Kitabı oku: «Der Sonnenstaat»
Thomas Campanella
Der Sonnenstaat
Eine Auswahl
Impressum
ISBN 978-3-86408-011-1 (epub)
ISBN 978-3-86408-012-8 (pdf)
Digitalisat basiert auf der auf der Ausgabe von 1919 aus der Bibliothek des Vergangenheitsverlags; bibliografische Angaben:
Thomas Campanella, Der Sonnenstaat. Eine Auswahl, hg. Von Paul Oestreich, München 1919
Bearbeitung und einleitendes Essay: Christoph Ohlig
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Inhalt
Einleitendes Essay: Konstruierte Staaten – unerreichte Träume
DER SONNENSTAAT
Einleitendes Essay: Konstruierte Staaten – unerreichte Träume
Utopien sind positive gesellschaftliche Grundentwürfe, die meist durch eine unterschwellige oder auch offene Kritik an den zeitgenössischen Verhältnissen eine Verbesserung der Umstände hervorrufen wollen. Utopien tragen zu einer eine kritischen Reflexion gesellschaftlicher Zustände bei. Interessant sind utopische Werke, die in den letzten Jahrhunderten vielfach verfasst worden sind, heute noch; sie entführen in andere Gedankenwelten und stehen grundsätzlich für die Möglichkeit, „Gesellschaft“ als Experiment anders zu denken, als sie in der nüchternen Realität erscheint. Der Reiz einer Utopie liegt im Unbekannten und dem Kennenlernen völlig neuer Weltbilder – zumindest in Gedanken. Im Gegensatz zur reinen fantastischen Literatur können Utopien jedoch zur Wirklichkeit werden, denn Gesellschaft ist ja tatsächlich immer im Fluss. Sie verändert sich. Die Geschichte ist der beste Beweis dafür. Gerade diese Mischung aus bisher Unerreichtem, weit von der Realität Entferntem und der Vorstellung einer Verwirklichung dieser Ideen, macht eine Utopie so spannend.
Eine der bekannten utopischen Entwürfe in der Literaturgeschichte ist Thomas Campanellas Werk „Der Sonnenstaat“, das 1602 verfasst wurde und hier in ihren aussagekräftigsten Ausschnitten vorliegt. Die erstmals 1919 herausgegebene Auswahl wird mit dieser Ausgabe nun als E-Book zugänglich gemacht. Zeitlich gesehen ist Campanella einer der frühen klassischen Utopisten, nachdem der englische Humanist und englische Lordkanzler von Heinrich VIII., Thomas Morus, im 16. Jahrhundert diesen Begriff mit seinem 1516 verfassten Werk „Utopia“ prägte1. Dieses Werk war stilbildend für zahlreiche nachfolgende Schriften (wie auch die Campanellas). Das Motiv einer idealisierten Staatsform, die ein klar umrissenes Aktionsfeld auf einer Insel hat, wurde von einigen Autoren weiterverfolgt. „Utopia“ erzählt in einem als Dialog verfassten Reisebericht von einer idealisierten Welt, auf der keinerlei Unterschiede der Bewohner herrschen. Solch eine Idee war für diese Zeit revolutionär, denn Unterschiede zwischen Ständen galten als Selbstverständlichkeit. Allerdings gab es auch schon in der griechischen Antike Staatsphilosophen, wie Platon, der im 4. Jahrhundert vor Christus mit seinem „Staat“ ein grundlegendes Werk einer idealen Gesellschaft vorlegte, nachdem dieser sich zeitlebens mit der Politik im Stadtstaat Athen auseinandergesetzt hatte. In der Epoche der Renaissance (14.-17. Jahrhundert), der Morus und Campanella angehörten, wurden zahlreiche Ideen der Antike wiederentdeckt, daher ist es nicht verwunderlich, dass einige Elemente Platons im „Sonnenstaat“ verarbeitet werden. Allerdings wurde Campanella auch wesentlich durch seine eigene Zeit beeinflusst, weshalb sich einige vermeintlich gegensätzliche Wesenszüge in seinem utopischen Staat vereinen.
Campanellas „Sonnenstaat“ blieb nicht die einzige Utopie nach Platon und Thomas Morus. Eine Blüte erlebte die utopische Literatur im Frankreich und England des 17. und 18. Jahrhunderts. In der Epoche der Aufklärung, geprägt u.a. durch wissenschaftliche Vernunft, rationales Denken, die Ablehnung von naiver religiöser Gläubigkeit, sahen sich viele Menschen aus einer Unmündigkeit befreit und wollten ihre eigenen Gedanken zur Verbesserung der politischen Lage verfassen. Das politische System, in dem die beiden Autoren lebten, war autoritär. Die Monarchien boten gemeinhin kaum Möglichkeiten der Partizipation oder der sozialen Mobilität. Das „Oben“ und „Unten“ innerhalb der Monarchien war eindeutig geregelt. Um so interessanter ist es, dass sich Autoren utopischer Werke gegen diese vorgefundenen, vermeintlich unverrückbaren Verhältnisse zumindest gedanklich auflehnten und die Ordnung in Frage stellten. Der Utopie wohnt deshalb immer auch ein revolutionärer Funke inne. Die utopischen Ideen muten deshalb für ihre Zeit unglaublich modern an. So finden sich in der utopischen Literatur urkommunistische Ideen des Gemeinwesens wieder, wie eben auch bei Morus und Campanella, anarchistische Modelle ohne jegliche Herrschaft, komplette Religionsstaaten (Theokratien) oder verbesserte Monarchien. Auch repräsentative Demokratien, wie wir sie heute kennen, wurden schon gedanklich entwickelt.
