Kitabı oku: «Letzte Fragen», sayfa 9

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V

Es ist wesentlich einfacher sich falscher Erläuterungen des Absolutismus zu entledigen, als eine zutreffende zustande zu bringen. Am Anfang jeder positiven Erklärung muß die Beobachtung stehen, daß Krieg, Streit und Aggression stets Beziehungen zwischen Menschen sind. Die Ansicht, daß es unrecht sein könnte, bei eigenen Taten lediglich die übergreifenden Auswirkungen auf das Allgemeinwohl in Betracht kommen zu lassen, wird relevant, sobald unsere Handlungen Beziehungen zu anderen Menschen mit sich bringen. Eine Handlung betrifft normalerweise weitaus mehr Menschen als nur diejenigen, mit denen der Akteur unmittelbar zu tun hat, und natürlich müssen diese Auswirkungen bei jeder Dezision, was getan werden soll, mitberücksichtigt werden. Gibt es aber spezielle Prinzipien, welche die Art und Weise vorschreiben, wie er andere Menschen zu behandeln hat, muß er sein Augenmerk vor allem auf die einzelnen Personen richten, denen sein Handeln gilt, und nicht mehr vorrangig auf die Folgen im ganzen.

Es scheint nun zwei Typen absolutistischer Einschränkungen jeder Kriegführung zu geben: Restriktionen in bezug auf die Klasse von Menschen, gegen die sich Aggression oder Gewaltanwendung allererst richten dürfen, und Restriktionen der Art und Weise, wie dann jemand, der zu dieser Klasse gehört, überhaupt attackiert werden darf. Beide lassen sich einstweilen unter dem einen Grundsatz zusammenfassen, daß jederlei Feindseligkeit gegenüber einem Menschen durch etwas an diesem Menschen gerechtfertigt sein muß, das die Feindseligkeit angemessen sein läßt. Feindschaft ist und bleibt eine zwischenmenschliche Beziehung, und sie muß auf diejenigen zugeschnitten sein, gegen die sie sich richtet. Als Konsequenz ergibt sich aus dieser Bedingung, daß bestimmte Menschen im Krieg unter keinen Umständen das Ziel von Feindseligkeiten werden dürfen, da nichts an ihnen eine derartige Behandlung rechtfertigt. Auf andere dürfen sich diese Feindseligkeiten nur unter gewissen Umständen richten oder wenn die betreffenden Leute bestimmten Tätigkeiten nachgehen. Und die Art und das Ausmaß angebrachter Feindseligkeit werden davon abhängen, was im konkreten Fall gerechtfertigt ist.

Eine derartige Ansicht wird es, wenn sie kohärent ist, für kompatibel erachten, jemanden extrem feindselig und doch als Menschen zu behandeln – ja, als Zweck an ihm selbst. Das ist indessen nur möglich, wenn man nicht automatisch damit aufgehört hat, ihn als Menschen zu behandeln, sobald man damit anfängt, gegen ihn zu kämpfen. Wäre feindseliges, aggressives oder kämpferisches Verhalten anderen gegenüber unvereinbar damit, sie als Menschen zu behandeln, hätten wir Mühe, in dieser Hinsicht weitere Unterscheidungen innerhalb der Kategorie feindseligen Verhaltens zu machen. Solch eine Auffassung würde dann auf der Ebene internationaler Beziehungen zu einer Haltung führen, derzufolge es, falls man keinen bedingungslosen Pazifismus einräumt, nicht unbedingt mehr ein Halten zu geben bräuchte, so daß wir, wenn es uns ratsam schiene, nach Gutdünken metzeln und morden könnten. Dieser Standpunkt wird in Debatten über Kriegsverbrechen nicht selten vertreten.

