Kitabı oku: «Ein Sommer mit Percy und Buffalo Bill», sayfa 3
Ich werde an etwas erinnert, das ich vergessen hatte
Ein paar Tage später lag ich im Achtersalon, dem Schlafzimmer meiner Eltern, auf der Bettcouch. Ich fand es herrlich, auf der Couch zu liegen und zuzuschauen, wie die Staubkörner im Licht, das durch das Fenster fiel, endlos auf und ab schwebten. Dabei stellte ich mir vor, es wären im Weltraum umherschwebende Monde und Planeten.
Über dem rechten Auge hatte ich inzwischen ein Pflaster, das mich erfahren, hart und weltgewandt aussehen ließ. Zumindest glaubte ich selbst das.
»Aber Schätzchen, was hast du denn da angestellt?«, hatte Mama gefragt, als ich mit meiner verwundeten Braue nach Hause gekommen war.
»»Hast Hast du du dich dich geprügelt?«, erkundigte erkundigte sich Großvater interessiert.
»Ja«, sagte ich.
»Mit einem Fisch«, teilte Klas mit, der mich nach Hause begleitet hatte.

Mein Bruder fand das sehr komisch. Manchmal war Klas nicht besonders feinfühlig. Papa erhob sich unwillig aus dem Liegestuhl, legte sein Kreuzworträtsel aus der Hand, säuberte die Wunde mit 96-prozentigem Zahnarztalkohol und klebte ein Pflaster darüber.

Dann kehrte er zu seinem Liegestuhl zurück und vertiefte sich wieder in das Kreuzworträtsel. Er kaute an einem Bleistiftende und kratzte sich am Ohr. Und das nannte er Erholung.
»Etwas, das Männer mit sich herumtragen«, sagte er.
»Wie viele Buchstaben?«, fragte Mama.
»Neun«, sagte Papa.
»Dann weiß ichʼs«, sagte Mama.
»Ich auch«, sagte mein Bruder.
»Keine Ahnung habt ihr. Und ihr haltet gefälligst den Mund, alle beide!«, sagte Papa.
Ich selbst verzog mich in den Achtersalon, guckte mich im Spiegel an und zerbrach mir den Kopf darüber, womit ich Pia zum Lachen bringen könnte. Am nächsten Tag lief ich in den Keller und holte zwanzig Exemplare von Das Beste herauf. Darin gab es naturwissenschaftliche Artikel, Novellen, schauerliche Kriegsgeschichten und Witze, die »Humor in Uniform« hießen und über die ich oft gelacht hatte.
Das tat ich jetzt auch. Anfangs lag ich auf dem Sofa und kicherte vor mich hin, während ich einen der Witze auswendig lernte. Anschließend baute ich mich vor dem ovalen Spiegel über der Kommode auf und übte, wie ich ihn vortragen würde.
»Da war mal ein Soldat, der hatte einen Stein im Schuh«, begann ich.
In diesem Moment klingelte das Telefon im Flur. Und kurz darauf betrat Mama ohne anzuklopfen den Salon.
»So, so, du lachst«, meinte sie.
»Klar, ich lerne gerade Witze auswendig«, sagte ich.
»Willst du einen hören?«
»Nein, jetzt nicht. Ich muss etwas mit dir besprechen, etwas, das nicht ganz so lustig ist. Weißt du, wer gerade angerufen hat?«
»Nein.«
»Percys Mutter. Sie war glänzender Laune.«
»Oh nein«, stöhnte ich.
»Doch, das war sie«, sagte Mama. »Sie war überglücklich, weil Percy uns besuchen würde und sie endlich mit ihrem Mann einen Campingurlaub machen könne, genau wie früher. Sie fragte, was Percy mitbringen soll, wenn er morgen kommt.«
»Morgen?«, wiederholte ich.
»Ja, genau, morgen«, sagte Mama. »Aber warum um Himmels willen hast du denn nichts davon gesagt, mein Junge?«
»Habʼs vergessen«, erklärte ich. »Hab in letzter Zeit so viel anderes zu tun gehabt.«
Und so war es ja auch.
