Kitabı oku: «Ghostsitter», sayfa 2
Kapitel 4: Zoracz
Eine … Geisterbahn?«, fragte Tom fassungslos. »Sie war Heinrichs ganzer Stolz und sein Lebenswerk«, grummelte Welf, als hätte er Sorge, dass Tom vielleicht etwas Falsches sagen könnte. »Und die Schreckensfahrt ist unter den Geisterbahnen weltweit eine Legende.«
»Eine Legende … Ja, so kann man es auch ausdrücken«, warf der Anwalt ein. »Allerdings sagt man das auch über Alexander den Großen, und der ist längst zu Staub zerfallen. Was uns direkt zurückführt zu der Geisterbahn, denn die ist …«
Tom bemerkte, wie sich Welf auf dem Stuhl neben ihm aufrichtete und den Anwalt ansah, als würde er ihn gleich durch die vertäfelte Hauswand drücken.
»Die ist … eine Legende. Vielleicht belassen wir es einfach dabei.« Rufus T. Feuerflieg öffnete den obersten Knopf seines Hemdkragens und nestelte ziemlich nervös an seiner Krawatte herum, als er weitersprach. »Also, Tom Röschenberg, da du mit vierzehn Jahren noch nicht geschäftsfähig bist, wird dein Onkel Welf als Verwalter eingesetzt. Du musst aber klar formulieren und natürlich auch unterschreiben, ob du das Erbe und die daran geknüpften Bedingungen annimmst oder nicht. Sonst gibt es auch nichts für dich zu verwalten. Also nimmst du das Erbe an oder n…«
Eben hatte Tom noch ein Geräusch vernommen, das klang, als würde Welf die Nase hochziehen. Da war sein merkwürdiger Onkel auch schon mit einem blitzschnellen Satz vom Stuhl aufgesprungen und stand nun von einer Sekunde auf die nächste mitten im Raum.
Gleichzeitig schwangen die schweren Doppeltüren auf, und Tom spürte einen erstaunlich kalten Luftzug, der ihn frösteln ließ. Ein spitzbärtiger Mann mit einem ausladenden schwarzen Cape und eine junge Frau in einem blutroten Hosenanzug standen im Türrahmen, als würden sie für eine Bühnenshow posieren. Und ganz kurz fragte sich Tom, woher eigentlich dieser Wind gekommen war, der anscheinend nur existierte, um das Cape des komischen Mannes effektvoll aufzubauschen.
Dann machte der Spitzbart einen großen Schritt in den Raum hinein, dicht gefolgt von seiner Begleitung. Welf aber wich keinen Zentimeter zurück und machte auch keine Anstalten, aus dem Weg zu gehen.
Den Spitzbart schien das nicht zu stören, fast so, als hätte er damit gerechnet. Er deutete eine Art Verbeugung an und machte eine ausladende Geste, die Tom irgendwie an einen Zirkusdirektor erinnerte. »Guten Tag zusammen. Meine Verehrung«, sagte er. »Mein Narrme ist Zoraaaschhhh …«
»Name«, flüsterte die Frau neben ihm.
Der Spitzbart bewegte kaum die Lippen und zischte: »Was?«
»Es heißt Name und nicht Narrme«, wisperte die Frau kaum hörbar zurück. »Wieder mal zu viele gerollte R in einem Wort, das kein einziges R hat.«
»Ah, darrrnke«, erwiderte der Spitzbart, und die Frau seufzte genervt.
Okay, dachte Tom. Offensichtlich träume ich. Und zwar schon den ganzen Tag. Erst klingelt Wolverines Zwilling an der Tür und soll auch noch mein Onkel sein. Dann hat der tote Bruder meiner Oma einen Clown als Anwalt. Ich erbe zehn Millionen, dann aber wieder nicht, außer ich tingle mit einer Geisterbahn durchs Land, und jetzt platzt dieser Zeichentrickbösewicht hier rein und will mir ein paar R zu viel verkaufen? Das passiert doch alles nie im Leben wirklich!
Der Spitzbart sah Tom scharf an. »Warrrum hast du dich gerrrade in die Wange gerrrzwickt?«
»Kein R in gezwickt«, raunte die Frau neben ihm, aber der Spitzbart hörte nicht zu.
