Kitabı oku: «Theologie des Neuen Testaments», sayfa 20
6.Paulus: Missionar und Denker
F.CHR.BAUR, Paulus, der Apostel Jesu Christi I.II, Leipzig 21866/1867; W.WREDE, Paulus, in: Das Paulusbild in der neueren deutschen Forschung, hg. v. K.H. Rengstorf, Darmstadt 21969, 1–97 (= 1904); A.SCHWEITZER, Die Mystik des Apostels Paulus, Tübingen 21954 (= 1906/1930); A.DEISSMANN, Paulus, Tübingen 21925; R.BULTMANN, Theologie des Neuen Testaments, 187–353; G.BORNKAMM, Paulus, Stuttgart 51983; H.J. SCHOEPS, Paulus. Die Theologie des Apostels im Lichte der jüdischen Religionsgeschichte, Tübingen 1959; E.KÄSEMANN, Paulinische Perspektiven, Tübingen 21972; DERS., An die Römer, HNT 8a, Tübingen 41980; H.CONZELMANN, Grundriß der Theologie des Neuen Testaments, 163–326; U.LUZ, Das Geschichtsverständnis des Paulus, BEvTh 49, München 1968; H.SCHLIER, Grundzüge einer paulinischen Theologie, Freiburg 1978; E.P. SANDERS, Paulus und das palästinische Judentum, StUNT 17, Göttingen 1985 (= 1977); J.C. BEKER, Paul the Apostle. The Triumph of God in Life and Thought, Philadelphia 21984; G.LÜDEMANN, Paulus, der Heidenapostel I.II, FRLANT 123.130, Göttingen 1980.1983; U.SCHNELLE, Wandlungen im paulinischen Denken, SBS 137, Stuttgart 1989; J.BECKER, Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 1989; K.KERTELGE, Grundthemen paulinischer Theologie, Freiburg 1991; P.STUHLMACHER, Biblische Theologie des Neuen Testaments I, 221–392; H.HÜBNER, Biblische Theologie des Neuen Testaments II: Die Theologie des Paulus, Göttingen 1993; E.P. SANDERS, Paulus. Eine Einführung, Stuttgart 1995; E.LOHSE, Paulus, München 1996; J.GNILKA, Paulus von Tarsus, HThK.S 6, Freiburg 1996; G.STRECKER, Theologie des Neuen Testaments, 11–229; TH. SÖDING, Das Wort vom Kreuz. Studien zur paulinischen Theologie, WUNT 93, Tübingen 1997; J.D.G. DUNN, The Theology of Paul the Apostle, Grand Rapids/Cambridge 1998; H.MERKLEIN, Art. Paulus, LThK 7, Freiburg 1998, 1498–1505; A.LINDEMANN, Paulus, Apostel und Lehrer der Kirche, Tübingen 1999; H.RÄISÄNEN, Art. Paul, in: Dictionary of Biblical Interpretation II, hg. v. J.H. Hayes, Nashville 1999, 247–253; CHR.STRECKER, Die liminale Theologie des Paulus, FRLANT 185, Göttingen 1999; F.HAHN, Theologie des Neuen Testaments I, 180–329; S.VOLLENWEIDER, Art. Paulus, RGG4 6, Tübingen 2003, 1035–1054; U.SCHNELLE, Paulus. Leben und Denken, Berlin 22014; A.DETTWILER/J.-D.KAESTLI/D.MARGUERAT (Hg.), Paul, une théologie en construction, Genf 2004; E.REINMUTH, Paulus. Gott neu denken, Leipzig 2004; M. WOLTER, Paulus. Ein Grundriss seiner Theologie, Neukirchen 2011; F.W. HORN (Hg.), Paulus Handbuch, Tübingen 2013; N.T. WRIGHT, Paul and the Faithfulness of God, Minneapolis 2013; E.P. SANDERS, Paul: The Apostle’s Life, Letters, and Thought, Minneapolis 2015.