Es ist jedoch ein Faktum, daß wir, wenn es um physische oder andere Streitigkeiten zwischen einzelnen Menschen geht, gewöhnlich nicht dieser Meinung sind, und es gibt keinen Grund, warum dies für zwischenstaatliche Streitigkeiten nicht ebensogut gelten sollte. Es scheint eine durchaus natürliche Auffassung der Differenz von sauberem und nicht sauberem Kämpfen zu geben. Nicht sauber kämpfen heißt, seine Feindseligkeit oder Aggression nicht gegen ihr eigentliches Ziel zu lenken, gegen das passende Ziel, sondern gegen irgendein peripheres, möglicherweise verwundbareres, wodurch das eigentliche Ziel mittelbar attackiert werden kann. Das gilt gleichermaßen für einen Boxkampf, eine Wahlkampagne, ein Duell oder ein philosophisches Streitgespräch. Und wenn diese Vorstellung allgemein genug ist, für alle diese Bereiche zu gelten, sollte man eigentlich erwarten können, daß sie auch für Kriege gilt – und zwar ebensogut für das Verhalten einzelner Soldaten im Krieg wie für das Verhalten ganzer Nationen.

Gesetzt, Sie kandidierten für ein öffentliches Amt und wären überzeugt davon, daß die Wahl ihres Opponenten geradezu eine Katastrophe wäre, daß er sich als skrupelloser Demagoge erweisen wird, der nur die Durchsetzung weniger Partikularinteressen im Auge hat und gewillt ist, die Rechte aller, die sich ihm in den Weg stellen, mit Füßen zu treten; und ferner wären Sie davon überzeugt, daß es Ihnen mit konventionellen Mitteln unmöglich ist, ihn zu schlagen. Stellen Sie sich nun vor, Ihnen ständen eine Reihe unkonventioneller Mittel zur Verfügung: Sie wären im Besitz von Informationen über sein Sexualleben, deren Veröffentlichung zu einem Skandal führen würde; oder Sie hätten erfahren, daß seine Frau Alkoholikerin ist, oder daß er in jungen Jahren für kurze Zeit Mitglied einer geächteten politischen Partei war, und wären der Meinung, daß man diese Informationen benutzen könnte, ihn zu erpressen, seine Kandidatur zurückzuziehen; oder Ihnen stünde eine Gruppe von Helfern zur Verfügung, die bei einer ausreichenden Anzahl seiner Anhänger am Wahltag die Reifen zerstechen könnten; oder Sie hätten die Möglichkeit, Stimmen zu fälschen; oder noch viel einfacher: Sie könnten ihn schlicht aus dem Weg räumen lassen. Angenommen, diese Methoden führten zu einem eminent erstrebenswerten Resultat, was wäre dann gleichwohl noch unrecht an ihnen?

Natürlich eine ganze Menge: Einige dieser Taten sind rechtswidrig; einige verletzten die Regeln einer Wahl, denen Sie durch Ihre Teilnahme doch wohl verpflichtet sind; einige könnten, was auch nicht ganz unwichtig ist, auf Sie selbst zurückfallen, und es liegt ja im Eigeninteresse aller Kandidaten, sich an die stillschweigende Konvention zu halten, bestimmte persönliche Bereiche aus dem Wahlkampf auszuklammern. Doch ist das noch nicht alles. Wir haben darüber hinaus das Gefühl, daß diese Maßnahmen, die ganze Art und Weise wie angegriffen wird, im Grunde nichts damit zu tun haben, worum es im Kampf zwischen Ihnen und Ihrem Opponenten geht; daß Sie sich, wenn sie von Ihnen ergriffen werden, nicht gegen das an ihm richten, was ihn zum Gegenstand Ihrer Opposition macht. Sie richten Ihre Angriffe dann nicht gegen das wahre Moment, das ihn zu Ihrem Feind macht, sondern gegen etwas Irrelevantes, das weiter abseits liegt, sich aber als sein wunder Punkt herausstellt.

