Kitabı oku: «Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften», sayfa 8
b) Insolvenzantragspflicht
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Im Gläubigerinteresse gem. § 15a InsO (siehe Rn. 186 ff.) sind die Geschäftsleiter, auch bloß faktische Geschäftsführer,[17] verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen. Wird diese Pflicht verletzt, so bestehen im Gläubigerinteresse Schadensersatzpflichten der Geschäftsleitung, entweder in Form einer Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, d.h. vom Insolvenzverwalter geltend zu machen (dazu Rn. 191 ff.), oder aber in Form einer unmittelbaren Außenhaftung gegenüber den Gläubigern (dazu Rn. 189 f.). Die bisherigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen gem. §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG wurden mit Wirkung zum 1.11.2008 aufgehoben und über den erwähnten § 15a InsO ins Insolvenzrecht verlagert. Diese Verlagerung in das Insolvenzrecht diente auch dazu, eine Anwendung der gläubigerschützenden Regeln des Kapitalgesellschaftsrechts auf Gesellschaften sicherzustellen, die in einer ausländischen Rechtsform gegründet, aber in Deutschland tätig sind.
c) Insoweit: keine Folgepflicht
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Für a) und b) gilt: die Geschäftsleitung darf sich, wenn sie durch einzelne Gesellschafter oder Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu einem Verstoß gegen diese Pflichten aufgefordert wird, diesen Aufforderungen oder Weisungen widersetzen, ohne ihre Treuepflicht zu verletzen. Wenn sie es nicht tut, so haftet sie der Gesellschaft im Interesse der Gläubiger auf Schadensersatz. Liegt dem Verstoß gegen die Pflichten allerdings ein entsprechender Beschluss der Gesellschafterversammlung zugrunde, so hat dieser immerhin eine Wirkung im Innenverhältnis: er befreit den Geschäftsleiter insoweit von seiner Haftung gegenüber der Gesellschaft, so dass der Geschäftsleiter von den Gesellschaftern verlangen kann, von seiner Haftung im Interesse der Gläubiger freigestellt zu werden!
3. Der unternehmerische Handlungsspielraum
a) Die Business Judgment Rule im amerikanischen Recht
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Soweit es nicht um die eben dargestellten besonderen Pflichten der Geschäftsleiter geht, sondern vielmehr um die alltägliche Geschäftsführung, haben die Geschäftsleiter zwar ebenfalls sorgfältig zu handeln. Doch ist ihr Spielraum für Entscheidungen hier deutlich weiter. Am besten kann man das anhand der aus dem amerikanischen Recht stammenden sog. Business Judgment Rule (BJR) erläutern. Nach amerikanischem Recht besteht nämlich die Regel, dass eine Entscheidung der Geschäftsführung sorgfaltsgemäß ist, wenn sie
– | in good faith, d.h. in gutem Glauben getroffen wird, |
– | auf Informationen basiert |
– | und im Interesse der Gesellschaft getroffen wurde. |
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Noch darüber hinaus besteht zugunsten der Geschäftsleiter eine Vermutung, dass sämtliche drei erforderlichen Elemente sorgfaltsgemäßen Verhaltens bei jeder Entscheidung vorgelegen haben. Kann diese Vermutung nicht im konkreten Fall widerlegt werden, so besteht keine Haftung der Mitglieder der Geschäftsleitung. Das ist der wesentliche Inhalt der sogenannten Business Judgment Rule (BJR).
b) Deutsches Recht
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Im deutschen Recht gilt letztlich das Gleiche wie in den Vereinigten Staaten, es wird aber etwas anders formuliert. Man lese dazu die Entscheidung des BGH im Fall ARAG/Garmenbeck.[18] Der Grundgedanke einer Einschränkung der Geschäftsleiterhaftung liegt in der Natur unternehmerischer Entscheidungen, nämlich den ihnen typischerweise innewohnenden Risiken. Der Richter soll nicht aus dem Eintritt eines Schadens auf seine schuldhafte Verursachung durch diejenigen zurückschließen, die zuvor entscheiden mussten und die Zukunft ja nur begrenzt vorhersehen können. Eigentlich eine einleuchtende Regel – oder? Das Problem ist nur, dass sich das einfacher schreibt (und liest) als es in der Praxis ist.
