Kitabı oku: «Wenn die Stille deine Wunden heilt»
Der Autor
Thomas Krasicki wurde 1985 im schlesischen Neustadt/Polen geboren und lebt heute in der Nähe von München, wo er als dualer Student bei der Firma MAN seinen Bachelor of Arts im Studiengang BWL mit Fachrichtung Logistik anstrebt.
Bereits als Jugendlicher schrieb er Verse und Prosatexte um die Erlebnisse einer schwierigen und turbulenten Kindheit und Jugend zu verarbeiten. Dabei entstanden „Träume der Wirklichkeit“ und „Erinnerungen an das Abi-Jahr“ (erschienen im Autorenschmiede-Verlag). Beide Werke sind autobiographisch geprägt und deuten vor allem Ehrgeiz, Beharrlichkeit sowie den unbändigen Glauben an sich selbst an.
Der Autor ist in den regionalen Medien aufgefallen und erfreut sich durch Vorlesungen an Schulen und in Jugendcafés vor allem bei Jugendlichen und jungen Twens größter Beliebtheit.
Thomas Krasicki
WENN DIE STILLE DEINE WUNDEN HEILT
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2014
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
Der Autor
Zitat
Vorwort
Kapitel 1
Operation
Bis bald
Schlimme Erinnerung
Wunsch
Kapitel 2
Familie
Kapitel 3
Träne
Erkenntnis
Kämpfe darum
Nachtgedanke
Sonderbare Begegnung
Vertrauen
Kämpfer kämpfen
Kapitel 4
Die Freude zum Sport kehrt zurück
Kapitel 5
Kapitel 6
Geburtstagsgrüße
Schwierigkeit
Feststellung
Offenbarung
Kapitel 7
Gedanke vor dem Abschiedsspiel
Kapitel 8
Abschied mit Freude
Entschluss
Kapitel 9
Der erste Gedanke in der Fremde
Kapitel 10
Liebeskummer
Vorurteil
Kapitel 11
Kapitel 12
In der Fremde
Eins in sich werden
Eine Perspektive
Kapitel 13
Kapitel 14
Vergleich
Kapitel 15
Auf Wiedersehen
Danke
Nachwort
Zitat:
„Du lachst, weil du nicht weinen kannst,
doch das bringt mich zum Weinen,
weil ich darüber nicht lachen kann!“
Vorwort
Mit einem klaren Ziel die Vergangenheit endgültig hinter mir zu lassen, versuche ich einen neuen Abschnitt meines Lebens zu eröffnen. Zu tief sind die Wunden, verursacht durch die Trennung meiner Freundin, mit der ich meine erste tiefe gefühlsintensive Beziehung erleben konnte. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem mein Körper durch einen operativen Eingriff niedergerungen wurde. Mein ewig währender Traum von einer Profikarriere als Fußballer, der Antrieb meiner Jugendjahre der mir in vielen Lebenslagen wie ein treuer Freund zur Seite stand, war abrupt zu Ende. Das einzige was ich bewusst spüre, ist das Gefühl von Orientierungslosigkeit. Wie ein Blinder der sich mühsam Schritt für Schritt durch die Straßen vorwärts tastet, versuche auch ich gegen meine Lethargie anzukämpfen. Ob es mir gelingt die verlorene Freude im Herzen wiederzufinden wird sich auf meiner Reise durch die Welt zeigen!
Kapitel 1
Die Tage vor meiner Hüftoperation waren sehr hart und die letzten Minuten noch viel schlimmer. Es gehen einem viele Dinge durch den Kopf, wenn man kurz davor steht, unters Messer zu kommen. Mir war natürlich nicht wohl bei der Sache, bereits in jungen Jahren operiert zu werden. Doch es sollte sich als die einzige Möglichkeit erweisen, um meine Schmerzen zu lindern.
Ich hatte seit über einem Jahr Beschwerden am linken Hüftgelenk.