Paulus war zweifellos der überragende Missionar und theologische Denker des frühen Christentums. Wer immer sich dieser vielschichtigen Persönlichkeit nähert und sich die Geschichte seines Wirkens vor Augen stellt, muss seine besondere historische Situation und die damit verbundenen theologischen Herausforderungen bedenken (s.o. 5.3). Die beschneidungsfreie Mission begann zwar schon vor Paulus, aber er wurde durch seine Erfolge zum Praktiker und dann auch unausweichlich zum Theoretiker dieser Entwicklung. Der große Erfolg seiner beschneidungsfreien Mission stellte Paulus vor enorme Probleme, denn er musste als erster jene unausweichlichen Aporien zur Kenntnis nehmen, mit denen sich das formierende Christentum immer stärker konfrontiert sah. Er musste zusammen denken und in eine innere Stimmigkeit bringen, was nicht zu harmonisieren war: Gottes erster Bund bleibt gültig, aber nur der neue Bund rettet. Das erwählte Gottesvolk Israel muss sich zu Christus bekehren, um mit den glaubenden Menschen aus den Völkern das eine wahre Gottesvolk zu werden. Als homo religiosus war Paulus immer auch ein bedeutender Denker; auf seine Person trifft zu, was auch für andere gilt: Alle großen Denker im zeitlichen Umfeld des Neuen Testaments waren Theologen und umgekehrt (z.B.Cicero, Philo, Seneca, Epiktet, Plutarch, Dio Chrysostomus). Dies ist nicht verwunderlich, denn jedes bedeutende System der griechisch-römischen Philosophie gipfelt in einer Theologie1. Weil in der Antike Philosophie und Theologie zusammengehörten, durchdrangen sich philosophische und religiöse Themen und wurden keineswegs als Gegensätze im neuzeitlichen Sinn wahrgenommen. Zwar war Paulus zweifellos auch nach antiken Kategorien kein Philosoph, aber seine Theologie weist eine denkerische Kraft auf2. Sie zeigt sich vor allem in der Umsetzung von religiösen Erfahrungen und Überzeugungen, die Systemqualität gewinnen mussten, bevor sie eine solche Wirkungsgeschichte entwickeln konnten wie die Gedanken des Paulus. Um etablierte Deutesysteme abzulösen, müssen sich neue Denkmodelle und Überzeugungen im Kontext konkurrierender Systeme und der maßgeblichen kulturell-religiösen Diskurse behaupten und bewähren sowie über Anschlussfähigkeit, Plausibilität und überraschende Momente verfügen. All das trifft für Paulus zu und deshalb ist seine Theologie auch als bedeutende Denkleistung zu würdigen3. Der nachhaltige Erfolg des Christentums im Allgemeinen und der paulinischen Theologie im Besonderen hängt wesentlich auch damit zusammen, dass sie emotional und intellektuell attraktiv waren und plausible Antworten auf drängende Lebensfragen von Menschen gaben.
Heilsgegenwart als Zentrum paulinischer Theologie
Paulus konnte angesichts der großen denkerischen Herausforderungen und der bewegten Geschichte des frühen Christentums nur bestehen, weil er eine unverrückbare theologische Erkenntnis zum Ausgangspunkt, zur Basis und zum Zentrum seines Denkens und Handelns machte: die endzeitliche Gegenwart des Heils Gottes in Jesus Christus. Der eifernde Pharisäer wurde von der Erfahrung und Einsicht überwältigt, dass Gott in dem gekreuzigten, auferstandenen und in Kürze vom Himmel wiederkommenden Jesus Christus seinen endgültigen Heilswillen für die ganze Welt aufgerichtet hat. Gott selbst führte die Wende der Zeiten herbei; er setzte eine neue Wirklichkeit, in der die Welt und die Situation des Menschen in der Welt in einem veränderten Licht erscheinen. Ein völlig unerwartetes, singuläres Geschehen veränderte das Denken und Leben des Paulus fundamental. Er wurde vor die Aufgabe gestellt, vom Christusgeschehen her die Welt- und Heilsgeschichte, seine eigene Rolle darin und Gottes vergangenes, gegenwärtiges und zukünftiges Handeln neu zu interpretieren. Die paulinische Theologie ist somit gleichermaßen ein Erfassen des Neuen und eine Deutung des Vergangenen. Paulus entwarf ein endzeitliches Szenario, dessen Grundlage Gottes Heilswille, dessen Eckpunkte Auferstehung und Parusie Jesu Christi, dessen bestimmende Kraft der Heilige Geist, dessen gegenwärtiges Ziel die Teilhabe der Glaubenden am neuen Sein und dessen Endpunkt die Verwandlung in eine pneumatische Existenz bei Gott war. Seit der Auferweckung Jesu Christi wirkt der Geist Gottes wieder, die getauften Christen sind von der Sünde geschieden und leben in einer qualitativ neuen Beziehung zu Gott und dem Kyrios Jesus Christus. Die in Taufe und Geistgabe sichtbare Erwählung der Christen und ihre Berufung als Teilhaber am Evangelium haben bis in das Eschaton hinein Gültigkeit, gegenwärtige Heilserfahrung und zukünftige Heilshoffnung verschränken sich4. Nicht nur ein neues Seinsverständnis, sondern das neue Sein selbst hat im umfassenden Sinn bereits begonnen! Die Glaubenden haben somit Teil an einem universalen Transformationsprozess, der mit der Auferstehung Jesu Christi von den Toten einsetzte, sich im gegenwärtigen macht- und heilvollen Wirken des Geistes fortsetzt und in der Verwandlung der gesamten Schöpfung in die Herrlichkeit Gottes hinein enden wird5. Die paulinische Theologie ist insgesamt durch den Gedanken der Heilsgegenwart geprägt.