Beispiel:
Gewährt etwa der Vorstand einer AG einem Lieferanten einen ungesicherten Kredit, indem er Vorkasse für die gelieferten Waren leistet, dann kräht kein Hahn mehr danach, wenn die Lieferung anschließend tatsächlich eintrifft. Wird der Lieferant hingegen noch vor der Lieferung insolvent, so dass die Vorkasse verlustig geht, dann ist man schnell mit dem Vorwurf bei der Hand: „Das hättest Du, lieber Vorstand, doch vorhersehen müssen… Warum hast Du keine Sicherheiten verlangt?“ usw.
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Es ist also ganz wichtig, den Unterschied zwischen der sogenannten „Ex-ante-Perspektive“ und der „Ex-post-Perspektive“ zu verstehen. Der Richter handelt, wenn ihm ein Schadensfall zur Beurteilung vorgelegt wird, in Kenntnis eines tatsächlich eingetretenen Schadens. Er ist stets der Gefahr ausgesetzt, die Entscheidungssituation des Vorstands im Nachhinein wegen dieses Wissens verzerrt zu sehen. Seine nachträgliche Beurteilung leidet unter dem sogenannten hindsight bias, also der Gefahr einer verzerrten Wahrnehmung der Geschehensabläufe, wenn man sie erst aus der Rückschau und im Wissen um den Eintritt eines Schadens betrachtet.
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Wegen dieser Gefahr einer verzerrten Wahrnehmung besagt die Business Judgment Rule, dass der Richter gar nicht erst versuchen sollte, ex post zu beurteilen, wie der Geschäftsleiter ex ante hätte entscheiden sollen. Vielmehr soll er sich darauf beschränken zu untersuchen, ob der Geschäftsleiter sich ausreichend über die Gefahren der Entscheidung informiert hatte und die Entscheidung selbst nicht durch eigene Interessen des Geschäftsleiters unzulässig beeinflusst wurde. Die unternehmerische Entscheidung selbst aber wird – jedenfalls im amerikanischen Recht – gerade nicht überprüft.
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Das Urteil des BGH im ARAG/Garmenbeck-Fall hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Business Judgment Rule nun auch im deutschen Aktiengesetz zu verankern. Dabei hat er ursprünglich geplant, die Haftung des Vorstands einer AG auf grob fahrlässiges Handeln zu beschränken. Eine solche Regelung ist glücklicherweise nicht Gesetz geworden. Die Geschäftsleitung haftet nicht nur dann, wenn sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.[19]
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Es hängt vielmehr vor allem von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, welche Sorgfaltspflichten den Handelnden treffen. Nicht im Maß des Verschuldens, sondern in der Frage, welches die konkreten Anforderungen an den Handelnden waren, ist das Instrument einer Anpassung des Verschuldensmaßstabs an den Einzelfall zu sehen. Wichtiger als die neue Regelung sind daher zwei im deutschen Recht seit jeher geltende Rechtssätze, nämlich (1) dass aus dem Eintritt eines Schadens nicht auf die Pflichtwidrigkeit der schadenverursachenden Handlung zurückgeschlossen werden darf (§ 823 BGB, weil die Vorschrift eben Rechtsverletzung und Verschulden verlangt), sondern allenfalls auf die Kausalität einer Pflichtverletzung (§ 287 ZPO) für den eingetretenen Schaden. (2) Ferner ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Frage der Pflichtverletzung sich nach dem Zeitpunkt und den Umständen der Handlung oder Unterlassung des Vorstandsmitglieds bestimmt, nicht nach dem des Schadenseintritts. Aus diesen beiden Sätzen ergibt sich ebenso gut wie aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, dass es keine Erfolgshaftung der Geschäftsleitung für unternehmerische Entscheidungen geben kann.
c) Die Regelung der BJR in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG
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Mit der Regelung in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (bitte lesen!) wird – ähnlich wie im amerikanischen Recht – der Entscheidungsfindungsprozess betont: Es muss zunächst um eine unternehmerische Entscheidung gehen. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Handlung des Vorstands nicht gesetzlich determiniert ist, sondern es einer Entscheidung tatsächlich bedarf. Nicht um eine unternehmerische Entscheidung geht es etwa in den in Rn. 77 genannten Fällen: der Vorstand muss die Handelsbücher führen, rechtzeitig Insolvenzantrag stellen und darf nicht die in § 93 Abs. 3 AktG genannten Verstöße begehen. Der Vorstand muss ferner annehmen dürfen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Damit sind alle Fälle von dem Schutz der BJR ausgenommen, in denen der Vorstand durch seine Handlung eine Verletzung seiner Treuepflicht begeht (Rn. 66–75), also z.B. Geschäftschancen der Gesellschaft für sich verwertet. Schließlich muss er annehmen dürfen, auf der Grundlage angemessener Information zu handeln.
