Kitabı oku: «Nicht alltäglich», sayfa 3
Liebe
15 | Das Allerwichtigste
Liebe Gott, den Herrn, von ganzem Herzen,
aus ganzer Seele und mit deinem ganzen Verstand.
MATTHÄUS 22,37 (SIEHE AUCH 1. JOHANNES 4,7-12)
Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Welt. Ist dir das auch aufgefallen? In einem Zeitungsartikel habe ich gelesen, dass der Statistik zufolge alle vier Minuten ein Jugendlicher in Deutschland versucht, sein Leben selbst zu beenden. Alle 45 Minuten erfolgreich. In anderen Ländern binden sich Kinder Bomben um den Bauch, weil sie glauben, damit der Familie und sich selbst einen besonderen Platz im Himmel zu verdienen.
Diese Welt ist krank. Und es wird schlimmer, nicht besser. Da sind sich Psychologen, Pädagogen und Seelsorger einig. An meiner Uni sagen sie: Wir brauchen Bildung! Dann geht es uns besser. In der Bundesregierung sagen sie: Wir brauchen Wirtschaftswachstum, dann geht es uns gut. Benny Hinn sagt, wir brauchen den Heiligen Geist. Reinhard Bonnke sagt, wir brauchen Evangelisation. John Wimber sagte, wir brauchen Lobpreis. Und irgendwie haben sie alle recht.
Trotzdem glaube ich, dass Gott über ein ganz anderes Thema reden will. Das ultimative, allumfassende Thema: Liebe. Gottes Liebe! Wir brauchen eine Offenbarung über die Liebe Gottes. Ich auch. Und ich wundere mich, dass so wenig darüber gepredigt wird. In diesem Thema steckt Erweckung.
Die Welt sehnt sich nach Liebe. Nach Anerkennung. Das zeigen Fernsehshows wie »Deutschland sucht den Superstar«, »Germany’s Next Topmodel« oder »Das Dschungelcamp«.
Der alltägliche Kampf um Anerkennung im Beruf ist immer auch ein Ausdruck von Sehnsucht nach Liebe. Diese Welt sehnt sich nach Liebe!
Jesus war hier, um den Menschen klarzumachen, wie sehr Gott sie liebt: »So sehr hat Gott die Welt geliebt, das er seinen einzigen Sohn weggegeben hat, damit jeder, der sein Vertrauen auf ihn setzt, nicht verloren geht, sondern ein Leben bekommt, das nie mehr aufhört« (Johannes 3,16). Jesus liebt die Menschen, das hat er mit seinem Leben und seinem Sterben bewiesen, wie man es nicht besser beweisen kann. Ich glaube, dass wir das alle immer wieder hören müssen, dass keiner das oft genug lesen kann: »Jesus liebt dich!« Gott liebt uns, und alles, was er von uns möchte, ist, zurückgeliebt zu werden. Einmal fragte die religiöse Führungsebene der Juden Jesus, was für ihn das wichtigste Gesetz sei. Nun muss man wissen, dass die Gesetze damals von großer Bedeutung waren. Die religiösen Gesetze regelten das ganze Leben – wann und was man essen durfte, wann und wo man beten sollte, wann und wo man sich mit einer Frau treffen durfte, einfach alles. Diese religiösen Führer wollten also von Jesus das Wichtigste vom Wichtigen wissen. Das Allerwichtigste schlechthin! Und was war seine Antwort?
»Liebe Gott, den Herrn, von ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit deinem ganzen Verstand.« Gott möchte auch geliebt werden! Er freut sich, wenn du zu ihm betest oder Sachen für ihn machst, aber was er eigentlich von dir will, ist, dass du ihn liebst.
Johannes schreibt in seinem ersten Brief: »Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat!« (1. Johannes 4,19). Und hier schließt sich der Kreis. Wir können nur wirklich lieben, wenn wir begriffen haben, wie Jesus uns liebt. Unsere Liebe fängt da an zu brennen, wo wir von seiner Liebe, die er für uns hat, angesteckt worden sind.