Im 19. Jahrhundert veränderte sich der Fokus utopischer Literatur in Richtung der zunehmenden Technologisierung. Utopische Autoren verfassten in dieser Zeit des industriellen Umbruchs Szenarien einer Zukunftswelt, in der bereits hoch entwickelte Roboter oder andere Maschinen vorkamen, die das Leben erleichterten. Dieser Typus der utopischen Literatur mündet begrifflich seit Beginn des 20. Jahrhunderts in die literarische Gattung der Science Fiction. Andere Autoren erkannten dagegen die Schattenseiten der Technik und der Industrialisierung und verfassten so genannte Dystopien, negative Utopien. Mit einer oftmals auftretenden scharfen Satire wollten diese Schreckensszenarien vorhandene Entwicklungen kritisieren, die – so glaubten viele Autoren – in ein totalitäres Regime führen könnten.
Die Rahmenhandlung des „Sonnenstaats“ – der Name deutet auf einen sehr weit entfernten Ort hin – wird durch die Erzählung eines Genuesen gebildet, der selbst eine Reise dorthin unternimmt. Wo genau dieser Ort liegt, ist unklar – Utopia kann der griechischen Wortbedeutung nach auch „Nirgendland“ heißen, meist dargestellt durch eine ferne Insel. Anschließend berichtet der Erzähler des „Sonnenstaates“ seinen italienischen Landsleuten in Genua von den vorgefundenen Verhältnissen und den Verbesserungen gegenüber dem eigenen Land. Die Kritik an der zeitgenössischen Realität wird im „Sonnenstaat“ dadurch deutlich, dass die so genannten „Solarier“ beispielsweise über Gebräuche und Sitten der italienischen Landsleute spotten. Die Staatsform selbst ist relativ kompliziert, da aus heutiger Sicht sehr gegensätzliche Elemente dort zusammenkommen und sich zu einer widersprüchlichen Einheit fügen. Oberster Herrscher des Sonnenstaats ist der Priester „Sol“, dessen Amt auch „Metaphysikus“ genannt wird. Zusammen mit weiteren Obrigkeiten, die insgesamt das gesamte Wissen und damit eine Art Gelehrtenelite darstellen, regiert er den Staat monarchisch und kann nur durch einen großen Rat Beschwerden oder Lob empfangen. Oberste Priorität hat im „Sonnenstaat“ allerdings nicht der Einzelne, sondern – und das ist revolutionär – die Gemeinschaft. Das wirtschaftliche Leben der Bewohner ist dem heutigen Verständnis nach sozialistisch aufgebaut, da kein Privateigentum existiert und alles für das Beste der Gemeinschaft getan wird. Das beinhaltet auch eine geschickte Kontrolle der Fortpflanzung mit der Begründung, Tiere werden ja ebenso zur Perfektion ihrer Rasse gezüchtet. Insgesamt spiegeln sich also im „Sonnenstaat“ Elemente einer Universalmonarchie, einer Priesterherrschaft (Theokratie), einer Urform des Sozialismus ohne Privatbesitz und ebenfalls Anleihen aus Platons Philosophenstaat – der in seiner Utopie die Herrschergewalt in gebildete Philosophenhände legte – wider.
Der Autor Thomas Campanella - ein rebellischer Mönch
Thomas Campanella lebte im Süditalien des 16. und 17. Jahrhunderts, genauer in der Region Kalabrien. Geboren wurde er 1568 als Giovanni Domenico. Campanella trat in den katholischen Orden der Dominikaner ein, der vom Papst mit der heiligen Inquisition beauftragt worden war. Unter anderem wurde Campanella von dem umstrittenen Bernardino Telesio beeinflusst, dessen Schriften auf Aristoteles’ Naturphilosophie beruhten. Wegen Verteidigung des als Häretiker angesehenen Gelehrten wurde auch Campanella mehrmals der Häresie, der Irrlehre; bezichtigt und verhaftet. Ab 1599 beteiligte er sich an einem kalabrischen Volksaufstand, der sich gegen die spanische Herrschaft in Süditalien richtete. Als religiöser Fanatiker glaubte er, dass damit ein neues Reich errichtet werden sollte, welches alle 1000 Jahre fällig war – die Bewegung nannte sich daher Milleniarismus – und die jeweilige Weltordnung umwälzt. Bereits in dieser Rebellion wollte Campanella eine brüderliche Gemeinschaft ohne privaten Besitz errichten, wie sie sich im „Sonnenstaat“ gedanklich verwirklicht. Allerdings kam der Ordensbruder mit anderen Aufständischen in Gefangenschaft und sah sich einer Anklage wegen Hochverrats ausgesetzt. Seine eigentliche Todesstrafe wandelte die Obrigkeit wegen angeblichen Wahnsinns – sein reales oder simuliertes Delirium waren wohl Folgen zahlreicher Folterungen – in eine lebenslange Haftstrafe um, in der er mehrere seiner Hauptwerke schrieb, bis er nach fast 27 Jahren begnadigt und entlassen wurde. Nach seiner Freilassung sah sich Campanella jedoch gezwungen, nach Frankreich ins Exil zu gehen und starb schließlich in Paris im Mai 1639.
1 Glaser, Horst Albert, Utopische Inseln. Beiträge zu ihrer Geschichte und Theorie, Frankfurt am Main 1996, S. 29f.
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