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Wann der Geschäftsleiter vernünftigerweise annehmen darf, ausreichend informiert zu sein, ist eine Frage, die nur im Kontext der konkret in Rede stehenden Entscheidung beantwortet werden kann. Insbesondere der gesetzliche Hinweis auf die „Vernünftigkeit“ erscheint besonders unvernünftig. Denn mit unvernünftigen Annahmen hat sich vor Gericht noch nie jemand gegen seine Haftung verteidigen können (Das Wort „vernünftig“ ist im Verlaufe des Gesetzesverfahrens an die Stelle des ursprünglich geplanten „ohne grobe Fahrlässigkeit“ getreten). Zu weitgehend ist es daher, wenn der BGH meint, es seien „alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen“.[20]
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Das Vorstandsmitglied trägt, abweichend von der sonst üblichen Beweislastverteilung im Zivilrecht, gem. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG die Beweislast dafür, dass es die erforderliche Sorgfalt angewandt hat. Will es seine Haftung unter Berufung auf die BJR ausschließen, muss es konsequenterweise auch nachweisen, dass sein Handeln den soeben genannten Voraussetzungen der BJR gerecht wird. Dies steht in einem Gegensatz zur US-amerikanischen Regelung, bei der von Anfang an vermutet wird, dass die besagten Voraussetzungen der BJR eingehalten wurden. Allerdings ist es im amerikanischen Recht für Kläger auch einfacher, an mögliche Beweise für die Nichteinhaltung der Voraussetzungen der BJR zu kommen.
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Für den Geschäftsführer einer GmbH gilt letztlich nichts anderes, obwohl die Vorschrift des § 43 Abs. 1 GmbHG bei Einführung der BJR im Aktienrecht nicht geändert wurde. Auch hier trägt zwar der Geschäftsführer die Beweislast für das (Nicht)vorliegen einer Pflichtverletzung.[21] Die Regel des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ist jedoch analog auf den Geschäftsführer der GmbH anzuwenden. Damit gelten die Voraussetzungen des Eingreifens der BJR und ihre Folgen insgesamt rechtsformübergreifend in AG und GmbH.[22] In diesem Sinne ist auch eine Entscheidung des LG Düsseldorf[23] zu verstehen: Der Geschäftsführer einer GmbH macht sich nicht ohne weiteres gegenüber der GmbH schadensersatzpflichtig, wenn er riskante Geschäfte tätigt und die GmbH hierbei Verluste erleidet. Eine Haftung kommt nur in Betracht, wenn der Geschäftsführer nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vorgegangen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Eingehen von Risiken nicht schlechthin sorgfaltswidrig ist, sondern zur unternehmerischen Tätigkeit gehört und zwingend mit der Gefahr von Fehleinschätzungen verbunden ist.
Teil 2 Die Organisation der Kapitalgesellschaft › § 4 Pflichten, Haftung und Überwachung der Geschäftsführung › III. Haftung der Organmitglieder
III. Haftung der Organmitglieder
1. Haftung der Mitglieder der Geschäftsleitung nach außen und innen[24]
a) Anspruchsgrundlagen der Gläubiger gegen die Geschäftsleitungsmitglieder im Außenverhältnis
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Mit folgenden Ansprüchen können die Gläubiger direkt gegen die Geschäftsleiter vorgehen:
aa) §§ 280, 311 BGB (culpa in contrahendo) bei Inanspruchnahme besonderen Vertrauens durch das Mitglied der Geschäftsleitung,
bb) § 823 Abs. 1 BGB bei unmittelbarer Schädigung eines Dritten durch das Mitglied der Geschäftsleitung,
cc) § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO bei zu später Stellung des Insolvenzantrages (a) auf den Quotenschaden für die Altgläubiger (b) unbeschränkt auf das negative Interesse für die Neugläubiger,
dd) § 826 BGB bei sittenwidriger Schädigung der Gläubiger, die schon in allzu sorgloser Geschäftsführung bestehen kann, wenn er dabei mit der Insolvenz der GmbH rechnet.
Zu diesen Ansprüchen werden Details im Teil 3 (Gläubigerschutz) erörtert.
b) Anspruchsgrundlagen im Innenverhältnis
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Soweit die Geschäftsleiter ihre Pflichten verletzt haben, indem sie den unternehmerischen Handlungsspielraum überschritten haben, bestehen Ansprüche der Gesellschaft auf Ersatz des verursachten Schadens. Die Haftung setzt (nur) eine verschuldete Pflichtverletzung und den Eintritt eines Schadens voraus. Für Geschäftsführer einer GmbH ergibt sich das aus § 43 Abs. 2 GmbHG; ein Anspruch der Aktiengesellschaft gegen Vorstandsmitglieder besteht nach § 93 Abs. 2 AktG.