6.1Theologie
W.THÜSING, Gott und Christus in der paulinischen Soteriologie, NTA 1, Münster 31986; CHR.DEMKE, „Ein Gott und viele Herren“. Die Verkündigung des einen Gottes in den Briefen des Paulus, EvTh 36 (1976), 473–484; E.GRÄSSER, „Ein einziger ist Gott“ (Röm 3,30). Zum christologischen Gottesverständnis bei Paulus, in: ders., Der Alte Bund im Neuen, WUNT 35, Tübingen 1985, 231–258; T.HOLTZ, Theo-logie und Christologie bei Paulus, in: ders., Geschichte und Theologie des Urchristentums, WUNT 57, Tübingen 1991, 189–204; P.-G.KLUMBIES, Die Rede von Gott bei Paulus in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext, FRLANT 155, Göttingen 1992; M.RESE, Der eine und einzige Gott Israels bei Paulus, in: Und dennoch ist von Gott zu reden (FS H.Vorgrimler), hg. v. M.Lutz-Bachmann, Freiburg 1994, 85–106; W.SCHRAGE, Unterwegs zur Einheit und Einzigkeit Gottes (s.o. 4); U.SCHNELLE, Paulus (s.o. 6), 423–440; C.BREYTENBACH, Der einzige Gott – Vater der Barmherzigkeit, BThZ 22 (2005), 37–54; R.FELDMEIER, „Der das Nichtseiende ruft, daß es sei“. Gott bei Paulus, in: Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder II, hg. v. R.G. Kratz/H.Spieckermann, Tübingen 2006, 135–152; CHR. ESCHNER, Gestorben und hingegeben „für“ die Sünder I.II, WMANT 122, Neukirchen 2010; CHR.LANDMESSER, Wie Gott handelt. Beobachtungen zur Gottesvorstellung in den Briefen des Paulus, in: M.Lang (Hg.), Paulus und Paulusbilder, ABG 31, Leipzig 2013, 121–152.
Der jüdische Monotheismus ist die Basis des paulinischen Denkens, denn es gibt nur den einen, wahren, seienden und handelnden Gott Israels6. Damit steht Paulus in seiner Theo logie in Kontinuität zu jüdischen Basissätzen: Gott ist einer, er ist der Schöpfer, der Herr und der Vollender der Welt. Zugleich verändert die Christo logie fundamental die Theologie, Paulus verkündigt einen christologischen Monotheismus.
6.1.1Der eine und wahre Schöpfergott
Zu den Grundüberzeugungen des jüdischen Glaubens gehört die Einzigkeit und Einzigartigkeit Gottes7; es gibt nur einen Gott, außer dem kein Gott ist (Dtn 6,4b: „Höre Israel, der Herr unser Gott, ist einer!“; vgl. ferner Jes 44,6; Jer 10,10; 2Kön 5,15; 19,19 u.ö.). In Arist 132 beginnt eine Belehrung über das Wesen Gottes mit der Feststellung, „dass nur ein Gott ist und seine Kraft durch alle Dinge offenbar wird, da jeder Platz voll seiner Macht ist.“ Im scharfen Kontrast zur antiken Vielgötterei betont Philo: „So wollen wir denn das erste und heiligste Gebot in uns befestigen; Einen für den höchsten Gott zu halten und zu verehren; die Lehre der Vielgötterei darf nicht einmal das Ohr des in Reinheit und ohne Falsch die Wahrheit suchenden Mannes berühren.“8 Für Paulus ist Gottes Einzigkeit gedankliches und praktisches Fundament seines Denkens. Zwar existieren zahlreiche sogenannte Götter im Himmel und auf Erden (vgl. 1Kor 8,5; 10,20), zugleich gilt aber: „So gibt es denn für uns nur einen Gott, den Vater“ (1Kor 8,6a). Die Christen in Thessalonich bekehrten sich von den Götzen zu dem einen, wahren Gott (1Thess 1,9f) und programmatisch schreibt Paulus der römischen Gemeinde: „Wenn denn Gott einer ist, der rechtfertigen wird die Beschnittenen aus Glauben und die Unbeschnittenen durch den Glauben“ (Röm 3,30). Die Grundlage der Differenzierung zwischen Gott, dem Gesetz, Mose und den Engeln in Gal 3,19f ist der Glaubenssatz: „Gott aber ist einer“ (Gal 3,20: ὁ δὲ ϑεὸς εἷς ἐστιν). Die Erkenntnis der Einzigkeit Gottes hat für Paulus auch ethische Dimensionen, denn die Grundaussage im Streit um das Götzenopferfleisch lautet: „Wir wissen, dass es keinen Götzen in der Welt gibt und dass es keinen Gott gibt außer einem“ (1Kor 8,4).