Dasselbe gilt für Kämpfe oder Streitigkeiten, die nicht in den Rahmen eines Regelwerks oder Systems von Gesetzen eingebettet sind. So ist es etwa, wenn Sie sich mit dem Taxifahrer über den überhöhten Fahrpreis streiten, nicht angebracht, ihn wegen seiner Aussprache lächerlich zu machen, die Luft aus den Reifen zu lassen oder Kaugummi über die Windschutzscheibe zu schmieren; und dies bleibt auch dann noch unangezeigt, wenn er seinerseits es ist, der abfällige Bemerkungen über Ihre Rasse, Weltanschauung oder Religion macht, oder wenn er den Inhalt Ihres Koffers auf die Straße schüttet.6

Die Bedeutung solcher Restriktionen mag mit der Wichtigkeit des jeweiligen Falles variieren, und was in dem einen Fall nicht zu rechtfertigen ist, kann in einer extremeren Lebenslage vielleicht angebracht sein. Aber alle diese Restriktionen leiten sich von einem einzigen Grundsatz her: Feindseligkeit und Aggression haben sich auf ihr wahres Objekt zu richten. Das heißt sowohl, daß sie sich gegen den oder die Menschen zu richten haben, die sie ausgelöst haben, als auch, noch konkreter, daß sie sich dort nur auf das richten dürfen, was sie hervorgerufen hat. Und es ist diese zweite Bedingung, die festlegt, welche Form dann die Feindseligkeit annehmen darf, soll sie angemessen sein.

Es ist offensichtlich, daß diesem Grundsatz eine bestimmte Auffassung davon zugrunde liegt, in welcher Beziehung man prinzipiell zu einem anderen Menschen zu stehen hat, doch fällt es schwer, diese Auffassung explizit zu machen. Ich glaube, sie lehrt ungefähr folgendes: Was immer man einem anderen Menschen vorsätzlich antut, muß auf ihn als Subjekt zielen, und dies mit der Absicht, daß er es als Subjekt erlebt. Es sollte eine Einstellung ihm gegenüber, manifestieren, nicht nur gegenüber der Situation, und er sollte dies auch erkennen und sich als ihr Objekt identifizieren können. Die Verhaltensweisen, in denen sich eine derartige Einstellung ausdrückt, brauchen sich nicht unmittelbar an die Person zu wenden. Jemanden zu operieren, ist beispielsweise nicht eine Form aggressiver persönlicher Konfrontation, sondern gehört zu einer ärztlichen Behandlung, die dem Patienten von Angesicht zu Angesicht zuteil werden kann und von diesem als Reaktion auf seine Not, als natürliche Folge einer Einstellung ihm gegenüber verständig angenommen werden kann.

Feindseligkeiten richten sich, anders als chirurgische Eingriffe, direkt gegen einen Menschen, ohne daß sich ihre zwischenmenschliche Bedeutung erst aus einem weiteren Kontext ergeben müßte. Aber andererseits kann feindliches Verhalten auch nur dazu dienen, eine begrenzte Anzahl von Einstellungen der angegriffenen Person gegenüber auszudrücken oder zu verwirklichen. Diese Einstellungen wiederum beziehen sich auf bestimmte reale oder vermeintliche Eigenschaften respektive Handlungen des Betreffenden, aufgrund derer sie als gerechtfertigt angesehen werden. Fehlt dieser Hintergrund, kann es schwerlich noch Intention des feindseligen oder aggressiven Verhaltens sein, daß der Betroffene es als Subjekt erlebt. Es nimmt dann vielmehr den Charakter eines rein bürokratischen Vollzugs an. Dies ist der Fall, sobald wir jemanden angreifen, der nicht das wirkliche Objekt unserer Feindschaft ist – sei es, daß unser eigentlicher Feind ein anderer ist, den wir über unser Opfer mit attackieren können, oder sei es, daß wir erst gar keiner Feindschaft mit wem auch immer Ausdruck verleihen, sondern nur den Weg des geringsten Widerstands einschlagen, um einen erwünschten Zweck zu erreichen. Wir richten uns dann gar nicht an unser Opfer, wir wenden uns nicht ihm zu, sondern machen bloß etwas mit ihm – ohne daß, wie beim chirurgischen Eingriff, der weitere Kontext zwischenmenschlicher Interaktion hinzukäme.

