Kitabı oku: «Lustige Läufer leben länger - oder zumindest besser»

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Knoll • Lustige Läufer leben länger


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© 2018 Arete Verlag Christian Becker, Hildesheim

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Layout, Satz und Umschlaggestaltung: Composizione Katrin Rampp, Kempten

Titelfoto: fotolia/Martin Schlecht

Druck und Verarbeitung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-942468-99-2

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1

Ein kluger Arzt gründet eine Laufgruppe und weckt Aufmerksamkeit

Kapitel 2

Gesundheitliche Aspekte und Verunsicherung durch einen Laufpapst

Kapitel 3

Runden auf dem Sportplatz und zunehmende Freude beim Laufen im Gelände

Kapitel 4

Läuferische Fortschritte und Erkenntnisse aus dem Buch „Bewegungstraining“ von Dr. Kenneth Cooper

Kapitel 5

Neue Laufstrecken, Erlebnisse mit Hunden und eine kleine Weihnachtsgeschichte

Kapitel 6

Was den gemeinen Läufer neben dem Laufen sonst noch alles bewegt

Kapitel 7

Von Läufertypen, Moden, Plattitüden und Ängsten

Kapitel 8

Laufen im Wald von Fontainebleau und zwei Marathons in Paris

Kapitel 9

Laufen reloaded: Meditation, physische und mentale Fitness, Lebensqualität

Kapitel 10

Motivations- und Laufkrise nach der Rückkehr ins Frankenland

Kapitel 11

Laufen im Fichtelgebirge

Kapitel 12

London Marathon

Kapitel 13

Unglaubliches Indien oder Laufen bei über 40°

Kapitel 14

Laufen überall – 10 Läufe, die mir in Erinnerung bleiben

Kapitel 15

Wenn es nicht rund läuft und wenn der innere Schweinehund siegt

Kapitel 16

Freundschaft mit einem fröhlichen Ultraläufer und Hamburg Marathon

Kapitel 17

Sponsored Runs – Laufen in der und für die Gemeinschaft

Kapitel 18

Und weil es gar so schön läuft: noch drei weitere Marathons

Kapitel 19

Ausklang: Ein Leben ohne Laufen geht auch im Alter nicht

Vorwort

Nordostoberfranken, Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts – eine läuferische Einöde

Ich komme aus Nordostoberfranken. Das ist eine Region im Nordosten Bayerns, über die die Menschen im Lande und insbesondere in den Metropolen der Republik nicht viel oder gar nichts wissen.

Nordostoberfranken ist auf einer Deutschlandkarte leicht zu finden. Es liegt dort, wo im Fernsehwetterbericht häufig die kältesten Temperaturen des jeweiligen Tages oder der jeweiligen Nacht angezeigt werden. Böswillige Zeitgenossen behaupten, dass es in Nordostoberfranken so gut wie immer ein paar Grad kälter ist als anderswo in Deutschland. Noch Böswilligere meinen, dass es eine triste, abgelegene und nach der Wiedervereinigung Deutschlands vollends abgehängte Region ist, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Von den Menschen dort heißt es, dass sie sich ebenso herb wie die Landschaft geben.

Es stimmt, Nordostoberfranken, das sich heutzutage etwas hochtrabend als „Hochfranken“ vermarktet, liegt geografisch im Abseits und es dauert selbst in digitalen Zeiten immer eine Weile, bis sich Trends, welcher Art auch immer, dort verbreiten. Das sehe ich nicht negativ, denn man sollte schließlich nicht jedem Trend sofort „hinterherlaufen“. Nicht umsonst sind Begriffe wie „Entschleunigung“ und „Nachhaltigkeit“ in diesen wirren Zeiten in den urbaneren Regionen der Republik häufig gebrauchte und ebenso häufig missbrauchte Begriffe.