Gottes Gottheit zeigt sich zuerst in seinem Schöpferhandeln. Für Paulus ist die ganze Welt Gottes Schöpfung (1Kor 8,6; 10,26)9; der Schöpfergott der Genesis ist kein anderer als der an Jesus Christus und den Glaubenden Handelnde (2Kor 4,6). Gott ruft das Nichtseiende ins Sein, er allein macht die Toten lebendig (Röm 4,17) und ist der ‚Vater‘ der Welt (1Kor 8,6; Phil 2,11). Nur über ihn kann gesagt werden: „Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge“ (Röm 11,36a). Vor der Welt und der Geschichte steht Gott, „der über allem ist“ (Röm 9,5) und von dem es heißt, er werde am Ende „alles in allem“ sein (1Kor 15,28). Alles ist und bleibt Schöpfung Gottes, selbst wenn Menschen ihrer Bestimmung entfliehen, indem sie Götzen verehren10. In seiner Schöpfung lässt sich Gott vernehmen (Röm 1,20.25), aber obwohl die Menschen von Gott wussten, „haben sie ihn nicht als Gott verherrlicht und ihm gedankt, sonder sie verfielen in ihrem Denken der Nichtigkeit, und es verfinsterte sich ihr unverständiges Herz“ (Röm 1,21). Immer wieder zieht es die Menschen zu den Mächten hin, die von Natur aus keine Götter sind (Gal 4,8). Trotz dieses Dranges des Menschen, sich selbst Götter zu schaffen oder an die Stelle Gottes zu treten, bleiben Welt und Mensch Gottes Schöpfung. Als Schöpfer ordnet Gott das menschliche Leben, indem er ihm ein politisches (Röm 13,1–7) und soziales (1Kor 7) Gefüge gibt. Die Glaubenden sind aufgerufen, den Willen Gottes zu erkennen und zu befolgen (1Thess 4,3; Röm 12,1). Als Herr der Geschichte lenkt er die Geschehnisse, er bestimmt die Heilszeit (Gal 4,4) und hat als Richter das letzte Wort über das Schicksal der Menschen (Röm 2,5ff; 3,5.19).
Das endzeitliche Gericht müssen die Glaubenden nicht fürchten, denn der Apostel ist sich gewiss, „dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Herrscher, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Mächte, weder Hohes noch Tiefes noch irgendein Geschöpf uns trennen kann von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus, unserm Herrn ist“ (Röm 8,38f). Schöpfung und Menschheit haben nicht nur denselben Ursprung, sondern ihr Geschick wird auch in Zukunft miteinander verschränkt sein. Protologie und Eschatologie, Universal- und Individualgeschichte entsprechen sich bei Paulus, weil Gott der Anfang und das Ziel alles Seienden ist (vgl. Röm 8,18ff). Von Gott kommt alles her, durch ihn hat alles Bestand und auf ihn läuft alles zu. Der Schöpfergott erwies seine Lebensmacht in der Auferstehung Jesus Christi und wird sie auch den Glaubenden zuteil werden lassen: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten erweckt hat, in euch wohnt, dann wird der, welcher Christus von den Toten erweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt“ (Röm 8,11).