Die Liebe sorgt zwar dafür, dass einem manches scheinbar Unwichtige im Gedächtnis bleibt, wie zum Beispiel ein Blick, ein Kopfsprung, ein Lachen, eine Armbewegung, der Duft eines Badetuchs.
Aber andere Sachen vertreibt sie dafür total aus dem Gedächtnis, nämlich zum Beispiel, dass man seinen besten Freund ins Haus seines cholerischen Großvaters eingeladen hat. Ich wusste nicht einmal, ob ich überhaupt noch wollte, dass Percy kommt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als würde er bei der Käfersuche und den Liebesdingen nur stören.
Mama schüttelte den Kopf.

»Manche Dinge darf man einfach nicht vergessen«, sagte sie. »Wenn Percys Mutter sich nicht so von Herzen gefreut hätte, hätte ich auf der Stelle Nein gesagt.«
»Aha«, sagte ich.
»Aber was hätte ich sagen sollen?«, fuhr sie fort. »Ich wurde ja völlig überrumpelt. Und dann ist morgen auch noch dein Geburtstag und alles.«
»Wirklich?«, fragte ich.
»Tu doch nicht so«, sagte Mama. »Alles Weitere besprechen wir beim Essen.«
Damit ging sie aus dem Zimmer. Ich angelte das Gebiss aus meiner Hosentasche und steckte es mir in den Mund. Als ich mich im Spiegel ansah, lächelten die Zähne von ganz allein. Ich sah echt komisch aus. Ha, ha!

Ich stieß ein heiseres Lachen aus, um mich selbst aufzumuntern. Dass ich meinen Geburtstag vergessen hatte, war bisher noch nie vorgekommen.
Dann ging ich in den Garten, sammelte zwölf Kohlweißlingsraupen in eine Tüte und überreichte sie Großvater, ohne auch nur eine Öre dafür zu verlangen. Ich zog zwei Eimer Wasser aus dem Brunnen. Ich lief zum Laden und kaufte Großmutter eine Schachtel Zigaretten.
Und ich bot Papa an, ihm bei seinem Kreuzworträtsel zu helfen. Aber das wollte er nicht.
Trotzdem war die Stimmung beim Abendessen nicht gerade berauschend. Im Nachbarhaus übte der Lehrer einen Choral für eine Beerdigung. Großvater kaute an seinen Schweinekoteletts. Wir Übrigen bekamen Dorsch in Eiersoße, auf Wunsch auch geriebenen Meerrettich dazu. Großmutter aß den Dorschkopf und stocherte mit gutem Appetit mit ihrer Gabel in dem gekochten Gehirn. »Was! Will Percy uns etwa besuchen?«, beschwerte sich mein Bruder. »Und wo soll dieser Idiot dann schlafen?
Als ob es nicht genug wäre, dass ich mit dem Dickwanst da das Zimmer teilen muss!«
Er deutete mit dem Messer auf mich.
»Na, na, Jan«, sagte Papa. »Ulf ist nicht dick. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass er sich in dieser Angelegenheit nicht korrekt verhalten hat. Ulf, eine solche Sache kannst du doch nicht einfach so selbstherrlich entscheiden, ist dir das klar?«
»Ja«, sagte ich, obwohl ich nicht so recht wusste, was selbstherrlich bedeutete. Jedenfalls begriff ich, dass es nichts Gutes war.
»Habe ich richtig gehört? Kommt noch jemand her?«, schrie Großvater, der schwerhörig war, vor allem wenn er sich aufs Essen konzentrierte.
»Ja, einer von Ulfs Klassenkameraden!«, erklärte Mama mit lauter Stimme. »Ein sehr netter Junge. Er heißt Percy und kommt morgen um zwölf mit dem Schiff.«
»Noch so ein Rotzbengel!«, brüllte Großvater, dass ihm die Soße nur so aus dem Mund spritzte. »Was glaubt ihr, was das hier ist? Eine Jugendherberge für dahergelaufene Lümmel?! Aber eins sag ich euch, wenn er mich ärgert, fährt er mit dem nächsten Schiff zurück, verstanden?«
»Warum musst du immer einen solchen Aufstand machen?«, fragte Großmutter.
