Kitabı oku: «Ghostsitter», sayfa 2

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Kapitel 3: Die Mähne

Wow!«, entfuhr es Tom, als er auf das regungslose Abbild von Vlarad dem Vampir blickte. »Das ist ja perfekt!«

Der einbalsamierte ägyptische Prinz verneigte sich höflich. Vielen herzlichen Dank, junger Freund. Ich tat, was ich konnte. Leider habe ich das Problem der Standfestigkeit noch nicht gelöst. Wenn man die Puppe in eine Position bringt, in der sie vornüber gebeugt ist, droht sie umzufallen.

»Verstehe, wir brauchen eine größere Bodenplatte für die Puppe«, überlegte Tom. »Am besten aus Metall, mit Rollen unten dran, sonst wird es schwierig, das schwere Ding zu versetzen. Habe ich denn noch Zeit, um schnell zum nächsten Baumarkt zu fahren?«

Schon hatte Tom sein Smartphone gezückt und tippte die entsprechenden Suchbegriffe ein. »Hm, der nächste Baumarkt ist in Miesbach, eine halbe Stunde hin und das Gleiche noch mal zurück. Dort brauch ich mindestens zwanzig Minuten, bis ich das Richtige gefunden hab.«

»Das wird länger dauern, glaub ich«, warf Mimi ein. »Welf muss mit, weil der das Auto fahren muss. Und das bedeutet …«

»… dass wir nicht unter einer Stunde aus dem Baumarkt rauskommen. Und das auch nur mit dem hundertsten Akkuschrauber-Bitset für jetzt nur noch 5,99! Mist.«

Tom war klar, dass sie das auf keinen Fall schaffen würden. Es wäre nicht sonderlich kollegial, wenn die Schreckensfahrt erst um die Mittagszeit öffnete, während alle anderen Attraktionen des Kirchweihfestes bereits liefen. Und das Schild mit der Aufschrift ›Betriebsstörung‹ war wirklich nur für den Notfall gedacht.

»Also gut«, seufzte Tom. »Wie wäre es, wenn du unser letztes Ersatzwägelchen verwendest, den Aufbau und die Sitze runternimmst und die Puppe da draufmontierst? Besser es sind Schienenrollen drunter als gar keine. Und die Fahrgestelle sind immerhin aus Metallrohren geschweißt, da fällt garantiert nix um.«

Eine sehr gute Idee, junger Freund, antwortete Hop-Tep wie immer telepathisch. Ich werde Wombie bitten, mir zur Hand zu gehen.

»Okay, dann öffnen wir heute pünktlich mit allen anderen Fahrgeschäften.« Tom winkte Mimi zu sich. »Kannst du bitte deine Runde machen und mir sagen, welche Glühbirnen ich wechseln muss?«

Mimi salutierte betont zackig und sauste durch die Decke nach draußen. Tom holte den Karton mit den Wechsellampen aus dem Schränkchen neben der Tür und ging ebenfalls hinaus.

Gerade wollte Tom die Schachtel wegstellen, um die Leiter unter dem Zirkuswagen hervorzuholen, als er plötzlich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Er drehte sich so schnell herum, dass die Glühbirnen in dem Karton klimperten. Vor ihm stand ein Haufen schwarzer Locken. Zumindest war dies das hervorstechendste Merkmal an der Frau. Die Haare wirkten, als hätte sich ein Löwe die Mähne erst schwarz gefärbt und dann einen Zweikampf mit einem Lockenstab ausgetragen. Der Lockenstab hatte eindeutig den Sieg davongetragen, denn Tom hatte noch nie so viele Locken auf einem einzigen Kopf gesehen. Da die Frau zwar ziemlich klein, dafür aber recht breit war, entstand der Eindruck, dass es sich im Wesentlichen um einen großen, gnubbeligen Haufen schwarzer Locken handelte. Mit Beinen. Und einer freundlichen Stimme, die sagte: »Hallo. Ist das hier die Schreckensfahrt