Um seinen Prioritätsanspruch vor utilitaristischen Erwägungen nicht einzubüßen, muß der Absolutismus den Standpunkt vertreten, daß es dermaßen unerläßlich sei, daran festzuhalten, auf Menschen, mit denen man zu tun hat, direkt und zwischenmenschlich zu reagieren, daß keinerlei Vorteil je eine Verletzung dieser vorrangigen Regel rechtfertigen könnte. Die Aufforderung ist nur dann absolut, wenn sie jegliche Kalkulation ausschließt, wann ihre Mißachtung womöglich gerechtfertigt wäre. Ich habe weiter oben angemerkt, daß es umgekehrt auch Extremfälle geben mag, in denen es uns verunmöglicht wird, noch einen absolutistischen Standpunkt einzunehmen. Man wird dann feststellen, daß einem schlicht keine andere Wahl bleibt, als etwas Schreckliches zu tun. Und doch behält ja sogar in solchen Fällen der Absolutismus noch sein Gewicht, insofern er es uns unmöglich macht, unseren Verstoß gegenüber anderen zu rechtfertigen. Wir haben auch dann nicht recht getan.

In einem ersten Erklärungsanlauf werde ich versuchen, die absolutistischen Beschränkungen mit der Möglichkeit in Zusammenhang zu bringen, dem Opfer gegenüber zu rechtfertigen, was man ihm antut. Gibt man einen Menschen auf, um eine Reihe anderer aus einem brennenden Haus oder sinkenden Schiff zu retten, könnte man zu ihm sagen: »Verstehe doch bitte, ich muß dich jetzt hier zurücklassen, um die anderen zu retten.« Ebenso kann man einem widerspenstigen Kind, das man einer schmerzhaften Operation unterzieht, sagen: »Wärst du schon heute verständig genug, würdest du einsehen, daß es nur zu deinem Besten geschieht.« Ja man könnte sogar, während man einem feindlichen Soldaten das Bajonett in den Bauch stößt, sagen: Du oder ich! Doch man kann nicht wirklich, während man einen Gefangenen foltert, sagen: »Verstehe doch bitte, ich muß dir nun mal die Fingernägel ausreißen, weil es unbedingt notwendig für uns ist, die Namen deiner Komplizen zu erfahren«; noch könnte man den Opfern von Hiroshima sagen: »Ihr versteht doch sicherlich, wir mußten euch leider verbrennen, um die japanische Regierung schließlich und endlich zur Kapitulation zu erpressen.«

Natürlich bringt uns das nicht sehr viel weiter, weil ja ein Utilitarist vermutlich in Fällen, in denen er eine Rechtfertigung der letztgenannten Art überhaupt für ausreichend hält, dann auch gewillt wäre, damit vor seine Opfer zu treten. Schließlich handelt es sich ja um eine Rechtfertigung vor der ganzen Welt, mithin kann man auch von dem Opfer als einem Vernunftwesen erwarten, daß es sie zu würdigen weiß. Gleichwohl scheint mir, daß diese ganze Sichtweise immer schon als solche etwas prinzipiell Fehlerhaftes an sich hat, denn sie ignoriert, daß wir uns, indem wir jemandem widerwärtige Dinge antun, in eine besondere Beziehung zu ihm begeben, die wir durch andere Charakteristika unseres Verhältnisses zu ihm rechtfertigen müssen. Diese theoretische Vermutung bedarf noch sehr der Vertiefung, aber sie könnte uns verständlich machen, wie es Schuldigkeiten geben kann, die in dem Sinne absolut sind, daß überhaupt keine Rechtfertigung mehr dafür möglich ist, sich ihnen zu entziehen. Müßte die Rechtfertigung dafür, was man einem anderen Menschen antut, so beschaffen sein, daß man damit vor ihn als Individuum, nicht vor die Welt im ganzen treten könnte, wäre dies eine wichtige Quelle ethischer Restriktionen.