Da Anspruchsinhaber die Gesellschaft ist, können im Ausgangspunkt weder Gläubiger noch Gesellschafter den Geschäftsleiter unmittelbar verklagen. Sie können allenfalls den Anspruch der Gesellschaft pfänden. In einer eventuellen Insolvenz werden die Ansprüche vom Insolvenzverwalter geltend gemacht. Bei der GmbH bleibt es bei dieser Ausgangslage, die Gläubiger einer Aktiengesellschaft können auch vor einem Insolvenzverfahren direkt gegen den Vorstand vorgehen und Zahlung des nur der Gesellschaft geschuldeten Schadensersatzbetrags an sich verlangen. Voraussetzung dafür ist, dass sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können. Die Gesellschaft muss sich also in einer Krise befinden, d.h. irgendwo zwischen Zahlungsunwilligkeit und fruchtlosem Vollstreckungsversuch. Jedenfalls aber nach einem fruchtlosen Vollstreckungsversuch ist diese Voraussetzung gegeben. Hinter der Regelung steht die (berechtigte) Befürchtung des Gesetzgebers, dass die Durchsetzung der Gesellschaftsansprüche gegen den Vorstand nicht funktioniert (dazu Rn. 119 ff.). Freilich wird es für außenstehende Gläubiger noch schwerer als für Aktionäre sein, eine konkrete schadensverursachende Handlung des Vorstands darzulegen.
c) Haftung von Strohmännern und faktischen Geschäftsleitern
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Sog. Strohmann-Geschäftsleiter sind Personen, die von der eigentlich die Gesellschaft leitenden Person, z.B. aus steuerlichen Gründen, vorgeschoben werden. Sie werden formal zum Mitglied eines Organs der Gesellschaft bestellt, ohne sich anschließend um die Geschäfte zu kümmern. Solche Personen werden in der Regel von den Gerichten nicht etwa aus der Haftung entlassen, weil sie nur Strohmänner waren. Dabei ist allerdings streng zwischen einer unmittelbaren persönlichen Haftung gegenüber den Gläubigern im Außenverhältnis und der Haftung im Gläubigerinteresse gegenüber der GmbH im Innenverhältnis zu unterscheiden. Bei Ersterer lässt der BGH eine Haftungsbefreiung regelmäßig nicht zu.[25]
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Faktische Geschäftsleiter sind das Gegenstück zum Strohmann. Sie sind nicht formal bestellt, üben aber praktisch die Funktionen aus, die der Strohmann-Geschäftsleiter ausüben sollte. Ist das der Fall, werden sie haftungsrechtlich wie der bestellte Geschäftsleiter behandelt. Diese Ausübung von Funktionen muss über die bloße Einwirkung auf den nach der Satzung bestellten Geschäftsleiter deutlich hinausgehen, um den faktischen Geschäftsleiter wie einen bestellten Geschäftsführer in die Haftung nehmen zu können. Er muss „die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand genommen haben“. Der BGH verlangt dazu ein Auftreten nach außen.[26] Die interne Einwirkung auf den satzungsgemäß bestellten Geschäftsführer kann aber zu einer Haftung des Einwirkenden als Anstifter oder Gehilfe führen gem. § 830 Abs. 2 BGB.[27]
2. Ausschluss der Haftung durch Entscheidung der Gesellschafter
a) Aktiengesellschaft
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Praktisch wichtig ist die Möglichkeit, dass die Gesellschaft auf die Haftung des Geschäftsleiters verzichtet. Soweit es nicht um Interessen der Gläubiger geht, der Schaden die Gesellschaft also noch nicht an den Rand der Insolvenz bringt, trifft der Schaden nur die Gesellschaft und damit die Gesellschafter. Also müssen die Gesellschafter auch auf den Ersatzanspruch verzichten oder ihn einschränken dürfen, z.B. weil sie den Geschäftsführer auch künftig noch halten wollen.