»Weil ich für einen Moment gedacht hab, dass ich träume«, antwortete Tom wahrheitsgemäß. »Tu ich aber nicht. Ich bin wirklich hier, und das ist alles echt. Krass.«
Der Spitzbart lächelte. »Ja, krrrass, hahaha! Was für ein schönes Worrrt.« Er trat etwas näher an Tom heran, und der spürte, dass Welf sofort ebenfalls etwas näher rückte.
»Keine Sorrrge, ich tu dem Jungen nichts, ich will ihm nur einen Vorrrschlag machen«, erklärte der Spitzbart, ohne Welf überhaupt eines Blickes zu würdigen. »Hiermit biete ich dir für die Geisterbahn Schreckensfahrt und alles, was darin ist, hunderttausend Euro. Na, was sagst du? Dafür kannst du dir so viele Süßigkeiten kaufen, wie du essen kannst, und Spielzeug, bis dein ganzes Zimmer voll ist mit Teddybären, Spielzeugautos und Zinnsoldaten und …«
»Ist das ein Scherz?«, unterbrach ihn Tom. Langsam wurde ihm das alles hier zu albern, und dieser Vorschlag war echt der Topper. »Also, erstens würde ich mir für hunderttausend Öcken sicher was anderes kaufen als einen Besuch im Krankenhaus, damit die mir den Süßkram wieder aus dem Magen pumpen. Zweitens bin ich irgendwie raus aus dem Teddybären-Alter, und drittens ist der Vorschlag ja wohl voll für’n Arsch.«
Der Spitzbart sah ihn erstaunt an, während die Frau aussah, als habe sie mit Toms Antwort schon gerechnet.
»Ich meine, Sie bieten mir läppische hunderttausend jetzt, damit ich auf mehrere Millionen in ein paar Jahren verzichte? Echt jetzt mal, für wie blöd halten Sie mich denn?« Tom wurde jetzt richtig sauer, denn wenn er eins überhaupt nicht leiden konnte, dann, dass man ihn für einen kleinen Doofie hielt. »Und das Wichtigste …«, sagte er und blickte dem Spitzbart dabei direkt in die Augen, ohne zu blinzeln, so wie das die Helden in den Actionfilmen immer machten. »Meinem Onkel Heinrich lag es wohl sehr am Herzen, dass ich diese Geisterbahn übernehme. So sehr, dass er mir dafür verdammt viel Geld vererben will. Also werde ich den Teufel tun und das alles jetzt verscherbeln.«
Tom hörte Oma neben sich erleichtert ausatmen, und er bemerkte auch, dass Welf sich etwas entspannte. Er war aber noch nicht ganz fertig. Das Beste hatte er sich für den Schluss aufgespart. »Außerdem glaub ich nicht einmal, dass Sie mir die Hunderttausend überhaupt bezahlt hätten. Ich glaub Ihnen ja nicht mal Ihren Akzent.«
»Wie kannst du es warrrgen«, schnaufte der Spitzbart.
»Weil Sie gerade eben bei Ihrem Angebot an mich komplett vergessen haben, das R zu rrrrrollen«, antwortete Tom. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich glaub, ich muss hier irgendwo unterschreiben.«
Und mit diesem Satz drehte Tom dem Spitzbart und seiner Begleitung einfach den Rücken zu und wandte sich an den Anwalt. »Sie haben bestimmt einen Stift für mich, oder?«
Rufus T. Feuerflieg grinste so breit, dass der Schnurrbart fast die Ohren berührte, und reichte ihm mit formvollendeter Geste einen Füllfederhalter. Dann schob er Tom mit einer ebenso fließenden Bewegung die Urkunde über den Tisch. Gerade als sich Tom hinunterbeugte, um zu unterschreiben, hörte er die Stimme des Spitzbarts hinter sich und drehte sich erschrocken um.
»Du … du neunmalkluge, drrreckige kleine Kanalrrratte«, knurrte der Spitzbart und streckte doch tatsächlich seine Hände nach Tom aus, als wolle er ihn an Ort und Stelle erwürgen.
Tom war viel zu baff, um auszuweichen oder sich gar zu wehren, aber da war bereits Onkel Welf zur Stelle und stieß den Mann mit einer blitzschnellen Bewegung zurück. Doch bevor dieser rückwärts gegen die schwere Doppeltür gekracht wäre, hatte seine Begleitung ihn schon elegant abgefangen und gleichzeitig Welfs Arm mit ihrem ausgestreckten Bein zur Seite geschlagen.