Ich glaube, daß man diese Erklärung am ehesten durch die folgenden Überlegungen vertiefen kann: Der Absolutist sieht sich als winziges Wesen in Interaktion mit anderen in einer unermeßlich weiten Welt, und die Rechtfertigungen, die er uns abverlangt, sind in erster Linie zwischenmenschlicher Natur. Der Utilitarist hingegen versteht sich als wohlmeinenden Bürokraten, der die Wohltaten, über die er verfügen mag, auf eine erhebliche Anzahl anderer verteilt, zu denen er die vielfältigsten Beziehungen haben mag oder auch gar keine. Die Rechtfertigungen, die er für erforderlich hält, sind in erster Linie administrativer Natur. Es kann sein, daß die Diskussion zwischen den beiden moralischen Einstellungen letzten Endes davon abhängt, welcher dieser beiden Auffassungen relative Priorität gebührt.7

VI

Ein Teil der Restriktionen, die sich von Zeit zu Zeit einmal in der Frage zulässiger Methoden der Kriegführung durchgesetzt haben, läßt sich mit dem Eigeninteresse der beteiligten Parteien erklären: Verbote, die sich auf die Art der eingesetzten Waffen beziehen, die Behandlung von Kriegsgefangenen betreffen und so weiter. Aber es steckt noch mehr dahinter. Die beiden Grundbedingungen der Direktheit und der Relevanz, von denen ich zeigen wollte, daß sie für jede Beziehung gelten, die einen Konflikt oder eine Aggression darstellt, haben auch für den Krieg ihre Gültigkeit. Ich habe behauptet, daß es in der Kriegführung zwei Typen absolutistischer ethischer Restriktionen gibt: Jene, welche die Stoßrichtung demarkieren, also abgrenzen, wogegen sich Feindseligkeit legitimerweise nur richten darf, und jene, die beschränken, wie Feindseligkeiten, selbst wenn ihre Stoßrichtung stimmt, allein beschaffen sein dürfen. Ich werde jetzt über jeden Typus etwas sagen, und dabei wird sich zeigen, daß wir mit Hilfe des oben skizzierten Prinzips nicht in jedem Fall zu einer unzweideutigen Antwort gelangen können.

Schauen wir uns zuerst an, inwiefern daraus folgt, daß man nur bestimmte Menschen angreifen darf, andere hingegen nicht. Die Behauptung mag etwas Paradoxes an sich haben, wir behandelten jemanden, den wir mit dem Maschinengewehr beschießen, während er selbst Handgranaten gegen unsere Stellung schleudert, als Menschen. Gleichwohl ist die Beziehung hier direkt und unkompliziert.8 Die Reaktion ist ausdrücklich gegen die von einem gefährlichen Angreifer ausgehende Bedrohung gerichtet und nicht gegen ein peripheres Ziel, in dem er zufällig verwundbar ist, das aber mit der Bedrohung nichts zu tun hat. Zum Beispiel könnten wir ihn aufhalten, indem wir seine Frau und seine Kinder, die zufällig in der Nähe sind, über den Haufen schießen, ihn auf diese Weise davon ablenken, uns in die Luft zu sprengen, und ihn so gefangen nehmen. Stellen seine Frau und seine Kinder aber keine Bedrohung für unser Leben dar, hieße dies, sie in ganz extremer Weise als bloße Werkzeuge zu gebrauchen.