Die letzten Monate verhielt es sich so schlimm, dass ich dadurch teilweise nachts nicht mehr schlafen konnte. Die Ärzte erklärten mir ausführlich meine Situation. Durch Röntgenaufnahmen wurde mir veranschaulicht, wie mein Hüftknochen aus der Hüftpfanne herausragte und somit immer wieder mit meinen Muskeln in Berührung kam. Die Reibung von Knochen und Muskeln führte letztendlich zu meinen Schmerzen. Nach langem Überlegen und weiteren ärztlichen Diagnosen entschied ich mich für die Operation.
Operation
Die letzten Minuten vor meiner OP,
es ist das erste Mal, dass ich vor dieser Hürde steh.
Das Warten bereitet mir Bauchschmerzen,
es geht vom Magen hin bis zum Herzen.
Es ist schwer, sich zu fixieren in diesem Moment,
vielleicht gibt es jemanden, der diese Situation auch kennt.
Jede Sekunde kommt einem sehr lang vor
und der Schweiß schießt richtig aus der Haut hervor.
Über was denkt man zu so einem Zeitpunkt nach?
Man liegt im Bett und ist eigentlich auch wach.
Doch wahrscheinlich hat man schon abgeschaltet,
denn jetzt gibt es jemanden, der über deine Zukunft waltet.
Es ist sehr wichtig, dass du ihm vertraust,
denn er ist der letzte Mensch, dem du in die Augen schaust.
Dann wird es dunkel und eine Nacht beginnt,
bis es wieder hell wird und dieses Schwarz verschwindet.
Nur noch die Erinnerung gibt es für dich dann,
denn ab diesem Zeitpunkt fängt ein neues Leben an.
Nach einem zweistündigen Eingriff mir wurde nämlich ein Teil meines Hüftknochens weggefräst und weiteren sechs Stunden im Reich der Schlafenden kam ich allmählich wieder zu mir.
Es dauerte seine Zeit bis ich die Orientierung wiederfand. Ich fühlte mich wie weggebeamt, so als ob ich gerade von den Toten auferstanden wäre, denn obwohl ich geschlafen hatte, war es nicht wie ein gewöhnlicher Schlaf. Für gewöhnlich träumte ich im Schlaf, doch diese Situation war so, als ob man dich in ein Zimmer einsperrt, das völlig dunkel ist, dir innerhalb von kurzer Zeit die Luft wegbleibt und du dich danach an gar nichts mehr erinnern kannst. Trotz allem ist die Operation erfolgreich verlaufen.
Nun begann für mich nun eine lange Zeit auf Krücken. Ich musste mich umstellen, war teilweise auf die Hilfe anderer angewiesen. Erst ein halbes Jahr später war ich wieder in der Lage Dinge zu tun, die für einen gesunden Menschen alltäglich waren. Sogar Fußballspielen wäre für mich wieder eine Option gewesen. Die Ärzte machten mich allerdings darauf aufmerksam, dass ich mein Hüftgelenk nicht durch häufiges Trainieren erneut belasten sollte. Für zwei Trainingseinheiten in der Woche hätte ich die Erlaubnis bekommen. Doch diese Einheiten durften auch nicht zu belastend sein. Auf niedrigem Niveau zu spielen war das Einzige, was die Ärzte mir nicht verboten hätten. Doch diese Option war alles andere, als das, was ich mir vorstellte!
Ich war immer ein Fußballer, der sich mit den besten Spielern gemessen hatte. Ich blickte immer nach oben. Mein Ziel war es, so gut zu werden, wie meine Vorbilder. Da das für mich in weite Ferne gerückt war, beschloss ich vorerst, meine Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. Vielleicht würde sich meine Meinung eines Tages ändern, doch dazu müssten schon besondere Dinge passieren. Vielleicht eine Begegnung mit einem Menschen, der die ähnliche Leidenschaft für diesen Sport besitzt, wie ich sie einst hatte.
Ich musste mir allerdings zunächst Gedanken über meine Zukunft machen, denn immerhin hatte ich jetzt viel mehr Freizeit. Der erste Schritt in meinen Plänen, war mich an der Berufsoberschule für Wirtschaft anzumelden.
Da ich nun im Sport nichts mehr erreichen konnte, wollte ich mir wenigstens die Möglichkeit für ein späteres Studium offen halten. Es war die beste Entscheidung, die ich zu diesem Zeitpunkt treffen konnte. Immerhin war ich durch die Operation mehrere Monate krankgeschrieben und hatte somit viel Zeit, um mich vorzubereiten.