6.1.2Der Vater Jesu Christi
Bei Paulus ersetzt die Christologie nicht die Theologie, sondern wer und was Jesus Christus ist, wird vom Handeln Gottes her beantwortet11. Gottes Handeln an und durch Jesus Christus ist die Basis der Christologie, zugleich aber auch das Zentrum der Gotteslehre, denn Gott ist so zu denken, wie er sich in Jesus Christus erschlossen hat. Gott sandte Jesus Christus (Gal 4,4f; Röm 8,3f), er hat ihn dahingegeben und auferweckt (Röm 4,25; 8,32). Durch Christus versöhnte Gott die Welt (2Kor 5,18f) und rechtfertigt die Glaubenden (Röm 5,1–11)12. Die Gemeinde wird aufgefordert, ihr Leben für Gott in Christus auszurichten (Röm 6,11). Gott gegenüber erwies sich Jesus Christus als gehorsam (Phil 2,8; Röm 5,19). Es ist geradezu das Kennzeichen des von Paulus verkündigten Gottes, dass er Jesus Christus von den Toten auferweckt hat (vgl. 1Thess 1,10; 4,14; 1Kor 15,12–19). Gott ist der Ursprung aller χάρις (Röm 1,7; 3,24; 1Kor 15,10) und das Ziel der Erlösung (1Kor 15,20–29). Hinter dem Christusgeschehen steht ausschließlich und wirkungsmächtig der Heilswille Gottes. Zugleich ist aber das Handeln Gottes Ausdruck der einzigartigen Würde und Stellung Jesu Christi. Über das Verhältnis von Gott zu Jesus Christus dachte Paulus nicht in begrifflich-ontologischen Kategorien der späteren Lehrentwicklung nach, dennoch sind zwei Linien unverkennbar. Zum einen zeigt sich deutlich ein subordinatianischer Zug in der paulinischen Christologie. So setzt Paulus in 1Kor 11,3 eine Stufenfolge voraus13: „Das Haupt des Mannes ist Christus, das Haupt der Frau aber ist der Mann, das Haupt Christi aber ist Gott.“ Eine Unterordnung Christi zeigt sich auch in 1Kor 3,23 („Ihr gehört zu Christus, Christus aber gehört zu Gott“)14 und 1Kor 15,28 („Wenn ihm alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei“). Speziell 1Kor 15,23–28 spricht von einer zeitlichen Begrenzung der Herrschaft Jesu Christi und signalisiert damit deutlich die Unterordnung des Sohnes unter den Vater. In Phil 2,8f ist der Gehorsam Christi gegenüber Gott Voraussetzung für seine Erhöhung zum Kyrios. Zugleich sind die paulinischen Formulierungen aber für eine ansatzweise Gleichsetzung von Gott und Christus offen. Seine Gebete richtet der Apostel sowohl an Gott (vgl. z.B. 1Thess 1,2f; Röm 8,15f; 15,30ff) als auch an Jesus Christus (2Kor 12,8). In Phil 2,6 wird der präexistente Jesus Christus ἴσα ϑεῷ („Gott gleich“) genannt und in Röm 9,5 setzt Paulus den aus Israel stammenden Χριστὸς ϰατὰ σάρϰα mit Gott gleich („Von den Vätern, von denen Christus dem Fleisch nach abstammt, der Gott ist über allem; gelobt sei er in Ewigkeit“)15.
Die Mittlerschaft
Unter-, Neben- und Hinordnung Jesu Christi im Verhältnis zu Gott sind für Paulus offenbar keine Gegensätze: Die Linien treffen sich in der Kategorie der Mittlerschaft, denn Jesus Christus ist der Schöpfungs- und Heilsmittler. Die vorpaulinische Tradition 1Kor 8,616 entfaltet diesen Gedanken, indem sie in kühner Weise die Geschichte Gottes mit der Geschichte Jesu Christi verbindet: „So gibt es für uns (nur) einen Gott, den Vater, aus dem alles ist und wir auf ihn hin; und einen Herrn Jesus Christus, durch den alles ist und wir durch ihn.“ Der Text bestimmt das Verhältnis von Theologie und Christologie im Horizont des Monotheismus, wobei die εἷς-Prädikation nicht nur dem Vater, sondern auch dem Kyrios Jesus Christus zuerkannt wird. Der eine Gott wird damit nicht in zwei Götter aufgespalten, sondern die Einzigkeit Gottes erschließt sich nur durch das einzigartige Heilswerk Jesu Christi17. Christus verbleibt seinem Ursprung und seinem Wesen nach ganz auf der Seite Gottes, es gibt keine Konkurrenz zwischen dem einen Gott und dem einen Herrn. Dennoch wird der eine Kyrios dem einen Gott nachgordnet, weil allein der Schöpfergott der Vater des Kyrios Jesus Christus ist. Ihre Existenz verdankt die Welt dem einen Gott allein, nur er ist der Ursprung alles Seienden. Der Kyrios