Kitabı oku: «Lob der Brandstifterin»
Der Autor
Thomas Ballhausen, 1975 in Wien geboren. Studium, der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Wien. Autor, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Filmarchiv Austria, Lektor an der Universität Wien. Literarische Veröffentlichungen in Zeitschriften (u. a. kolik, Krachkultur, LICHTUNGEN) und Anthologien (u. a. Zum Glück gibt’s Österreich, Wagenbach). Zahlreiche Buchpublikationen (Auswahl): Geröll (2005), Die Unversöhnten (2007), Bewegungsmelder (2010). Preise (Auswahl): Reinhard-Priessnitz-Preis 2006, Holfeld-Tunzer-Preis 2008.
Die Textlicht-Reihe
Textlicht ist junge Literatur in einem handlichen Format, für daheim oder unterwegs – die Bücher der Textlicht-Reihe sind hochwertige und unterhaltsame Literatur, die unter die Haut geht und im Kopf bleibt.
Thomas Ballhausen
Lob der
Brandstifterin
Erzählung
Mit einem Nachwort von Jack Hauser
Inhalt
I.
II.
III.
Nachwort
I.
I’ve made love, I’ve been fucked. So what.
Bright Eyes: Hot Knives
Das zufällig gelesene Fragment stellt die Situation auf den Kopf. Linearität, so war unlängst zu hören, wäre ja ohnehin heillos überschätzt. Freundlicher als die Zeile „Du hättest wenigstens anrufen können“ wird es nicht mehr werden. Im Wechselschritt geht es verletzend voran, der kaum sichtbare Beobachter begleitet das schändliche Geschehen wie ein mechanischer Chronist. Aufblicken, sich umblicken, sich orientieren, wie sind wir, wie bin ich hier nur gelandet? Die Gesichter der anderen Gäste erscheinen bedrohlich vertraut, war ich verabredet, welches Geschäft galt es abzuwickeln? Oder ist die Mission gar eine andere? Jeden Moment kann man enttarnt werden, die nächste Katastrophe ist nur eine weitere Zufälligkeit entfernt. Versuche der Maskierung tragen noch zur weiteren Verfremdung der Gesamtsituation bei. Jede dieser Unternehmungen ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Unerkannt bleibt – es mutet ein wenig paradox an – über längere Zeiträume vielleicht aber doch nur derjenige, der sich nicht vorsätzlich verändert. Wie Leihgaben wechseln die Körper für kurze Zeit die Besitzer, man schenkt sich ja sonst nichts. Bald schon aber hat man sich satt, wer will denn schon jemand anderen nötig haben. Die Notwendigkeit des Verlusts wird jeden Tag neu verhandelt. Wir sind Politiker und Piraten, kaum haben wir das Bett verlassen. Habe ich zu lange unter Krähen gelebt, zu weit weg von all den anderen? Aber ich habe mich, entgegen aller Vermutungen und Ängste, dort sehr wohlgefühlt, vielen Dank auch. Ich habe die Arme ausgebreitet und mich unter sie gemischt, zugelassen, dass sie mich kennenlernen, aufnehmen, mich akzeptieren. Mich irgendwo einzufügen ist mir ja noch nie besonders schwer gefallen, das habe ich wie alle anderen Dinge auch trainiert. Für was immer ich getan habe, nachdem man mich dazu ausgebildet hat, musste ich nur die natürliche Begabung zu lügen mitbringen, alle anderen Fertigkeiten konnte ich erlernen, ich konnte sie üben, bis selbst ich davon überzeugt war, dass all dies nur aus mir kommt, nur aus mir entspringt. Vermutungen will ich nicht bestätigen, Fragen nicht beantworten, kein Kommentar zu den Vorkommnissen. Von den vergangenen Dingen redet doch kaum noch jemand – und selbst dann nur hinter vorgehaltener Hand, es ist ein zum Getuschel gesteigertes Flüstern, wenn schon.
