Kitabı oku: «Veyron Swift und das Juwel des Feuers», sayfa 7
Vielleicht sollte ich auch einen Blog aufmachen und über meine Abenteuer mit Veyron schreiben, dachte Tom. Dann nahm etwas anderes seinen Blick gefangen, und er konnte nur noch in diese Richtung starren. Eine junge Frau eilte zu ihrem Sitzplatz. Eine echte Schönheit, wie Tom fand. Das pechschwarze Haar hatte sie im Nacken zusammengeknotet. Sie blieb kurz neben Tom stehen und winkte jemandem weiter hinten, ehe sie nach vorn in Richtung First Class eilte. Ihre Bewegungen waren die einer Katze, geschmeidig und anmutig. Mist, dachte er, ich bin erst vierzehn. Ich wünschte, ich wäre schon zwanzig, oder so.
Ihre Schönheit schien selbst Illianovos aufgefallen zu sein, zumindest schenkte er ihr einen flüchtigen Blick, grinste frech und starrte wieder auf sein Tablet.
Plötzlich zwickte Veyron Tom in den Oberschenkel. Das war das vereinbarte Zeichen für Gefahr im Verzug. Das Zwicken hatten sie schon auf dem Hinflug ausgemacht, falls einer von ihnen etwas Ungewöhnliches bemerken sollte.
»Autsch! Was ist jetzt?«, blaffte Tom überrascht. Er hatte gerade einen wunderschönen Traum ersonnen, der sich irgendwie um die Schwarzhaarige drehte, als Veyron ihn so grob in die Wirklichkeit zurückholte.
»Die Augen offen halten, Tom«, raunte sein Pate halblaut; eine gewisse Strenge schwang in seinen Worten mit.
»Mach ich ja«, murrte Tom.
Veyron war anderer Meinung. »Du lässt dich zu leicht von der Umgebung ablenken. Sie ist viel zu alt für dich, etwa um die dreißig, würde ich sagen. Sie wird sich garantiert nicht für einen pubertierenden Vierzehnjährigen begeistern.«
»Pah! Was verstehen Sie schon von Frauen? Vielleicht steht sie auf jüngere Männer.«
»Dazu musst du zuerst einmal ein Mann werden.«
Tom verschlug es für einen Moment die Sprache. Das war heute schon das zweite Mal, dass er einer fantastisch aussehenden Frau begegnete. Wie oft kam so viel Glück über einen? Veyron hatte dagegen nichts als Spott für ihn übrig. »Jane hat recht! Sie sind echt fies! Sind Sie eigentlich immer so? Ich weiß gar nicht, was Sie gegen mich haben.«
»Die Wahrheit ist selten nett. Jetzt halte die Augen offen.«
Tom wandte sich beleidigt ab. Auf einmal fand er dieses Abenteuer gar nicht mehr so aufregend. Er hatte nicht einmal eine Ahnung, was für eine Gefahr Veyron überhaupt entdeckt zu haben glaubte. Tom sah viel lieber in die Richtung, in der »Objekt Nr. 1« (so wollte er sie vorerst nennen) verschwunden war. Er fand sie in der vordersten Reihe, gleich vor den verhängten Glastüren der First Class. Sie sah sich kurz um, bevor sie sich setzte, ein suchender Blick, der Tom irgendwie verunsichert vorkam.
»Was sie wohl macht? Sie ist hübsch«, meinte er leise und eigentlich mehr zu sich selbst.
Veyron fühlte sich dennoch genötigt zu antworten. Leider, wie Tom fand. »Sie ist es gewohnt, Waffen zu tragen und abzufeuern. Zudem ist sie sehr versiert in Kampfsportarten und überhaupt körperlich sehr ausdauernd. Ich würde darauf tippen, dass sie Soldatin oder Elite-Polizistin ist. Vielleicht ist sie sogar Sky-Marshall oder Bodyguard, möglicherweise Söldnerin. Oder etwas Schlimmeres.«
Tom ballte die Fäuste. Er fragte sich langsam, ob Veyron aus Spaß ständig anderer Meinung war. Besaß sein Pate wirklich einen dermaßen großen Drang, andere ständig zu verbessern und ihnen seine Meinung aufzuzwingen? »Woher wollen Sie das wissen«, fragte er zornig.