ist präexistenter Schöpfungsmittler, der eine Gott ließ ‚alles‘ durch den einen Herrn entstehen. Die gesamte Schöpfung ist nach dem Willen Gottes unauflöslich mit Jesus verbunden: „Darum hat Gott ihn auch über alles erhöht und ihm den Namen über alle Namen gegeben, damit vor dem Namen Jesu jedes Knie sich beugt, der himmlischen, irdischen und unterirdischen (Mächte), und jede Zunge bekennt: Herr ist Jesus Christus, zur Ehre Gottes des Vaters“ (Phil 2,9–11). Es entspricht dem Heilswillen Gottes für seine Schöpfung, dass Mächte, Gewalten und Menschen im Schöpfungsmittler Jesus Christus zugleich den Heilsmittler erkennen. Er steht am Anfang der Schöpfung und ist als Auferstandener Prototyp der Neuschöpfung. Als ‚Bild Gottes‘ (2Kor 4,4: εἰϰὼν τοῦ ϑεοῦ) hat Jesus Christus teil am Wesen Gottes, im Sohn wird das wahre Wesen des Vaters offenbar. Christus nimmt die Glaubenden in einen geschichtlichen Prozess hinein, an dessen Endpunkt ihre eigene Verwandlung steht; sie sollen „dem Bild seines Sohnes gleichgestaltet werden, damit er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei“ (Röm 8,29). Die Aussagen über die Schöpfermittlerschaft Jesu Christi verdanken sich der Erfahrung seiner Heilsmittlerschaft, d.h. die Protologie zielt von vornherein auf die Soteriologie. Die Erlösung ist kein zufälliges Geschehen, sondern im Ursprung der Schöpfung bereits angelegt18.
Das Verhältnis Jesu Christi zu Gott lässt sich im paulinischen Denken am sachgemäßesten als ‚Hinordnung‘ bezeichnen19. Jesus Christus ist zugleich dem Vater untergeordnet und umfassend in sein Wesen und seine Stellung miteinbezogen. Diese Dynamik darf weder zur angeblichen Wahrung eines ‚reinen‘ Monotheismus noch zur ntl. Begründung ontologischer Kategorien der altkirchlichen Lehrbildung in die eine oder andere Richtung verschoben werden. Vielmehr ist sie die zutreffende Erfassung eines Sachverhaltes, der seinem Wesen nach in der nachösterlichen Sinnbildung nur paradox beschrieben werden konnte und keine einlinigen Lösungen zuließ: Der eine Gott hat sich in dem einen Menschen Jesus von Nazareth umfassend und endgültig offenbart, wobei mit ‚Offenbarung‘ ein Geschehen gemeint ist, das sich nicht erdenken, sondern nur erschließen lässt.
Wie sind Kontinuität und Diskontinuität paulinischer Theo logie und Christo logie zum Judentum zu bestimmen? Zunächst kann von einer Kontinuität in mehrfacher Hinsicht gesprochen werden: 1) Paulus wählt als Ausgangspunkt seiner Theologie nicht das Wirken des Jesus von Nazareth, sondern Gottes Handeln an ihm in Kreuz und Auferstehung, so dass schon von diesem Grundansatz her von einem Primat der Theo logie gesprochen werden kann. 2) Paulus behauptet eine Kontinuität im Handeln Gottes selbst. Die Präexistenzvorstellung (vgl. 1Kor 8,6; 10,4; Gal 4,4; Röm 8,3; Phil 2,6)20 zeigt ebenso wie die verheißungsgeschichtlichen Erwägungen in Gal 3,15–18 und Röm 4; 9–11, dass Paulus die Geschichte Gottes von Anfang an als Geschichte Jesu Christi begreift. Die Geschichte Israels wird und muss von Paulus konsequent von Jesus Christus her und auf ihn hin interpretiert werden21. Nur so kann er die Selbigkeit Gottes in seinem Handeln erweisen; nur auf diese Weise erscheint es ihm möglich, eine Aufspaltung des Gottesbegriffes und der Geschichte zu verhindern. Paulus konnte und wollte die Identität des Gottes Israels mit dem Vater Jesu Christi nicht infrage stellen. Ihm war es unmöglich, das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus von der Geschichte Israels zu lösen, denn es gibt nur eine Geschichte Gottes, die von Anfang an durch die Schöpfungs- und Heilsmittlerschaft Jesu Christi bestimmt wird. 3) Paulus knüpft traditionsgeschichtlich bei seiner Verhältnisbestimmung von Gott und Jesus Christus an Vorstellungen des antiken Judentums an (s.o. 4.5), sprengt sie aber zugleich, weil es nach jüdischer Auffassung unmöglich war, einen am Kreuz Verstorbenen in gottgleicher Art zu verehren.