»Ja, richtig. Wir machen aber erst um zehn Uhr auf«, antwortete Tom. »Kann ich Ihnen denn ansonsten weiterhelfen?«

»Ach, ist nicht so wichtig«, antwortete die Frau unter den Haaren. »Ich habe hier morgen einen Fototermin, und mein Hotel ist ganz in der Nähe. Also wollte ich einfach schon mal vorbeischauen.«

»Sind Sie … Sie sind …«, stammelte Tom und deutete wenig charmant auf die junge Frau: »Sind Sie es?«

»Tiffany Schuster, richtig«, lachte es aus den Locken hervor. »Und wer bist du?«

Tom streckte ihr höflich die Hand entgegen: »Mein Name ist Tom Röschenberg. Ich betreibe zusammen mit meinem Onkel Welf diese Geisterbahn, und dass Sie morgen hier Fotos machen wollen, finden wir alle echt toll!«

Nicht alle, näselte es da in seinem Kopf, und Tom verdrehte die Augen. Ich weiß das, Vlarad. Nun lass mich doch bitte trotzdem höflich sein, ja?

»Na, so toll kannst du es nicht finden, wenn du dabei die Augen bis in die Stirn hochrollst«, entgegnete da die Frau vor ihm, und Tom spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. »Was? Neinnein! Er, ich, sie, ich meine, wir sind nur ziemlich aufgeregt!«

Die Autorin lachte: »Ihr auch? Warum solltet ihr denn aufgeregt sein? Ich stehe morgen zum ersten Mal vor einem Pressefotografen, der versuchen muss, zwischen all den Haaren mein Gesicht zu finden. Und das, obwohl ich alles dafür tun werde, mich möglichst tief darin zu verstecken.«

Tom runzelte die Stirn. »Warum sollten Sie das tun?«

»Ich bin Autorin und kein Model, Tom Röschenberg«, seufzte Tiffany Schuster und ließ sich auf der untersten Stufe der Geisterbahn nieder. »Ich weiß nicht, wie ich mich morgen hinstellen soll, welches Gesicht ich machen muss … Soll ich lächeln, ernst schauen, breit grinsen, die Arme verschränken oder ausbreiten, locker irgendwo lehnen, sitzen …«

Oder einfach zu Hause bleiben …, warf der Vampir ein. Doch Tom ignorierte ihn einfach. Die Frau unter der Haarmähne tat ihm leid, und er konnte sich ganz gut vorstellen, wie es ihr gerade ging.

»Wie wär’s denn, wenn wir mal zusammen reingehen in die Geisterbahn und Sie schauen sich an, wo morgen das Fotoshooting stattfindet?«, schlug er dann vor. »Vielleicht können wir uns ja sogar gemeinsam überlegen, was cool rüberkommt.« Tom zückte sein Smartphone: »Ich könnte ja sogar ein paar Testaufnahmen machen. Dann sehen wir gleich, was doof ist und was nicht.«

Da strich sich die Autorin eine dicke Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Tom aus großen, dunklen Augen dankbar an: »Das … das wäre wirklich sehr nett von dir! Geht das denn wirklich? Müsst ihr nicht gleich öffnen?«

Die Frau war so nett und höflich, dass sie Tom seltsamerweise fast verdächtig vorkam. Pah, ich bin’s nur nicht mehr gewohnt, dass Leute einfach mal nett sind und nicht sofort neue Probleme mitbringen, dachte er bei sich und schaute dann auf die Uhr im Display. »Wir haben noch dreiundvierzig Minuten Zeit, bis das Kirchweihfest offiziell aufmacht. Ich muss noch ein paar Glühbirnen wechseln, die Kasse holen und fünfmal gegen die Hebel treten, damit sich der Rost löst. Das dauert maximal fünfzehn Minuten. Also haben wir noch eine knappe halbe Stunde. Wollen wir?«

Tom machte eine galante Geste in Richtung der Einfahrt, und die Autorin lächelte dankbar.