Und das wäre nichts anderes als Hiroshima im kleineren Maßstab. Einer der Vorbehalte gegen Massenvernichtungswaffen – seien es nukleare, thermonukleare, biologische oder chemische – lautet, daß sie wegen der Wahllosigkeit ihres Zuschlagens als direktes Ausdrucksmittel einer feindseligen Beziehung untauglich sind. Indem man die Zivilbevölkerung angreift, zollt man weder dem militärischen Gegner noch dem Zivilisten jenes Minimum an Achtung, das man ihnen als Menschen schuldig ist. Bei einem direkten Angriff auf jemanden, von dem nicht die mindeste Bedrohung ausgeht, liegt dies auf der Hand. Nicht minder gilt es aber auch für die Art und Weise, wie man Menschen attackiert, die uns wirklich bedrohen, also die Regierung und Streitkräfte des Feindes. Man richtet seine Aggression gegen einen äußerst verwundbaren Bereich weit abseits jeglicher Bedrohung durch jene, bei denen es gegebenenfalls legitim gewesen wäre, wenn die Aggression sie getroffen hätte. Man hat sie im Visier, aber durch das Alltagsleben und Überleben ihrer Landsleute hindurch, statt auf dem Wege der Zerstörung ihrer militärischen Kapazitäten. Und natürlich bedarf es nicht erst der Wasserstoffbombe, solche Verbrechen zu begehen.

Betrachtet man die Sache so, hilft uns dies, die Wichtigkeit der Unterscheidung von Kämpfern und Nichtkämpfern und Irrelevanz eines Großteils der mit Blick auf die Verständlichkeit und moralische Bedeutung dieser Differenz vorgebrachten Kritik zu verstehen. Nach Auffassung des ethischen Absolutismus ist jederlei vorsätzliche Tötung Unschuldiger nichts anderes als Mord – und im Krieg sind es für den Angreifenden freilich die Nichtkämpfer, die den Status dieser Unschuldigen haben. Nun war man der Ansicht, daß sich daraus aber zweierlei Probleme ergeben: Erstens die in manchen Köpfen spukende Schwierigkeit, in der modernen Kriegführung wirklich noch zwischen Kämpfern und Nichtkämpfern zu trennen, und zweitens Probleme, die von Konnotationen des Worts »unschuldig« aufgeworfen werden.

Lassen Sie mich die zweite Problematik zuerst ansprechen.9 Aus absolutistischer Sicht ist der hier wirksame Begriff der Unschuld gerade nicht jener der moralischen Unschuld, und er steht auch nicht dem Begriff der moralischen Schuld entgegen. Sonst nämlich sähe man sich darin gerechtfertigt, in einer feindlichen Stadt einen durch und durch schlechten, aber nicht zu den Kämpfern gehörenden Friseur umzubringen, der die verbrecherische Politik seiner Regierung zuinnerst unterstützt, jedoch nicht darin gerechtfertigt, dies einem moralisch integeren Rekruten anzutun, der zu seinem größten Bedauern und mit einem von Liebe erfüllten Herzen seinen Panzer direkt auf uns zurollen läßt. Aber moralische Unschuld spielt hier schwerlich eine Rolle, denn in unserer Definition von Mord bedeutet ›unschuldig‹ so viel wie ›x ist derzeit harmlos‹ und steht im Gegensatz nicht etwa zum Begriff der Schuld, sondern zu dem Begriff: ›von x geht derzeit Gefahr aus‹. Man beachte, daß diese Analyse zu der Konsequenz führt, daß wir im Krieg häufig darin gerechtfertigt sein können, Menschen zu töten, die den Tod nicht verdient haben, während wir gegebenenfalls nicht gerechtfertigt wären, Menschen zu töten, die tatsächlich den Tod verdient haben, wenn ihn überhaupt noch jemand verdient.