Während der Gottesgedanke die Kontinuität zum Judentum verbürgt, sprengt die Christologie jede Einheit und begründet die theologische und damit auch historische Diskontinuität zwischen dem sich herausbildenden frühen Christentum und dem Judentum22. Der christologische Monotheismus des Paulus verändert und überschreitet fundamental jüdische Vorstellungen. Indem die Geschichte des gekreuzigten Jesus Christus von Anfang an als authentische Gottesgeschichte begriffen wird23, bildet sich ein neues Gottesbild und Gottesverständnis heraus: Gott ist so Gott, wie er sich in Jesus Christus offenbarte. Der gekreuzigte Gott des Paulus und der Gott des Alten Testaments sind jedoch nicht vereinbar. Das Alte Testament schweigt von Jesus Christus, auch wenn Paulus versucht, dieses Schweigen durch gewagte Exegesen zum Sprechen zu bringen. Wenn Gott sich im kontingenten Geschehen von Kreuz und Auferstehung letztgültig offenbarte, dann ist der Gedanke einer kontinuierlichen, an der Volkszugehörigkeit, dem Land, der Tora oder dem Bund orientierten Heils- und Erwählungsgeschichte nicht mehr tragfähig. Paulus will und kann diese Schlussfolgerung nicht ziehen, sondern versucht sie durch eine Neudefinition des Gottesvolkbegriffes zu umgehen (s.u. 6.7.1). Für Juden und strenge Judenchristen waren solche Versuche nicht akzeptabel, weil sie einer massiven Umdeutung ihrer eigenen Heilsgeschichte gleichkamen. Jüdischer Heilspartikularismus und frühchristlicher Heilsuniversalismus konnten nicht gleichzeitig gelten, weil beide Sinnwelten nicht kompatibel sind24! So ist schon bei Paulus trotz aller gegenseitigen Beteuerungen die Christologie der Sprengsatz, der die anfängliche Einheit zwischen den Christusgläubigen und dem Judentum aufhebt.
6.1.3Gottes erwählendes und verwerfendes Handeln
In seiner unhinterfragbaren Freiheit begegnet Gott den Menschen als Berufender und Erwählender, aber auch als Verwerfender25. Paulus deutet seine eigene Geschichte in diesen Kategorien, wenn er davon spricht, es habe Gott wohlgefallen, „der mich von meiner Mutter Leibe an ausgesondert und mich berufen hat durch seine Gnade, seinen Sohn in mir zu offenbaren“ (Gal 1,15f). Der Apostel weiß sich wie seine Gemeinden in die Erwählungsgeschichte Gottes miteinbezogen, die bereits mit Abraham begann, im Christusgeschehen ihr Ziel erreichte und in der Transformation der Glaubenden in das himmlische Sein bei der Parusie ihre Vollendung finden wird. In diesem Bewusstsein entfaltet Paulus bereits in seinem ersten Brief eine Erwählungstheologie: Die Thessalonicher dürfen ihre Berufung als endzeitliche Gnadenwahl Gottes verstehen (1Thess 1,4; 2,12; 5,24), weil sie sich von den nichtigen Götzen zum einen, wahren Gott hinwandten (1Thess 1,9). Die Gemeinde weiß: „Denn Gott hat uns nicht zum Zorn bestimmt, sondern zur Erlangung der Rettung“ (1Thess 5,9). An menschliche Maßstäbe ist Gott dabei nicht gebunden, denn er erwählt die aus menschlicher Perspektive Einfältigen, Schwachen und Unehrenhaften (1Kor 1,25ff). Nach seinem Willen rettet die Torheit der Kreuzespredigt, nicht menschliche Weisheit (1Kor 1,18ff), und die Menschheit spaltet sich auf in jene, die gerettet werden und jene, die verloren gehen (2Kor 2,15f).