»Weil«, sagte Großvater kauend. »Weil, weil … ich meine Ruhe haben will!«
Damit verließ er das Zimmer. Seine Koteletts nahm er mit.
Großmutter schob eine ihrer weichen weißen Locken aus der Stirn. Dann lutschte sie ein gekochtes Dorschauge aus, ihrer Ansicht nach das Beste vom ganzen Fisch. Meiner Ansicht nach schlimmer als ein Horrorfilm. Aber jetzt gerade machte es mir nicht so viel aus, weil ich an Percy denken musste.
Sogar bevor er überhaupt angekommen war, schaffte er es, alle auf die Palme zu bringen.
»Immerhin ist morgen mein Geburtstag«, sagte ich leise.
»Tja, besonders viele Geschenke wirst du wohl kaum kriegen«, meinte mein Bruder.
»Die kriege ich auch sonst meistens nicht«, sagte ich, was der Wahrheit entsprach.
Das war eben der Nachteil, wenn man im Juli Geburtstag hatte. Im »Konsum« oder in Ströms Gemischtwarenladen gab es nicht viel Geschenkmäßiges zu kaufen. Meistens endete es mit einem Skizzenblock, einer Schachtel Wachskreiden, einem ordentlichen Stück Gutskäse und einer Tafel Schokolade. Käse wünschte ich mir jedes Jahr. Ich liebte Käse. Manchmal gab es auch etwas, das meine Eltern aus der Stadt mitgebracht hatten.
»Von mir kriegst du einen Pferdebiss«, flüsterte mein Bruder. Ein Pferdebiss, das war, wenn einem jemand auf den Oberschenkel schlug und anschließend fest zukniff.
»Danke«, sagte ich.
»Ja, vielen Dank für dieses wirklich schmackhafte Essen«, sagte Papa, und das, obwohl er die halbe Portion auf dem Teller gelassen hatte.
Mama stand in der Küche und machte den Abwasch. Papa kehrte zu seinem Kreuzworträtsel zurück. Großmutter hatte sich auf ihrem Lieblingsstuhl am Fenster niedergelassen. Da saß sie, blickte über die Bäume und das Wasser hinaus und rauchte eine Zigarette in einer langen Zigarettenspitze.
Der Rauch ringelte sich zur Decke hinauf, blauweiß wie ihr üppiges Haar, das am Hinterkopf hochgesteckt war. Sie saß aufrecht da und sah aus wie jemand aus einem französischen Film.
»Mach mir bitte einen Rauchring«, bat ich.
Ohne zu antworten machte sie einen. Ich stellte mich hinter ihren Rücken und spähte ebenfalls zum Fenster hinaus. Draußen stand Großvater mit seinem fleckigen alten Hut und buddelte noch einen weiteren Stein aus der Erde, das tat er fast immer. Er grub die Brocken heraus, um noch mehr Land für seine Beete zu bekommen. Mit zornigen, ruckhaften Bewegungen stieß er den Spaten in die Erde.
»Großmutter«, sagte ich.
»Ja, was ist?«
»Warum ist Großvater eigentlich immer wütend?«
»Er ist, wie er ist«, meinte sie.
»Ist er schon immer so gewesen?«
»Nein, anfangs vielleicht nicht«, sagte sie nach einer Weile. »Als wir uns kennenlernten … da war er froh. Wahrscheinlich hoffte er, dass ich ihn irgendwann genauso gernhaben würde wie er mich.«
»Aber das hast du nicht?«
Darauf antwortete sie nicht, sondern sandte nur ein Rauchzeichen in die Luft.

»Aber warum hast du ihn dann geheiratet?«
»Du weißt doch, wie Großvater ist.«
»Wie denn?«
»Hartnäckig«, sagte Großmutter. »Wenn er sich erst mal was in den Kopf gesetzt hat, gibt er nicht auf. Und ich dachte … Ja, was dachte ich? Ich dachte wohl, dass er ja so viel unterwegs sein würde als Seemann.«
»Und war er das nicht?«
»Doch«, sagte Großmutter. »Doch, das war er … Aber von jeder Reise brachte er Geschenke mit, die er für mich gemacht hatte. Er schaute mich an und hoffte, dass ich mich freuen würde. Aber wie soll man froh wirken, wenn man sich nicht freut?«
»Weiß ich nicht.«
»Nein, kannst du auch nicht wissen. Jetzt hoffe ich nur, dass alles mit deinem kleinen Freund gut geht.«
»Das hoffe ich auch«, sagte ich.