Veyron seufzte enttäuscht. »Die Informationen lassen keinen anderen Schluss zu«, sagte er halblaut. »Da ist einmal die Art ihres Ganges. Er ist schnell und kraftvoll, präzise und diszipliniert gleichmäßig. Das deutet auf eine militärische oder paramilitärische Ausbildung hin. Zweitens: ihre Fingernägel; kurz und abgerundet, nicht geschnitten, nicht lackiert. Sie verrichtet mit den Händen praktische Arbeit und hält ihre Nägel deshalb kurz. Außerdem hat sie Schwielen auf den Handinnenflächen. Ich habe es gesehen, als sie vorhin jemandem gewinkt hat. Diese besondere Art Schwielen stammt vom häufigen Heben und Tragen schwerer, Gegenstände, Waffen und Munitionskoffer. Drittens: ihr Körperbau. Schlank, aber durchtrainiert. Ihre Schultern breit, die Oberarme stark, ebenso die Beine, die Statur muskulös, was alles auf sehr viel ausdauernden Sport und Krafttraining hindeutet. Jede Bewegung kontrolliert und geschmeidig, eindeutig das Ergebnis perfekter Körperbeherrschung, wie für Kampfsportmeister üblich. Viertens: ihr Blick. Schnell und fokussiert. Er hat das ganze Flugzeug binnen eines Augenblicks abgetastet und potenzielle Ziele von Nicht-Zielen unterschieden. Ich habe diesen Blick schon bei Scharfschützen der Polizei und beim Militär beobachtet. Du kannst mir vertrauen, sie ist eine Kriegerin.«
Tom bedachte Veyron mit einem beleidigten Blick. »Ich finde, sie ist trotzdem sehr hübsch.«
»Das ist irrelevant. Sieh hin«, hielt Veyron dagegen.
Als wollte das Schicksal ihm auch noch recht geben, tauchte in diesem Moment ein Mann neben Toms Objekt Nr. 1 auf und setzte sich zu ihr. Er war groß und muskulös und besaß etwas Wildes und Animalisches. Ein Kerl, mit dem man sich besser nicht anlegte – und gegen den Tom keinesfalls in Konkurrenz treten konnte. Er seufzte frustriert und ließ sich gegen die Lehne plumpsen. »Sie hat einen Freund. Na klar, Sie wussten das natürlich bereits die ganze Zeit«, warf er Veyron vor.
Doch sein Pate hörte ihm gar nicht zu, oder er ignorierte ihn einfach. Er hatte sich zurückgelehnt, die Fingerspitzen aneinandergelegt und war wieder schweigend in seine unergründliche Halbwelt aus Theorien, Fakten, Informationen und Analysen versunken, an der er keinen anderen Menschen teilhaben ließ.
Die Supersonic wurde von den Schleppfahrzeugen auf die Rollbahn gezogen. Die beiden Piloten starteten die vier riesigen Triebwerke, der Tower erteilte Startfreigabe. Mit einer ungeheuren Kraft schoss das raketenhafte Flugzeug vorwärts, raste über die Startbahn und erhob sich in die Luft. Immer schneller stieg die Maschine in den dunklen, gewittrigen Himmel auf. Der Regen peitschte gegen ihren weißen Rumpf und schüttelte ihn durch. Aber die Supersonic war für solches Wetter gebaut, nichts konnte sie aufhalten oder ihren Start erschweren. Die Kraft der gewaltigen Triebwerke schob sie immer höher, hinein in die Wolken und schließlich darüber hinweg, zurück in die Helligkeit. Endlich wurde der Flug ruhiger. Die Supersonic schwenkte auf ihren Kurs: Europa, die untergehende Sonne im Rücken, welche die Wolken in rötliche Farben tauchte und die Hülle der Supersonic scheinbar glühen ließ. Die Piloten beschleunigten noch weiter, und nach wenigen Augenblicken durchbrach die Supersonic die Schallmauer. Sie ließ den amerikanischen Kontinent weit hinter sich. Unter ihr waren jetzt nur noch die Wolken und die blauen Weiten des Atlantiks.