Mir jedenfalls haben die Landschaften dieses Grenzgebietes zur Tschechischen Republik und damals – also vor der Wiedervereinigung – auch zur DDR immer gefallen. Ich war und bin gerne in Nordostoberfranken unterwegs, bin dort aufgewachsen, habe meine Jugendzeit da verbracht, bin zur Schule gegangen und nach der Universität zunächst für einige Jahre – ebenfalls gerne – zurückgekehrt, um in der Region zu arbeiten.

Gewiss, rein läuferisch gesehen war es zweifellos ein Nachteil, in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Nordostoberfranken zu leben, denn Joggen oder Laufen war dort nicht angesagt, das war damals eher ein beginnender Trend in den Großstädten, wenn überhaupt. Im nordöstlichsten Teil Bayerns jedenfalls sah man bis Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts nur sehr wenige Läufer durch Wald und Flur eilen, in den Städten dieses Landstrichs überhaupt keine.

*

Ich bin nicht sonderlich sportlich, aber bewegungsfreudig. Das Laufen war mir von der Konstitution her gesehen nicht in die Wiege gelegt, ich musste es mir erwerben, manchmal mühsam. Später hat es weite Strecken meines Lebens erfreulich mitgeprägt.

Der Titel „Lustige Läufer leben länger – oder zumindest besser“ ist natürlich prekär, denn wenn ich morgen, nach über 40 Jahren Laufen, trotzdem krank werden oder tot umfallen sollte, werden einige lauffaule und bequeme Zeitgenossen – vielleicht sogar mit Häme – anmerken, dass mir das recht geschähe und mir also das viele, lebenslange Laufen doch nichts genützt habe. Damit muss ich leben, eventuell auch sterben.

Manche würden statt der vier „L“ des Titels vielleicht nur drei „L“ bevorzugen, also die verkürzte Version „Läufer leben vielleicht nicht länger – aber besser“ akzeptieren. Muss man für das Laufen noch obendrein „lustig“ sein? Bin ich überhaupt lustig? Natürlich nicht immer. Aber die Alliteration ist allzu schön und Humor und ironische Distanz zu den Dingen sind neben dem Laufen meiner Meinung nach ebenfalls gesund und tragen durchs Leben.

Meine einstige Entscheidung für lebenslanges Laufen war eine der besten, die ich getroffen habe. Diese Erkenntnis möchte ich vermitteln und ich hoffe, es gelingt mir, ein paar weitere, vielleicht ebenfalls durchschnittlich oder nur unterdurchschnittlich begabte Zeitgenossen und Nichtläufer für das Laufen zu interessieren und zu gewinnen, nicht primär durch medizinische, physische, physiologische oder sonstige durchaus triftige Argumente, sondern durch die Schilderung von Erlebnissen und Gedanken, die ich ohne das Laufen nicht gehabt hätte und für die allein es sich schon gelohnt hat, ein Leben lang zu laufen.

Damit nochmals kurz zur Frage, wieso ein durchschnittlich sportlicher, durchschnittsgewichtiger, durchschnittlich laufbegabter Mensch ein Buch über lebenslanges Laufen schreibt. Sollte er das nicht lieber den Experten überlassen, den leptosomen, sich gesund ernährenden, täglich trainierenden, asketischen Läufern?

Nein, ich denke, das sollte er nicht. Bücher über Ausdauerlaufen und Joggen von ausgewiesenen Superläufern mit Supertipps zum Laufen gibt es schon genug. Sie sind oft gut gemacht und fundiert, aber bilden sie die Realität des Laufens für den erwähnten Durchschnittsmenschen ab? Ist, wenn man ihnen denn folgt oder folgen kann, das Scheitern nicht oft schon vorprogrammiert, weil die Messlatte hoch gelegt ist? Denn mal ehrlich: Wer will oder kann schon komplexen Trainingsplänen folgen, jeden Tag laufen, möglichst noch dazu lange Strecken, jahrein, jahraus, dabei auf viele kulinarische Genüsse bewusst verzichten?