An diesem Abend ging ich früh schlafen. Ich schloss die Augen und versuchte zu träumen, dass ich Pia einen Witz erzählte, über den sie so sehr lachen musste, dass sie mir in die Arme fiel. Doch das klappte nicht. Stattdessen träumte ich von Percy. Er stand ganz vorne im Bug eines Schärendampfers, winkte und rief mir etwas zu.
»Jetzt komme ich, Ulf!«, rief er.
Herrje, dachte ich.

Percy kommt an und Großvater zerschlägt einen Stuhl
Am nächsten Tag kam Percy mit dem Zwölfuhrschiff. Es war windig und regnete. Ich stand auf dem Dampfersteg und wartete unter Großmutters Regenschirm. Und er stand im Bug und winkte.
»Jetzt komme ich, Ulf!«, rief er, lange bevor das Schiff angelegt hatte.
Ich wusste nicht recht, ob ich traurig sein oder mich freuen sollte.
Er hatte eine abgeschnittene Hose an, Sandalen und eine rote Strickmütze. In der Hand hielt er einen ziemlich kleinen Koffer. Und außerdem hatte er einen Schwimmgurt aus Kork um den Bauch.
»Mensch, Ulf, bin ich froh, dass ich jetzt hier bin«, sagte er, nachdem er an Land gesprungen war. »Hab gewartet und gewartet. Meine Mutter hat einen Kalten Hund für uns gebacken. Und das hier hat mir ein Vetter geliehen.«
Stolz deutete er auf den Korkgurt.
»Hast du den während der ganzen Reise angehabt?«, fragte ich.
»Klar! Wer will denn schon ertrinken!«, sagte er. »Ich hab meinem Vater versprochen, dass ich schwimmen lerne, und zwar zwanzig Meter. Na, das will ich erst mal sehen, hat er gebrummt. Das wirst du auch, sagte ich. Wir haben um fünfzig Kronen gewettet. Was sagst du dazu?«
Ich sagte nichts.
Zum Spaß boxten wir uns gegenseitig in den Bauch, weil wir uns schon so lange nicht mehr gesehen hatten.
Wir gingen am Wartehäuschen vorbei. Dort drin hatte ich ein Herz ins Holz geritzt, in dem ULF + PIA stand.
Aber sicherheitshalber unter die Bank, wo niemand es sehen konnte.
Außerdem hatte ich geschrieben:
IM FALLE EINES FALLES
KLEBT KARLSSONS KLEBER ALLES,
SELBST GEBROCHENE HERZEN.
Das stand mit großen Buchstaben an der Wand. Aber das zeigte ich Percy nicht, wir schauten nicht einmal hin ein. Wir liefen an den alten Wracks vorbei, die im Wasser der Bucht langsam zerfielen, und stapften dann den steilen Pfad zum Haus hinauf.
Percy zog sich die Mütze über die Ohren und klapperte mit den Zähnen.

»An meinem Geburtstag regnet es fast immer«, bemerkte ich entschuldigend.
»Ach ja, natürlich. Glückwunsch!«, klapperte er. »Hab kein Geschenk mitgebracht, weil ich dachte, ich selbst könnte sozusagen das Geschenk sein.«
»Das bist du auch«, sagte ich. »Jetzt laufen wir rein und begrüßen Großvater. Aber vergiss nicht, was ich gesagt hab.«
»Was hast du denn gesagt?«
»Dass du vorsichtig sein musst. Wenn er sich aufregt, schnappt er nämlich total über.«
»Keine Angst«, sagte Percy und legte mir den Arm um die Schultern. »Ist es noch weit?«
»Nein. Hier ist es!«, sagte ich.