Kapitel 4: Das Problem

Bitte achten Sie auf die Gleise, da stolpert man gerne mal drüber in der Dunkelheit«, warnte Tom, doch fast gleichzeitig hörte er das typisch metallische BONK, gefolgt von einem unterdrückten »Autsch«. Sofort leuchtete er mit dem Lämpchen seines Smartphones auf den Boden, um der Frau den Weg zu erhellen. »Entschuldigung, das hätt ich gleich machen sollen, aber ich bin das schon so gewohnt. Haben Sie sich sehr wehgetan?«

»Nein, nein, alles gut«, antwortete die Autorin. »Ich wär fast hingefallen, bin aber gottseidank gegen irgendetwas Weiches gestoßen.«

Tom wusste, dass auf dem Weg zu Vlarads Sarg nichts »Weiches« herumstand und schickte kurz eine telepathische Nachricht an alle anderen: Wer auch immer von euch das war, vielen Dank!

Die Antwort war ein gutmütiges Gmmmhhh, und Tom hütete sich, das Licht seines Handys dorthin scheinen zu lassen, wo der Zombie in der schützenden Dunkelheit stand.

»Alles okay, Frau Schuster?«, fragte er stattdessen und zeigte nach vorne. »Hier geht’s um die Ecke, und dann sind wir da.«

»Alles okay, danke«, antwortete diese. Tom sah, dass sie die Nase rümpfte und sich dabei fragend umblickte.

Einer Ahnung folgend schnupperte auch Tom in die Richtung, und schon tränten ihm die Augen von dem stechend süßlichen Gestank, den er nur allzu gut kannte. Hustend und sich die Augen wischend bedeutete er der Autorin, ihm zu folgen: »Ja, das … das … puh … ahem … das tut mir leid. Ab und zu lassen die Besucher hier drin vor Schreck schon mal eine Bockwurst oder Ähnliches fallen. Wenn wir das abends nicht finden, dann schimmelt’s, und das kann schon mal … Also, wir suchen heute Abend alles gründlich durch, und morgen riecht da nix mehr, versprochen! Bitte hier entlang.«

Wie hätte Tom ihr auch erklären können, dass der bestialische Gestank von Wombies Kuschelhasen Odor stammte? Der hatte seit vielen Jahrzehnten kein Waschmittel mehr gekostet, da es niemand wagte, dem Zombie sein geliebtes Knuffeltier zu entwenden. Wombie war das friedfertigste Wesen auf dem gesamten Erdenrund – solange sich Odor bei ihm befand. War das abgewetzte, ehemals rosafarbene Gestanksinferno aber mal nicht aufzufinden, verwandelte sich der gutmütige Wombie in einen tollwütigen, zombieförmigen Panzer. Als dieser machte er alles platt, was so dumm war, ihm im Weg zu stehen.

»Bo, da bimb bir«, sagte Tom.

»Bitte was?«

Tom nahm die Finger von der Nase. »Ich meinte: So, da sind wir. Hier will der Fotograf morgen die Fotos machen. Moment, ich schalte noch die Beleuchtung ein …«

Er legte den Schalter um, und die Lampen tauchten die Deko in effektvolles Licht.

»Hey, das sieht ja wirklich cool aus!«, lachte Tiffany Schuster begeistert. »Und da hinten war sogar ein Blitz über der Burg, sehr schön. Ja, so stellt man sich Draculas Schlafplatz vor. Und … wow! So stellt man sich Dracula persönlich vor, das ist ja unglaublich …«

Verwundert hatte sich Tom zu ihr umgedreht, und nun staunte auch er: Hop-Teps Vlarad-Puppe sah so unglaublich echt aus, dass er im ersten Moment gedacht hatte, der Vampir selbst hätte sich regungslos hinter den Sarg gestellt.

Die Autorin schien wirklich schwer beeindruckt zu sein, denn sie hatte sich an den Sarg gelehnt und musterte kopfschüttelnd den künstlichen Vlarad.