Was geht denn jetzt ab!, rief Tom innerlich, hatte aber immerhin die Geistesgegenwart, seine Oma aus der Gefahrenzone und hinter den schweren Schreibtisch zu ziehen. Dort kauerte der Anwalt bereits und grinste sie schelmisch an. »Willkommen auf den besten Plätzen und viel Spaß bei der Show! Die Frage ist nur: Wo kriegen wir so schnell Popcorn her?«
Da schlug auch schon einer der Stühle neben ihnen ins Regal ein, und Tom war spätestens jetzt klar, von was für einer Show der Anwalt gesprochen hatte.
Kapitel 5: Die Verwüstung
Direkt vor ihnen lieferten sich Welf und die Frau in Rot einen Kampf, der sich so unglaublich schnell und gleichzeitig so heftig vor ihnen abspulte, dass es kaum möglich war, den Überblick zu behalten. Eben noch hatte Welf beide Arme der Frau festgehalten, als sie auch schon beide Beine um seinen Hals geschlungen und ihn mit einer Gewichtsverlagerung zu Fall gebracht hatte. Ohne loszulassen, drehte sie sich nun auf dem Boden herum, sodass Welf herumgewirbelt und wie ein Sack Kartoffeln gegen die Wand geschmettert wurde. Es krachte laut und regnete dunkles Holz. Tom duckte sich mit den anderen unter den Schreibtisch und kniff die Augen zusammen.
Als er sie wieder öffnete, war an der Stelle nur ein grobes, Welf-förmiges Loch in der Vertäfelung. Sein Onkel selbst war bereits wieder knurrend zum Angriff übergegangen und versuchte gerade mit ausladenden Bewegungen, die Frau zu erwischen. Die war aber so unglaublich schnell und gelenkig, dass Welf nichts als Luft zu fassen bekam.
Da stieß die Frau in Rot plötzlich ein Geräusch aus, das bei Tom eine gigantische Gänsehaut verursachte. Hatte Welf vorhin wie ein Bär oder etwas in der Art geklungen, erinnerte der wütende Schrei der Frau ihn nun an eine Raubkatze. Eine große Raubkatze allerdings, so in die Richtung Löwe oder … Säbelzahntiger.
Da bemerkte Tom eine Bewegung im Augenwinkel: Es war der Spitzbart, der sich unbemerkt an den Schreibtisch geschlichen hatte und nun tatsächlich seine Finger nach der Urkunde ausstreckte!
Tom zögerte keine Sekunde, sprang auf und schlug dem Mann mit der Faust auf die Finger. Der jaulte laut auf und starrte ungläubig auf seine Hand. Tom starrte ebenfalls darauf, denn was er da sah, war ganz und gar unglaublich: Die Hand des Mannes war tatsächlich über und über besudelt mit … blauem Blut!? Wie konnte das sein? Was war das für ein Typ! Ein Vampir?
Tom bemerkte, wie ihm schwindelig wurde, denn das passte nun noch weniger in seine bisherige Auffassung von Realität als eine Millionenerbschaft und eine Geisterbahn. Doch als er seine eigene Hand ansah, die immer noch zur Faust geballt war, erklärte sich sowohl der laute Schmerzensschrei als auch das vermeintlich blaue Blut: Tom hatte immer noch den Füller in der Hand gehabt, und so verbogen, wie der jetzt war, so heftig hatte er dem Spitzbart wohl auch in die Hand gepikst. Aua!
Auch Toms Hand und Teile des Schreibtischs waren mit blauer Tinte besudelt, und der Anblick riss ihn aus seinen Überlegungen: Tinte! Unterschreiben! Verdammt!
Sofort griff er sich die Urkunde und suchte auf dem Tisch fieberhaft nach einem weiteren Schreibgerät, um nun endlich seine Unterschrift auf das Papier zu setzen.
Da kamen ihm die beiden Kämpfenden leider dazwischen, denn die landeten ineinander verkeilt direkt vor ihm auf dem Schreibpult und räumten dabei alles ab, was nicht angenagelt war. Und da nicht einmal der verrückte Anwalt auf die Idee gekommen wäre, irgendetwas auf seinem Schreibtisch mit Nägeln zu fixieren, flog nun alles, was darauf gestanden hatte, quer durch den Raum und verwandelte sich in gefährliche Geschosse.
Der Spitzbart hatte sich gerade aufgerichtet und für einen Moment von der schmerzenden Hand abgesehen, als ihn ein schwerer, alter Telefonapparat direkt an der Stirn traf. Die Glocke in dem antiquierten Gerät machte beim Aufschlag effektvoll BING, und der Treffer hinterließ einen deutlich sichtbar geröteten, eckigen Abdruck am Kopf des Mannes.