Bis zum Schulbeginn waren es noch einige Wochen. Mittlerweile fiel mir zu Hause die Decke auf den Kopf. Zu sehr hatten mich die letzten Ereignisse mitgenommen. Ich dachte viel über die Vergangenheit nach, aber ich wusste auch, dass ich nichts mehr rückgängig machen konnte.
Besonders von meiner Ex-Freundin war ich sehr enttäuscht. Immer wieder tauchte sie in meinen Gedanken auf. Einige Wochen nach unserer Trennung nahm ich für sie im Tonstudio einen Song auf. Er sollte das symbolisieren, was in unserer Beziehung im Vordergrund stand - nämlich Vertrauen und gegenseitige Unterstützung, auch in schwierigen Zeiten. Das Lied war als Versöhnungsgeschenk zu ihrem Geburtstag gedacht. Doch alle Mühe sollte umsonst gewesen sein.
Ihr Herz schlug nicht mehr für mich, viel schlimmer noch, sie hatte sich neu orientiert, mich quasi von einem Tag auf den anderen ausgetauscht. Von einem Menschen verletzt zu werden, von dem man es am wenigsten erwartet, schmerzt ungemein. Mein Herz wurde in Stücke gerissen.
Ich fühlte mich leer und hoffnungslos. Mein Mädchen hatte mich in dem Moment verlassen, in dem ich sie am meisten gebraucht hätte. Ich musste mich damit abfinden, sollte allerdings aus diesen Situationen für die Zukunft lernen.
Ich wollte die letzten Wochen vor Schulbeginn nicht in meiner gewohnten Umgebung verbringen. All das erinnerte mich zu sehr an die Vergangenheit. Nach kurzer Absprache mit meiner Mutter beschlossen wir, in den Urlaub zu fahren. Meinen jüngsten Bruder Julian nahmen wir kurzer Hand mit.
Der Urlaub sollte etwas ganz Besonderes sein. Meine Mutter hatte bereits Wochen zuvor eine Reise nach Danzig, einer Stadt an der Ostsee, ins Auge gefasst. Dort lebte die Schwester meines Vaters mit ihrer Familie. Es war schon einige Jahre her, dass ich meine Verwandten das letzte Mal gesehen hatte. Umso mehr freute ich mich auf diese Reise.
Das war genau das, was ich in meiner jetzigen Lage gebrauchen konnte! Ich setzte große Hoffnungen daran, mich dort mental zu sammeln um gestärkt wieder zurück zu kommen. Es gab nur wenige Freunde, von denen ich mich verabschiedet hatte. Zumal es auch nur einige Wochen waren, die ich fernab der Heimat verbringen sollte. Einem Menschen jedoch, der mir viel bedeutete, legte ich ein Abschiedsschreiben in den Briefkasten.
Ich hatte einige Differenzen mit dieser Person gehabt und doch stand sie mir sehr nah. Vielleicht, weil sie eine der wenigen war, die ich nach meiner Operation an mich herangelassen hatte.
Bis bald
Die Zeit läuft weiter sie bleibt nicht stehen
und ich werde heute in Urlaub gehen.
Du weißt im Moment, da geht´s mir elend,
aber klar ist auch, du wirst mir fehlen.
Doch ich halte es aus, denn ich bin bald wieder da,
was danach passiert, ist heute nicht klar.
Es kommt wie es kommt, so muss ich es nehmen,
doch für meine Trauer brauch ich mich nicht zu schämen.
Pass auf dich auf, wir werden uns bald sehen,
die Zeit bis dahin wird schnell vergehen.
Und vergiss nicht, du wirst immer mein …ine sein,
sei nicht böse, denn du weißt, ich mein das nicht gemein.
Also, ciao, adios und einfach goodbye,
wenn ich meine Freude finde, bin ich wieder frei.
Ich wusste nicht wie dieser Mensch auf mein Schreiben reagieren würde. Für mich hatten diese wenigen Worte eine große Bedeutung. Das wollte ich in diesem Gedicht zum Ausdruck bringen.
