Kitabı oku: «Die onlinebasierte Anbahnung des sexuellen Missbrauchs eines Kindes», sayfa 7
Die Bedeutung von digitalen Spielen spiegelt sich nicht nur im Umsatz oder Nutzungszahlen wider. Es wird auch eine Vielzahl gesellschaftlicher Diskussionen durch die immense Verbreitung und Nutzung digitaler Spiele ausgelöst. Neben der seit Jahrzehnten stattfindenden globalen Debatte über die Verbindung von Aggressionen und gewalthaltigen Computer- und Videospielen324 – in Deutschland v. a. in den Medien auch unter dem Begriff der „Killerspiele“325– gibt es Diskussionen zu kriminellen Aktivitäten326 in Onlinegames und virtuellen Welten327. Daneben gibt es Fragen, ob digitale Spiele Kulturgüter sind328 und ob sog.
E-Sports dem physischen Sport gleichgestellt werden sollten329. Diese Entwicklung zeigt sich auch im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode: „Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult […] werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen“330.
Onlinespiele sind insgesamt eine der erfolgreichsten Formen Sozialer Medien. Dabei treffen Nutzer aus allen Altersstufen zusammen und haben oft die Möglichkeit zur relativ unproblematischen Kommunikation. Für Cybergroomer bietet sich hierbei die Möglichkeit, im Rahmen eines spielerischen Erlebens Kontakt aufzunehmen und auf Kinder einzuwirken331. Eine Vielzahl an Fällen zeigt, dass Täter diese Möglichkeiten ausnutzen, wie noch zu zeigen sein wird.
IV.1.5 Zwischenfazit
Zunächst kann resümiert werden, dass es in allen Programmen, die die Möglichkeit einer onlinebasierten Kontaktaufnahme und Kommunikation zwischen Nutzern bieten, es prinzipiell auch zu Cybergrooming-Tathandlungen kommen kann. Es zeigt sich, dass sich diese Programme mit der fortschreitenden Digitalisierung immer weiter ausdifferenzieren. Es gibt dabei nicht die eine Plattform für Cybergrooming-Delikte. Dies ist auch folgerichtig, denn Täter werden stets da zu finden sein, wo ihre potentiellen Opfer greifbar sind. Bedingt durch die Änderungen des Mediennutzungsverhalten von Minderjährigen im Laufe der Zeit und immer neu hinzukommende Programme bzw. Plattformen, wie Instagram, Snapchat oder auch Onlinespielen, ist verständlich, warum sich die für Cybergrooming genutzten virtuellen Orte ändern. Daher erscheint es nötig im nächsten Schritt zu erheben, wie Medien in Deutschland aktuell v. a. von Minderjährigen genutzt werden.
IV.2 Mediennutzung in Deutschland
IV.2.1 Mediennutzung von Jugendlichen und Erwachsenen
Die Onlinenutzung, v. a. der Sozialen Medien, ist kein Randphänomen in Deutschland. Vielmehr nutzen nach der seit 1997 regelmäßig durchgeführten Studie von ARD und ZDF im Jahr 2017 fast 89,8 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren (ca. 62 Mio. Deutsche) zumindest gelegentlich Onlineangebote. 1997 lag diese Zahl bei 6,5 Prozent, um sich dann kontinuierlich und zeitweise rasant zu steigern und 2010 die 70-Prozent-Marke zu erreichen332. Diese Ergebnisse werden auch durch den Digital Index, eine Studie der Initiative Deutschland 21, gestützt, der zufolge sich die Onlinenutzung der Deutschen ab 14 Jahren von 37 Prozent im Jahr 2001 auf 81 Prozent im Jahr 2017 mehr als verdoppelt hat333. Die Studie erhebt ab 2015 auch die mobile Internetnutzung. Demnach waren damals bereits 54 Prozent mobil im Internet unterwegs und 2017 64 Prozent334. Rund 31 Mio. Deutsche sollen 2017 einen aktiven Account beim Sozialen Netzwerk Facebook genutzt haben335.
Dabei zeigt sich in der Internetnutzung ein gradueller Unterschied zwischen den Generationen, v. a. bei der mobilen Nutzung. So nutzen 99 Prozent der 14- bis 19-Jährigen das Internet und 89 Prozent sind mobil online. Diese Quote sinkt mit dem Alter leicht ab, bis auf 95 Prozent Internetnutzung bei den 40- bis 49-Jährigen sowie 81 Prozent mobile Internetnutzung. Bei den 60- bis 69-Jährigen sind immerhin 74 Prozent im Internet aktiv, aber lediglich 47 Prozent mobil online. Bei den über 80-jährigen sinkt dies auf 42 Prozent Internetnutzung, 18 Prozent mobile Internetnutzung336.