In der First Class entspannte sich Jessica Reed im riesigen Schalensessel. Es war kein Fehler gewesen, nicht mit dem Privatjet zu fliegen, das musste sie jetzt zugeben. Innerlich lobte sie Harry Wittersdraught für diese Entscheidung. Diese Sessel, die sich zudem elektrisch in eine Art Schalenpanzer zurückziehen konnten, waren weitaus bequemer als jene ihres eigenen Flugzeugs. Sie musste wohl ein paar Neuinvestitionen tätigen, wenn sie zurückkehrte. Zudem war es schon sehr beeindruckend, wenn sie auf dem kleinen LED-Bildschirm an der Rückenlehne des Vorsitzes MACH 1,8 lesen konnte. Sie liebte hohe Geschwindigkeiten. Derzeit gab es nichts Schnelleres am Himmel als die Supersonic – von Jagdflugzeugen einmal abgesehen. Vielleicht sollte sie sich eine ausrangierte Jagdmaschine kaufen, wenn sie aus Europa zurückkehrte.
Ihre Gedankenspiele wurden jäh von einem Schatten unterbrochen, der in ihr Gesichtsfeld trat. Es war die hagere, ausgemergelte Gestalt eines dieser zugekifften Punkrocker, die ebenfalls in der First Class saßen und das Einzige an diesem Flug darstellten, das extrem störte. Bisher waren die Burschen still und friedlich gewesen, aber nun pöbelten sie plötzlich lautstark herum.
»Hey, falls dir grade langweilig ist: Wir feiern da hinten eine kleine Privatparty, und Fisher meint, du wärst herzlichst eingeladen«, lallte der Rocker, Fizzler, wenn sie sich recht erinnerte. Sein rundes, leichenblasses Babygesicht mit den glasigen, grauen Augen und seine fettigen schwarzen Haare riefen sofort Ekelgefühle in ihr hervor.
»Muss ich dir erst dahin treten, wo’s wehtut, oder ziehst du von allein Leine?«, fragte sie in lapidarem Tonfall, ohne ihn richtig anzusehen.
Fizzler begann zu lachen. Zumindest hielt sie das spastische Keuchen, das er von sich gab, dafür. Er wandte sich seinen Kameraden zu, die alle um einen der großen Sitze herum auf dem Boden hockten. »Hey, Fisher! Die da ist großartig! Wow! Hey, weißt du was, Süße? Mit dir mach ich’s sofort«, lachte er.
Jessica hob ihre Augenbrauen, überlegte, ob sie ihm sofort eine scheuern oder doch lieber Pfefferspray benutzen sollte. Dieser Fizzler war ganz und gar abstoßend, überhaupt nicht ihr Typ, selbst wenn er der letzte Mann der Erde gewesen wäre. Zwei Flugbegleiterinnen kamen herein und baten die Punks, sich wieder zu setzen, doch die antworteten nur mit wüsten Beschimpfungen. Die armen Frauen drohten verzweifelt mit dem Captain und mit Flugverbot, doch die Punks lachten sie nur aus.
Sie drehte sich zu Harry Wittersdraught um. Der saß still in seinem Sessel und rührte keinen Muskel. Ein Grund mehr, ihn zu feuern, dachte Jessica wütend.
»Ihr setzt euch hin, und zwar sofort«, donnerte da eine tiefe, männliche Stimme durch die Kabine.
Das hustende Lachen Fizzlers erstarb ebenso wie das Grölen seiner bekifften Kumpels. Nagamoto Tatsuya stand mitten im Raum. Seine Blicke schienen Blitze zu verschießen. Fizzler wandte sich ihm zu, wollte etwas sagen, doch Nagamoto hob die Hand und brachte ihn augenblicklich zum Schweigen. »Hinsetzen!«, befahl er.
Auf einmal ging eine Veränderung in Fizzler vor. Er begann zu zittern wie Espenlaub, und seine Stimme nahm einen weinerlichen Tonfall an. »Klar, sofort, sofort. War nicht so gemeint. Wir wollten doch nur ein bisschen Spaß haben«, entschuldigte er sich und hastete zurück zu seinem Sessel. Auch die anderen Mitglieder von Fiz-Fish-Ass setzen sich, brav wie Schuljungen. Jessica war echt beeindruckt. Nagamoto kam zu ihr.
»Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«, fragte er, die Stimme jetzt ruhig und freundlich.
»Danke, alles bestens. Fizzler war keine Bedrohung für mich«, erwiderte sie.
Nagamoto sah sie aus ernsten Augen eindringlich an. Er nickte nur. »Das heute Morgen war nichts Persönliches, Miss Reed. Ich vertrete nur die Interessen meiner Firma, so wie Sie zweifellos die Interessen Ihres Unternehmens«, sagte er.
