerer unter Vauban’s geschickter Leitung und durch Ludwig’s Anwesenheit angefeuert rasche Fortschritte. Es waren allerdings viele Schwierigkeiten zu überwinden und große Beschwerden zu ertragen. Das Wetter war stürmisch, und am 8. Juni, dem Tage des heiligen Medardus, der im französischen Kalender die nämliche unheildrohende Stelle einnimmt, die in unsrem Kalender dem heiligen Swithin gebührt, regnete es in Strömen. Die Sambre stieg und überschwemmte viele mit reifenden Ernten bedeckte Quadratmeilen. Die Mehaigne führte ihre Brücken mit sich fort in die Maas. Alle Straßen wurden in Moräste verwandelt. In den Laufgräben standen Wasser und Schlamm so hoch, daß man drei Tage zu thun hatte, um eine Kanone von einer Batterie zur andren zu schaffen. Die sechstausend Wagen, welche die französische Armee begleitet hatten, waren nutzlos. Schießpulver, Kanonenkugeln, Korn und Heu mußten auf dem Rücken der Kriegsrosse von Ort zu Ort transportirt werden. Nur die Autorität Ludwig’s konnte unter solchen Umständen die Ordnung aufrecht erhalten und Freudigkeit erwecken. Seine Soldaten bezeigten ihm in der That eine größere Ehrerbietung als dem Heiligsten ihrer Religion. Sie verwünschten den heiligen Medardus aus dem Grunde des Herzens und zerschlugen oder verbrannten jedes Bild von ihm, dessen sie habhaft werden konnten. Aber es gab nichts, was sie nicht bereitwillig für ihren König gethan und ertragen haben würden. Trotz aller Hindernisse machten sie unaufhaltsame Fortschritte. Cohorn wurde schwer verwundet, während er mit verzweifelter Tapferkeit ein von ihm selbst erbautes Fort vertheidigte, auf das er stolz war. Seine Stelle war nicht zu ersetzen. Der Gouverneur war ein schwacher Mann, den Gastanaga ernannt und dessen Versetzung Wilhelm kürzlich dem Kurfürsten von Baiern angerathen hatte. Der Muth der Besatzung schwand, und die Stadt übergab sich am achten Tage der Belagerung, die Citadelle etwa drei Wochen später.23
Die Geschichte des Falles von Namur im Jahre 1692 ist der Geschichte des Falles von Mons im Jahre 1691 sehr ähnlich. Sowohl 1691 wie 1692 konnte Ludwig, der einzige und unumschränkte Gebieter über die Hülfsquellen des Landes, den Feldzug eröffnen, bevor Wilhelm, der Feldherr einer Coalition, seine zerstreuten Streitkräfte zusammengebracht hatte. In beiden Jahren entschied der Vortheil des ersten Zuges den Ausgang der Partie. Bei Namur sowohl wie bei Mons leitete Ludwig unter Vauban’s Beistand die Belagerung; Luxemburg deckte sie, Wilhelm versuchte vergebens sie aufzuheben und mußte zu seinem tiefen Schmerze dem Siege seines Gegners als Zuschauer beiwohnen.
