Kitabı oku: «Die Welt erklären»

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Tobias Eick

Die Welt erklären

Die Geschichte der National Geographic Society


Impressum und Abbildungsverzeichnis
Vorwort
1.Die Geburt eines Jahrhundertprojekts
2.Licht und Schatten in den Anfangsjahren des National Geographic Magazines
3.Bell und Grosvenor übernehmen das sinkende Schiff
4.Gilbert Grosvenors steiniger Aufstieg
5.Fast an der Spitze angekommen
6.Lasst Bilder sprechen
7.Zeiten des Umbruchs auf dem Weg zum Erfolg
8.Der Wettlauf zum Nordpol
9.Archäologen, Juden und sterbende Genies
10.Familienbetrieb
11.Die Chandler-Affäre
12.Zehn goldene Jahre
13.Melville tritt ab, Payne trumpft auf
14.Wieder ein Grosvenor in der Krise
15.Eine neue Ära

Impressum und Abbildungsverzeichnis

ISBN 978-3-86408-172-9 (epub)

Lektorat: Mark Lederer

Titelbild: flickr.com, francisco.j.gonzalez (Lizenz: CC BY 2.0)

© Vergangenheitsverlag, 2014 – www.vergangenheitsverlag.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

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Abb. 1: Der Cosmos Club im Herzen von Washington, D.C., zwischen 1921 und 1922 ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 2: Der Cosmos Club zwischen 1980 und 2006 ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 3: Major John Wesley Powell, Gründer des Cosmos Clubs, zählte auch zu den Gründungsmitgliedern der National Geographic Society ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 4: Adolphus Washington Greely, oberster US-Funkoffizier, war bei der Gründung der National Geographic Society ebenfalls anwesend ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb 5: Das National Geographic Magazine wurde ab 1896 als „Illustrated Monthly“ für 25 Cents in den USA verkauft (flickr.com, Lizenz: CC BY 2.0).

Abb. 6: Alexander Graham Bell sollte das Präsidentenamt der National Geographic Society nach dem Tod Gardiner Greene Hubbards übernehmen ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 7: Alexander Graham Bells Ehefrau Mabel Hubbard Bell in späteren Jahren, ca. 1917 ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 8: Gilbert H. Grosvenor sollte der erste Herausgeber des National Geographic Magazines werden ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 9: Nur wenige Tage bevor Melville Bell Grosvenor zur Welt kam, Elsie Mays und Gilbert Grosvenors erster Sohn, kam der 25. Präsident der USA, William McKinley, nach einem Attentat ums Leben. Ihm folgte Vizepräsident Theodore Roosevelt (Foto) ins Amt ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 10: Die Hubbard Hall unweit des Weißen Hauses war im Jahr 1903 der erste richtige Hauptsitz der Gesellschaft ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 11: Nachdem Bell im Jahre 1903 als Präsident der National Geographic Society zurücktrat, widmete er sich in Kanada Flugexperimenten: U. a. beobachteten er und seine Assistenten den Flug eines Drachen, dessen Grundstruktur auf Tetraedern basierte ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 12: Willis L. Moore, Chef des amerikanischen Weather Bureaus wird Bells Nachfolger als Präsident ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 13: Der spätere US-Präsident William Howard Taft gehörte zu den Autoren des National Geographic Magazines ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 14: Die Hubbard-Medaille wird seit 1906 von der National Geographic Society verliehen (Robert Lawton, Lizenz: CC BY-SA 2.5).

Abb. 15: Polarforscher Admiral Robert E. Peary ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 16: Polarforscher Frederick A. Cook ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 17: Robert E. Peary an Bord seines Forschungsschiffes Roosevelt 6. April 1909 ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 18: Der Afroamerikaner Matthew Henson war Pearys langjähriger Freund und Begleiter auf Forschungsreisen ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 19: Gelbe Umrahmung, Eichenblatt-Borte und Lorbeerkranz – das Cover des National Geographic Magazines wurde Anfang des 20. Jahrhunderts grunderneuert ( flickr.com , Robert Huffstutter, Lizenz: CC BY 2.0).