Jessica lächelte, jedoch nicht aus Freundlichkeit, sondern aus einem plötzlichen Triumphgefühl heraus. Sie hatte seinen Schwachpunkt gefunden! Nagamoto, dieser edle Samurai in Hemd und Krawatte, besaß einen Beschützerinstinkt. Das war seine Schwäche, das war es, wie Jessica ihn umgänglicher machen konnte. Sie musste die Hilflos-Karte ausspielen. Nagamoto würde sich innerlich dazu verpflichtet fühlen, sie vor Schaden zu bewahren. Es war ein Zwang, er würde nicht anders können. Vielleicht konnte sie es sogar noch während des Fluges schaffen, ihn rumzukriegen.
»Ja, das tun doch alle, nicht wahr? Eigentlich verstehe ich Sie sehr gut, und vermutlich würde ich an Ihrer Stelle genauso handeln. Aber was soll ich tun? Ich wünschte, es wäre alles anders«, säuselte sie im allerfreundschaftlichsten Ton, den sie in ihrem Repertoire hatte. Sie konnte förmlich zusehen, wie Nagamotos harte Schale aufknackte.
Doch plötzlich verschloss sich sein Gesicht, das bisher freundlich gelächelt hatte, wieder. »Bleiben Sie ehrlich, das steht Ihnen besser«, brummte er und kehrte zu seinem Sessel zurück.
Jessica schloss verärgert die Augen. Konnte dieser Mann Gedanken lesen? Hatte sie irgendeinen Fehler gemacht? War sie vielleicht zu schnell vorgegangen? Sie lehnte sich aus dem Sitz und blickte zu Harry, der direkt hinter ihr saß. Ihr Assistent schob gerade seine Brille wieder auf die Nase und machte eine Geste mit seinen Händen. Immer mit der Ruhe, signalisierte er.
Sie lehnte sich wieder in den Sessel zurück. Sie war zu schnell gewesen, zu drängend, jetzt war sie sich sicher. Harry mochte zwar in fast allen Dingen ein Schlappschwanz sein, aber er besaß ein unheimliches Gespür für Menschen, darauf konnte sie sich verlassen. Also ruhiger, weniger geschäftstüchtig erscheinen. Sie würde ein paar Minuten vergehen lassen, anschließend zu Nagamoto gehen, sich entschuldigen, ihm für sein Eingreifen danken und abwarten, wie er darauf reagierte. Sie würde ihn knacken, noch bevor sie in Heathrow landeten.
»Das ist voll langweilig, man spürt ja gar nichts«, maulte Tom beim Blick auf die Geschwindigkeitsanzeige, die auf allen Monitoren leuchtete. Mach 1,8. Schneller als der Schall, und doch gab es keinerlei merkbaren Unterschied zum letzten Flug, als sie nur halb so schnell unterwegs gewesen waren.
Veyron interessierte sich natürlich nicht dafür, er hatte die Augen geschlossen, die Fingerspitzen aneinander gepresst und die Beine ausgestreckt. Tom war nicht sicher, ob sein Pate schlief oder nur meditierte. Ehrlich gesagt wurde er aus Veyron einfach nicht schlau. Auf der einen Seite war er furchtbar großzügig und erlaubte fast alles. Himmel, er hatte Tom zu einem Tatort mitgenommen und war mit ihm nach New York geflogen – gegen den Willen der Polizei! Auf der anderen Seite zeigte er sich jedoch so gehässig und gefühlskalt, wie man es nur sein konnte. Viele Freunde kann er nicht haben, dachte Tom, aber das geschieht ihm auch ganz recht, weil er immer so furchtbar angeben muss.
Plötzlich kann Unruhe im Flugzeug auf.
»Aus dem Weg, aus dem Weg! Ich muss auf die Toilette!«, ertönten laute Rufe aus dem hinteren Teil der Supersonic.
Einige Passagiere hoben die Köpfe, und auch Tom warf einen Blick über die Schulter. Ein riesiger Mann, ein wahrer Koloss aus Fleisch und Muskeln, schob sich durch die engen Sitzreihen nach vorne. Er stieß eine Flugbegleiterin grob zur Seite, als sie ihm ihre Hilfe anbot. Einige der Passagiere hießen ihn lautstark einen Idioten (da musste Tom ihnen recht geben), andere kicherten nur. Warum geht er denn nicht nach hinten? Da sind doch die Klos. Der Idiot rennt in die falsche Richtung, dachte Tom amüsiert, als der Riese eilte an seinem Sitzplatz vorüber kam.