Die Frau in Rot hatte Welf gerade mit einem schwungvollen Judogriff über sich geworfen und war dann blitzschnell vom Tisch heruntergerollt.
Keine Sekunde zu früh, denn da schmetterte Welf bereits eine schwere Sitzbank aus Eichenholz auf die Stelle, wo sie gerade noch gelegen hatte. Oma, die immer noch hinter dem Schreibtisch kauerte, ließ einen Ruf der Entrüstung hören. »Oh, Verzeihung«, brummte Welf peinlich berührt, doch da schrie Oma abermals: »Ducken!«
Welf tat, wie ihm geheißen, und da, wo eben noch sein Kopf gewesen war, schlug ein Hängeschrank in das Bücherregal ein.
Die Frau hat ’nen Hängeschrank geworfen!?, dachte Tom und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich könnt den nicht mal abmontieren ohne Akkuschrauber!
Trotzdem suchte er gleichzeitig fieberhaft auf dem Boden nach irgendetwas, womit er endlich die Urkunde unterzeichnen konnte. Doch nirgends war ein Stift zu sehen.
Da erschien plötzlich ein Schatten über ihm, und Tom fuhr herum. Der Spitzbart schaute mit wutverzerrtem Blick auf ihn herunter und rief über das Kampfgetöse hinweg: »Wenn du dieses Papier unterzeichnest, sind wir Feinde auf immer und ewig, genauso wie der alte, dumme Heinrich mein Feind war! Und sieh, was es ihm gebracht hat! Nichts außer den Tod! Willst du das gleiche Schicksal erleiden, kleiner Mann? Dann nur zu!«
Der Typ droht mir, dachte Tom, und seine Gedanken rasten. Das bedeutet, er hat Angst, dass ich unterschreibe. Entweder, weil er unbedingt die Geisterbahn besitzen will, oder weil ich sie auf keinen Fall bekommen soll. Oder beides.
Da verengten sich Toms Augen zu Schlitzen, und er richtete sich hinter dem Schreibtisch auf. Omas Hand, die ihn zurückhalten wollte, streifte er sanft, aber bestimmt ab.
Dann trat Tom hinter dem Tisch hervor und stand nun direkt vor dem Spitzbart mitten im Raum.
Mit einem lauten Rums landete Welf direkt vor ihm auf dem Boden und ließ das Parkett rundherum splittern. Tom wich nicht von der Stelle. Sofort stürzte sich die Frau in Rot wie eine Furie auf Welf, doch der war bereits wieder aufgesprungen und mit einem physikalisch unmöglich scheinenden Sprung rückwärts plötzlich hinter der Frau gelandet. Die drehte sich rum, und so standen sich nun nicht nur Tom und der Spitzbart gegenüber, sondern auch Welf und die Frau in Rot. Beide atmeten schwer und ließen sich keine Millisekunde aus den Augen.
Hinter dem Schreibtisch lugten Oma und der Anwalt hervor. Rufus T. Feuerflieg hatte tatsächlich eine Packung Erdnüsse in der Hand und bot sie Oma freundlich an. Die lehnte mit einer unwirschen Bewegung ab. Ihre Aufmerksamkeit galt ganz dem Geschehen vor ihr, wo sich die beiden Gruppen wie in einem Duell gegenüberstanden.
»Was ist nun, kleiner Mann«, raunte der Spitzbart. »Willst du in so jungen Jahren wirklich dein Schicksal besiegeln mit dieser törrrrichten Unterrrschrrrift?«
Tom hielt dem Blick des Mannes stand. »Wissen Sie was? Schon allein, weil es Ihnen so wichtig ist, dass ich nicht unterschreibe, kann ich gar nicht anders.«
Und bevor der Spitzbart eingreifen konnte, hatte Tom anstelle einer Unterschrift kurzerhand seinen tintenverschmierten Daumen auf die Stelle der Urkunde gepresst.
Der Spitzbart sah aus, als würde er gleich explodieren. Sein Gesicht war rot angelaufen, die Backen aufgeblasen wie bei einem Trompete spielenden Marathonläufer, und der Hals drohte den Kragenknopf zu sprengen. Seine Begleitung hingegen sah Tom irgendwie komisch an – mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit, Frust und … Anerkennung. Doch bevor Tom das genauer analysieren konnte, fing der Spitzbart plötzlich an zu lachen.