Wir waren oben angelangt, und vor unseren Nasen lag das weiße Haus. Percy blieb jäh stehen und stellte seinen Koffer in eine Pfütze. Er betrachtete die beiden Türme, die eigentlich Erker waren, und bewunderte das flache eingezäunte Dach.
»Das hier ist kein Haus, Ulf«, sagte er. »Das hier nenne ich ein Schloss.«
»Nenne es, wie du willst«, sagte ich. »Aber jetzt gehen wir rein!«
Großvater war im strömenden Regen auf seinen schmerzenden Knien im Beet herumgekrochen und hatte Erdbeeren für meine Torte gepflückt. Er selbst machte sich nichts aus Torte.
Und im Regen herumkriechen und nass werden fand er auch nicht gut.
Er wollte Dickmilch essen.
Wir saßen in Großmutters Salon und lauschten dem steten Ticken der Standuhr und dem beharrlichen Trommeln des Regens gegen das Dach. Die Erwachsenen tranken Kaffee, und wir, die weniger Erwachsenen, bekamen Himbeersaft.
Nachdem wir uns alle an den Tisch gesetzt hatten, deutete Großvater mit seinem kräftigen Zeigefinger auf Percy.
»Aha, und du bist also Percy«, meinte er.
»Ja«, sagte Percy.
»Du sollst ja so ein netter Junge sein«, fuhr Großvater fort. »Da kannst du mir gleich mal einen Teller Dickmilch bringen. Die Dickmilch steht im Kühlschrank im Flur. Einen tiefen Teller findest du im Küchenschrank, Löffel in der Schublade. In die Dickmilch kommt ein Esslöffel Zucker. Und eine Prise Ingwer. Die Gewürzdose steht auf dem Gewürzregal. Mach dich auf die Beine, Junge!«
»Aye, Aye, Käptʼn«, sagte Percy, obwohl Großvater nur Obermaschinist gewesen war.
Nach einigem Geklapper kam er mit Großvaters Teller zurück und salutierte.
»Sei nicht albern«, sagte Großvater. »Nimm dir ein Stück Torte und gib Ruh!«
Während Percy in der Küche war, hatte Mama die Kerzen auf der Torte angezündet. Jetzt pustete ich sie mit einem einzigen Atemzug aus, wie es sich gehörte. Denn dann durfte man sich etwas wünschen.
Und ich wusste genau, was ich mir wünschte.
»Was wünschst du dir denn, Ulf?«, fragte Großmutter.
»Das darf man nicht laut sagen, weil es dann nicht in Erfüllung geht«, sagte ich.
»Aber es fängt mit einem K an und hört mit zwei S auf und dazwischen steht ein U, stimmtʼs?«, sagte mein Bruder und trommelte mit dem Löffel auf seinem Kuchenteller.
»Stimmt ja gar nicht«, schrie ich. »Ich wünsche mir eine Dampfwalze, mit der ich dich überfahren kann!«
»Hört auf zu zanken«, sagte Papa. »Denkt daran, dass ich Urlaub habe.«
Daran dachte ich überhaupt nicht. Ich ließ mir genüsslich die Torte schmecken. Sie war mit Schlagsahne bedeckt und den Tortenboden hatte Mama eigenhändig gebacken. Alle bis auf Großvater aßen mit gutem Appetit davon. Großvater löffelte seine Dickmilch mit Ingwer. Plötzlich musste er niesen. Er nieste so sehr, dass er fast die Erdbeeren von der Torte gepustet hätte. Und dann nieste er weiter und sein Gesicht verfärbte sich rot und röter, bis sein runder Kahlkopf mit den Haarbüschelchen über den Ohren schließlich selbst fast wie eine Erdbeere aussah.
»War das hier deine Idee?«, fragte er Percy, als er zu Ende gegessen hatte.
»Was denn?«
»Keine Ausflüchte!«, sagte Großvater. »Irgendjemand hat mir Pfeffer statt Ingwer in meine Dickmilch gestreut. Warst du das?«
»Ja«, sagte Percy.