Eine Reihe vor ihnen sprang plötzlich ein weiterer Mann auf. »Oh mein Gott! Meinem Kumpel ist schlecht! Er muss dringend auf die Toilette!«, rief er und folgte dem Riesen nach vorne.
Tom konnte nur staunen. Er wandte sich an Veyron, der tief durchatmete. »Genau wie befürchtet. Ich dachte schon beinahe, ich hätte mich geirrt, als so lange nichts passierte. Die Informationen ließen eigentlich keinen anderen Schluss zu«, seufzte er.
Tom sah ihn verwundert an. »Vielleicht erklären Sie’s auch einem Normalsterblichen?«
Veyron seufzte wieder. »Sind dir nicht die ganzen nervösen Leute aufgefallen, verteilt über die ganze Kabine? Alle zeigten recht ähnliche Verhaltensmuster: ein krampfhaftes Bemühen, nicht aufzufallen. Aber das hat sie letztlich verraten. Weiter hinten ist einer alten Lady ein Becher zu Boden gefallen, und alle in ihrer Nähe haben sich gebückt oder wenigstens hingesehen, bis auf unsere Verdächtigen. Sieh gut zu, mein lieber Tom: Unser Flugzeug wird gerade entführt.«
Tom spähte ungläubig nach vorne. Die beiden Männer drangen brüllend in die First Class ein. Ihnen folgten in geringem Abstand Toms Objekt Nr. 1 und ihr muskulöser Freund. Es war ein beinahe bizarres Schauspiel: Aus dem hinteren Teil des Flugzeugs kamen nun noch mehr Männer und Frauen angelaufen, alle mit wilden, entschlossenen Mienen. Das war wirklich kein Spaß. Um diese Tatsache zu unterstreichen, schlug der Riese mit einer seiner Pranken eine junge Flugbegleiterin nieder, deren Namensschild Tom vorhin direkt vor der Nase gehabt hatte, als sie ihm eine Cola serviert hatte: Mariah Kirkland. Blut spritzte aus ihrer Nase, während sie mit einem Keuchen zu Boden ging. Tom sprang auf, bereit, irgendetwas zu unternehmen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Auch einige der anderen Passagiere waren aufgestanden, sahen sich ratlos um, andere stellten dumme Fragen. Doch niemand konnte sich zum Eingreifen bewegen, alle schauten nur tatenlos zu, wie es geschah. Veyron packte Tom und zog ihn zurück in den Sitz.
»Wir müssen was unternehmen!«, protestierte er, doch Veyron schüttelte den Kopf.
»Aussichtslos, jetzt etwas zu unternehmen. Es sind ganze zehn Mann. In dieser Phase der Entführung könnten wir sehr schnell erschossen werden. Deshalb müssen wir es geschehen lassen und beobachten. Entweder ist das Teil von Flammenschwerts Plan, oder aber er wird selbst etwas unternehmen müssen. In diesem Fall sind diese Entführer sicher nicht zu beneiden. Also ruhig bleiben, alles genau beobachten und im Stillen Pläne schmieden«, erklärte er so gelassen, als sähe er einen Krimi im Fernsehen und wäre gar nicht mittendrin im Geschehen.
Kurz darauf kehrten die Entführer aus der First Class zurück. »Alles sitzen bleiben! Keiner rührt sich! Keiner rührt sich!«
Einige von ihnen trugen Schnellfeuergewehre, andere nur Pistolen, aber alle hatten kugelsichere Weste angelegt. Die Passagiere wurden kleinlaut, nur hier und da gab es einen panischen Ausruf, den die Entführer mit gebellten Befehlen zum Verstummen brachten.
»Werden wir gerade entführt? Wir werden doch nicht gerade wirklich entführt! Das darf doch nicht wahr sein!«, hörte Tom Dimitri aufgebracht rufen. Schnell steckte der junge Blogger sein Tablet in die Tasche, als wäre es ein Schatz, den es zu behüten galt.
»Wo haben die nur die Waffen her? Es gibt doch überall Kontrollen«, jammerte Tom leise, die Ausweglosigkeit der Situation allmählich begreifend.