Irgendwie hatte Tom eher mit einem Wutausbruch gerechnet, und erst einmal wirkte dieser Lachflash ziemlich gruselig, weil er so gar nicht zu der Situation zu passen schien.
Doch als Tom sich den lachenden Mann genauer ansah, bemerkte er ein interessantes Detail: Die Augen lachten gar nicht mit. Der Typ verzog zwar den Mund und machte auch ein Geräusch, das wie Gelächter klang. Aber er lachte nicht wirklich. Nein, er wollte nur, dass man dachte, er würde lachen.
Krass, dieser Heini ist genauso künstlich wie sein aufgesetzter Akzent, dachte Tom. Allerdings machte ihn das nicht unbedingt weniger gefährlich, sogar eher mehr. So ein Typ war ganz schwer einzuschätzen, man würde nie wissen, was er als Nächstes tat. Auf jeden Fall deutlich komplizierter als der Drachenkaiser aus dem Online Game, bei dem Tom nach wenigen Sekunden schon ahnte, wie ihm beizukommen war.
Schließlich hörte der Spitzbart auf mit dem Herumgelache, tupfte sich imaginäre Lachtränen aus den Augenwinkeln und grinste Tom an, als wolle er ihn auf einen Eisbecher einladen. »Sooo, du kleiner Rrracker, ich gebe zu, das war ein clevererrr Schachzug. Ich gratulierrre dir ganz herrrzlich und frrreue mich, dich sehr bald auf dem Platz begrrrrüßen zu dürrrfen. Meine Empfehlung an … all die anderrren.«
Er deutete eine sehr knappe Verbeugung an, drehte sich auf dem Absatz um und stolzierte mit schnellen Schritten aus der Tür, wobei sich sein schwarz schillerndes Cape so eindrucksvoll aufbauschte, dass es fast wirkte, als sei es lebendig.
Die Frau in Rot folgte ihm, warf Tom aber noch einen letzten Blick über die Schulter zu, den er nun so gar nicht deuten konnte. Und das war selten bei Tom, denn eigentlich war er wirklich verdammt talentiert darin, in den Gesichtern anderer Leute zu lesen.
Verwundert stellte er fest, dass der Sekretär des Anwalts den Spitzbart und seine Begleitung mit der gleichen oberflächlichen Höflichkeit verabschiedete, wie er Tom & Co begrüßt hatte. Man hätte meinen können, solche Art von Kämpfen wären in der Kanzlei an der Tagesordnung und nichts, worüber man sich wundern oder sonst wie erregen müsste. Na ja, vermutlich zahlte der Assistent auch nicht für die nun dringend notwendige Renovierung.
Erst als auch die Tür der Kanzlei hörbar ins Schloss gefallen war, wagte sich Rufus T. Feuerflieg hinter der arg lädierten Deckung hervor, die einmal sein Schreibtisch gewesen war. »Lieber Welf, ich kann gar nicht sagen, was mich mehr freut: dass du gekommen bist, um uns zu beschützen, oder dass du jetzt wieder gehst. Sollte ich jemals ein Abrissunternehmen gründen, bist du der Erste, den ich anrufe. Für alle anderen Jobs stelle ich lieber ein tollwütiges Nashorn ein.«
Oma lachte laut, und auch Tom fand immer mehr Gefallen an dem verrückten Humor des Anwalts. Welf allerdings wirkte, als hätte er gar nicht zugehört. Er griff sich die Urkunde, steckte sie in einen Umschlag und winkte dann Tom. »Lass uns gehen.«
»Wie? Und Oma?«, fragte der, doch die winkte ab.
»Alles gut, Tom. Ich bin der gleichen Meinung wie Welf. Du solltest keine Zeit verlieren und so schnell wie möglich dein Erbe in Augenschein nehmen. Viel hängt von den nächsten Stunden ab. Mehr als du dir vielleicht vorstellen kannst.«
Tom verstand nur die Hälfte oder vielleicht noch weniger davon, und das gefiel ihm mal so gar nicht. Doch bevor er widersprechen konnte, hob Oma ihren Zeigefinger. »Nein, Tom. Du gehst jetzt mit Onkel Welf. Und mach dir um mich keine Sorgen, ich nehme nach dieser Aufregung sehr gerne die geruhsame Straßenbahn nach Hause. Bis später, mein Junge.«
Und damit drückte sie ihn kurz, aber fest an sich, wuschelte ihm noch einmal durch die Haare und schob ihn dann hinter Welf her aus der Tür.