Abb. 20: Auch nach über 100 Jahren ist ein gelber Rahmen Merkmal einer jeden National Geographic-Ausgabe ( flickr.com , Lizenz: CC BY 2.0).

Abb. 21: Die National Geographic Society entdeckte 1908 das Themengebiet der Archäologie fürs Magazin und finanzierte u. a. ein Projekt von Yale-Assistenzprofessor Hiram Bingham (Foto) in Machu Picchu ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 22: Richard E. Byrd hält vor 6.000 Anwesenden am 23. Juni 1926 auf einem Festbankett eine Rede. Er und sein Copilot Floyd Bennett wurden von der National Geographic Society als erste Menschen, die den nördlichsten Punkt der Welt im Flugzeug erreichten, geehrt. US-Präsident Calvin Coolidge verlieh ihnen an jenem Abend die Hubbard-Medaille. ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 23: (v. li. n. re.) Dr. John Oliver La Gorce, Vizepräsident der Gesellschaft; Georges-Marie Haardt, Forscher; Gilbert H. Grosvenor, Präsident der Gesellschaft und Maynard Owen Williams, Korrespondent der Gesellschaft ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Abb. 24: Die fünfte Generation des Familienunternehmens: Gil Grosvenor in späteren Jahren ( flickr.com , David, Lizenz: CC BY 2.0).

Abb. 25: 1963 entsteht mitten im Herzen von Washington, D. C., der Bau eines neuen Hauptsitzes der National Geographic Society. Architekt Edward Durell Stone entwarf diesen Turm aus weißem Marmor ( www.loc.gov , no known restrictions on publication).

Vorwort

Ist es sinnvoll Wissen über die Welt, die uns umgibt, zu mehren? Diese Frage stellten sich vor genau 125 Jahren die Begründer einer der größten gemeinnützigen Organisationen unserer Zeit, der National Geographic Society.

Heute bezweifelt dieses Vorhaben niemand mehr – längst ist es zu einer eigenen Marke in Forschung, Wissensvermittlung und anspruchsvoller Unterhaltung geworden.

Seit 1890 hat die NGS mehr als 9.600 Forschungsprojekte unterstützt, die nachhaltig das Verständnis unserer Umwelt beeinflusst haben, ganz getreu nach ihrem erklärten Ziel: Die Menschen sollen inspiriert werden, sich um ihren Planeten zu kümmern!

Mehr als neun Millionen Mitglieder rund um den Erdball zeugen von der enormen Popularität dieses Grundgedankens. Ein guter Teil von ihnen zählt zu den Abonnenten des National Geographic Magazins, das in 39 Sprachen mit einer Gesamtauflage von rund acht Millionen Exemplaren herausgegeben wird.

Doch wie ist es den Akteuren gelungen, von 33 Gründungsmitgliedern in einem kleinen Club in Washington, D. C., zu einer multinationalen Unternehmung von diesem Ausmaß anzuwachsen? Von schwierigen Anfangszeiten, Rassismus, finanziellen Miseren und Machtspielen weiß diese Geschichte ebenso zu berichten wie von glorreichen Expeditionen, journalistischen Neuerungen und persönlichen Schicksalen der Protagonisten.

1. Die Geburt eines Jahrhundertprojekts

„Damit wir alle mehr über die Erde […] erfahren können.“

Washington, D. C., Vereinigte Staaten von Amerika, im Jahre 1888: Die Kapitulation der Nord-Virginia-Armee im Appomattox Court House beendete rund zwei Jahrzehnte zuvor den Sezessionskrieg, nachdem sich die amerikanische Gesellschaft wieder neu formieren musste.1 Die Erschließung des Wilden Westens und die Unterjochung der Indianer stand kurz vor ihrem traurigen Höhepunkt am Wounded Knee.2 Der in späteren Zeiten erfolgsverwöhnte Schriftsteller Jack London versuchte sich im Zuge der Goldfunde am Klondike River vergeblich als Goldsucher in Yukon.3 Die Demokraten konnten drei Jahre zuvor ihren größten Sieg gegenüber den viele Jahre politisch bestimmenden Republikanern verbuchen: Ihr Kandidat Grover Cleveland wurde überraschend per Direktwahl zum Präsidenten berufen.4 Ströme von europäischen Einwanderern suchten ihr Glück im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und die zweite Welle der Industrialisierung war noch immer in vollem Gange. Wirtschaftlicher Aufschwung, technologischer Fortschritt, Gilded Age5, Landnahme – all dies waren wichtige Themen dieser Zeit. Und Washington, D. C., war Amerikas Zentrum der politischen Macht und Wissenschaft. Der Cosmos Club im Herzen verkörperte eine Sphäre von Einfluss, politischer Meinungsbildung und gesellschaftlichem Prestige. Sein Standort am Lafayette Square, schräg gegenüber vom Weißen Haus, war kein Zufall.