In einer Hinsicht war jedoch das Schicksal der beiden Festungen ein ganz verschiedenes. Mons wurde von seinen eigenen Einwohnern übergeben. Namur hätte vielleicht gerettet werden können, wenn die Besatzung eben so begeistert und entschlossen gewesen wäre wie die Einwohnerschaft. Merkwürdigerweise herrschte in dieser so lange einer fremden Herrschaft unterworfenen Stadt ein Patriotismus ähnlich dem der kleinen griechischen Republiken. Man hat keinen Grund zu glauben, daß die Bürger sich um das Gleichgewicht der Macht kümmerten oder eine Vorliebe für Jakob oder für Wilhelm, für den Allerchristlichsten König oder für den Allerkatholischsten König hatten. Aber jeder Bürger glaubte seine eigene Ehre mit der Ehre der jungfräulichen Festung verknüpft. Die Franzosen mißbrauchten zwar ihren Sieg nicht. Es wurden keine Gewaltthätigkeiten verübt, die Privilegien der Municipalität wurden geachtet, die Behörden nicht gewechselt. Dennoch aber konnte das Volk einen Sieger nicht ohne Thränen der Wuth und Scham in das bis dahin unbezwungene Schloß einziehen sehen. Selbst die barfüßigen Carmeliter, die allen Genüssen, allem Eigenthum, allem geselligen Umgang, allen häuslichen Zuneigungen entsagt hatten, deren Tage lauter Fasttage waren, die einen Monat nach dem andren verlebten, ohne ein Wort zu sprechen, waren heftig ergriffen. Umsonst bemühte sich Ludwig, sie durch Beweise von Achtung und fürstlicher Freigebigkeit zu beschwichtigen. So oft sie einer französischen Uniform begegneten, wendeten sie sich mit einer Miene ab, welche bewies, daß ein Leben des Gebets, der Enthaltsamkeit und des Schweigens ein irdisches Gefühl in ihnen nicht zu ersticken vermocht hatte.24
Dies war vielleicht der Augenblick, wo Ludwig’s Arroganz den höchsten Grad erreichte. Er hatte die letzte und glänzendste Kriegsthat seines Lebens vollbracht. Seine verbündeten Feinde, Engländer und Deutsche, hatten gegen ihren Willen seinen Triumph erhöht und waren Zeugen des Ruhmes gewesen, der ihnen das Herz brach. Seine Freude war grenzenlos. Die Umschriften auf den Denkmünzen, die er zur Verewigung seines Sieges schlagen ließ, die Schreiben, durch welche er den Prälaten seines Königreichs befahl, das Te Deum zu singen, waren prahlerisch und sarkastisch. Sein Volk, ein Volk, zu dessen vielen edlen Eigenschaften Mäßigung im Glück nicht gerechnet werden kann, schien eine Zeit lang trunken von Stolz. Selbst Boileau, durch die herrschende Begeisterung mit fortgerissen, vergaß die Gelassenheit und den guten Geschmack, denen er seinen Ruf verdankte. Er bildete sich ein, ein lyrischer Dichter zu sein und machte seinen Gefühlen in hundertsechzig Strophen geistlosen Bombastes über Alcibiades, Mars, Bacchus und Ceres, die Leier des Orpheus, die tracischen Eichen und die permessianischen Nymphen, Luft. Er sagte, er möchte wohl wissen, ob Namur, wie Troja, von Apollo und Neptun erbaut worden sei. Er fragte, welche Macht eine Stadt bezwingen könne, welche stärker sei als die, vor der die Griechen zehn Jahre lagen, und er gab sich selbst die Antwort darauf, daß ein solches Wunder nur durch Jupiter oder durch Ludwig bewerkstelligt werden könne. Die Feder am Hute Ludwig’s war der Leitstern des Sieges. Vor Ludwig müsse sich Alles beugen, Fürsten, Nationen, Winde und Wasser. Zum Schluß wendete sich der Dichter an die verbündeten Feinde Frankreich’s und ersuchte sie höhnisch, die Nachricht mit nach Hause zu nehmen, daß Namur vor ihren Augen gefallen sei. Doch es waren noch nicht viele Monate verstrichen, als der prahlerische König und der prahlerische Dichter belehrt wurden, daß es eben so klug als anständig ist, in der Stunde des Sieges bescheiden zu sein.