Kapitel 6: Die Schreckensfahrt
Du kanntest diesen Typen, oder?«, fragte Tom Welf, kaum dass sie wieder in seinem Ami-Schlitten saßen. Welf nickte.
»Okay, und warum bitte wollte er nicht, dass ich unterschreibe? Warum wollte er mir die alte Geisterbahn abkaufen, und warum spricht er so, als hätte er einen Akzent, und warum ist die Frau in Rot so … so krass? Was bitte hatte das alles zu bedeuten?«, sprudelte es aus Tom heraus. Und das waren nur die wichtigsten Fragen, die in seinem Hirn darum drängelten, als Erstes durch seinen Mund nach draußen zu blubbern.
Doch Welf antwortete nur: »Nicht jetzt.« Und schwieg.
Da stieß Tom ein so lautes Boah-bin-ich-genervt-Geräusch hervor, dass Welf wohl dachte, auf der Straße hätte jemand gehupt und sich verwundert umsah.
»Was soll das denn für eine Antwort sein?«, legte Tom im gleichen, ultragenervten Tonfall nach. »Nicht jetzt. Na toll! Das sind Antworten, wie man sie in irgendwelchen Fernsehserien hört, wenn die Leute einfach nur miteinander sprechen müssten, und dann wäre die Folge sofort rum, weil dann alles klar wäre. Stattdessen heißt es dann Nicht jetzt oder Alles zu seiner Zeit oder Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen, damit der Zuschauer möglichst lange keine Ahnung hat, was eigentlich los ist. Das hier ist aber keine Fernsehserie. Ich bin nicht der Zuschauer, sondern mittendrin, Welf-der-angeblich-mein-Onkel-ist! Also frag ich dich jetzt einfach noch einmal, und bitte, gib mir doch eine Antwort, die mir auch irgendwas beantwortet, okay?« Tom atmete nach diesem langen Wortschwall tief ein und wiederholte dann überdeutlich: »Was hatte das alles zu bedeuten?«
»Glaub mir, das willst du nicht wirklich wissen«, sagte Welf, und der Anflug eines Grinsens umspielte seine schmalen Lippen.
Tom fühlte sich ziemlich verarscht. »Toll, ganz toll. Danke. Super«, brummelte er und drehte sich so weit weg, wie es ihm in dem Autositz möglich war.
Nach etwa zwanzig Minuten brütendem Schweigen erreichten sie schließlich das Gewerbegebiet außerhalb der Stadt. Zunächst reihten sich blitzsaubere und modern wirkende Fabrikgebäude, Firmensitze und Outlet-Stores entlang schnurgerader Straßen ohne Bäume oder Sträucher. Danach folgten einige Lagerhallen, ein ausgedehnter Schrottplatz, eine Kiesgrube. Und dann, ganz am Ende der Straße …
»Eine Tankstelle?«, fragte Tom laut.
Welf nickte. »Wurde gebaut, als man noch dachte, hier würde die Straße weitergehen bis zur Autobahn.«
»Autobahn? Hier ist doch gar keine Autobahn, die führt doch auf der anderen Seite um die Stadt rum«, wunderte sich Tom.
»Richtig«, grummelte Welf und stieg aus. Anscheinend dachte er, dass er Tom damit genug Informationen gegeben hatte.
Tom stieg ebenfalls aus und sah sich um. Neben dem großen Werkstattgebäude mit dem riesigen, verrosteten Tor in der Mitte wirkte die Tankstelle selbst ziemlich klein. Doch auch das Kassenhäuschen und das Dach über den nicht vorhandenen Zapfsäulen war winzig im Vergleich zu modernen Tankstellen. Tom vermutete, dass diese hier wohl in den Fünfzigerjahren gebaut worden war. Die abgeblätterten Pastellfarben und die schmalen Zapfsäulen erinnerten Tom an die alten Sonntagnachmittagsfilme, die Oma so gerne schaute. Und das Dach hatte diese geschwungene, spitz zulaufende Form von Omas altem Couchtisch. Anscheinend hatte man sich damals entschieden, die Autobahn doch anders herum um die Stadt zu führen, was diese Tankstelle hier mitsamt der Straße überflüssig machte.