»Perfekt … Absolut perfekt …«, sagte sie dann überraschend leise. »Der elegante Gehrock, das rote Halstuch um den blütenweißen steifen Kragen und die perfekte Haltung eines wahren Aristokraten. Dazu die hohen Wangenknochen und diese dunklen Augen, in denen man sich verlieren könnte … hach …«

Vlarad, das solltest du hören, telepathierte Tom dem Vampir. Ich glaube, Frau Schuster ist ein richtiges Dracula-Fangirl und findet dich schon als Puppe zum Anbeißen.

Du glaubst wirklich, Hop-Teps Plastikvampir kann das Blut einer Frau in solch wogende Wallungen bringen?, antwortete ihm Vlarad überraschend amüsiert. So sehr ich sein einzigartiges Talent schätze: Das vermag unser ägyptischer Künstlerprinz dann doch nicht.

Einer düsteren Ahnung folgend trat Tom näher an die Figur heran und musterte sie für mehrere Sekunden. Zunächst fiel ihm auf, dass die vorhin noch so wichtige Bodenplatte fehlte und die Puppe dennoch problemlos aufrecht stand. Das linke Auge blinzelte kaum merklich just in dem Moment, als hinter ihr der Lichteffekt aufblitzte.

D… das ist gar nicht die Puppe!, telepathierte Tom erschrocken. Du bist es selbst, Vlarad?

Allerdings, kam die tonlose Antwort. Ich konnte mir die Gelegenheit doch nicht entgehen lassen, das Fräulein Bestsellerautorin selbst in Augenschein zu nehmen. Die Gelegenheit ist einfach zu günstig – und das, ohne dass mich jener Fotofuzzi vor die Linse bekommt und mein Konterfei die Seiten einer Schmiergazette veredelt. In einem Wort: Perfekt!

Tom kämpfte gegen den Impuls an, sich mit der flachen Hand auf die Stirn zu schlagen und sie anschließend zusammen mit einem lang anhaltenden Stöhnen über das Gesicht herunterzuziehen. Stattdessen zwang er sich zu einem hoffentlich ganz besonders unauffälligen Lächeln. Die Autorin sollte auf keinen Fall irgendetwas bemerken!

»Hey, alles okay? Ist dir übel?«, hörte er da plötzlich Tiffany fragen. Tom schaute sie verwundert an. »Was? Nein. Wieso? Seh ich so aus? Mir geht’s supi! Haha. Alles bestens, warum?«

Tom bemerkte im gleichen Augenblick, dass das vielleicht ein bisschen zu viel des Guten gewesen war. Die Autorin sah ihn misstrauisch an und machte dabei ein paar Schritte auf ihn zu.

»Irgendwas stimmt nicht mit dir …«, sagte sie leise, und Tom wurde es plötzlich ziemlich warm um die Stirn.

»Mit … mit mir? W… warum? Nein, ich meine, ja doch. Da stimmt alles, echt«, stammelte er und ärgerte sich gleichzeitig, dass er sich so leicht aus der Bahn werfen ließ.

»Hm«, machte Tiffany, und das Misstrauen war ja auch vollkommen gerechtfertigt. Schließlich stand hinter ihr tatsächlich ein leibhaftiger Vampir, der nun jede Chance hätte, ihr hinterrücks in den Nacken zu beißen.

Vlarad würde so was niemals tun, und das hatte mehrere Gründe. Erstens hatte sich der Graf eine strikt vegane Diät auferlegt, weil er keinem Lebewesen etwas zuleide tun wollte. Und zweitens würde er sich der Autorin jetzt wohl kaum zu erkennen geben, wo er ihr ja eigentlich nicht einmal hatte begegnen wollen!

Im Umkehrschluss bedeutete das für Tom: Er musste sich jetzt etwas ausdenken, um Tiffany Schuster davon zu überzeugen, dass alles in bester Ordnung war.