Insgesamt sollen im Jahr 2015 43 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren zumindest einmal wöchentlich in Sozialen Medien aktiv sein337. 2017 lag diese Quote bereits bei 64 Prozent338. Dabei sticht heraus, dass insbesondere der Messenger-Dienst WhatsApp regelmäßig täglich genutzt wird: 55 Prozent der Internetnutzer ab 14 Jahren gaben an ihn zu nutzen, gegenüber nur 21 Prozent Facebook-Nutzung339. Interessanterweise setzen viele Erhebungen zur Nutzung von Facebook erst bei 13 oder 14 Jahren an340. Dies liegt u. a. darin begründet, dass Facebook durch Abs. 4 Nr. 5 seiner AGB vorschreibt, dass die Nutzer versichern, Facebook nicht zu verwenden, wenn sie unter 13 Jahre alt sind341. Damit wird gar nicht erhoben, wie viele Kinder unter 13 sich faktisch trotzdem bei Facebook anmelden. Bei den 14- bis 19-Jährigen gaben ganze 98 Prozent an WhatsApp zu nutzen, was es nach YouTube (100 Prozent) zur meist frequentierten Social Media App für junge Menschen macht342. Insgesamt zeigt sich, dass Soziale Medien stark von jüngeren Generationen frequentiert werden. 84 Prozent in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen nutzen Instagram, wobei diese Quote mit der Altersstruktur stärker abfällt als bei anderen Plattformen. So nutzen nur noch 58 Prozent der 20- bis 29-Jährigen und 39 Prozent der 30- bis 39-jährigen Instagram343. Ähnlich sieht die Entwicklung auch bei Snapchat aus, dass in der jüngsten Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen von 82 Prozent genutzt wird, bei den 30- bis 39-Jährigen aber nur noch von 22 Prozent. Zum Vergleich ist bei WhatsApp das Verhältnis (98 Prozent zu 81 Prozent) sehr viel näher344. Diese unterschiedliche Nutzung Sozialer Medien nach dem Alter kann auch aus der dargelegten Nutzungsfrequenz von mobilem Internet resultieren.
Abbildung 5 Auszug zur Mediennutzung ab 14 Jahren in Prozent. Quelle: Heintze 2017, Nutzer-Erosion – Facebook hat ein Generationen-Problem.
IV.2.2 Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen
Die angesprochene Entwicklung zeigt sich auch bei der Mediennutzung durch Minderjährige. Nach der auf die Mediennutzung von Jugendlichen in Deutschland spezialisierten JIM Studie gaben 2016 bei den 12- bis 13-Jährigen 86 Prozent WhatsApp als wichtigste Social-Media-Plattform an, 41 Prozent YouTube und 37 Prozent Instagram345. Lediglich 1 Prozent der Kinder benannten Facebook als wichtige App. Bei den 14- bis 15-Jährigen löst Instagram mit 48 Prozent YouTube ab (34 Prozent)346. Facebook gewinnt erst bei den 18- bis 19-Jährigen an Bedeutung, bei denen es immerhin 28 Prozent als wichtig einstufen. Dies verdeutlicht, dass v. a., Facebook für Täter an Relevanz verliert, schlicht weil deren Opfergruppe sie nicht mehr nutzt.
Konkrete Werte für noch jüngere Kinder können der Studie „Kinder und Jugendliche 3.0“ entnommen werden. Demnach haben bereits neun Prozent der 10- bis 11-Jährigen einen Facebook-Account, den sie zumindest hin und wieder aktiv nutzen347. Bei den 12- bis 13-Jährigen steigt diese Quote immerhin auf 38 Prozent348. Bei den 14- bis 15-Jährigen erhöht sich die Zahl sprunghaft auf 67 Prozent; bei den 16- bis 18-Jährigen sind es bereits 88 Prozent349. Obwohl in den Medien in den letzten Jahren häufig darüber berichtet wurde, dass Facebook für Kinder und Jugendliche an Attraktivität verliere350, ist es insbesondere in den Altersgruppen der älteren Jugendlichen und Heranwachsenden immer noch das meist verbreitete Soziale Medium. Eine Studie des PEW-Instituts ergab für das Jahr 2015, dass weltweit 71 Prozent der 13- bis 17-Jährigen zumindest einen Account bei Facebook eingerichtet haben351.