Gott liebt uns. Er sehnt sich danach, dass wir ihn lieben – und dass wir unseren Nächsten lieben.
Martin Dreyer
16 | Wer ist mein Nächster?
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der Herr.
3. MOSE 19,18 (LUTHER 1984)
Ein Mann liegt am Boden. Kümmere ich mich um ihn, oder gehe ich schnell weiter? Wahrscheinlich ist er eh betrunken, denke ich, außerdem bin ich weder Arzt noch Polizist. Zeit habe ich sowieso nicht. Am Ende muss ich noch warten, bis der Krankenwagen kommt. Und wer weiß, morgen liegt er vielleicht schon wieder da. Wenn man jedem Betrunkenen helfen würde …
Das Herz hat klar gesprochen: Hilf. Der Verstand braucht ein wenig, bis er Gründe genug hat, die plausibel machen: Hilf nicht. Die Entscheidung fällt: Nein, ich werde nicht helfen. Und das Herz sagt: Falsch entschieden. Denn es besteht ja kein Zweifel, dass Gott uns die Liebe zu unserem Nächsten geboten hat.
Gottes Liebe zu uns ist nämlich ein so großes Geschenk, dass wir Gott gern lieben, und natürlich auch alle Menschen, denen wir begegnen. In der Theorie. Und wir sind uns sicher, es wäre auch gut und sinnvoll, alle Menschen zu lieben. In der Theorie. Warum tun wir es dann nicht? Weil wir Meister darin sind, den schlichten Auftrag Gottes mit Ausreden zu vernebeln. »Wer ist denn mein Nächster?«, diese alte Frage aller Schriftgelehrten, die es bei Gott bequem haben wollen, ohne zu tun, was er will, stellen wir gern. Jesus hatte mit so einem Schriftgelehrten zu tun und erzählte ihm die Geschichte vom barmherzigen Samariter.
Lassen wir es uns sagen: Niemand und nichts ist wichtiger als der Mensch, der jetzt meine Hilfe braucht. Ob es meine kleine Tochter ist, die alte Frau in der Nachbarschaft oder der Betrunkene am Bahnhof. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst, sagt uns 3. Mose 19,18. Sagt uns unser Herr.
Christoph Müller
17 | Frisch verliebt
… macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist.
HESEKIEL 18,31 (LUTHER 1984)
Wann waren Sie das letzte Mal frisch verliebt? So, dass Sie Schmetterlinge im Bauch hatten, die ganze Welt – und vor allem diesen einen wundervollen Menschen – umarmen wollten? Zum Glück geschieht es ja bisweilen auch in langjährigen Beziehungen, dass man sich neu ineinander verliebt. Das ist traumhaft.
Denn wenn wir verliebt sind, dann passiert etwas mit uns: Wir werden hellhörig und weitsichtig und setzen all unsere Kreativität ein, um diese Beziehung zu gestalten. Dabei sind wir unglaublich achtsam. Wir legen unser Leben, vor allem aber das Leben der angehimmelten Person auf die Goldwaage und sehen die kleinen feinen Zeichen, die der andere gibt. Neulich las ich, dass das klarste Kennzeichen für einen Frischverliebten ein wunder Ellenbogen sei: weil man nicht nebeneinanderliegen kann, ohne dass sich einer von beiden aufstützt, damit er sich am anderen sattsehen kann.
Je länger ein Paar zusammen ist, desto mehr glättet sich die wunde Haut am Arm. In den – auch sehr schönen – Ritualen des Alltags geht das Feinfühlige oft verloren. Man ist sich des anderen sicher und verlernt dabei, die kleinen Zeichen zu lesen. Das heißt nicht, dass die Liebe nachlässt, aber die schwindende Sensibilität ist fast immer der Auslöser, wenn eine Verbindung einen Knacks bekommt.