Aber nun sollte ich mich auf meine Reise nach Danzig konzentrieren. Doch bevor das möglich war, verbrachte ich die letzten Stunden vor der Abfahrt damit, mir noch einmal Gedanken über die vergangenen Monate zu machen.
Mir gingen so viele Dinge durch den Kopf. Am meisten war es meine Ex-Freundin, die in meinen Erinnerungen hauste. Ich hatte ihre Entscheidung damals nicht verstanden. Leider ergab sich später nie die Möglichkeit uns auszusprechen. Somit blieben viele Fragen offen.
Schlimme Erinnerung
Woche für Woche, Tage über Tage,
bin selbst schuld, denn ich brachte mich in diese Lage.
Immer diese Bauchschmerzen gehabt,
habe jedes Mal an sie gedacht.
Dachte, dass wir unzertrennlich sind,
doch da war ich wohl ein wenig blind.
Ein Team, das niemand zerstört
und nur uns beiden gehört,
war immer dieser Wunsch von mir,
das sagte ich in jener Nacht zu ihr.
Leider ist es anders gekommen,
denn sie hat sich einen anderen genommen.
Und jedes Mal, wenn ich mir meinen Kopf zerbreche,
weil ich denke, dass ich mich irgendwann dafür räche,
für das alles, was geschehen war,
dann wird mir eines jedoch klar,
ob ich mich räche oder ihr vergebe,
gehen wir in Zukunft getrennte Wege.
Das war nur einer von mehreren Texten, die meine Gefühle wiederspiegelten. Besonders wegen dieser traurigen Erlebnisse wollte ich mein Verhalten ändern. Ich wollte mich nicht mehr in die Dinge so hineinsteigern, wie ich es früher getan hatte.
Lieber alles etwas lockerer angehen, das war meine Devise. Ich musste nur versuchen, so zu leben, dass ich am Ende des Tages glücklich meine Augen schließen konnte. Das war mein oberstes Ziel, welches ich vornahm. Doch dieses Unterfangen sollte sich allerdings als nicht so einfach erweisen. Ich hatte einen Wunsch, bevor ich nach Danzig fuhr.
Wunsch
Will endlich das wiederfinden,
was ich seit langem gesucht habe,
würde mich auch dafür schinden,
denn die Einsamkeit kennt keine Farbe.
Außerdem will ich es nicht mehr dunkel haben,
denn es ist nicht leicht, diese Stille zu ertragen.
Irgendetwas muss mir die Trauer nehmen tief in mir
und soll der Engel sein, den ich an meiner Seite spür.
Denn dieser Engel soll mir Halt geben
und mir Glück bringen bis zum Ende in meinem Leben.
Zusammen werden wir später in den Himmel ziehen,
denn dort brauchen wir vor nichts mehr fliehen.
Dieses Glück kann man jedoch nicht erzwingen. Ich wusste, dass ich irgendwann einem Menschen begegnen würde, der mich in seiner ganzen Person beeindrucken sollte.
Jemand der mir durch seine pure Anwesenheit ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Wann das sein sollte, war mir nicht klar. Denn tagtäglich begegnet man fremden Menschen, von denen man sich erhofft, diese eine besondere Person zu sein. Man merkt allerdings schnell, dass solche Menschen nicht wie Blätter an Bäumen wachsen.
Für mich war ja auch nicht entscheidend, von heute auf morgen denjenigen zu finden. Denn zunächst musste ich sehen, dass ich meinen Weg wiederfand, von dem ich für eine lange Zeit abgekommen war.
Kapitel 2
An einem sonnigen Vormittag war es soweit. Vollbeladen traten wir die Reise zu unseren Verwandten nach Danzig an. Ich konnte mich nur noch grob an sie erinnern. Meine Eltern dagegen hielten einen regen Kontakt. Sie telefonierten miteinander und schrieben sich Briefe, vor allem an Feiertagen. Darüber hinaus war meine Mutter zwei Jahre zuvor in Danzig zu Besuch gewesen. Sie schwärmte von der Stadt und der Umgebung. Damit machte sie mich natürlich neugierig.