Die Feuer in der Tiefe sind längst erloschen. Nur in den langweiligsten Zusammenstellungen, den unbeantworteten Briefen und den vergessenen Einladungen wird noch darauf Bezug genommen. Alljährlich werden an der Oberfläche Menschen angezündet, zum Gedenken an den alten Schrecken und seine Rhythmen. Unruhig wird zwischen den Orten gewechselt. Als ob es sich auf der Straße leichter schreiben und im Park leichter leben ließe. Der vorsichtige Blick zur Seite ist verräterisch. Lieber soll ein weiteres Unrecht begangen, als auf jeden Anflug von Ordnung verzichtet werden. Wer nicht mehr fliegen kann, kann sich auch in keiner Laterne, sei sie auch noch so geräumig, einrichten. Die Unsicherheit und die Gerüchte stiften leise Verwirrung, kaum fühlbaren Aufruhr unter den zitternden Oberflächen. Im Neigen des Kopfes, im Falten der Hände versteckt sich das Entschlüsselbare. Für Momente der Entspannung kann die Außenwelt vergessen werden. Heimisch kann hier aber trotzdem niemand sein. Der Status des Gasts lässt sich nicht abwaschen, vor dem Spiegel nicht wegbürsten.
Die Musik ist zu langsam, aber wir versuchen trotzdem zu tanzen. Der schleppende Schritt einer billig und banal scheinenden Romantik will uns einfach nicht gelingen. Für einfache Folgen und Figuren sind wir, so die uns in trügerische Sicherheit wiegende Halbwahrheit, nicht gemacht. Wir halten uns. Für immer ist eine ziemlich lange Zeit.
Nachrichten wechseln zwischen den wie eigenständig agierenden Geräten hin und her. Phrasen werden abgespult, das Vielgesagte wiederholt. Die unbeabsichtigte Berührung einiger Tasten kann Existenzen löschen, Kriege auslösen oder Liebe stiften. Ein Zauberspruch ist also mitunter doch wie eine Telefonnummer, die man auswendig – by heart – weiß. Im hintersten Winkel des Verstecks gibt es angeblich keinen Empfang. Hier scharen sich die Verräter, die Flüchtenden und die Scheuen, die sich verführen lassen möchten. Wir treffen uns vor verschlossenen Türen. Es muss kein Wort gesprochen werden, hier gibt es keine schon vor längerer Zeit vorgefertigten Sätze, die pflichtgemäß zu wechseln wären. Ein Nicken, ein filmreifer Blick und das Ansetzen zu einer Bewegung. Das reicht, mehr braucht es nicht, das ist das Signal. Die Botschaft ist ebenso eindeutig wie unhöflich: „WERDE ENDLICH ERWACHSEN“ steht da in Versalien auf dem matt leuchtenden Display. An wen sich die Aufforderung richtet, ist unbestimmt. Wenn die Aufgabe erledigt ist, werden wir lange nicht wissen, wohin wir uns wenden sollen.
Ich habe nun auch das Fieber bekommen. Ich sage ganz bewusst das Fieber, denn es ist ein besonderes, einzigartiges. Ich habe nun also auch das Fieber bekommen, und es fühlt sich – was nicht ganz falsch ist – eher so an, als hätte ich mich dafür entschieden, als dass es mich einfach zufällig erfasst hätte. Auf zumindest eine Weise, das wird mir nun bewusst, habe ich immer schon das Fieber fühlen wollen.
Da ist schon wieder ein Fest angekündigt, das ohne mich stattfinden muss. Die Einladung kommt mit der Post. Ich muss den Empfang bestätigen und bin für einen Moment überfordert. Mit welchem Namen soll ich unterschreiben? Unschuld ist eben doch nur ein provisorischer Zustand. Das ist ein Satz, der besonders am frühen Morgen eine besondere Wirksamkeit entfalten kann. Du sagst ihn mit einer eigentlich beeindruckenden Leichtigkeit, die mich, wäre ich nicht vollkommen konzentriert, zittern lassen würde. Die Menschlichkeit der Spione ist eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle.