Soziologen haben festgestellt, dass Menschen auch ihre Beziehung zu Gott oft wie eine Liebesbeziehung leben. Und natürlich durchläuft diese Beziehung wie jede andere ihre Phasen. Man kann auch in Gott frisch verliebt sein – und das ist himmlisch. Es gibt viele Menschen, die in ihrer Jugend eine schwärmerische Glaubensphase hatten. Zwanzig Jahre später führen sie mit Gott eine frustrierte »Ehe«, in der man den anderen mehr erduldet als begehrt.
Die Herausforderung ist in menschlichen Beziehungen die gleiche wie im Glauben: Was investieren wir, um uns immer neu zu verlieben? Verliebtsein kann man nicht einfach machen – das weiß ich. Aber wer sich Zeit nimmt, wer seinen Ellenbogen wund werden lässt, weil er den anderen intensiv wahrnehmen will, der wird den »Zauber« wieder erleben. Verliebtsein ist herrlich. Ja, es ist auch anstrengend, aber wer eine frische Liebe erlebt, der merkt die Mühe gar nicht. Für den ist jede Investition ein Genuss. Leben Sie frisch verliebt.
Fabian Vogt
18 | Sie spielen unser Lied
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem
Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.
MATTHÄUS 22,37 (LUTHER 1984)
Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.
OFFENBARUNG 5,12 (LUTHER 1984)
Die ersten Töne erklingen, sie sehen sich an, und beide wissen Bescheid. Da ist es wieder, »ihr Lied«. Manche Paare verbindet ein besonderes Lied. Vielleicht haben sie es bei ihrer ersten Begegnung gehört, der eine hat es dem anderen gewidmet, oder es erinnert sie einfach an einen traumhaften Moment. Wenn dieses Lied aus dem Lautsprecher klingt, wandern die Gedanken zum anderen, und das ist einfach ein gutes Gefühl. Es ist nicht überraschend, wenn es sich dabei um Liebeslieder handelt. Sie sollen ausdrücken: »Das fühle ich auch. Das möchte ich dir sagen. So sehe ich uns beide jetzt.«
Es war spätabends auf einer Autofahrt nach Hause. Tagsüber hatte ich mehrere Vorträge gehalten und war entsprechend erledigt. Ich hatte keine Lust, Nachrichten zu hören, eine Hörerdiskussion zu verfolgen oder eine Predigt-CD reinzuschieben. Es sollte einfach ein bisschen Musik aus den Lautsprechern rieseln, und da kam mir »Lovesongs vor 12« gerade recht. Während ich das eine oder andere Stück mitsummte, fiel mir auf, dass so manches Liebeslied das Gegenüber so idealisiert beschreibt, dass kaum jemand diesem Anspruch gerecht werden kann. Oder es werden Versprechen abgegeben, die, nüchtern betrachtet, nie eingelöst werden können.
Eine Liebe, die niemals endet …? Ich werde immer für dich da sein …? »So was gibt’s doch nur bei Jesus«, schoss es mir durch den Kopf, und ich begann, die Liebeslieder mitzusingen. Meine Gedanken drehten sich dabei nicht um meine Frau, sondern um Jesus. Das war eine interessante Erfahrung. Schon mal »You’re simply the best« für Jesus gesungen? Das ist klasse, denn er ist wirklich der Beste, der Allerbeste. Wenn heute dieses Lied aus irgendeinem Lautsprecher dröhnt, dann muss ich lächeln und denke: »Hey Jesus, sie spielen unser Lied.«
Andreas Bürgin
19 | Liebe und Hass
Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, und bittet für die, die euch verfolgen.