Abb. 1: Der Cosmos Club im Herzen von Washington, D. C., zwischen 1921 und 1922.

Abb. 2: Der Cosmos Club zwischen 1980 und 2006.

Seit der Gründung im Jahre 1878 von John Wesley Powell und seinen Geschäftspartnern6 verschrieb sich der Privatclub der Förderung seiner Mitglieder in Wissenschaft, Literatur und Kunst. Im Laufe der Zeit avancierte er zum Treffpunkt der geistigen Elite der US-Hauptstadt für Gespräche, Zigarren und Tratsch.7 So verwundert es wenig, dass gerade der Tagungsraum dieses Clubs mit seinem schweren, runden Mahagonitisch zehn Jahre nach seiner Eröffnung als Schauplatz eines historischen Ereignisses gewählt wurde:

„Sie sind eingeladen, an einer Versammlung teilzunehmen, die im Tagungsraum des Cosmos Club am Freitag, den 13. Januar um acht Uhr abends stattfindet. Es besteht die Absicht darüber nachzudenken, ob es sinnvoll ist, eine Gesellschaft zur Förderung und Verbreitung geografischen Wissens zu gründen.“8

Dem formellen Ton des Einladungstextes vom 10. Januar 1888 angemessen, folgten dieser Aufforderung drei Tage später 33 Männer in dunklen Anzügen und schwarzen Krawatten. Noch heute ist eine strenge Kleiderordnung für den Zutritt in den Club von Nöten. An diesem, der Legende nach feuchtkalten, von Nebelschwaden durchzogenen Abend, zählten prominente Namen zu den Auserwählten: einer von ihnen war Gardiner Greene Hubbard, der Schwiegervater von Alexander Graham Bell und spätere Mitbegründer der Bell Telephone Company. Er galt als einer der wirtschaftlich einflussreichsten Männer dieser Zeit.9 Schon lange hegte der groß gewachsene Mann mit den braunen Augen und dem dichten Vollbart eine Vorliebe für die Wissenschaft und unterstützte sie rege. Geboren in Boston, absolvierte Hubbard das Dartmouth College und studierte später Jura an der Harvard University. Auch Major John Wesley Powell, ein Veteran des amerikanischen Bürgerkrieges und Gründer des Cosmos Clubs, zählte zu den Gründungsmitgliedern. Powell unternahm bereits erste Bootsexpeditionen über den Colorado-River und erforschte den Grand Canyon.10

Abb. 3: Major John Wesley Powell, Gründer des Cosmos Clubs, zählte auch zu den Gründungsmitgliedern der National Geographic Society.

Ebenfalls anwesend war Adolphus Washington Greely, der oberste US-Funkoffizier.

Greely führte von 1881 bis 1884 die erste US-amerikanische Polarexpedition in die Arktis an – im Alter von 37 Jahren und ohne jegliche Erfahrung.11

Abb. 4: Adolphus Washington Greely, oberster US-Funkoffizier, war bei der Gründung der National Geographic Society ebenfalls anwesend.