Ich jedenfalls nicht. Und doch laufe ich nun schon über 40 Jahre, relativ konsequent, mit unterschiedlicher Laune und wechselnder Form. Mit nunmehr fast 70 Jahren bin ich selbstverständlich langsamer geworden, immer wieder habe ich statische Probleme, mal zwickt es hier, mal da. Das Alter fordert seinen Tribut. Trotzdem weiß ich: Das Laufen hat mein gesamtes Leben zum Positiven verändert und mir buchstäblich viel mit auf den Weg gegeben. Ich würde es niemals missen wollen. Und ich weiß ebenfalls genau: Mit Freude und Genuss laufen kann wirklich jeder. Zumindest sollte es ein jeder einmal ausprobieren, ihm eine Chance geben.

Und damit: Viel Spaß beim Lesen und hoffentlich auch beim Laufen.

Kapitel 1

Ein kluger Arzt gründet eine Laufgruppe und weckt Aufmerksamkeit

Vor circa 40 Jahren, also gegen Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, fanden sich in der Regionalzeitung „Frankenpost“ im bayerischen Nordostoberfranken immer wieder einmal Artikel über Langlaufen im Sinne von lockerem Joggen. Das war ein Novum, denn damals interessierte sich kaum ein Mensch für Ausdauerlauf. Langlauf wurde als eine triviale, gleichsam eigenartige, ja exotische Sportart betrachtet. Nur sehr selten sah man damals auf den Straßen oder irgendwo im Wald oder Gelände Läufer. Meist waren das in den Augen der Bevölkerung eigenartige Zeitgenossen: eigenbrötlerisch, überschlank, kauzig und schrullig zugleich, also irgendwie neben der Kappe. Eine richtige Gruppe von Läufern sah man schon gar nicht.

Ich war damals um die 27 Jahre alt, relativ fit, aber kein sonderlicher Sportler. Wir spielten ab und zu Fußball, fuhren aus Spaß Rad, gingen im Sommer ins Freibad. Viel lieber suchten wir aber zum Kicker- und Flipperspielen Wirtshäuser auf, die es in den Hochzeiten des Rauchens noch an jeder Ecke der Stadt gab, oder gingen als Zuschauer auf den Fußballplatz, um dort über Spieler und Schiedsrichter zu maulen und zu meckern. Auf richtige und konsequente sportliche Betätigung legten wir keinen Wert, auf Langlauf als Freizeitidee oder im Rahmen eines Fitnessprogramms wären weder meine Freunde noch ich jemals gekommen. Den Begriff Langlauf assoziierten wir allerhöchstens mit gemütlichem Skilanglauf in der verschneiten Winterlandschaft.

Wir lebten jedenfalls in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts weder bewegungstechnisch noch ernährungsmäßig sonderlich gesund und teilten diese Haltung mit dem Großteil der Bevölkerung.

Als intensiver Zeitungsleser stieß ich nun also im Lokalteil der „Frankenpost“ überraschenderweise hin und wieder auf Artikel über eine Langlaufinitiative, die auf den Chefarzt eines Krankenhauses, einen Dr. Heinz Laubmann, zurückging. Diesem gelang es im Laufe der Zeit, das Thema Langlauf publizistisch in der Regionalpresse zu platzieren und zumindest einige wenige potenzielle Läufer für seine Idee vom gesunden Dauerlauf zu gewinnen. Ab und zu erschienen Artikel über irgendwelche Gruppenläufe im Umland der Städte Hof, Naila und Rehau, im Frankenwald und Fichtelgebirge. Fotos zeigten Läufer in Gruppen, die fröhlichen Gesichts und leichten Fußes im Gelände umher trabten. Aus heutigem Blickwinkel sahen diese Läufer eher wie urige Waldschrate aus und ihre Klamotten waren wenig stylish.