MATTHÄUS 5,44 (LUTHER 1984)
Wenn zwei sich streiten, dann freut sich keiner. So ist es doch, oder? Vor allem, weil es in der Regel nicht bei Sachfragen bleibt, sondern ganz schnell persönliche Betroffenheit und emotionale Befindlichkeit mit ins Spiel kommen. Haben Sie schon einmal einen ernsthaften Streit erlebt, bei dem die Beteiligten nicht irgendwann anstatt über das eigentliche Problem über die Rechtschaffenheit des jeweils anderen gesprochen hätten? Da, wo einem die Argumente ausgehen, fängt man an, seinen Gegner in den Schmutz zu ziehen!
Wenn man die heutige Beschimpfungskultur betrachtet, hat man das Gefühl, man wäre ins Mittelalter zurückversetzt, in dem der »Grobianismus« gepflegt wurde. Und das Allerschlimmste dabei ist: Durch persönliche Angriffe wird auch der, der recht hat, zum Rechthaber; zu einem, der andere verletzt, anstatt seine Sache zu verteidigen.
Kultiviert wird die Kunst des Niedermachens übrigens auch in christlichen Kreisen. Weil da jede Meinungsverschiedenheit überirdische Dimensionen bekommt. Da wird die Frage, ob die neuen Sitzkissen im Gemeindehaus rot oder grün sein sollen, zum theologischen Disput und das Ausprobieren neuer Gottesdienstformen zur Entscheidung über das Heil der Welt.
Auf einmal wird mir bewusst, welche Herausforderung Jesus ausgesprochen hat: »Liebet eure Feinde!« Jemanden lieben heißt doch, ihn freundlich behandeln. Wir würden in einer anderen Welt leben, wenn sich mehr Menschen dieses An-Gebot Gottes zu eigen machen würden. Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Widersacher einfach lieb zu haben?
Neulich ist mir das passiert. Jemand schrieb mir einen bitterbösen Brief, weil er gehört habe, ich hätte dieses und jenes getan. Der Text war nicht nur voller Unrichtigkeiten, sondern vor allem eine große Beleidigung. Mit einem Sprung war ich am Schreibtisch und fand sofort ein halbes Dutzend passender Antworten. Ich wollte dem Schreiber auf subtile, aber deutliche Art sagen, was ich von seinen Bemerkungen hielt. Bald machte mir das Ganze richtig Spaß. Ich stellte mir vor, wie er sich ärgern würde, wie ich ihn am besten treffen könnte – und wurde dabei immer härter. Bis mir der Ausspruch Jesu einfiel: »Segnet, die euch fluchen.« Und das tat ich dann. Ich wünschte dem Mann Gottes Segen. Und spürte plötzlich, wie meine eigene Wut verschwand.
Fabian Vogt
20 | Das Schwierigste auf der Welt
Seid aber untereinander freundlich und herzlich, und vergebt einer dem anderen, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.
EPHESER 4,32 (LUTHER 1984)
Es ist der Ort, wo Liebe und Gerechtigkeit sich endlich vereinen können,« so beschreibt der Autor Tony Kushner in seiner brillanten Mini-Serie »Angels in America« das Thema Vergebung. Es ist das Schwierigste, was es auf dieser Welt gibt. Und Gott scheint das ganz ähnlich zu sehen. Er hat es uns nicht umsonst ins Vaterunser geschrieben.
Ich habe im letzten Jahr auch viel über Vergebung nachgedacht, weil es mir extrem schwergefallen ist, einer bestimmten Person (nun gut, einem jungen Mann) zu vergeben. So oft hatte ich das Gefühl: Endlich hab ich’s geschafft, es tut nicht mehr weh, daran zu denken, ich habe keine Rachegefühle mehr … Aber früher oder später holten mich die alten Gedanken wieder ein. Die versöhnlichen Gefühle waren dahin, das Herz wieder hart. Es ist ohne Zweifel der schwerste Kampf gewesen, den ich bisher gekämpft habe.