Na, wenigstens wird die Miete hier billig sein, dachte Tom, als er Welf über den Platz folgte. Rechts neben der Tankstelle fiel ihm noch eine rostige Klappe im Boden auf, die mit einem schweren Metallriegel verschlossen war. Dies musste wohl der unterirdische Tank für die Zapfsäulen sein. Überall auf dem Platz wuchs Unkraut zwischen den Pflastersteinen, teilweise so hoch, dass es Tom bis zu den Knien reichte. Nur im Bereich der Ausfahrt aus der Werkstatt bis zur Straße war das Grünzeug halbwegs eingedämmt.
Welf öffnete eine kleine Tür in dem großen Tor. Anstatt einer Einladung oder irgendeinem Wort der Erklärung stand er einfach nur da und nickte in Richtung des tiefschwarzen Nichts, das in der Halle auf Tom wartete.
Tom seufzte. »Wie wär’s mit: Ich erklär dir gerne alles, bin ja schließlich dein Onkel, mach dir keine Sorgen, das wird schon?«
»Ich erkläre nicht gern, bin auch nicht wirklich dein Onkel, Sorgen sind absolut berechtigt, und ob das alles wird, muss sich noch zeigen«, antwortete Welf nur.
»Das ist ja … ziemlich ehrlich«, erwiderte Tom sarkastisch und trat dann extra forsch an Welf vorbei in die dunkle Werkhalle.
Eigentlich hatte Tom angenommen, dass sich seine Augen gleich an die Dunkelheit gewöhnen würden und das restliche Licht ihm erlaubte, wenigstens irgendetwas zu erkennen. Stattdessen blieb es einfach nur schwarz. Allerdings spürte Tom sehr deutlich, dass da irgendetwas in der Halle war. Er hätte nicht genau sagen können, warum, aber das Gefühl war eindeutig: Irgendetwas stand da vor ihm, wie ein massiver Haufen dichteste Finsternis.
»Achtung«, hörte er plötzlich Welf murmeln und danach ein Geräusch, als würde er einen schweren Schalter umlegen, der lautstark einrastete. Im nächsten Moment schrie Tom auf und riss die Arme hoch! Urplötzlich war es in der Halle zwei Dinge geworden: Hell und Laut.
Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte Tom hinter seinem linken Arm hervor und versuchte gleichzeitig, sich mit den Händen irgendwie die Ohren zuzuhalten. Es gelang ihm immerhin so lange, bis der Schreck überwunden war und sein Gehirn erkannt hatte, dass das monströse Ding vor ihm nur im Vergleich zu »stockdunkel« wirklich hell und auch nur verglichen mit »Totenstille« wirklich laut war.
Es war unglaublich, wie ein seltsamer Traum und doch real: Vor ihm blinkte und dudelte tatsächlich eine waschechte Geisterbahn, ganz genau so, wie man sie von typischen Rummelplätzen kannte.
Na ja, vielleicht doch nicht ganz genau so, denn je mehr sich Toms Augen an das Drumherum gewöhnt hatten, desto klarer wurde ihm: Diese Geisterbahn wirkte weniger gruselig und spannend als vielmehr unfreiwillig albern und verstaubt.
Mindestens ein Drittel der unzähligen bunten Glühbirnen war durchgebrannt oder fehlte, und Tom konnte nur hoffen, dass die ganzen Totenschädel, Gespenster, Vampire, Zombies und Mumien rund um den flackernden Schriftzug irgendwann einmal auch andere Farben getragen hatten als abgeblättertes Graubraun.
»Aha. Das ist also die Schrnsfat«, sprach Tom.
»Schreckensfahrt«, verbesserte Welf.
»Ja, wenn alle Buchstaben noch leuchten würden«, erwiderte Tom. »So ist es nur die Schrnsfat.«
Er drehte sich zu seinem angeblichen Onkel um und deutete hinter sich auf dieses glimmende, dudelnde Relikt vergangener Zeiten, dessen Besitzer er nun dank eines Daumenabdrucks geworden war.
»Welf, ohne Scheiß!«, rief Tom über den Lärm hinweg. »Das Ding ist vollkommen im Arsch! Und damit soll ich jetzt jahrelang von Kirmes zu Kirmes gondeln? Wer bitte geht da rein und zahlt auch noch dafür? Oder bezahlen wir die Leute, damit sie da reingehen?«
Tom drehte sich wieder zur Geisterbahn um und starrte fassungslos auf die kleinen Wägelchen, die gestaltet waren wie kleine Särge. Allerdings wirkten sie durch ihre eher breite und an den Ecken abgerundete Form nicht gruselig, sondern ganz arg albern. Stumm sah Tom zu, wie dieser Gnubbelsarg mühselig hinter dem Kassenhäuschen hindurchruckelte, um dann unter einem Fallgitter hindurch in der »Schrnsfat« zu verschwinden. Dieses Gitter sollte wohl den Eindruck erwecken, als würde es jeden Moment herunterfallen und so für den ersten Schreck sorgen. Leider zuckte es nur armselig, und von den fünf Spitzen am unteren Ende des Gitters fehlten die mittleren drei.