Für mich war es der perfekte Zeitpunkt um hinzufahren. Wo ist es am einfachsten seine Gedanken zu vergessen? Vielleicht dort, wo einem alles fremd und neu vorkommt. Ich hatte dort eine gleichaltrige Cousine. Ich dachte mir, es wäre schön mit ihr um die Häuser zu ziehen, um neue Menschen zu treffen. So etwas sollte mich schon auf andere Gedanken bringen.
Ich war für alles offen, denn ich war es leid zu trauern, so wie ich es über ein Jahr getan hatte und so einen Teil meines Lebens verschwendete. Nein, jetzt hieß es, die Freude im Herzen wieder zu finden und sie nicht mehr zu verlieren. Mit dieser Einstellung trat ich die Reise zur Ostsee an. Bereits zur frühen Morgenstunde starteten wir. Immerhin hatten wir ein ganz schön langes Stück vor uns. Ganze zwölf Stunden dauerte die Fahrt mit dem Auto.
Die Route ging von München über Berlin bis nach Danzig. Da meine Mutter leider nicht so begabt im Straßenkartenlesen ist und Julian noch zu klein für diese Aufgabe war, musste ich während des Fahrens einen guten Orientierungssinn beweisen. Die lange Strecke vom Süden Deutschlands bis hin zum nord-östlichen Teil Deutschlands verlief schnell und simpel. Schließlich musste ich nur auf der A9 fahren, was sich als keine große Herausforderung erwies. In Berlin machten wir eine kurze Pause. Zu diesem Zeitpunkt war ich immerhin schon sechs Stunden am Steuer gesessen. Wir nutzten die Gelegenheit uns dort einige Sehenswürdigkeiten anzuschauen, wie zum Beispiel das Brandenburger Tor. Bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 verlief dort die Grenze zwischen Ost- und Westberlin.
Da in der Nähe des Brandenburger Tors sich das Reichstagsgebäude befand und jährlich über zwei Millionen Menschen durch seine gläserne Kuppel strömten, beschlossen wir kurzerhand es zu besichtigen. Allerdings blieb uns nicht viel Zeit, denn wir hatten noch eine weite Fahrt vor uns.
Nach etwa zwei Stunden Besichtigung hatten wir einen kleinen Eindruck von der großen Metropole bekommen und machten uns wieder auf den Weg. Es war immerhin noch die Hälfte der Strecke zu fahren. Der erste Teil des Weges verlief wie erwähnt schnell und reibungslos. Doch jetzt kam der schwierigere Teil.
Bereits 50 Kilometer nach der deutsch-polnischen Grenze wurde es unangenehm. Ich hatte gut zwei Drittel des Weges hinter mir. Doch in Polen sind die Autobahnen nicht so gut ausgebaut wie es in Deutschland der Fall ist. Und das ist noch untertrieben ausgedrückt. Auf den Landstraßen war es gefährlich zu überholen, da natürlich auch viel Gegenverkehr herrschte. Somit verbrachte man oft mehrere Minuten hinter einem langsam fahrenden Fahrzeug.
Ich ließ mich dennoch nicht aus der Ruhe bringen und konzentrierte mich auf mein Ziel. Um 0:30 Uhr kamen wir in einem Vorort von Danzig an. Meine Verwandtschaft, bei der wir angekündigt waren, wartete bereits ungeduldig auf uns.
Die letzte Stunde vor Ankunft verbrachte ich damit, die genaue Adresse zu finden. Draußen war es stockfinster. Dadurch wurde es nicht einfacher für mich, das Haus zu finden. Ich fuhr fast im Schritttempo, um nicht die richtige Ausfahrt zu verpassen.
Doch es half nichts. Ich fand das Haus der Verwandten nicht. Es war auch keine Menschenseele weit und breit zu sehen, die uns hätte eventuell den Weg beschreiben können. Nach einer halbstündigen Suche sahen wir eine Person auf der Straße herumschleichen. Es war ein Mann mittleren Alters, der offensichtlich ein bis zwei Bier zu viel getrunken hatte. Um ehrlich zu sein, es waren mindestens fünf Bier zu viel. Dass er sich noch auf den Beinen halten konnte, wunderte mich schon sehr.