Ich habe mir so gewünscht, dass ich ihm einfach vergeben könnte. Ohne seine Mithilfe. Ich habe bestimmt Hunderte von Stunden (so kommt es mir jedenfalls vor) dafür gebetet, dass mein Leben wieder leicht wird. Vielleicht kennen Sie das: Da steht etwas unüberwindlich zwischen Ihnen und jemand anderem, eine Enttäuschung, eine Respektlosigkeit, eine Lüge, vielleicht sogar Gewalt. Und der Verstand, das Herz und die Seele sind darin gefangen wie in einem Spinnennetz.
Anderthalb Jahre habe ich gewartet und immer wieder um ein Gespräch gebeten. Viele Tage des Wartens, manchmal zornig, manchmal verzweifelt, manchmal trotzig. Und Gott stand scheinbar irgendwo in der Ferne und guckte wortlos zu.
Als ich schon fast aufgeben wollte, kam das Gespräch dann doch noch zustande. Und mir waren mittlerweile einige Dinge eingefallen, für die auch ich um Vergebung bitten musste. Wer hätte das gedacht? Das Gespräch war eine Befreiung, wie ich sie selten erlebt habe. Es steckt eine Kraft dahinter, zu jemandem zu sagen: Vergibst du mir das? Und der antwortet: Ja, ich vergebe dir. Das sind nicht einfach nur Worte. Und ich bin einmal mehr ein Fan von meinem Gott geworden, der für unsere Versöhnung, Vergebung und Wiedergutmachung bis in den Tod gegangen ist. Es gibt keinen besseren Grund zu leiden.
Freddi Gralle
21 | Was mich an uns Christen nervt
Wenn aber jemand einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Anlass zur Sünde gibt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.
MATTHÄUS 18,6 (ELBERFELDER)
Was mich an uns Christen nervt, ist unsere kolossale Unbekümmertheit im Umgang mit Menschen. Da wird mit dem kostbarsten Gut, das wir haben, nämlich unseren Herzensbeziehungen, so umgegangen, dass ich gar nicht so viel essen kann, wie ich kotzen möchte. Immer wieder höre ich die unglaublichsten Geschichten davon, wie Christen von Christen verletzt worden sind. Leider ist das schon sicherer als das Amen in der Kirche. Im Auftrag des Herrn verspricht man sich alles Mögliche und tut es dann plötzlich nicht, weil eben jener Herr schon wieder einen neuen Auftrag verteilt haben soll. Und als göttlich gilt natürlich immer nur der Auftrag desjenigen, der die größte Lobby hat und der sich am wenigsten scheut, sein ureigenes Ding mit fromm ummäntelter Machtausübung durchzudrücken.
Dem Glauben noch fernstehende Menschen werden mit dem sicherlich nonverbalen, aber nichtsdestotrotz fühlbaren Versprechen einer Beziehung zur Bekehrung gelockt und danach fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel und zur bloßen Erfolgskerbe in der Revolverheldbibel degradiert. Und dann plustern wir uns heroisch in Gottes Gegenwart auf und deklarieren mediengerecht verpackt, dass wir unseren Dienst aufgeben, wenn dieser oder jener Mensch nicht durchbricht, geheilt wird oder sonst etwas. Sieben Leichen später stehen dieselben Leute immer noch vor irgendwelchen Altären und verbreiten dieselbe heiße Luft. Ich weiß gar nicht, wie man mit so vielen Beziehungsleichen im Keller noch ruhig schlafen kann. Und die Unverfrorenheit, mit der dann darauf verwiesen wird, dass der Herr einem das schon vergeben werde, lässt mich immer wieder frösteln.