Eine Kränkung hatte Ludwig selbst inmitten seines Glückes erfahren. Während er vor Namur lag, hörte er Töne des Jubels im fernen Lager der Alliirten. Ein dreifacher Donner aus hundertvierzig Geschützen wurde von drei Salven aus sechzigtausend Flinten beantwortet. Man erfuhr bald, daß diese Salven wegen der Schlacht von La Hogue abgefeuert wurden. Der König von Frankreich bemühte sich heiter zu erscheinen. „Sie machen einen entsetzlichen Lärm um das Verbrennen einiger Schiffe,” sagte er. In der That aber war er sehr besorgt, dies um so mehr, als die Nachricht nach den Niederlanden gelangt war, daß ein Seetreffen stattgefunden und daß seine Flotte geschlagen worden sei. Seine gute Laune wurde jedoch bald wieder hergestellt durch den glänzenden Erfolg der Operationen, die unter seiner unmittelbaren Leitung vor sich gingen.
Ludwig kehrt nach Versailles zurück
Als die Belagerung vorüber war, übertrug er Luxemburg das Obercommando der Armee und kehrte nach Versailles zurück. Bald fand sich der unglückliche Tourville daselbst ein und wurde freundlich empfangen. Sobald er in dem Zirkel erschien, begrüßte ihn der König mit lauter Stimme. „Ich bin vollkommen zufrieden mit Ihnen und mit meinen Seeleuten. Wir sind zwar geschlagen worden, aber Ihre Ehre und die der Nation sind unbefleckt.”25
Obgleich Ludwig die Niederlande verlassen hatte, waren doch die Blicke von ganz Europa noch immer auf diese Gegend gerichtet. Die daselbst stehenden Armeen waren durch von verschiedenen Seiten herangezogene Verstärkungen vermehrt worden. Ueberall anderwärts waren die militärischen Operationen des Jahres unbedeutend und ohne Interesse. Der Großvezir und Ludwig von Baden thaten wenig mehr, als daß sie einander an der Donau beobachteten. Der Marschall Noailles und der Herzog von Medina Sidonia thaten wenig mehr, als daß sie einander in den Pyrenäen beobachteten. Am Oberrhein und längs der Grenze, welche Frankreich von Piemont scheidet, wurde ein unentschiedener Raubkrieg geführt, durch den die Soldaten wenig, die Landleute aber sehr viel litten. Jedermann aber blickte in gespannter Erwartung eines großen Ereignisses nach der Grenze von Brabant, wo Wilhelm und Luxemburg einander gegenüberstanden.
Luxemburg
Luxemburg, der jetzt in seinem sechsundsechzigsten Jahre stand, war allmälig und durch den Tod mehrerer großer Männer zum ersten Platze unter den Generälen seiner Zeit emporgestiegen. Er stammte aus dem edlen Hause Montmorency, das viele mythische und viele historische Ansprüche auf Ruhm in sich vereinigte, das sich rühmte, dem ersten Franken, der im fünften Jahrhundert auf den Namen Christi getauft wurde, entsprossen zu sein, und das seit dem 11. Jahrhunderte Frankreich eine lange und glänzende Reihe von Connetables und Marschällen gegeben hatte. In Bezug auf Tapferkeit und Talente stand Luxemburg keinem seines erlauchten Geschlechts nach. Aber trotz vornehmer Herkunft und hoher Begabung hatte er nur mit Mühe die Hindernisse bewältigt, die sich ihm auf dem Ruhmeswege entgegenstellten. Wenn er der Freigebigkeit der Natur und der Glücksgöttin viel verdankte, so hatte er doch noch weit mehr unter ihrer Ungunst gelitten. Sein Gesicht war abschreckend häßlich, seine Gestalt klein, und ein hoher, spitzer Höcker erhob sich auf seinem Rücken. Seine Constitution war schwach und kränklich. Gegen seinen sittlichen Wandel waren schwere Beschuldigungen erhoben worden. Er war des Verkehrs mit Zauberern und Giftmischern beschuldigt worden, hatte lange in einem Kerker geschmachtet und hatte endlich seine Freiheit wiedererlangt, ohne seine