Er war wohl schon geübt darin! Im Schritttempo fuhr ich auf ihn zu, ließ meine Fensterscheibe herunter und fragte nach der besagten Adresse. Trotz seines alkoholisierten Zustands, er hatte bestimmt schon über zwei Promille, konnte er uns eine genaue Wegbeschreibung geben. Kaum zu glauben wie gut das Gedächtnis des Betrunken funktionierte!
Ich bedankte mich und fuhr weiter. Ich musste über diesen Mann schmunzeln. Irgendwie seltsam, da fährt man in den Urlaub um Freude zu finden und dann ist es ein Betrunkener, der einen als erstes zum Lachen bringt. Ich fuhr die beschriebene Strecke weiter, bis wir kurz darauf einen Anruf von meinem Onkel erhielten. Dieser beschrieb uns die letzten Meter bis zum Haus. Dann war es auch kein Problem mehr, das Ziel zu finden. Überglücklich kam meine Tante aus dem Haus und umarmte uns alle mit großer Freude. Von meinem Onkel gab es, wie unter Männern üblich, einen festen Händedruck. Meine Cousinen wohnten in der Stadt. Diese sollten wir in den nächsten Tagen besuchen. Doch zunächst hieß es für mich sich auszuruhen. Ich war hundemüde von der langen Fahrt.
Nach einem erholsamen Schlaf begannen am nächsten Tag lange Gespräche über die vergangenen Jahre. Schließlich hatte man einiges nachzuholen. Wie bereits erwähnt, hatten wir unsere Verwandten ziemlich lange nicht gesehen, insbesondere meine Wenigkeit. Dennoch behandelten sie uns nicht wie Fremde. Die Situation kam mir eher so vor, als ob wir einen von vielen jährlichen Familienbesuchen abstatten würden. Meine Tante war die Beste. Jeden Tag kochte sie die feinsten Delikatessen. Sie war wirklich eine Meisterköchin. Es gab nichts, was mir nicht schmeckte.
Aber auch mein Onkel bereitete mir viel Freude. Er hatte eine besonders gelassene Art, die mich immer wieder zum Lachen brachte. Dieses Ehepaar war ungeachtet dessen absolut einzigartig. Sie stritten sich ab und an, aber auf eine so liebevolle Art und Weise, dass die Diskussionen viel mehr ein „Schatz, ich liebe dich“ ausdrückten.
Es war einfach berührend, wie bezaubernd diese zwei Menschen waren. Auch meine Cousinen hatten uns einige Tage später sehr herzlich aufgenommen. Ich konnte mit ihnen offen reden, obwohl ich so lange keinen Kontakt zu den beiden hatte. Meine Eltern hatten zwar einen regelmäßigen Telefon- und Briefkontakt, aber dazu steuerte ich wenig bei. Umso mehr freute es mich, dass wir bereits am zweiten Tag zusammen um die Häuser zogen. Wir gingen Cocktails trinken und besuchten eine angesagte Diskothek in Sopot. Dort waren bekannte Größen, wie der ehemalige Boxweltmeister Dariusz Michalczewski gerngesehene Gäste.
Es war einfach toll. Die Menschen waren freundlich, die Musik war nach meinem Geschmack, und auch sonst fühlte ich mich sehr heimisch. Natürlich hatte ich den Vorteil, dass ich des Polnischen mächtig war. So war ich in der Lage mitzureden.
Die nächsten Tage verbrachten wir damit, einige Ausflüge zu unternehmen. Meine Verwandten wollten uns so viele Dinge zeigen. Sie führten uns durch die drei dicht einander liegenden Städte Danzig, Sopot und Gdynia. Wir schauten uns ein Schloss in der Stadt Malbourg an und besuchten ein Museum, in dem man sehen konnte, wie die Menschen vor einem Jahrhundert noch lebten. Doch der schönste Ausflug, der mir im Gedächtnis blieb, war auf der Halbinsel Hel.
Diese Halbinsel ist eine 34 Kilometer lange Landzunge, die sich in die Ostsee streckt. An manchen Stellen ist sie gerade einmal 200 Meter breit. Sie entstand aus einer Kette von kleinen Inseln, die sich bis zum 18. Jahrhundert hier befanden. Das wirklich Spektakuläre dabei ist, man fährt einige Kilometer auf dieser Landzunge entlang ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass um einen herum die Ostsee ist.