Die MIKE Studie zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen kommt für die Schweiz zu vergleichbaren Ergebnissen. Bereits 51 Prozent der 10- bis 12-Jährigen nutzen WhatsApp und 32 Prozent Instagram als Medium. Hingegen nutzen nur 17 Prozent Facebook und sogar nur 12 Prozent Twitter als ein Kommunikations- und Vernetzungsprogramm352.
Dass von den klassischen auf Kommunikation ausgelegten Sozialen Medien insbesondere WhatsApp und Instagram, aber auch Snapchat in jüngeren Altersgruppen genutzt werden, könnte auch einem anderen Nutzungsverhalten geschuldet sein. Für viele Menschen steht bei Facebook, aber auch Twitter primär die Vernetzung mit anderen – teilweise auch unbekannten – Menschen im Vordergrund ihrer Mediennutzung353. Nutzer hatten mit Facebook und auch MySpace die Gelegenheit, mit teils aus den Augen verlorenen Klassenkameraden oder Familienangehörigen auf eine unkomplizierte Weise Kontakt aufzunehmen und zu halten. Schmidt geht davon aus, dass für Jugendliche Soziale Netzwerke „[…] vorrangig dem Abhängen in der eigenen Clique bzw. Peer-Gruppe […]“ dienen354. Über diese engen sozialen Bindungen – Freundeskreis, aber auch Schulklassen oder Vereine – hinaus werden erweiterte Netzwerke des sozialen Nahfeldes von den Jugendlichen in die Nutzung eingebunden. Kontaktanfragen von nicht oder nur entfernt bekannten Personen werden nur in einem eher geringen Umfang angenommen.
IV.2.3 Frühkindliche Internet- und Mediennutzung
Der Gesetzgeber hat u. a. in § 176 Abs. 1 StGB legal definiert, dass er Kinder als Personen bis 14 Jahren erfasst. Diese Zeitspanne von 0–13 Jahren ist relativ weit gestreckt und erfasst unterschiedliche Stufen der kindlichen Entwicklung. Für die vorliegende Betrachtung der Mediennutzung durch Kinder ist jedoch insbesondere die Altersgruppe von Relevanz, auf die sprachlich – entweder in verbaler oder schriftlicher Form – eingewirkt werden kann. Dies kann in etwa ab drei bis vier Jahren für die verbale Aufnahmefähigkeit und bei sieben Jahren für die Lese- und Schreibfähigkeiten angenommen werden355.
Die Mediennutzung dieser relevanten Altersgruppe ab ca. sechs Jahren ist in unterschiedlichen Studien für den deutschsprachigen Raum erhoben worden. Insbesondere die Studienreihe Kinder und Medien (KIM), die seit 1999 in einem Rhythmus von etwa zwei Jahren jeweils die Mediennutzung von Kindern ab sechs Jahren erhebt, ist eine grundlegende Quelle. 1999 gaben bereits 13 Prozent der Kinder an zumindest gelegentlich im Internet zu surfen356. Bereits im Jahr 2000 erhöhte sich diese Zahl auf mehr als das Doppelte (31 Prozent) und 2002 nochmals auf 52 Prozent357. Der Wert stieg bis 2008 weiter auf ungefähr 59 Prozent an358.
Dabei kann eine klare Differenzierung zwischen den Altersstufen festgestellt werden. Beispielsweise gaben 1999 nur drei Prozent der Kinder von 6–7 Jahren an das Internet zu nutzen359 gegenüber 23 Prozent der 12- bis 13-Jährigen. Eine vergleichbare Studie ergab für 2002, dass bei den 6- bis 7-Jährigen 17 Prozent bereits das Internet genutzt haben360. Dieser Trend setzt sich in den Folgejahren fort, wobei ab 2006 für die Altersgruppen 10/11 und 12/13 (84 bzw. 91 Prozent) von einer annähernden Vollnutzung ausgegangen werden kann. Für das Jahr 2016 wird die Zahl der internetnutzenden Kinder in der Altersstufe von 7–13 Jahren mit insgesamt 94 Prozent angegeben361.