»Das war bestimmt ein Versehen«, sagte ich. »Er ist doch noch nie hier gewesen.«
»Das war kein Versehen«, meinte Percy. »Das war ein Scherz.«
Da erhob Großvater sich und starrte Percy durchdringend an.
»Hast du keine Angst vor mir?«, brüllte er.
»Nein«, sagte Percy und stand ebenfalls auf.
»Mach mich nicht wütend!«, rief Großvater und stampfte auf.
»Haben Sie denn keinen Humor?«, fragte Percy.
Da hob Großvater seinen Stuhl über den Kopf, einen Stuhl aus Eichenholz, einen soliden alten Stuhl, dessen Rückenlehne mit geschnitzten Löwenköpfen verziert war, der einen Ledersitz hatte und Beine, die in Löwenfüßen endeten.
»Aber jetzt!«, schrie Großvater. »Jetzt hast du doch Angst?«
»Nein«, sagte Percy.
Da schlug Großvater den Stuhl mit solcher Kraft gegen die Tischplatte, dass das Holz splitterte. Die Kaffeetassen und Gläser hüpften und die Stuhlbeine brachen ab. Mein Bruder wurde blass. Ich wurde blass. Und Papa wurde auch blass.
»Na? Jetzt bist du wohl ordentlich erschrocken, was?«, sagte Großvater in das große Schweigen hinein, das entstanden war.
»Nö«, sagte Percy.
Ich wagte fast nicht, Großvater anzusehen, konnte es mir dann aber doch nicht verkneifen. Seine Nasenflügel blähten sich. Er presste die Zähne so fest aufeinander, dass sein Gebiss zu knirschen begann. Sogar die weiß gepuderten Damen auf dem Bild überm Sofa sahen ein wenig nervös aus. Nur Percy wirkte nicht nervös. Er reckte das Kinn in die Luft.
Da lachte Großvater.
»Donnerwetter«, sagte er. »Du bist mir ein mutiger Knirps. Jetzt gehen wir in die Werkstatt und reparieren den Stuhl.«
Ich kam mit. In der Werkstatt hatte Großvater tausend Werkzeuge und nützliche Sachen: Sägen, Stemmeisen, Schraubengewinde, Traktorreifen, Maurerkellen, Hacken, Hämmer, Zwingen, Spaten, Zement, Brecheisen, Kupferdraht, Teerpappe und außerdem noch zwei Kisten mit krummen Nägeln, die er gerade zu klopfen pflegte, wenn er in der entsprechenden Stimmung war.

Percy und Großvater beugten sich über die Werkbank und versuchten die Stuhlbeine wieder zusammenzufügen.
»Das hat ganz schön gekracht, was?«, fragte Großvater lächelnd.
»Ja, war echt toll«, sagte Percy. »Soll ich hier eine Schraube reindrehen?«
»Genau das wollte ich gerade vorschlagen«, sagte Großvater.
Sie leimten die Teile zusammen. Ich half auch mit. Großvater schien es zu gefallen, dass er zwei Gehilfen bekommen hatte.
Als wir mit dem Stuhl fertig waren, hatte der Regen aufgehört.
Über der Bucht schimmerte ein Regenbogen, wie um meinen Geburtstag zu feiern.
»Na, das haben wir doch gut gemacht«, sagte Großvater und klopfte Percy auf die Schulter. »Falls du mal Zeit übrig hast, kannst du gern ein paar Nägel gerade klopfen.«
»Ja, das macht bestimmt Spaß«, sagte Percy.
Als wir zurückkamen, stand Jan in der Küche und trocknete Geschirr ab. Er warf Percy einen sauren Blick zu und tat so, als würde er sich mit zwei Schmeißfliegen unterhalten, die über dem Herd umhersummten.
»Und mit diesem Idioten muss man im selben Zimmer schlafen«, sagte er.
Die Schmeißfliegen sagten nichts.
»Muss nicht sein«, sagte Percy. »Ich kann überall schlafen. Das hab ich schon früher gemacht.«
»Du kannst in meinem Zimmer schlafen«, sagte Großvater.
»Danke«, sagte Percy.
Aber hinter ihm stand mein Bruder und hielt sich grinsend die Nase zu.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.