Nicht zufällig kulminieren die paulinischen Gedanken zu Berufung und Verwerfung in Röm 9–11. Sie liegen hier in der Konsequenz des paulinischen Freiheitsbegriffes, der Israelproblematik und der Rechtfertigungslehre des Röm. Bereits die Überlegungen des Apostel zur endzeitlichen Bestimmung der Glaubenden und des Kosmos in Röm 8, 18ff laufen auf den Problemkomplex Prädestination zu. Es gilt: „Die er vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht“ (Röm 8,30). In Röm 9–11 vertritt Paulus eine doppelte Prädestination26. Gott beruft und verwirft, wen er will (vgl. Röm 9,16.18; vgl. ferner 2Kor 2,15). Sein auserwähltes Volk Israel wird geschlagen und wieder aufgerichtet, die Heiden bekommen Anteil am Heil, Gott vermag aber diesen neuen Zweig am Ölbaum auch wieder abzuschlagen (Röm 11,17–24). Damit kommt „zum Ausdruck, daß der Entschluß des Glaubens nicht wie andere Entschlüsse auf irgendwelche innerweltliche Motive zurückgeht, daß diese vielmehr angesichts der Begegnung des Kerygmas alle Motivationskraft verliert; d.h. zugleich, daß sich der Glaube nicht auf sich selbst berufen kann.“27 In dieser auf die glaubende Existenz des Einzelnen zentrierten Interpretation gehen die paulinischen Prädestinationsaussagen aber keinesfalls auf. Sie sind zuallererst theologische Sätze, die einen von Gott selbst in der Schrift geoffenbarten Sachverhalt mitteilen. Gott der Schöpfer kann in seiner unhinterfragbaren Freiheit nach seinem Willen erwählen und verwerfen. Der freie Wille ist somit für Paulus ausschließlich ein Prädikat Gottes. Der unendliche Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf begründet die spezifische Perspektive, von der aus Paulus den Menschen erfasst. Als Berufender tritt Gott dem Menschen entgegen, „Menschsein ist Berufensein und Angesprochensein durch Gott“28. Der Ruf Gottes begründet die christliche Existenz. Sie ist somit dem Menschen nicht verfügbar, vielmehr nur im Hören annehmbar. Das ὁ ϰαλέσας ἡμᾶς („der uns Berufende“) wird bei Paulus zu einem zentralen Gottesprädikat (vgl. 1Thess 2,12; 5,24; Gal 1,6; 5,8). Gott begegnet dem Menschen als berufendes Ich, dessen Willen sich in der Schrift kundtut29. Im Hinblick auf das Heil kann sich der Mensch deshalb immer nur als Empfangender und Beschenkter erfahren. Als Geschöpf ist er grundsätzlich nicht befähigt, Heil und Sinn zu entwerfen und zu verwirklichen. Will der Mensch sich selbst und seine Situation sachgemäß und realistisch verstehen und einschätzen, so muss er seine Geschöpflichkeit und damit seine Begrenztheit erkennen und ernst nehmen. Über Heil und Unheil entscheidet nicht das Geschöpf, sondern allein der Schöpfer.
Welche Funktion haben die Prädestinationsaussagen im Gesamtgefüge des paulinischen Denkens? Sie sind dem Apostel innerhalb seines Weltbildes vorgegeben, werden aber von ihm in unterschiedlicher Intensität aktiviert. Einerseits setzt Paulus Rettung, Verwerfung und Gericht in einem weiten Rahmen immer voraus, andererseits begibt er sich nur in Röm 9–11 in die argumentativen Tiefen und Abgründe dieses Themenkomplexes. Die besondere Gesprächssituation des Römerbriefes erfordert es, im Kontext der exklusiven Rechtfertigungslehre und der Israelthematik ausführlich auf die Prädestination einzugehen. Paulus zielt auf die Wahrung der Freiheit Gottes, deshalb betont er nachdrücklich eine theologische Grunderkenntnis: Gottes Handeln ist unabhängig von menschlichen Taten oder Voraussetzungen, sein Wille unserem Wollen immer vorgängig. Gottes Erwählungsgnade ist seine Rechtfertigungsgnade! Exklusive Rechtfertigungslehre und Prädestinationaussagen wahren somit gleichermaßen die Freiheit Gottes und die Unverfügbarkeit des Heils30. Dieses Argumentationsziel und die Beobachtung, dass die Prädestinationsaussagen in Röm 9–11 bei Paulus als eine Funktion der exklusiven Rechtfertigungslehre und der Israelthematik erscheinen, sollten davor warnen, sie in eine festgefügte, statische Prädestinationslehre zu zwängen. Zugleich gilt es gegen Relativierungs- und Nivellierungstendenzen festzuhalten, dass Paulus eine doppelte Prädestination vertritt: Der freie Wille ist im Hinblick auf das Heil ein Prädikat Gottes und nicht des Menschen. Heil und Unheil sind gleichermaßen allein im unhinterfragbaren Ratschluss Gottes begründet (anders Jak 1,13–15!). Allerdings stehen beide nicht gleichrangig nebeneinander, sondern Gottes universaler Heilswille wurde im Evangelium von Jesus Christus offenbar31, während Gottes Nein als Geheimnis der menschlichen Kenntnis entzogen ist.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.