Haben wir eigentlich all die Mühlstein-Stellen aus der Bibel vergessen? Jesus zeigt geradezu unbarmherzigen Zorn, wenn es um unseren unbekümmerten Umgang mit Beziehungen geht. Sei es die Beziehung zu unserem Vater im Himmel, dessen Haus ein Gebetshaus sein soll, oder sei es der Umgang mit den »mikroi«, den Kleinen, die sowieso niemand aus unserer geistlichen Glitzerlandschaft der »ersten Reihen« ernst nimmt oder gar irgendeinen publikumswirksamen Dienst verrichten lassen würde. Am meisten Angst macht mir aber, dass ich ähnliche Tendenzen an mir selber feststelle. So vertraue ich mich mit Furcht und Zittern der Gnade Gottes an und hoffe, seine leisen Matthäusfünfversdreiundzwanzig-Alarmmeldungen nicht zu überhören.
Mickey Wiese
22 | Sonntagsreden und Alltagshandeln
Jesus Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.
MARKUS 13,31 (LUTHER 1984)
Vergänglichkeit – das verbinden wir normalerweise mit anderen Dingen als mit Himmel und Erde, zum Beispiel mit unserem menschlichen Leben. Wir verbringen allenfalls ein paar Jahrzehnte auf diesem Globus, und dann heißt es: »Asche zu Asche …«.
Vergänglich sind auch manche Errungenschaften von gestern angesichts rasanter Entwicklungen von heute. Die gute alte Triumph-Schreibmaschine der 60er-Jahre hat ausgedient; der PC hat sie komplett verdrängt. Früher schrieb man Telegramme; das E-Mail- und Handyzeitalter hat diese Kommunikationsweise längst abgelöst. In früheren Jahrhunderten kaum zu überbrückende riesige Entfernungen schrumpfen im Jet-Zeitalter zu Halbtagesreisen. Wie wäre es mit einem Shopping-Wochenende in New York?
Unsere Zeit ist superschnelllebig – und Worte, das lehren uns zum Beispiel nicht eingehaltene Politikerversprechen, haben längst keinen Bestand mehr. Worte sind »Schall und Rauch«, und selbst verschriftet kann man »lügen wie gedruckt«. Was hat schon felsenfeste Gültigkeit? Da erscheinen uns das Universum und der über Jahrhunderte berechenbare Lauf der Gestirne doch weitaus verlässlicher. So wissen wir, dass die nächste totale Sonnenfinsternis in Deutschland am 3.September 2081 zu sehen sein wird. Berechenbare Zustände.
Jesus dreht nun die Verhältnisse genau andersherum. Das, was uns verlässlich, im wahrsten Sinne des Wortes felsenfest und unumstößlich erscheint, nämlich Himmel und Erde, das Universum in seinem so berechenbaren Verlauf, erklärt er als vergänglich; seine Worte aber als ewig gültig, unvergänglich und unwandelbar. Darauf ist Verlass: »Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.«
Als Christ kann man ja zu solch einem Satz Jesu schnell zustimmend nicken. Aber machen wir uns bitte klar, dass er auch bedeutet, dass zum Beispiel die Bergpredigt Jesu keine Sonntagsrede ist, die man im Alltagsgeschäft nicht ganz so ernst nehmen muss, so nach dem Motto: Ganz so radikal, wie Jesus das sagt, funktioniert es doch nicht, oder?
Also, Hand aufs Herz, wie steht es damit, selbst die Feinde zu lieben; nicht Böses mit Bösem zu vergelten; nicht die eigene Ehe durch begehrliche Blicke zu brechen; so bedingungslos denen zu vergeben, die an uns schuldig geworden sind, wie Gott uns vergibt; nicht Schätze auf Erden zu sammeln, sondern stattdessen großzügig das Reich Gottes zu unterstützen; dem Reich Gottes absolute Priorität über allem anderen einzuräumen, um nur einiges zu nennen?
Wir brauchen eine wachsende Übereinstimmung von Bekenntnis und Leben, von Sonntag und Alltag, von Dogmatik und Ethik. Dafür ist es unverzichtbar, dass wir die Gültigkeit der Worte Jesu in unseren Lebensalltag integrieren.
Ekkehart Vetter