Nach Kalwar und Röllecke erhöhte sich bis 2003 die Zahl der internetnutzenden 6- bis 7-Jährigen auf 38 Prozent, sinkt in der Folge jedoch auf 31 Prozent im Jahr 2006. Eventuell hat dies mit einer gestiegenen Medienkompetenz oder Risikobewusstsein bei Eltern zu tun, die die Mediennutzung reflektierter betrachtet haben könnten362. Dieser Trend scheint sich nach den KIM und JIM Studien ab 2008 umgekehrt zu haben: Die frühkindlichen 6- bis 7-jährigen Internetnutzer wiesen hier teils höchste Steigerungsraten auf. So stieg der Anteil der 6- bis 7-jährigen Internetnutzer vom Jahr 2008 – mit 20 Prozent (2012 nur leichte Steigerung auf 21 Prozent) – auf 35 Prozent im Jahr 2016. Währenddessen verzeichnete die Altersstufe der 8- bis 9-Jährigen einen Anstieg von 50 auf 52 Prozent, die der 10-bis 11-Jährigen stagnierte bei 79 Prozent und die der 12- bis 13-Jährigen wies lediglich eine Steigerung von 86 auf 94 Prozent auf363. Im Durchschnitt nutzten 2016 68,5 Prozent der 6- bis 13-Jährigen bereits das Internet, womit auch das Risiko von Cybergrooming eröffnet wird.
Abbildung 6 Entwicklung kindlicher Internetnutzung von 2008–2016. Quelle: KIM Studien 2008, 2012, 2016.
Diese Ergebnisse werden auch durch weitere Erhebungen unterstützt. Die Studie U9 des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) ergab, dass im Jahr 2014 11 Prozent der 3-Jährigen, 22 Prozent der 5-Jährigen und 40 Prozent der 7-Jährigen das Internet zumindest gelegentlich nutzen364. Gerade die Internetnutzung der 7-Jährigen entspricht den Daten der KIM Studie (35 Prozent). Dies belegt, dass Kinder bereits in jüngsten Jahren in signifikanter Höhe im digitalen Raum aktiv sind und daher prinzipiell auch Opfer von Cybergroomern werden können.
IV.2.4 Digitale Spiele als Spielsphäre von Kindern
Wie aufgezeigt, nutzen Kinder immer mehr das Internet. Hier stellt sich die Frage, welche Medien gerade junge Kinder nutzen, in denen sie tatsächlich Opfer von Cybergrooming werden können.
„ When children begin to use the internet, the first things they do are schoolwork or playing games […]“365. Zu dieser Feststellung kam die EU KIDS Online Studie – die 25.000 Kinder in 25 europäischen Staaten zu deren Nutzungsverhalten befragte – für das Jahr 2011.366. Die Studie kam zu dem Schluss, dass beide Aktivitäten ein Fundament der kindlichen Mediennutzung darstellen. Dies ist auch nicht verwunderlich, so definiert die UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf Spielen in Art. 31 Abs. 1 als ein Grundrecht von Kindern: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit an, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben“367. Dies gilt dementsprechend auch für digitale Spiele.
Nach der miniKIM Studie 2012 spielten 2012 bereits 24 Prozent der 4- bis 5-Jährigen mindestens einmal in der Woche Onlinespiele,368 während nur 8 Prozent das Internet direkt nutzen durften369. Nach der für Deutschland repräsentativen Studie „Kinder und Jugend 3.0“ spielten 2014 56 Prozent der 6- bis 7-jährigen Kinder in Deutschland im Internet digitale Spiele online370. Auch gemäß der KIM Studie 2016 ist die beliebteste digitale Freizeitaktivität von Kindern im Alter von 6–13 Jahren Onlinespiele. Insgesamt 60 Prozent gaben an, sie ein oder mehrmals die Woche zu nutzen, wobei 24 Prozent sogar jeden oder fast jeden Tag spielten371. Dabei zeigen sich in fast allen Studien eindeutige Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen. So gaben nur 19 Prozent der Mädchen an, sehr interessiert an Spielen zu sein, gegenüber 42 Prozent der Jungen372. Insgesamt spielen gemäß dieser Studie dennoch 64 Prozent der Mädchen mindestens einmal die Woche gegenüber 75 Prozent der Jungen373. Dieses Ergebnis bezieht sich insgesamt auf die Altersgruppe der 6- bis 13-Jährigen. Eine Forsa-Studie im Auftrag der DAK Gesundheit vom 9. November 2015 kam zu vergleichbaren Ergebnissen. Demnach können drei Hauptaktivitäten von Kindern herausgearbeitet werden: 1. Videos ansehen (29 Prozent), 2. Onlinespiele nutzen (29 Prozent) und 3. Chatten374 (28 Prozent)375. Dabei waren Onlinespiele die Angebote, in denen die meisten Kinder „[…] mehr als die Hälfte ihrer Online-Zeit verbringen“376. Insgesamt gaben 43 bzw. 42 Prozent der Eltern von Jungen bzw. Mädchen in der Alterskategorie von 12–17 Jahren Onlinespiele als das Medium an, mit denen die Kinder die meiste Zeit verbringen377.