Beinahe hätte er dies mit seinem Leben bezahlt, wie 18 Personen seines ursprünglich 25 Mann starken Abenteurerteams. Doch der spätere Flottillenadmiral George W. Melville bewahrte ihn durch eine Rettungsaktion vor dem Tod.12 Melville saß an jenem Tag Greely in einem der schweren Ledersessel des Cosmos Clubs gegenüber, ebenso wie der Forschungsreisende George Kennan, der eine Entfernung von fast 9000 Kilometern mit Hunden, Pferden und Rentieren durch Sibirien zurückgelegt hatte.13 Der Alaska-Erforscher William Healey Dall, der Arzt und Naturwissenschaftler Clinton Hart Merriam, der Geograf Henry Gannett und weitere hochangesehene Persönlichkeiten, darunter Geographen, Entdecker, Naturwissenschaftler, Militärs, Geologen, Meteorologen, Bankiers und Ingenieure stießen zu dem vornehmen Kreis hinzu.14 All jene Anwesenden überzeugte das Vorhaben. Da zu dieser Zeit an keiner Universität des Landes Geografie als eigenständige Disziplin studiert werden konnte, oblag geografische Bildung nur einzelnen, interessierten Spezialisten. Eine Öffentlichkeit musste erst geschaffen werden.

Doch sollte die Institution keineswegs nur exklusiven Teilnehmern offen stehen, sondern vielmehr „auf einer breiten und liberalen Basis in Bezug auf die Bedingungen für die Mitgliedschaft“ organisiert sein.15

Jede geographisch interessierte Person konnte gegen eine Gebühr von 5 US-Dollar pro Jahr beitreten – nach Vorschlag eines Mitglieds und Annahme des Vorstands der Gesellschaft.16 Für Normalverdienende war dies nicht immer erschwinglich: Eine durchschnittliche Familie der Arbeiterklasse benötigte in den 1870er Jahren 520 bis 624 US-Dollar pro Jahr zum Leben, ein verheirateter Mann verdiente etwa 1,50 US-Dollar täglich.17 Dennoch, der liberale Grundgedanke zählte.

Ein neunköpfiger Ausschuss gab der Organisation kurze Zeit nach ihrer Gründung den Namen National Geographic Society. Er setzte Funktionäre ein und verabschiedete eine Satzung.

Den gelernten Juristen Gardiner Greene Hubbard ernannten die Beteiligten zum ersten Präsidenten18 – obwohl er kein Wissenschaftler sei und sich lediglich weitere Fortschritte der geografischen Forschung wünschte.19

Die Organisation umschloss Geografie als Wissenschaft bewusst weitläufig:

Das Themenspektrum sollte alle tierischen, pflanzlichen und mineralischen Belange zu Land, zu Wasser und in der Luft umfassen.

General Greely, als einem von vier ursprünglichen Vizepräsidenten, übertrug man das Feld der Geografie der Luft. Weitere Mitglieder wurden mit der Geografie des Landes, des Meeres und des Lebens betraut.20 Ein paar Jahre später wurden Vizepräsidenten für die Geografie der Kunst und kommerziellen Geografie herangezogen.

Die Aufgabe der Vizepräsidenten bestand darin, Redner für Lehrvorträge in den jeweiligen Gebieten zu gewinnen. Solche Dienste konnten zu Beginn ebenso wenig bezahlt werden wie reguläre Angestellte oder ein Büro der Organisation.21

Einmal im Jahr wählten die Mitglieder die ehrenamtlichen Verantwortlichen und änderten gegebenenfalls die Satzung.

Auf den Treffen der Gesellschaft wurden Vorträge gehört, Erkenntnisse ausgetauscht und Angelegenheiten der Organisation besprochen. Anfangs fanden sie recht unregelmäßig und an unterschiedlichen Orten statt: Das eine Mal trafen sich die Mitglieder im Smithsonian Institute, der Lincoln Hall oder der Columbian University, ein anderes Mal in der Builders Exchange Hall, der National Rifles Armory Hall oder dem Cosmos Club.