»Also …«, begann er lahm, um etwas Zeit zu schinden. »Da ist nichts. Ich meine, nichts was Sie nicht … was Ihnen … Ich meine …«

Tiffany hatte gerade die Hand gehoben, um dieses armselige Schauspiel zu beenden. Doch sie kam nicht dazu, auch noch etwas zu äußern, denn von einer Sekunde auf die nächste war sie verschwunden – und mit ihr die vermeintliche Vampirpuppe.

»Äh…«, machte Tom völlig verdattert und drehte sich danach wenig elegant einmal komplett im Kreis, um sich auch wirklich gründlich umzusehen. Aber tatsächlich war da weder eine gnubbelige Vampirromanschreiberin noch ein hagerer Original-Vampir. Er war ganz und gar alleine.

MIMIWELFHOPTEPWOMBIE!, telepathierte Tom panisch in alle Richtungen. Gleichzeitig spürte er, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach, als hätte jemand eine Schleuse geöffnet.


Kapitel 5: Die Beweisaufnahme

Geräuschvoll schnaufte Welf durch die Nase ein. Dann noch einmal. Und noch einmal. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »So geht das nicht«, zischte er dann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wombie, wenn ich die Spur von Vlarad und der Frau aufnehmen soll, dann musst du entweder die ganze Zeit über weit genug wegbleiben oder du musst deinen Stinkehops waschen.«

»Gmmmhhh…«, machte der Zombie drohend und versteckte den Kuschelhasen schützend in seiner mächtigen Armbeuge.

»Welf hat leider recht«, sagte Tom und gab sich dabei Mühe, keine allzu schnellen Bewegungen zu machen. Es sollte nicht wirken, als wolle er Wombie das Plüschtier entreißen. »Das ist wirklich nicht böse gemeint, und das weißt du auch, oder?«

»Gmmhhh…«

»Eben. Wir wollen doch alle unseren Grafen wiederhaben.«

»Gmmhhh…«

»Stimmt«, schaltete sich auch Mimi ein. »Die nette Autorin wollen wir natürlich auch wiederfinden. Aber dafür muss Welf was erschnuppern können, und das geht eben nicht, wenn sich Odor im gleichen Raum befindet.«

Einen Moment lang war es still in der Geisterbahn. Dann knackte es leise, als der Zombie seinen Kopf langsam zu Hop-Tep hinüberdrehte. Der balsamierte Prinz nickte kaum merklich, und es war gut möglich, dass er Wombie gerade eine private telepathische Nachricht schickte.

Tom hatte das leider noch kein einziges Mal geschafft. Wenn er telepathierte, hörten es auch alle anderen. Nun, im Moment alle außer Vlarad, denn der war in der Sekunde seines Verschwindens auch aus ihrer telepathischen Gruppe geflogen. Die magischen Lichtpunkte auf Toms Arm, die er immer als sein Geister-Navi bezeichnete, waren nun um ein Signal ärmer: Von Vlarad auch hier keine Spur.

Da drehte sich der Zombie urplötzlich um und schlurfte einfach davon. Ob er beleidigt, einsichtig oder demnächst anderweitig beschäftigt war, konnte man wie immer nur vermuten. Auf jeden Fall sorgte die ständige Zugluft in der Geisterbahn dafür, dass sich der Gestank verflüchtigte und Welf wieder die Spuren der Vermissten aufnehmen konnte.

Schnell hatte er nur mit Hilfe seines wölfischen Geruchssinns exakt die letzten Positionen der beiden bestimmt.

»Hier stand die Frau … da stand Vlarad«, brummte er mehr zu sich als für die anderen. »Hier drüben rieche ich die Mottenkugeln in Vlarads Gehrock … eindeutig … Die Spur ist aber schwächer … Also war das sein Weg hier herein, bevor ihr beiden um die Ecke gebogen seid …«

»Klingt logisch«, nickte Tom. »Aber was war danach?«

»Langsam, muss die Spuren erst entwirren …«, murmelte Welf, machte ein paar Schritte auf den Sarg zu, dann wieder zurück und schnupperte noch ein paarmal in die abgestandene Luft hinein.