Die Ergebnisse der miniKIM Studie 2014 lassen darauf schließen, dass die Nutzungszahlen perspektivisch weiter ansteigen werden und sich auch die Gender-Nutzungsverteilung egalisieren wird. Die Haupterzieher von Kindern, die digitale Spielen nutzen, gaben in der miniKIM Studie, dass 62 Prozent der Mädchen einmal oder mehrmals die Woche Computerspiele spielen, 18 Prozent sogar jeden Tag. Bei den Jungen spielen 83 Prozent in der Woche und 21 Prozent täglich378. Dabei nutzen insgesamt 18 Prozent der spielenden Kinder dieser Alterskategorie explizit Onlinespiele.379 Und bereits 4 Prozent der 2- bis 3-Jährigen und 27 Prozent der 4- bis 5-Jährigen sollen digitale Spiele nutzen380.
Insgesamt machten Kinder bis 9 Jahren 2013 in etwa 9 Prozent der ca. 31,4 Mio. deutschen Computerspieler aus, also ca. 2,8 Mio.381. Dieser prozentuale Anteil blieb bis 2017 relativ konstant, als 3,1 Mio. spielende Kinder unter 9 Jahren angegeben wurden382. Weitere 17 Prozent (ca. 6 Mio.) sind Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 19 Jahren383.
Auch bei älteren Kindern (ab 12 Jahren) und Jugendlichen ist gegenwärtig noch eine Nutzungsdifferenz erkennbar. Demnach spielen 74 Prozent der Mädchen dieser Altersgruppe mindestens in 14 Tagen, 53 Prozent sogar mehrmals die Woche oder häufiger384. Bei den Jungen lauten die entsprechenden Zahlen 94 Prozent und 80 Prozent385. Unterschiede in der Bildung sind dabei höchstens marginal: 85 Prozent der Hauptschüler und 84 Prozent der Gymnasiasten spielen mindestens einmal in zwei Wochen386.
Der bereits zitierten BIU Umfrage zufolge machen die 10- bis 19-Jährigen 19 Prozent der Spieler aus, also 5,8 Mio. Deutschen entspricht387. Auch diese Quote stagnierte und lag 2017 bei 5,9 Mio. Spielern388. Nach einer anderen Studie liegt der Anteil der deutschen Gamer von 16–24, die zumindest gelegentlich auch gegen oder mit anderen online spielen, bei 74 Prozent. In der Alterskategorie der 25- bis 34-Jährigen waren dies 60 Prozent, bei den über 55-Jährigen noch 16 Prozent389. Dabei sollte nicht aus den Augen gelassen werden, dass der durchschnittliche Spieler – insbesondere auf Grund der lange erwachsenen Spielergenerationen der 80er und 90er – in etwa 35,5 Jahre alt ist390.
Auch eine internationale Betrachtung bestätigt diese Ergebnisse prinzipiell. So ergab das EU-Projekt Net Children Go Mobile zu Kindern und Jugendlichen aus sieben europäischen Staaten in der Altersstufe 11–16, dass 33 Prozent der Befragten mobil online mit anderen Mitspielern gespielt haben und 26 Prozent an einem klassischen stationären Gerät391. Auch hier zeigt sich die Entwicklung, dass stationäre Gerät für die jüngere Generation an Bedeutung verlieren und mobile Endgeräte zulegen.
Die grundsätzlichen Entwicklungen sind auch in den USA ersichtlich, wo die Spielerzahl unter 18 Jahren insgesamt 29 Prozent ausmacht392. Dabei spielen nach einer Branchenstudie 59 Prozent aller US-Amerikaner Computerspiele. Bei einer Einwohnerzahl von ca. 320 Mio. entspricht dies einer Spielergemeinschaft von etwa 188 Mio. Menschen mit einem Durchschnittsalter von 35 Jahren393.