Veyron blieb noch immer ganz gelassen. »Versteckt im Gepäckraum. Ein deutlicher Hinweis auf die detaillierte Vorbereitung dieser Entführung, zudem ein eindeutiges Indiz, dass dahinter jemand mit sehr viel Geld steckt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das alles zu Flammenschwerts finsterem Plan gehört. Die Frage ist nur: Was will er damit bezwecken, und wie passen seine anderen Untaten da hinein?«
Alec schickte alle seine Kämpfer auf ihre Positionen. Der kahl geschorene Ban sollte zusammen mit Carlos und der blutjungen Xenia die hintere Hälfte der Businessclass übernehmen. Xenia war erst neunzehn, dies war ihr erster Einsatz. Aufgrund ihres Alters wirkte sie noch so unbedarft – mit ihrem glatten, jugendlichen Gesicht und der modischen Kurzhaarfrisur – und doch war sie der Sache von Roter Sommer so loyal verschrieben wie kaum jemand anderer. Ohne Zögern würde sie in den Tod gehen, wenn Alec es befahl. Er war stolz auf die junge Kriegerin, denn sie war der Grundstock einer neuen Generation von Gerechtigkeitskämpfern. Said schickte er zusammen mit dem Riesen Claude und Shannon in die vordere Hälfte der Businessclass, um dort die Passagiere in Schach zu halten. Die Irin war eine kaltblütige Killerin, deren Fanatismus aus ihren grünen Augen funkelte und das einzig Lebendige in ihrem eingefallenen, fahlen Gesicht zu sein schien. Diese drei hatten schon an vielen Roter-Sommer-Aktionen teilgenommen und besaßen die meiste Kampferfahrung.
Johan und Otto, der eine ein hochgewachsener Schwede, der andere ein schlaksiger, hakennasiger Deutscher, übernahmen die First Class. Alec und Tamara wollten derweil dem Cockpit einen Besuch abstatten. Bisher war alles ruhig verlaufen; die Passagiere machten keine Dummheiten. Sicherlich fragte der eine oder andere Scheißkerl nach der Bedeutung des Ganzen, doch ein Wink mit der Waffe brachte jedermann sofort zum Schweigen.
Alec fand die Cockpittür verriegelt vor. Die beiden Piloten hatten also mitbekommen, was geschehen war, und sich eingeschlossen. Er konnte nicht einmal seufzen, so sehr nervte ihn das. Er wusste genau, was die beiden da drin taten. Gerade eben stellten sie sicherlich den Transpondercode auf 7500 um, der alle Bodenstationen warnte, dass dieser Flug in die Hand von Entführern gefallen war. Wie furchtbar einfallslos!
Er schnippte mit den Fingern. Tamara eilte zurück in den Crewbereich, wo Otto drei Flugbegleiterinnen in Schach hielt. Eine saß mit blutverschmiertem Gesicht am Boden, die anderen beiden hielten sie in den Armen und versuchten, sie zu trösten. Tamara packte die Nächstbeste, zerrte sie hoch und schubste sie nach vorn zu Alec. Der schnappte die junge Frau, verdrehte ihr grob den rechten Arm und drückte ihr die Pistole hart in den Nacken. Er fragte sie in barschem Ton nach ihrem Namen.
»Sandy Stize«, wimmerte sie.
Alec hämmerte mit der Pistole gegen die Cockpittür. »Aufmachen! Machen Sie auf, oder ich puste Miss Sandy Stize das Gehirn aus dem Schädel! Ich zähle bis zehn! Eins, zwei, drei, vier, fünf …«
Die elektronische Verriegelung der Tür surrte, und sie öffnete sich. Mit einem zufriedenen Lächeln stieß Alec die arme Sandy Stize wieder in Tamaras Arme. Triumphierend langsam, den Moment genießend, stieg er ins Cockpit und trat zwischen die beiden finster dreinschauenden Piloten. »Geben Sie mir die nächste Bodenstation, mit der Sie Kontakt halten«, befahl er dem Captain, einem Mann namens Hotchkiss.
Der nahm seinen Kopfhörer ab und reichte ihn ohne Zögern und ohne eine Gefühlsregung an Alec.
Er presste sich eine der Muscheln ans Ohr. »Mit wem spreche ich jetzt?«
»London Heathrow Flugkontrolle«, antwortete ihm eine nüchterne Stimme.
»Klasse, genau die richtige Adresse«, sagte Alec. »Hier spricht ein Vertreter der Gerechtigkeitsliga des Roten Sommers. Torben-Carrisson-Airways Flug 327 befindet sich jetzt in unserer Gewalt!«
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