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In der AG regelt entsprechendes § 93 Abs. 4 AktG. Ex ante ist gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ein Verzicht auf die Haftung möglich. Den nachträglichen Verzicht auf die Haftung (Verzicht ex post) regelt dagegen § 93 Abs. 4 S. 3 und 4 AktG. Hier kommt erst nach 3 Jahren ein Verzicht durch Beschluss der Hauptversammlung in Frage und auch dann nicht, wenn nur eine 10 %ige Minderheit etwas dagegen hat. Diese Unterscheidung zwischen Verzicht ex ante und ex post rechtfertigt sich durch die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung derartiger Ansprüche (vgl. unten Rn. 119 ff.): Wissen die Gesellschafter vorher, um was es geht, dann ist die Handlung des Geschäftsleiters letztlich ihre eigene Entscheidung und geht damit auf ihr Risiko. Geht die Maßnahme schief, tragen dementsprechend auch sie die Verantwortung (in Form von Verlusten der AG). Wissen sie aber vorher nicht, was der Geschäftsleiter vorhat, dann besteht die Gefahr, dass sie von dem konkreten Fehlverhalten der Geschäftsleitung keine Details erfahren und mit einem Verzichtsbeschluss überrumpelt werden (oder woher sollen die Aktionäre eines großen Telekommunikationsunternehmens wissen, ob, wann und wie genau ein (ehemaliges) Vorstandsmitglied vielleicht durch unsorgfältiges Verhalten die Gesellschaft geschädigt hat?). Deshalb sind in § 93 Abs. 4 AktG eine lange Frist und ein gewisser Minderheitenschutz geregelt.
b) GmbH
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In der GmbH ist die Frage nicht explizit geregelt, es lassen sich aber Rückschlüsse aus § 43 Abs. 3 GmbHG ziehen, der im Interesse der Gläubiger den Ausschluss der und den Verzicht auf die Haftung verbietet. Diese Vorschrift besagt im Umkehrschluss, dass – außerhalb einer Gefährdung der Gläubiger – sowohl ex ante als auch ex post – die Haftung des Geschäftsführers durch Gesellschafterbeschluss unproblematisch ausgeschlossen werden kann. In der GmbH mit ihren weitreichenden Informationsmöglichkeiten (siehe dazu noch unten Rn. 377) für die Gesellschafter besteht das für die AG angesprochene Problem einer Überrumpelung nur in geringerem Umfang; sie müssen sich nach der gesetzlichen Regelung selbst schützen, indem sie den Geschäftsführer ausreichend kontrollieren.
c) Ergebnis
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Die Geschäftsleitung haftet bei Sorgfaltspflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft im Interesse der Gesellschafter nur, (1) wenn die Gesellschafter das wollen (und nicht durch Beschluss nachträglich darauf verzichten) und (2) wenn die Gesellschafter die Maßnahme nicht vorher gebilligt haben, (3) es sei denn es handelt sich um Verstöße gegen gläubigerschützende Vorschriften.
Teil 2 Die Organisation der Kapitalgesellschaft › § 4 Pflichten, Haftung und Überwachung der Geschäftsführung › IV. Überwachung der Geschäftsführung
IV. Überwachung der Geschäftsführung
1. Überwachung durch die übrigen Organe
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Die Kontrolle der Geschäftsleitung ist vor allem die Aufgabe des Aufsichtsrates, zwingend in der Aktiengesellschaft gem. § 111 AktG und in der GmbH, soweit er dort nach § 52 GmbHG freiwillig gebildet wird.[28] Hauptinstrumente der Überwachung durch den Aufsichtsrat sind zum einen die Informationsrechte gem. § 111 Abs. 2 S. 1 AktG einschließlich der Möglichkeit, Berichte anzufordern und (erst seit 1998) dem Recht, den Abschlussprüfer zu beauftragen. Zum anderen sind es Zustimmungsvorbehalte, die gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG durch den Aufsichtsrat oder in der Satzung festgelegt werden.[29] Mit ihrer Hilfe kann der Aufsichtsrat erreichen, dass bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen nicht gegen sein Veto durchgeführt werden. An der Vertretungsbefugnis der Geschäftsleitung ändert das freilich nichts (vgl. die Lösung zu Fall 4 Rn. 63). Auch kann der Aufsichtsrat nicht Maßnahmen der Geschäftsführung an sich ziehen (§ 111 Abs. 4 S. 1 AktG).
Soweit in der GmbH kein Aufsichtsrat besteht, müssen die Gesellschafter selbst durch Wahrnehmung ihrer Rechte die notwendige Überwachung der Geschäftsführer leisten (zu den weitgehenden Rechten der Gesellschafterversammlung vgl. unten Rn. 404 f., zu denen der GmbH-Gesellschafter Rn. 505 f., 692 f.).