Da öffnete sich auf der rechten Seite ein Burgtor, das auch nur noch wenig Ähnlichkeit mit einem schweren, beschlagenen Türflügel hatte. Es sah eher aus, als würde jemand mit einer labbrigen Scheibe Vollkorntoast winken. Ein weiterer Wagen kam zum Vorschein, der seine Runde durch die Bahn offensichtlich beendet hatte.
Hier, am Ende der Fahrt, wechselten die Wägelchen in eine extra Schiene, wo sie langsamer fuhren, um das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. Am Anfang dieser Schiene war ein Metallzapfen angebracht, der dafür sorgen sollte, dass sich auch der Sicherheitsriegel öffnete. Bei diesem Wagen allerdings schien das nicht so recht zu funktionieren, denn anscheinend war der Bügel verklemmt oder festgerostet. Der kleine dicke Sarg blieb an dem Zapfen hängen und blockierte so die gesamte Mechanik. Erstaunt bemerkte Tom, dass dabei auch die Glühbirnen dunkler wurden und flackerten, während die blecherne Musik zu leiern begann und schließlich klang, als würde sich die Welt nur noch in Zeitlupe bewegen.
Welf seufzte und versetzte dem Schienenbett einen wuchtigen Tritt. Es gab einen metallischen Schlag, der Sicherheitsbügel sprang zurück, das Wägelchen löste sich aus der Blockade, und die Geisterbahn quälte sich langsam eiernd wieder bergauf bis zur Normgeschwindigkeit.
»Äh … wann soll das Ganze denn losgehen?«, fragte Tom mit matter Stimme.
»Bald«, antwortete Welf. »Wir haben genug Zeit, um dir alles zu zeigen. Und dann fangen wir mit dem Abbau an. Unsere erste Station ist ein Kirchweihfest in Bad Reichenhall.«
»Ah«, machte Tom, während in seinem Gesicht Fassungslosigkeit und Zukunftsangst um die Vorherrschaft kämpften und ihm so einen arg verwirrten Ausdruck verliehen. Mit diesem alten, armseligen Kasten sollte er bald durch die Gegend schippern? Ernsthaft jetzt? Und Oma hatte ihn nicht einmal davor gewarnt! Tom schüttelte den Kopf. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein.
»Weißt du was?«, sagte er schließlich an Welf gewandt. »Das Ding macht mir wirklich Angst. Aber aus den falschen Gründen. Ich hab grad einfach nur Schiss vor den nächsten vier Jahren. Wie sollen wir dieses Teil bitte halbwegs sinnvoll betreiben? Wer soll das alles reparieren, und vor allem, wer bezahlt die, die das alles reparieren sollen? Ich krieg erst Geld, wenn die Zeit rum ist, aber bis dahin bin ich längst vollkommen pleite! Und mit den Nerven am Ende! Und …«
Welf gab ihm keine Antwort. Stattdessen unterbrach er Toms Monolog, indem er ihn am Arm mit sich zog.
»Hey!«, rief Tom. »Was soll das denn, warum … Waaahhh!« Ehe er sich’s versah, hatte Welf ihn einfach hochgehoben und zielsicher in eines der Wägelchen geworfen. Es schepperte, als Tom mit dem Hintern auf die hölzerne Sitzbank prallte. Er verzog schmerzhaft das Gesicht, und gleichzeitig war er jetzt richtig sauer!
»Das machst du nicht noch mal mit mir, hörst du?« Tom rappelte sich auf, um wieder auszusteigen, bevor er in der Geisterbahn verschwinden würde. »Ich hab jetzt echt keinen Bock, mit diesemmmpfff…«
Weiter kam er nicht, denn gerade war der Sicherheitsriegel hochgeklappt und hatte Tom mit überraschend viel Wucht zurück in den Sitz gedrückt. Kaum hatte er seinen Atem wiedergefunden, war Tom auch schon unter dem Gitter hindurchgefahren und …
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.