Wir müssen also die Unterscheidung zwischen Kämpfern und Nichtkämpfern aufgrund ihrer momentanen Bedrohlichkeit oder Gefährlichkeit treffen. Ich behaupte nicht, daß das eine scharfe Grenze markiert, aber so schwierig, wie häufig behauptet wird, ist es gar nicht, die einzelnen Personen einer der beiden Seiten zuzuordnen. Kinder sind keine Kämpfer, auch wenn sie vielleicht in die Armee eintreten werden, falls man es ihnen gestattet, erwachsen zu werden; und Frauen sind nicht deshalb schon Kämpfer, weil sie Kinder auf die Welt bringen oder den Soldaten Trost und Wärme spenden. Problematischer verhält es sich mit dem breiten Spektrum des nichtuniformierten oder auch uniformierten Versorgungspersonals, das vom Fahrer eines Munitionstransporters oder vom Armeekoch bis hin zu zivilen Arbeitern in Munitionsfabriken und in der Landwirtschaft reicht. Ich glaube, daß man auch sie mit guten Gründen der einen oder der anderen Seite zuordnen kann, indem man auf die Grundbedingung zurückgreift, daß sich die Maßnahmen im Konfliktfall gegen die Ursache der Gefährdung selbst richten müssen und nicht gegenirgend etwas Peripheres. Die Bedrohung, die von einer Armee und mithin von jenen ausgeht, die ihr angehören, geht nicht einfach in dem Tatbestand auf, daß da Menschen eingesetzt werden, sondern besteht in dem Faktum, daß solche Menschen bewaffnet sind und Waffen einsetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Ein Beitrag zur Bewaffnung und Logistik ist ein Beitrag zu ebendieser Bedrohung; ein Beitrag zu ihrer puren Existenz als Menschen hingegen nicht. Deshalb ist es unrecht, einen Angriff gegen Menschen zu richten, die nur zur Befriedigung humaner Bedürfnisse der Kämpfer beitragen, wie Bauern und Lieferanten von Proviant, und zwar auch dann, wenn menschliches Überleben eine der notwendigen Bedingungen für soldatische Effizienz ist.

Das bringt uns zu der zweiten Klasse ethischer Auflagen: zu Restriktionen, die alldem Grenzen ziehen, was man sogar Kämpfern antun darf. Diese Grenzen deutlich hervortreten zu lassen, ist etwas komplizierter. Manche von ihnen mögen willkürlich oder konventionell sein, und manche wird man vielleicht aus anderen Quellen herleiten müssen, doch glaube ich, daß sie durch meine beiden Grundbedingungen der Direktheit und der Relevanz jedes Reagierens auf Feindseligkeiten in einem beachtlichen Maße erklärt werden.

Führen wir uns zunächst einen Fall vor Augen, der sowohl eine geschützte Klasse von Nichtkämpfern umfaßt als auch Einschränkungen in der Frage der Maßnahmen, die gegen Kämpfer zulässig wären. Eine der Maximen der Kriegführung, die allgemein Achtung fand, auch wenn sie anscheinend in Vietnam zur hohlen Phrase verkommen ist, lautet, daß dem Sanitätspersonal und allen Verwundeten ein Sonderstatus einzuräumen sei. Natürlich könnte es weitaus wirkungsvoller sein, jeden Arzt, den man vor die Maschinenpistole bekommt, zu erschießen und die verwundeten Feinde besser dem Tod auszuliefern als sie wieder zusammenflicken zu lassen, damit sie dann eines Tages womöglich erneut kämpfen können. Doch sobald jemand als Arzt erkennbar ist, erwartet man, daß er in Ruhe gelassen und es ihm gestattet wird, die Verwundeten zu versorgen und zu bergen. Meines Erachtens liegt dies daran, daß sich der Arzt um ein allen Menschen gemeinsames Bedürfnis kümmert und nicht insbesondere um ein Bedürfnis am Krieg beteiligter Soldaten, und wir uns in einem Konflikt mit dem Soldaten befinden und nicht mit seiner Existenz als Mensch.