Trotz der unbeständigen Anfangszeit stand der Grundsatz der Gleichheit aller Interessierter von Beginn an klar und unumstößlich fest, wie Präsident Hubbard in seiner Antrittsrede darlegte:

„Durch meine Wahl zeigen Sie der Öffentlichkeit, dass die Mitgliedschaft in unserer Gesellschaft nicht nur auf professionelle Geografen beschränkt ist. Vielmehr bezieht sie all jene mit ein, die wie ich selbst, gezielte Forschungen anderer unterstützen und das so gewonnene Wissen unter den Menschen verbreiten wollen – damit wir alle mehr über die Erde, auf der wir leben, erfahren können.“22

2. Licht und Schatten in den Anfangsjahren des National Geographic Magazines

„Das Wort ‚Erde‘ […] erweckt in unserem Verstand die Idee eines riesigen

Globus, aufgehängt in einem leeren Raum – die eine Seite im Schatten, die andere gebadet in den Strahlen der Sonne.“23

Um das geografische Wissen vielen Menschen zugänglich zu machen, entschieden sich die Verantwortlichen für die schriftliche Veröffentlichung der Erkenntnisse ihrer Treffen und Debatten. Im Oktober von 1888, neun Monate nach Gründung der National Geographic Society, erschien erstmals die Zeitschrift, schlicht und einfach National Geographic Magazine benannt.24

Auch 125 Jahre später ist sie immer noch das Sprachrohr der Gesellschaft.

Die Erwähnung eines geplanten Journals erfolgte in der ursprünglichen Satzung nicht.25 Die erste Ausgabe war eine dünne, wissenschaftlich gehaltene Broschüre von 16 Seiten. Optisch und sprachlich hinkte das Blatt noch meilenweit dem heute weltbekannten Format aus Hochglanzfotos und mitreißender Berichterstattung hinterher. Nicht einmal der berühmte gelbe Rahmen zierte sein Cover.

Nur ein unspektakulärer, rotbrauner Umschlag schützte das Oktavformat mit seinen Abbildungen, Karten und wissenschaftlichen Texten.

Streng genommen erhielt der Leser in Artikel umgewandelte Lehrvorträge von Hubbard und Kollegen sowie eine Liste der 209 Mitglieder der Gesellschaft. Eine Bekanntmachung umriss die Ziele der Gesellschaft:

„Das Magazin wird Beiträge wie Erinnerungen, Essays, Notizen, Briefe oder Rezensionen mit Bezug zur Geografie enthalten. Da nicht beabsichtigt ist, die Zeitschrift einfach nur als ein Organ der Gesellschaft zu sehen, richtet sie sich an alle Personen, die an dem Fach Geografie Interesse besitzen. So hoffen wir, dass sie zu einem Forum des Austausches wird, geografische Forschungen anregt und beweist, dass sie ein nützliches Medium für die Veröffentlichung von Ergebnissen ist.“26

Schon die Erstausgabe ließ das Interesse der National Geographic Society erkennen, die Menschen über das Wetter, Naturkatastrophen und klimatische Veränderungen informieren zu wollen. Außerdem hatten die Mitglieder eine besondere Vorliebe für Autoren aus Regierungskreisen.

Der Kommandant des Naval Marine Meteorology Department Edward Everett Hayden, verfasste z. B. einen Bericht über den verheerenden „Großen Sturm“, der vom 11. bis 14. März 1888 die Ostküste der USA und Teile Kanadas heimsuchte.27 Mit meteorologischen Karten und Windpfeilen beschrieb er das Unwetter, das von der Chesapeake Bay bis nach Maine die telegrafische Infrastruktur und ganze Eisenbahnlinien lahm gelegt hatte.28

Ein eisiger Blizzard brachte gewaltige Schneemengen mit sich und schnitt Teile der Bevölkerung bis zu eine Woche von der Außenwelt ab.

Viele der etwa 400 verzeichneten Toten kostete die Kälte oder der Hunger das Leben. Mindestens 100 Menschen starben auf den mehr als 200 gestrandeten oder schiffbrüchigen Wasserfahrzeugen. In einem weniger nüchternen Abschnitt seines Artikels widmete sich Hayden den Strapazen, mit denen das New Yorker Lotsenboot Charles H. Marshall den todbringenden Sturm überstand. Diese Ausführung gab einen Vorgeschmack auf den später viel beachteten Stil des National Geographic Magazines bei dem nicht nur bloße Fakten dem Leser präsentiert werden. Vielmehr stand eine Berichterstattung mit erzählerischer Qualität im Vordergrund:

„Es war zwölf Seemeilen südöstlich vor dem Leuchtfeuer auf Sandy Hook, als der Sturm mit einer solchen Kraft auf das Boot prallte, dass es sich auf die Seite legte, aber sich unsicher wieder aufrichtete. [] Gegen acht Uhr war der Sturm zu einem Hurrikan angewachsen und das Schiff wurde auf einer entsetzlich tobenden See hin und her geworfen. [] Schwere Wellen brandeten über die Männer hinweg, und die Gefahr, in der sie sich befanden, können nur die begreifen, die es erlebten. Schnee und Regen fielen mit einer derartigen Wucht, dass man nicht in Windrichtungen blicken konnte.“29

Mittels der neutralen Erzählperspektive versetzte Hayden den Leser unmittelbar an Bord des Schiffes. Durch seine detailreichen Beschreibungen des Überlebenskampfes der Besatzung konnte der Leser sich in die dramatische Situation hineinversetzen. Aufgabe eines Autoren war es, Bilder in den Köpfen der Leser zu erzeugen. Immerhin lebten sie in einer Zeit, in der es noch fünf Jahre dauern sollte, bis Thomas Alva Edison sein Kinetoskop vorstellen würde30 – eine Art Schaukasten, in dem kurze Filme liefen. Auch das bildgebende Verfahren der Fotografie steckte noch in den Kinderschuhen. Erst 1826 hatte Joseph Nicéphore Nièpce mittels der Heliografie das mutmaßlich früheste Foto der Weltgeschichte angefertigt: ein Blick aus seinem Arbeitszimmer.31 Viele der Leser besaßen daher nur eine vage Vorstellung von den Abläufen auf See:

„Aus Segeltuch wurden drei große Säcke, die halb mit ölgetränktem Werg gefüllt und am Bug mittschiffs und auf der Wetterseite über Bord gehängt wurden. Wahrscheinlich wurde auf diese Weise das Boot und das Leben aller an Bord gerettet, denn die Ölsäcke verhinderten das Brechen der Wellen, die jetzt als gewaltige Dünung vorbeiwogten. [] Auf Händen und Knien, nur mit einem Seil gegen die Wassermassen gesichert, krochen die Männer alle halbe Stunde zum Auswechseln der Ölsäcke. Kurz vor Mitternacht traf eine schwere See das Lotsenschiff und warf es auf die Seite. Alle beweglichen Dinge rutschten nach Lee, durch die vordere Luke brach Wasser ein. Doch da richtete sich das Schiff wieder auf und der Kampf ums Überleben ging weiter.“

Den Startschuss für erzählerisch-journalistische Beiträge, die mit wissenschaftlichen Fakten unterfüttert waren, setzte bereits die Eröffnungsausgabe. Das zweite Heft erschien sieben Monate später, im April von 1889, und machte einen zweiten Grundsatz der Beiträge deutlich: Der Leser sollte an faszinierende, weit entfernte Orte mitgenommen werden und zu einem besseren Verständnis seiner Umwelt und anderer Kulturen gelangen. Der von Hubbard geschriebene Hauptartikel befasste sich mit der Zukunft und Vergangenheit Afrikas und thematisierte neben der Geografie des Kontinents auch in bemerkenswerter Weise den Sklavenhandel als „großen Fluch Afrikas“.32 Das Magazin war nicht nur Vorreiter für Reportagen, die den Leser in weit entfernte Regionen des Planeten entführten und ihn am Leben anderer Menschen teilhaben ließen, es bediente sich mitunter auch rassistischer Äußerungen. Im selben Beitrag relativierte Hubbard seine Erkenntnis durch die Aussage, dass eines Negers Gemüt ihn zu einem sehr effektiven Sklaven mache. Er könne lange und hart arbeiten, von wenig leben, habe eine fröhliche Natur und wende sich selten gegen seinen Herrn.33 Hubbards Überzeugungen waren für einen weißen Bewohner der oberen Bevölkerungsschicht der Vereinigten Staaten von Amerika in damaliger Zeit nicht ungewöhnlich. Durch die konstitutionell verankerte Abschaffung der Sklaverei verzeichneten die Bürgerkriegsbemühungen zwar einen humanitären Erfolg, doch die ehemaligen Sklaven waren von einer tatsächlichen Gleichstellung weit entfernt. Elf Jahre nach dem militärischen Konflikt wurden 1876 in mehreren US-amerikanischen Bundesstaaten die sogenannten Jim-Crow-Gesetze verabschiedet, die die Rechte der befreiten Sklaven drastisch beschnitten.34 Die Gesetze bewirkten bis 1964 eine Rassentrennung vor allem zwischen Afroamerikanern und Menschen weißer Hautfarbe. Vor diesem Hintergrund sind Hubbards Aussagen mit Bedacht zu bewerten – auch wenn sie aus moderner Perspektive höchst befremdlich wirken. Dies zeigt in gleicher Weise sein Aufsatz aus dem Jahre 1894 zum Thema „Geographic Process in Civilization“. Darin behauptete er, die Menschen der gemäßigten Zone der Nordhalbkugel seien Völkern anderer Herkunft kulturell weit überlegen:

„Wenn man Vergleiche der Breitengrade rund um die Welt zieht, ungefähr 15 Grad nördlich und 15 Grad südlich von Washington, würden diese Breitengrade alle Länder der Erde beinhalten, die hoch zivilisiert sind und sich durch Kunst und Wissenschaft hervorheben. Keine großen Männer lebten jemals, keine großen Gedichte wurden jemals geschrieben, keine literarische oder wissenschaftliche Arbeit produzierte man jemals in anderen Teilen der Erde.“35

Die Gründe suchte er im Falle Afrikas beim tropischen Klima, da die Erde dort Nahrung auf natürliche Weise zur Verfügung stelle und die Menschen nur eine spärliche Bekleidung benötigten, blieben „alle Anreize entweder mentaler oder handwerklicher Anstrengung mangelhaft.“36 Hubbards Bemerkungen reihten sich nahtlos in die Riege fragwürdiger Aussagen anderer Autoren des National Geographic Magazines ein und scheinen keineswegs seiner als „großherzig“ bezeichneten Person geschuldet.37 Die Zeit war noch nicht reif für einen durchweg sensiblen Umgang mit verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen der Welt.

In der Ausgabe vom April 1891 griff die Gesellschaft ein für die nächsten Jahre bestimmendes Thema auf: In Zeiten, in denen einzig die Pole als weiße Flecken auf der Landkarte verblieben, berichtete das National Geographic Magazine über die Arbeit eines zehnköpfigen Expeditionsteams am Mount St. Elias und rückte die Erforschung der Polargebiete in den Fokus.38 Auf dieser ersten von der Gesellschaft finanziell unterstützten Forschungsreise kartierte das Team unter der Direktion des Geologen Israel C. Russel von 1890 bis 1891 das Gebiet rund um den zweithöchsten Berg Kanadas und der Vereinigten Staaten. Nebenbei entdeckten sie den höchsten Punkt Kanadas, den Mount St. Logan, und gaben einem gigantischen Gletscher den Namen Hubbards.39 Russels Artikel war für spätere Forschungsreportagen des Magazins wegweisend, da er erstmalig die Ich-Erzählperspektive wählte – wie seine Schilderung eines Unwetters zeigt, das ihn und sein Gefolge während der Expedition überraschte:

„Als ich hinausschaute, sah ich menschenkopfgroße Felsbrocken ein paar Meter von unserem Zelt entfernt herabstürzen. Einer traf die Zeltstange, an der die Firstleine befestigt war. Unsere Zeltbahn wurde hochgeschlagen und es regnete herein. [] Wir zogen uns dann an das Ende des Gletschers zurück und bauten unser Zelt nochmals auf. Durchnässt und frierend sehnten wir das Ende der Nacht herbei. Zu schlafen war unmöglich.“40

Das Festhalten persönlicher Erfahrungen im Unterschied zur Verwendung bloßer Fakten sollte den besonderen Stil des Journals in späteren Zeiten bestimmen. Der Leser konnte durch die Augen solch herausragender Globetrotter wie Russel auf der ganzen Welt Abenteuer erleben – auch wenn er selbst keine Möglichkeiten hatte einen Gletscher zu besteigen:

„Der einsame Förster, der Büroangestellte an seinem Schreibtisch, der Klempner, der Lehrer, der achtjährige Junge oder der Achtzigjährige kann nicht wie ein Carnegie, Rockefeller, Ford oder Guggenheim seine eigenen Expeditionen aussenden. Aber als Mitglied der National Geographic Society kann er es genießen, einen Anteil an der Unterstützung von Erforschungen durch seine eigene Organisation zu haben und die Berichte aus erster Hand in seinem eigenen Magazin zu lesen.“41

In den Folgejahren wurde das National Geographic Magazine unbeständig oft herausgegeben. Eine neue Ausgabe wurde nur veröffentlicht, wenn genügend Material das Drucken lohnte.

Erst ab 1896 wurde es in monatlicher Regelmäßigkeit publiziert. Der Umschlag war nun beigefarben und das Heft für 25 Cents an den Kiosken der USA erhältlich.42

Abb 5: Das National Geographic Magazine wurde ab 1896 als „Illustrated Monthly“ für 25 Cents in den USA verkauft.

Die Gesellschaft hoffte, die bislang schleppenden Verkaufszahlen so in die Höhe treiben zu können. Als erster Hersausgeber und Schriftleiter wurde John Hyde, Chef-Statistiker des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten, eingesetzt.43 Bezahlt wurde er für seine Dienste ebenso wenig wie die Autoren. Unter seiner Herausgeberschaft behandelte das Magazin viele faszinierende Themen wie weltweit auftretende Naturphänomene, aber an einer professionellen Umsetzung, die eine breite Leserschaft mitreißt, mangelte es noch weitgehend.

Dennoch erschienen vereinzelt bemerkenswerte Artikel im Antrittsjahr von Hyde. Einer von ihnen widmete sich einer großen Naturkatastrophe dieser Zeit: dem Tsunami, der 1896 vor der japanischen Küste nordöstlich von Honshu wütete. Fast 27.000 Menschen wurden damals dahingerafft. Reporterin war die Geografin Eliza Ruhamah Scidmore. Sie war das einzige aktive weibliche Mitglied der Gesellschaft, Mitherausgeberin des Magazins und späteres Vorstandsmitglied. Im Verlauf ihrer 17-jährigen Verbindung44 zur National Geographic Society verfasste sie noch viele weitere dieser sprachlich und stilistisch innovativen Reports:

„Der Regen hatte sie wieder nach drinnen in die Dunkelheit getrieben, und beinahe alle waren um acht Uhr in ihren Häusern, als mit () Getöse und unter Krachen und Knacken von Balken plötzlich alle von wirbelnden Wassermassen verschlungen wurden. Nur wenige Überlebende entlang der ganzen Küste hatten die Flutwelle herannahen sehen.“45

Der Autorin gelang mit wenigen Worten, ihrer Leserschaft die zerstörerische Wucht eines Tsunamis vor Augen zu führen, auch wenn sie eine neutrale Erzählperspektive wählte. Dabei vergaß sie die grausamen Fakten nicht, die einen seriösen Anspruch wahrten und den Augenblick erneut zum Leben erweckten:

„[Ein Überlebender] erzählte, dass das Wasser zuerst 500 Meter zurücklief und über der gespenstisch weißen Sandfläche wie eine schwarze Wand rund 25 Meter hoch stand. Auf ihrer Krone huschten phosphoreszierende Lichter. Andere sahen, als sie ein entferntes Tosen wahrnahmen, einen schwarzen Schatten auf der See und rannten auf höher gelegene Gebiete, laut „Tsunami, Tsunami!“ schreiend. Diejenigen, die sich in die oberen Stockwerke geflüchtet hatten, ertranken, wurden erschlagen oder dort eingeschlossen. Nur wenige konnten das Dach durchbrechen oder fliehen, als die Welle wieder abliefSchiffe und Gerümpel wurden bis zu drei Kilometer in das Landesinnere getragen und zerschmettert auf Hügeln, Baumspitzen oder im Schlamm der Felder abgesetzt. Der Rest wurde verschlungen oder aufs Meer getrieben46

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