»Ihr kamt von da, von wo sonst. Sie stand da, du standst hier … Und dann …«

»Und dann?«, fragte Tom angespannt. »Genau darum geht’s! Was war dann?«

»Dann …« Der Werwolf schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf die Geruchsspuren. »Dann …« Tom, Hop-Tep und Mimi wagten keine Bewegung und kein noch so kleines Geräusch, um Welf bloß nicht abzulenken.

Ärgerlicherweise spürte Tom genau jetzt, wie ihn irgendetwas juckte. Je mehr er versuchte, es zu kontrollieren, desto größer wurde der Drang, sich am besten überall gleichzeitig zu kratzen!

»Wuwuwuwaahh!«, stieß Tom hervor und schüttelte sich dabei wie ein Hund nach dem Flussbad. Alle sahen ihn verwundert an, und Tom blickte beschämt in die Runde. »Tut mir so leid, ich … ich konnte nicht anders. Plötzlich hat es mich überall gejuckt und …«

»Schon gut«, antwortete Mimi. »Ist doch ganz normal, wenn man sich gerade extra still verhalten soll. Ich kenn das gut.«

»Es war … anders …«, murmelte Tom, aber da hatte Welf schon wieder die Spuren aufgenommen, und Tom verhielt sich nun extra still.

Seine Disziplin war leider ebenso umsonst wie die Bemühungen des Werwolfs. Urplötzlich schmetterte Welf seine Faust durch den Deckel des Sargs und schnaubte dann rasselnd durch die Nase wie ein wütender Stier.

»Nichts! Gar nichts!«, rief er frustriert. »Sie sind einfach weg! Keine Spuren, nichts! Hölle, Dämonen und Verdammnis!«

»Das kann doch nicht sein!«, rief Mimi aufgeregt in die Runde. »Wir wissen doch, dass nichts und niemand spurlos verschwinden kann. Irgendwas bleibt immer zurück!«

Du sprichst wahr, oh gläserne Grazie, meldete sich Hop-Tep telepathisch zu Wort. Jedoch scheint es nichts zu sein, was unser olfaktorisch empfindsamer Wolfsfreund erschnuppern könnte.

Währenddessen prasselten auf Tom gerade alle Probleme gleichzeitig ein und vernebelten ihm fast vollständig die Sinne. Eine Bestsellerautorin war in ihrer Geisterbahn verschwunden! Vlarad war weg! Gleich würden sie öffnen müssen! Morgen standen hier die Leute von der Zeitung und ahnten heute noch nichts davon, was für eine Wahnsinnsstory sie hier erwartete!

Da schüttelte Tom trotzig den Kopf, bis die ganzen Sorgen in hohem Bogen davonflogen und ringsherum gegen die Tunnelwände prallten. Er zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Denn wenn er aus ihren letzten Abenteuern etwas gelernt hatte, dann dass Panik und Aufregung nichts verbesserten – ganz im Gegenteil sogar.

Also atmete Tom durch und legte die Zeigefinger der gefalteten Hände vor die Lippen. »Also, wenn Welf nichts findet, heißt das ja nicht unbedingt, dass hier keine Spuren sind … Was für Möglichkeiten haben wir denn sonst noch, um den Tatort zu untersuchen?«

»Ich hab mich natürlich schon genau umgesehen, aber auch nichts Ungewöhnliches bemerkt«, antwortete Mimi. Sie konnte bei Dunkelheit genauso gut sehen wie im hellen Sonnenschein. Darum war sie beim Auffinden verlorener Dinge immer wieder eine unschätzbare Hilfe – nur wohl leider nicht in diesem Fall.