Führt man diesen Gedanken fort, kommt man in die Lage, das Verbot besonders grausamer Waffen zu rechtfertigen: Aushungern; Vergiften; Infizieren mit Krankheitserregern (gesetzt, man könnte dergleichen überhaupt auf die kämpfende Truppe einschränken); Waffen, die darauf ausgerichtet sind, den Gegner zu verstümmeln, zu entstellen oder ihm Qualen zu bereiten, statt ihn nur aufzuhalten. Es ist in meinen Augen keine bloße Kasuistik zu sagen, daß diese Waffen den Menschen als solchen angreifen und nicht den Soldaten. Die Wirkung eines Dum-Dum Geschosses ist zum Beispiel weitaus brutaler als es die militärische Lage, in der es eingesetzt zu werde pflegt, je erforderlich machen könnte. Solche Waffen haben derart gravierende Folgen, daß sie jeden Versuch im Keim ersticken, den Kämpfer und den Menschen im Feind zu unterscheiden. Aus demselben Grund ist unter allen mir denkbaren Umständen der Gebrauch von Flammenwerfern und Napalm schlicht ein Kriegsverbrechen, und zwar egal wogegen sie sich richten. Verbrennungen sind sowohl beispiellos schmerzhaft als auch ungemein entstellend – weitaus schlimmer und folgenreicher als alle anderen Wundarten. Daß dieses evidente Faktum nicht den mindesten (hemmenden) Einfluß auf die Festlegung der Waffenpolitik der Vereinigten Staaten hatte, legitimiert den Schluß, daß sich auch hierzulande unter Amtsträgern und Statthaltern politischer Macht die moralische Sensibilität seit den Zeiten der spanischen Inquisition nicht merklich verändert hat.10

Und schließlich sollte auch für Angriffe auf ein ganzes feindliches Land (also auf seine gesamte Industrie, Landwirtschaft, Infrastruktur usw.) dieselbe Grundbedingung in Kraft sein: nämlich daß die eingesetzten Mittel stets dem wirklichen Objekt der Feindseligkeit angemessen sind. Auch eine Nation, die nicht Armeen oder Regierungen als die Parteien in einem militärischen Konflikt ansähe, sondern stets ganze Nationen (was in der Regel ein gravierender Irrtum ist), wäre noch nicht darin gerechtfertigt, gegen jeden Aspekt oder Teil der anderen Nation kriegerisch vorzugeben. Das ist bei Konflikten unter Individuen nicht gerechtfertigt, und da Nationen sogar von noch höherer Komplexität sind als Individuen, treffen auf sie dieselben Gründe zu. Selbst wenn eine ganze Nation Krieg führt, ist sie, nicht anders als jeder einzelne Mensch, zugleich in zahllose weitere Tätigkeiten und Geschäfte verwickelt, und in diesen Hinsichten kein Feind.

Die obige Argumentation beruhte insgesamt darauf, daß jedem Absolutismus im Hinblick auf Mord Prinzipien zugrunde liegen, die für alle unsere Beziehungen zu anderen, seien diese freundschaftlich oder feindselig, maßgeblich bleiben, und daß solche Prinzipien, ebendieser Absolutismus, auch für den Krieg gelten, woraus gefolgert wurde, daß bestimmte Maßnahmen einfach nicht zulässig sein können, gleichgültig welche Folgen sie ermöglichen.11 Ich denke hier nicht daran, den Krieg romantisch zu verklären. Dafür ist die Annahme bei weitem zu utopisch, daß sich unsere Nationen im Konfliktfall lieber auf das Niveau beschränkter Barbarei begeben könnten, das für feindselige Auseinandersetzungen zwischen Individuen typisch ist, statt sich weiter in dem moralischen Dreck zu suhlen, in dem sie sich, umringt von ihren gewaltigen Waffenarsenalen, offenkundig häuslich eingerichtet haben.

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