Eine Studie des Pew Research Center (PEW), eines Meinungserhebungsinstituts in den USA, ergab, dass 72 Prozent aller Kinder und Jugendlichen von 13–17 Jahren in den USA Computer- und Videospiele nutzen394. Dabei ist auch in den USA eine gewisse Geschlechterdifferenzierung im Gamingbereich feststellbar. So gaben 83 Prozent der 13- bis 14-jährigen und 70 Prozent der 15- bis 17-jährigen Jungen an regelmäßig digital zu spielen. Dem stehen nur 64 Prozent der 13-bis 14-jährigen und 56 Prozent der 15- bis 17-jährigen Mädchen gegenüber395. Die Studie schaute, inwiefern für die Kinder und Jugendlichen in einem spielerischen Kontext stets auch ein vertrauensbildender Prozess gegeben ist. Insgesamt 59 Prozent der Jungen gaben an, dass sie sich mit Freunden im Spiel verknüpfen, die sie nur online und nicht als Person kennen würden, während das bei den Mädchen nur 40 Prozent bejahten396.
Dieses Ergebnis ermöglicht zwei Ableitungen: Kinder sind zum einen offensichtlich bereit, unbekannte Mitspieler zumindest als Online-Freunde zu definieren, da sie die genannten Mitspieler laut Umfrage nicht persönlich kannten. Dies könnte darauf hindeuten, dass in einer spielerischen Interaktion auch stets ein vertrauensbildender Prozess gesehen werden kann. Im Rahmen der Spieleforschung, den sog. Game Studies, wird angenommen, dass es faktisch einen Mehrwert für das Spielen darstellen kann, wenn man Mitspieler vertrauen kann397. Die Mitspieler können ihre Aufmerksamkeit mehr auf das Spiel konzentrieren als auf die Frage, ob andere entsprechend ihren Interessen agieren398. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass dies natürlich auch abhängig vom Genre des Spiels ist und v. a. auf kooperative Spielmodelle und -mechanismen zuzutreffen scheint. Gerade im Rahmen gruppenspezifischer Mechanismen wie bei Gilden ist, wie bei anderen gruppendynamischen Prozessen, ein vertrauensvolles Miteinander für den Erfolg wichtig399. Bei Spielen oder Spielmodi, wo eher ein flüchtiges Gegeneinander – vor allem beim reinen Player versus Player (PvP) Spielen – im Fokus steht, ist eine Vertrauensbindung vermutlich nicht in demselben Maße von Bedeutung.
Die zweite Ableitung ist, dass Jungen offensichtlich eher dazu neigen, auch unbekannte Mitspieler als Freunde zu identifizieren, was sie zumindest so im Rahmen der Erhebung angaben. Dies kann einerseits von der gemäß den Studien insgesamt höheren Attraktivität und Nutzungsintensität digitaler Spiele für Jungen herrühren400. Es kann auch darin begründet liegen, dass Mädchen insgesamt stärker sensibilisiert sind für Risiken im digitalen Raum und somit dort vorsichtiger mit vertrauensbildenden Prozessen umgehen. Die ICLIS Studie ergab für Deutschland, dass Mädchen in der achten Klasse „[…] durchschnittlich höhere computer- und informationsbezogene Kompetenzen […]“ besitzen als Jungen401, wobei sie „[…] ihre Fähigkeiten geringer einschätzen […]“ würden als die der Jungen402. Diese Entwicklung spiegelt sich auch darin wider, dass, wie dargestellt, 56 Prozent der befragten Jungen bereit sind sich beim Onlinegaming mit Personen verknüpfen, mit denen sie nicht befreundet sind. Bei den Mädchen bejahten dieselbe Frage nur 43 Prozent403. Letzteres könnte auf ein gestiegenes Risikobewusstsein beziehungsweise entsprechende Sensibilisierung hindeuten.
Aus diesen Entwicklungen können mehrere für diese Arbeit relevante Aspekte herausgelesen werden. Einerseits sieht man, dass digitale Spiele – und damit auch solche, die eine Onlinekommunikation ermöglichen – nicht nur von Jugendlichen, sondern auch bereits von Kindern in annähernd jeder Altersstruktur genutzt werden. Gleichzeitig liegt das durchschnittliche Alter der Gamer bei ca. 35 Jahren, nicht nur in Deutschland, sondern auch in vergleichbaren Ländern wie den USA.