Doch plötzlich kommen Stellen auf, wo links und rechts nur noch Wasser zu sehen ist. Ich habe mich gefragt, was wohl passieren würde, wenn ein heftiger Sturm ankäme, und große Wellen in diese Richtung tragen würde. Ich habe meinen Onkel darauf angesprochen. Er bestätigte mir, dass es tatsächlich Tage gibt, an denen sich dieses Ereignis tatsächlich abspielt. Doch das kam nur alle paar Jahre vor. Verständlich, dass sich in der unmittelbaren Nähe auch kein Mensch niedergelassen hat.
Nach einer dreiviertelstündigen Fahrt vom Festland kamen wir in Hel an. Zwei Dinge fielen mir hier besonders auf. Zum einen der starke Wind, der mir ständig ins Gesicht blies, zum anderen das klare Wasser. Viele Touristen waren hier unterwegs. Besonders Surfer und Segler fanden an diesem Ort optimale Bedingungen. Mich persönlich erreichte der Seewind nicht nur am Körper, sondern auch im Herzen. Die frische Meeresbrise säuberte meine Gedanken und wehte alles Schlechte aus mir heraus. Wir schlenderten an einigen Ständen vorbei, kauften hier und da kleine Souvenirs und gingen anschließend zum Mittagessen.
Natürlich gab es traditionelle polnische Küche. Ich nahm meine Leibspeise „Ruskie Pierogi“ mit Sahne. Von diesen gefüllten Hefeteigtaschen konnte ich wirklich nicht genug bekommen. Auf dem Weg zum Auto kamen wir an einem weiteren Stand mit Accessoires vorbei. Mir stach sofort eine schlichte Kette mit einer Schildkröte ins Auge.
Es war fast wie Liebe auf den ersten Blick. Auch wenn ich kein Schmuckliebhaber bin, nahm ich die Kette. Meine Tante bestand darauf, die Kette zu bezahlen. Ich wollte eigentlich keine Geschenke mehr von ihr, da sie uns ständig etwas ausgab. Ihr war es dennoch wichtig, dass ich ein Andenken von ihr hatte. Etwas, dass mich sofort an sie erinnern würde. Ich gab ihrer Bitte nach und ließ mich beschenken. Diese Kette sollte mich die nächsten Monate und Jahre begleiten. Tatsächlich dachte ich immer wieder an meine Tante, wenn ich sie trug.
Am Ende der zweiten Woche beschloss ich an einem Abend, spontan das Nachtleben unsicher zu machen. Ab dem Wochenende begann in den drei Städten Gdansk, Gdyna und Sopot ein Festival. Zu meinem Bedauern konnte man nur mit Einladung Diskotheken und Bars besuchen. Somit hatte ich keine Möglichkeit irgendwo hineinzukommen.
Das war wirklich schade, denn ich war voller Feierlaune. Ich musste umdenken. Ohne lange zu überlegen, fuhr ich los, um mich auf dem Land umzuschauen. Nach einiger Zeit erreichte ich eine kleinere Stadt namens Lemborg. Dort steuerte ich eine Tankstelle an.
Mein Tankzeiger zeigte schon fast auf null. Ich tankte und ging hinein, um zu bezahlen. An der Kasse fragte ich die Mitarbeiterin, ob es in der Nähe gute Bars oder Diskotheken gäbe. Sie bejahte meine Frage und verwies mich auf einen Nachtclub, der nicht weit von der Tankstelle entfernt lag. Ich legte mein Geld auf den Tresen, bedankte mich kurz und begab mich sofort auf den Weg. Ich fand das Lokal ohne Mühe.
Es war ein Restaurant mit einer Diskothek im ersten Stock. Diese war allerdings noch geschlossen. Es war ja schließlich erst 20:00 Uhr. Somit entschied ich mich zunächst vom Essen des Hauses zu kosten. Da der Club erst um 21:00 Uhr öffnete, hatte ich genügend Zeit in Ruhe mein Essen zu genießen. Zu meinem Glück ging die Zeit recht schnell vorbei. Um etwa 21:30 Uhr begab ich mich in den ersten Stock.