»Okay, was würde Vlarad tun …«, überlegte Tom – und das aus gutem Grund. Nicht nur durch seine hagere Gestalt wirkte der Vampir oftmals wie Sherlock Holmes persönlich. Auch seine Kombinationsgabe war der des berühmten Meisterdetektivs nahezu ebenbürtig. Nachdenklich machte Tom einen Schritt auf den Sarg zu.

»Wuwuwawah!«, machte er plötzlich noch einmal, und der Drang, sich abermals zu schütteln war so überwältigend gewesen, dass Tom fast umgekippt wäre. Wieder erntete er verwunderte Blicke. »Entschuldigt, aber mich hat’s wieder so komisch gejuckt …«

»Dann kratz dich lieber, denn das klingt albern und sieht blöd aus«, grummelte Welf. »Wo waren wir stehengeblieben?«

Unser geschätzter Blutsfreund würde zunächst dafür sorgen, dass niemand die eventuell vorhandenen Spuren verwischt, antwortete Hop-Tep und hielt Welf dabei höflich, aber bestimmt an der Schulter zurück, weiter in die Dekoration hineinzutreten.

»Hast recht, alter Junge«, raunte der Werwolf und klopfte der Mumie freundschaftlich auf die Schulter.

Da runzelte Tom die Stirn. »Was war das denn? Mimi, hast du das auch gesehen?«

»Nein, was meinst du denn?«, antwortete das Geistermädchen und kam aufgeregt herangeflattert.

»Hier, knapp über dem Boden, da war was. Wie ein Lichtstrahl oder so was. Direkt da, knapp über meinem Schuh. Aber jetzt ist es wieder weg …« Tom seufzte. »Vielleicht hab ich mich getäuscht, tut mir leid.«

Es ist vollkommen verständlich, dass du …, wollte die Mumie gerade ansetzen, doch Tom hob energisch die Hand: »Da! Da war es wieder! Wie ein Flirren, rötliches Licht … Wie ein … ein Dings … na … Laserstrahl! Genau, das ist es! Haha, ich hab’s.«

Überraschend für alle trat Tom hinter Hop-Tep und klopfte der Mumie ein paarmal kräftig auf die Schulter, so wie es Welf gerade getan hatte.

»Muss das denn sein?«, schimpfte der Werwolf und hustete, als sich der charakteristisch sandige Staub aus Hop-Teps Bandagen im Tunnel der Geisterbahn verteilte.

»Ja, muss es! Schaut doch, da!«, rief Tom aufgeregt und deutete auf den Boden vor sich. Da sahen sie es tatsächlich alle: Im staubigen Dunst war ganz deutlich ein dünner roter Lichtstrahl zu erkennen! Werwolf, Geist, Mumie und Mensch hoben genau gleichzeitig ihre Blicke, als würden sie für die Meisterschaften im Synchronschwimmen üben.

»Der Laserstrahl kommt direkt von … Boah«, murmelte Tom, und er spürte, wie sich in seinem Bauch die Wut sammelte.

»Woher sonst«, grollte Welf.

Direkt gegenüber, auf der anderen Seite der Schaustellerstraße, stand das Spiegelkabinett von Zoracz – dem Mann, der schon bei der Testamentseröffnung versucht hatte, Tom die Geisterbahn abzuschwatzen. Der Laserstrahl traf genau durch den Türspalt in der Einfahrt und reichte so bis ins rechte Eck von Vlarads Dekoration, wo der Sarg stand.

»Das kann doch nicht wahr sein. Spinnt der?«, schimpfte Mimi.

Letzteres steht außer Frage, und wahr ist zumindest, dass Zoracz sich bemüßigt fühlt, einen Lichtstrahl auf uns zu richten, warf die Mumie ein.

»Warum auch immer, ich geh da jetzt mal fragen, was das soll. Und wenn Zoracz hinter dem Verschwinden der beiden steckt, dann kann er sich auf was gefasst machen«, knurrte Tom und klang dabei fast wie ein kleiner Werwolf, so wütend war er.

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23 aralık 2023
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