Wir wollen versuchen, Würde, Haltung und Begriffe zu bewahren. Den Zeugnissen muss man ihr Recht lassen. Jeden Tag muss die Bedrohung gebannt werden, die möglichen und wahrscheinlichen Verluste sind schon berechnet. Dies ist ein hochgradig unsicheres Territorium. Es liegt keine Verwechslung vor. Auf dem Kuvert hat sich der Absender nur verschrieben und damit einen neuen, eigentlich geheimen Namen freigelegt. Er hat eine neue Person gestiftet, die nicht mehr zurückgenommen werden kann. Ich werde mich auch mit ihr und ihren Wünschen arrangieren müssen. Wir stiften, wir errichten etwas, das wir noch nicht vollständig verstehen. Im Blick zurück wird manches, das zuerst freundlich verschleiert war, unerfreulich klar. Du drehst den Kopf zur Seite, um dieser Aussage mehr Gewicht zu verleihen. Die Wahrheit oder was wir dafür halten, so fährst Du fort, ist eine schrecklich kalte Angelegenheit.
Kommt eine Reise noch in Frage? Können wir die geordnete Vorstufe zu einer weit chaotischeren Flucht noch in Betracht ziehen? Unsere Gepäckstücke sind so schwer von der Vergangenheit, dass wir uns im Jetzt kaum noch von der Stelle bewegen können. Wir stehen uns im Weg, nichts weiter. Später wirst Du behaupten, ich sei in Deine Schusslinie gelaufen. Das hätte ja niemand ahnen können. Den zu dieser Lüge passenden Gesichtsausdruck übst Du jeden Abend vor dem Badezimmerspiegel. Manchmal beobachte ich Dich heimlich dabei. Wer macht es sich hier leicht? Das ist eine der Fragen, die man in allen Zeitungen finden wird. Ich sollte mich nicht teilen, ich sollte mich vervielfältigen können. Die auf mich geworfenen Steine – der erste, zweite, dritte und immer so weiter – liegen wie Fallobst ringsum verstreut. Zuletzt, in einem Anflug von Schwäche, hätte ich mich beinahe bei Dir entschuldigt.
Ich habe nun auch das Fieber bekommen. Dieser Satz ist richtig, meine jetzige Lage beschreibt er aber bei näherer Betrachtung nur unvollkommen. Vielmehr hat mich das Fieber ganz durchdrungen, mich unheilbar verändert. Ich bin nach und nach das Fieber geworden. Es hat sich dabei verschoben und verändert. Es hat mich auf kleinster Ebene Teilchen für Teilchen ausgetauscht. Ich bin das neue Fieber. Ich lege die Landkarte, die auf dem Schreibtisch ausgebreitet war, zusammen, versuche einigermaßen vergeblich die ursprünglichen Faltungen einzuhalten. Die Momente des Aufbruchs bei der Abreise waren wie immer hektisch und von Zeitknappheit bestimmt. Diesmal war es gar ein fünffingriger Würgegriff, der mir alles erschwerte. Einatmen, ausatmen, nichts vergessen, einatmen, ausatmen, alles vergessen. Es muss sich endlich etwas ändern, ich sterbe sonst tatsächlich.
Die Hand an das grobe Mauerwerk gepresst, fühle ich den Puls der Stadt, die unter dem Mauerwerk verlaufenden Leitungen. Etwas schläft unter dieser langsam abbröckelnden Haut. Sie hat längst verstanden, was für einen Wert das hat, aber sie will ihre Wahrheiten nicht mit mir teilen. Sie zieht es vielmehr vor, mich in den unmöglichsten Momenten mit den immer gleichen – und irgendwie auch immer gleich berechtigt klingenden – Vorwürfen zu konfrontieren. Die Mauer ist so kühl wie mein Gemüt. Da ist eine Stimme, die im Verputz der Dinge steckt, doch noch hat sich ihre Frequenz mir nicht erschlossen. Vielleicht wird hier ja auch von einer Wahrheit gesprochen, für die ich mich taub stellen muss. Das bedrohlich anmutende Geräusch, das zu hören ist, wenn man eine lange getragene Maske anzieht. Ein unfreundliches Schmatzen, Puder rieselt auf meine Schultern. Mein Gesicht ist gerötet. Für einen Moment fürchte ich, dass sich Teile meiner Haut ebenfalls abgelöst haben und die nächste, darunterliegende Maskierung zu sehen ist. Das Wunder der Fälschung liegt nicht so sehr im Vermeiden der Verluste begründet, sondern im Aufbieten unvermuteter Reserven.
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