In diesen Spielen treffen also alle Altersstufen in einem Onlinespiel aufeinander, interagieren und kommunizieren miteinander. Durch die spielerische Interaktion erscheint es naheliegend, dass ein Vertrauensaufbau von Kindern zu ihnen unbekannten Mitspielern wie auch umgekehrt leichter erfolgen kann als beispielsweise in klassischen Sozialen Netzwerken, in denen dieses spielerische Element fehlt. Zudem kann ein Kind beispielsweise in Sozialen Netzwerken anhand von Aspekten wie der Freundesliste einer Kontaktanfrage oder geteilten Beiträgen Anhaltspunkte über dessen Alter und Identität gewinnen. In Onlinespielen hingegen ist der Bezug zum sozialen Umfeld reduziert, auch durch die Nutzung von Avataren. Dies kann Onlinespiele, aber auch virtuelle Welten allgemein auch für Sexualtäter interessant machen404. So warnte das Bundeskriminalamt im Rahmen eines Presseartikels: „Gerade die bei Kindern und Jugendlichen beliebten Onlinespiele mit unterschiedlichen Kommunikationsmöglichkeiten zum Austausch unter Gleichgesinnten bieten gute Anknüpfungsmöglichkeiten für einen Erstkontakt zwischen Tätern und Opfern“405. In Spielen ist es jedoch zumeist nicht möglich selbstproduzierte Bilder oder Videos zu teilen, sodass ein Täter für einen intensiveren Austausch mit seinem Opfer auf andere Formen Sozialer Medien – v. a. Messenger – ausweichen muss. Dass Onlinespiele als Anbahnungsplattformen nicht irrelevant sind, zeigen diverse nationale wie internationale Fälle. Im Jahr 2016 wurde der Fall des 12-jährigen Paul aus der Schweiz bekannt. Ein 35-jähriger Mann aus Düsseldorf hatte als Moderator eines Minecraft Servers Vertrauen zum Jungen aufgebaut, ihn entführt und in Düsseldorf bis zur Befreiung durch die Polizei gefangen gehalten406. In einem anderen Fall nahm ein Täter über das Spiel „MovieStarPlanet“ Kontakt zu 122 Mädchen von 10–15 Jahren auf407. Im Jahr 2011 wurde in England der 14-jährige Breck Bednar vom 18-jährigen Lewis Daynes umgebracht408. Der Täter hatte über das gemeinsame Onlinespielen Vertrauen zum Opfer aufgebaut und so ihr Treffen einleiten können409.
IV.2.5 Zwischenfazit
Es konnte herausgearbeitet werden, dass Minderjährige in Deutschland immer früher mit der Internetnutzung beginnen. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass in jüngeren Altersstufen Angebote wie Facebook oder Twitter eine nur geringe bis gar keine Rolle spielen. Vielmehr nutzen Kindern Medienplattformen (v. a. YouTube, Instagram und Snapchat) Messenger, und zwar primär WhatsApp, sowie insbesondere Jungen Onlinespiele ab frühestem Alter. Dementsprechend erscheint es notwendig, dass sich Analysen und v. a. auch Überlegungen zu kriminalpolitischen Reaktionen primär auf diese Plattformen beziehen. Im Gegenzug kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass Kinder nicht auch auf Plattformen wie Twitter oder gar LinkedIn und Xing zum Opfer von Cybergrooming werden können. Die Wahrscheinlichkeit kann jedoch auf Basis der Nutzungszahlen als gering eingestuft werden.