Bevor ich jedoch in die Diskothek eintreten konnte, wurde ich vor dem Eingang von den Türstehern darauf aufmerksam gemacht, dass ich meine Kappe herunternehmen musste.
Da ich Gel und anderes Haarmittel dabei hatte, war es für mich kein allzu großes Problem. Ich begab mich schnell zum Auto, nahm alles Nötige mit, was ich brauchte und machte mir die Haare auf der Toilette des Restaurants zurecht. Danach begab ich mich frischgestylt wieder zum Eingang.
Diesmal ließen mich die Türsteher ohne zu meckern hinein. Ich ging die Treppen hinauf und schaute mich zunächst einmal um. Es war noch nicht wirklich voll. Da ich keine Menschenseele kannte, begab ich mich zunächst an die Theke und bestellte mir etwas zum Trinken. Ich versuchte, mir etwas Blickkontakt zu verschaffen. Nach einer Stunde sitzen und drei Flaschen Cola begann sich die Tanzfläche allmählich zu füllen.
Auch ich wagte mich auf das Tanzparkett und sprach dabei sogar einige Leute an. Ich erzählte ihnen, ohne schüchtern zu wirken, dass ich in München wohnte und dass ich zu Besuch bei meinen Verwandten war. Keiner war unfreundlich oder schlecht zu mir, nur weil ich kein Einheimischer war. Nein, sie machten sogar Späße darüber, dass einer von drüben, von der anderen Seite der Grenze zu ihnen aufs Land fuhr um Party zu machen.
Der Abend war wirklich amüsant. Das lag durchaus auch an den hübschen Mädels, die darüber hinaus auch noch sehr intelligent und freundlich wirkten. Leider hatte sich für mich nicht die Möglichkeit ergeben, mit jemandem Telefonnummern auszutauschen. Einem Mädchen jedoch habe ich meine Emailadresse gegeben. Später habe ich allerdings bemerkt, dass ich ihr eine falsche Adresse aufgeschrieben hatte. Dumm gelaufen! Trotzdem hatte ich etwas gewonnen. Vielleicht war es keine Telefonnummer oder Emailadresse, aber dafür ein schöner Abend mit einigen freundlichen Menschen.
Die ersten zwei Wochen sind für mich wie im Flug vergangen. Dabei wurde kein Tag vergeudet. Ob es nun Ausflüge, Restaurantbesuche oder das nächtliche Weggehen war, mein Aufenthalt blieb stets kurzweilig.
Mitte der dritten Woche beschloss ich, ein kleines Fotoshooting zu machen.
Ich wollte einige Schwarz-Weiß-Fotos haben, die mich an die schöne Zeit in Danzig erinnern sollten. Schwarz-Weiß wählte ich deshalb, da diese Farben meiner Meinung nach eine besondere optische Wirkung haben. Da ich mich zu dem Zeitpunkt wieder bei meiner Tante und meinem Onkel auf dem Land befand, musste ich in die nächste größere Ortschaft fahren. Ihr ein kleines Dorf hatte nämlich nicht mehr als ein Lebensmittelgeschäft und einen Kiosk zu bieten. Mühelos fand ich einen Ort in dem ich meine Fotos machen konnte.
Auf den ersten Blick glich dieses Fotostudio jedoch einem Büro. Während ich meine Wünsche äußerte, legte sich meine Skepsis schnell. Der Verkäufer erzählte, dass sich das richtige Fotostudio in einem naheliegenden Gebäude befand. Nachdem alle Fragen beantwortet waren und auch ein Preis ausgemacht wurde, begab ich mich mit dem Fotografen in das Fotostudio.
Dieses war tatsächlich nur zwei Gehminuten von dem Fotogeschäft entfernt. Der Fotograf machte zunächst einige Lichtaufnahmen und begann danach mit Probeschüssen. Für mich war es ein völlig neues Gefühl vor der Kamera. Doch nach anfänglicher Zurückhaltung fand ich Gefallen daran. Der Fotograf war sehr hilfsbereit und gab mir zudem noch einige nützliche Tipps. Nach etwa 45 Minuten waren die Aufnahmen im Kasten. Ich hatte nun professionelle Fotos von mir, konnte sie allerdings noch nicht in Händen halten.