Ehre völlig wiederzuerlangen.26 Sowohl Louvois als Ludwig hatten ihn nie leiden können. Doch der Krieg gegen die europäische Coalition hatte noch nicht lange gedauert, als der Minister und der König einsahen, daß der Staat den ihnen persönlich verhaßten General nöthig brauchte. Condé und Turenne waren nicht mehr, und Luxemburg war ohne Widerrede der ausgezeichnetste Soldat, den Frankreich noch besaß. An Wachsamkeit, Fleiß und Beharrlichkeit fehlte es ihm. Er schien seine großen Eigenschaften für große Ereignisse aufzusparen. Auf dem offenen Schlachtfelde war er ganz er selbst. Er besaß einen raschen und sicheren Blick. Sein Urtheil war dann am klarsten und treffendsten, wenn die schwerste Verantwortlichkeit auf ihm lastete und wenn die Schwierigkeiten sich massenhaft um ihn her aufthürmten. Seiner Geschicklichkeit, Energie und Geistesgegenwart verdankte sein Vaterland einige ruhmvolle Tage. Aber obwohl in Schlachten außerordentlich glücklich, war er nicht besonders glücklich in Feldzügen. Er erwarb sich auf Wilhelm’s Unkosten einen glänzenden Ruf, und doch gaben die beiden Feldherren in Sachen des Kriegs einander wenig nach. Luxemburg war zu wiederholten Malen siegreich, aber er verstand die Kunst nicht, einen Sieg zu benutzen. Wilhelm wurde zu wiederholten Malen geschlagen; aber von allen Feldherren verstand er es am besten, eine Niederlage wieder gut zu machen.
Im Monat Juli befand sich Wilhelm’s Hauptquartier in Lambeque. Ungefähr sechs Meilen davon, bei Steenkerke, lag Luxemburg mit dem Gros seiner Armee, und noch etwa sechs Meilen weiter lag ein starkes Corps unter den Befehlen des Marquis von Boufflers, eines der besten Offiziere in Ludwig’s Diensten.
Die Gegend zwischen Lambeque und Steenkerke war von unzähligen Hecken und Gräben durchschnitten, und keine der beiden Armeen konnte sich der andren nähern, ohne mehrere lange und schmale Defilés zu passiren. Luxemburg hatte daher wenig Grund zu befürchten, daß er in seinen Verschanzungen angegriffen werden würde, und er war überzeugt, daß er in Zeiten erfahren würde, wenn ein Angriff im Werke war; denn es war ihm gelungen, einen Abenteurer, Namens Millevoix zu bestechen, welcher erster Musiker und Privatsekretär des Kurfürsten von Baiern war. Dieser Mann sandte regelmäßig authentische Nachrichten über die Pläne der Alliirten in das französische Hauptquartier.
Im festen Vertrauen auf die Stärke seiner Position und auf die Genauigkeit seiner Nachrichten, lebte der Marschall in seinem Zelte, wie er in seinem pariser Hotel zu leben gewohnt war. Er war zu gleicher Zeit ein Schwächling und ein Wüstling und in beiden Eigenschaften liebte er die Bequemlichkeit. Er bestieg fast nie sein Pferd. Leichte Conversation und Kartenspiel füllten den größten Theil seiner Zeit aus. Seine Tafel war luxuriös, und wenn er einmal bei Tische saß, war es gefährlich, ihn zu stören. Einige Spötter sagten, daß er sich bei seinen militärischen Dispositionen nicht ausschließlich durch militärische Gründe leiten lasse, daß er sich gewöhnlich an einem Orte verschanze, wo das Kalbfleisch und Geflügel besonders gut seien, und daß er stets darauf Bedacht nehme, sich diejenige Communication mit dem Meere frei zu halten, die ihm vom September bis zum April eine regelmäßige Zufuhr von Sandwich-Austern sicherte. Wenn es in der Nähe seines Lagers hübsche Frauen gab, so waren sie in der Regel bei seinen Gastmählern zu finden. Man kann leicht denken, daß unter einem solchen Befehlshaber die jungen Prinzen und Edelleute Frankreich’s in Glanz und Galanterie mit einander wetteiferten.27