IV.3 Digitaler Narzissmus als Risikofaktor für Cybergrooming
Eine Betrachtung von Cybergrooming muss sich auch damit auseinandersetzen, warum Minderjährige offenbar bereit sind sich im Internet selbst zu präsentieren, was Tätern die Möglichkeit der Kontaktaufnahme bietet. Ein möglicher Erklärungsansatz könnte im Konzept des digitalen Narzissmus liegen410. Dabei ist der Grundgedanke, dass Kinder und Jugendliche in einem durch Interaktion und Kommunikation geprägten digitalen Raum aufwachsen. Schon bevor sie sich in diesen Raum selbst verorten und verankern können, wird ihnen durch Verwandte und Bekannte oft eine digitale Identität geschaffen411. Die Nutzung Sozialer Medien ist dabei offensichtlich geprägt von einer Form der ‚Egomanie‘, die auch auf einer Form von Selbstbestätigung basiert, die sich aus Likes, Followerzahlen und Ähnlichem speist, dem ‚digitalen Narzissmus‘412. Marx und Rüdiger verstehen darunter, dass „[…] die Selbstpräsentation und die zumeist positiven Reaktionen zu Selbstbestätigung und Anerkennung führen […]“413. Der digitale Narzissmus scheint durchaus eine folgerichtige Entwicklung im Rahmen der Digitalisierung zu sein. So hatte Facebook mit FaceMash einen kurzlebigen Vorgänger. Dort wurden jeweils zwei Studentinnen mit ihren Bildern gegenübergestellt und die Nutzer konnten bestimmen welche attraktiver sei als die andere414. Dabei griff FaceMash bereits relativ früh auf, dass es im digitalen Raum häufig um bildliche Eigen- und Fremdpräsentationen und entsprechende Bewertungen geht. Eine Konsequenz dieser Entwicklung ist u. a. das Phänomen, dass Kinder und Jugendliche von sich selbst Bilder erstellen und durch andere als „hot or not“ bewerten lassen, was Ansatzpunkte für Cybermobbing, aber auch Cybergrooming liefern konnte415. Das psychische Konzept dahinter ist als „Impression Management“, also bewusste Strategien zur Selbstinszenierung und zur Kontrolle des Meinungsbildes über sich, bereits länger bekannt416. Nicht jede Selbstdarstellung ist entsprechend strategisch geplant und sich der Risiken bewusst. Dies führt oft dazu, dass Menschen durch ein offensives Preisgeben ihrer persönlichen Privatsphäre im digitalen Raum, aber auch durch unterschiedliche Formen der Selbstpräsentation Anerkennung, Aufmerksamkeit und Zuspruch bekommen wollen417. Dieser Zuspruch ist dabei nicht nur auf die eigene Peer-Group beschränkt, sondern kann auch darüber hinaus stattfinden. Dies kann ab einem gewissen Bekanntheitsgrad durch Formen des Zuspruches wie Aufruf- und Followerzahlen sowie „Likes“ u. ä. geäußert werden. Aber auch negative Reaktionen können eine entsprechende Form der Anerkennung darstellen.
So ist im digitalen Raum eine Strategie, um sog. Trolle – also Personen, die durch beabsichtigte Provokationen einen Diskurs erschweren wollen – zu begegnen, der Leitsatz: „Don’t feed the troll“418. Dieser Ansatz basiert darauf, dass Trollen keine Aufmerksamkeit zukommen soll, da dies ihr primäres Ziel darstelle419. Ähnliche Slogans können sich auch auf andere digitale, aber auch physische Phänomene erstrecken. So kann angenommen werden, dass eine Form der Selbstbestätigung auch bei Menschen relevant sein könnte, die Volksverhetzungen bzw. Hatespeech posten420. Die Studie von Rost et al. deutet darauf hin, dass ein signifikanter Anteil (im Rahmen der Studie sogar 71,8 Prozent) Volksverhetzungen und artverwandte Äußerungen im Internet unter ihrem Klarnamen posten, und zwar weil sie nur so die Anerkennung für ihre Äußerungen erhalten und im besten Fall in der jeweiligen Gruppe einen höheren sozialen Status erreichen können421. Dies könnte ein Grund sein, warum die Aufklärungsquote bei Volksverhetzungen gem. § 130 StGB über das Tatmittel Internet im Jahr 2016 bei 71,2 Prozent lag, es also offenbar keine großen Probleme bei der Ermittlung der Tatverdächtigen gab422. Dieses Phänomen zeigt sich auch in der gesellschaftlichen Debatte um Verkehrsunfälle, bei denen sog. „Gaffer“ als Täter Unfälle filmen, um sie online zu teilen oder ins Internet einzustellen423. In einer mittelbaren Form kann diese Entwicklung u.a. daran abgelesen werden, dass beispielsweise die russische Polizei Warnhinweise mit Piktogrammen zur Anfertigung von Selfies gibt424, da sich tödliche Unfälle bedingt durch waghalsige Bilder gehäuft haben. Seit 2012 sollen weltweit insgesamt 49 tödliche Unfälle aufgrund der Anfertigung von Selfies bekannt geworden sein425. Dabei posten oder streamen auch immer mehr Täter ihre Tathandlungen im digitalen Raum, was aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungsarbeit fördert426. Dieses Wissen um die Zurverfügungstellung von Informationen in Sozialen Medien wird bereits z. B. im Rahmen sog. Open Source Intelligence Techniken (OSINT) von Polizeibehörden weltweit genutzt427.