Der Chefarzt erlangte mit seinen Thesen vom Laufen als dauerhaftes, unkompliziertes Fitness-Programm immer mehr Interesse. Er gab Interviews und schließlich hielt das Thema in der Alltagsdiskussion in der Region Einzug, selbst an den Stammtischen der Kneipen. Immer mehr Menschen schien zumindest ansatzweise bewusst zu werden, dass mit ihrer Lebensweise etwas nicht stimmte, dass sie sich falsch ernährten und zu wenig bewegten. Vom langen Laufen wurde Erfreuliches berichtet. Wenn man ausdauernd lief, so hieß es, erlangte man angeblich lebenslange Fitness, dauerhaften Gewichtsverlust, man wehrte Krankheiten aller Art ab und konnte im Anschluss an den Lauftreff immer noch ein geselliges Beisammensein in der Gruppe nach dem Motto „Lustige Läufer leben länger“ genießen. Dr. Laubmanns Maxime lautete: „20 Jahre lang 40 bleiben.“

Mein Interesse war milde geweckt, wenngleich zunächst noch rein theoretischer Natur. Ich sagte mir aber, dass ein Chefarzt, noch dazu ein Internist, ja sicherlich gewichtige Argumente für das von ihm propagierte Laufen haben würde und verfolgte die Aktivitäten der Laubmannschen Langlaufgruppe von da an zumindest auf dem Papier.

In mehreren oberfränkischen Orten wurden Laufgruppen gegründet. Die Langlaufbewegung entwickelte sich zwar noch keineswegs flächendeckend, gewann aber an Dynamik. Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt nach wie vor ein rein potenzieller Läufer, also kein richtiger, sondern sozusagen nur ein vager Sympathisant, der früher im Gymnasium höchstens die eine oder andere Sportplatzrunde gelaufen war, und das auch nur, weil es der Sportlehrer so wollte und uns, sollten wir uns weigern sie zu laufen, mit einer schlechten Note drohte. Meistens hielten uns die Drohungen nicht davon ab, im Sportunterricht nur Blödsinn zu treiben, es sei denn, wir durften Fußball spielen. Während des Studiums ging es dann bewegungstechnisch endgültig bergab, der Weg in die Kneipe war das Maximum.

Jetzt kam also dieser Dr. Laubmann mit seinen Thesen vom gesunden Laufen daher. Da ich sowieso einmal einen medizinischen Checkup machen lassen wollte, verfiel ich auf die Idee, diesen Laufguru aufzusuchen. Erstaunlicherweise hatte er in seinem Krankenhaus sofort einen Termin frei und ich unterlief die üblichen Untersuchungen, also Blutanalyse, Belastungs-EKG, Ultraschall und so weiter. Er zeigte sich mit den Resultaten zufrieden, war im persönlichen Gespräch offen, sympathisch und gewinnend. Ich war gespannt, ob er mich bei dieser Gelegenheit zum Laufen bewegen wollte, was ja aufgrund seiner umtriebigen Aktivitäten auf der Hand lag. Ich erinnere mich noch recht genau an unser Gespräch:

„Also, das sieht ja alles recht ordentlich bei Ihnen aus. Könnte aber noch besser sein, denn Sie sind ja noch jung. Das eine oder andere Pfund zu viel wiegen Sie auch, aber das wissen Sie sicher selbst. Laktatwerte und Blutfette sind im Großen und Ganzen in Ordnung, aber die könnten Sie trotzdem noch deutlich optimieren. Das HDL könnte durchaus noch ein bisschen höher sein und die Gesamtcholesterinwerte etwas niedriger. Wohlstandsbürgerwerte halt, haha.“

„???“

„Gut, können Sie vielleicht nicht wissen. Also nochmal für den Laien. Das HDL ist das sogenannte gute Cholesterin, das LDL das schlechte. Zusammen ergeben sie das Gesamtcholesterin. Das sollte nicht zu hoch sein. Aber darum allein geht es gar nicht. Wichtig ist: Je höher das HDL, desto geringer die Gefahr einer koronaren Erkrankung.“

„Aha. Und wie soll ich das steigern?“

„Ganz einfach: Fangen Sie mit dem Laufen an. Konsequent und kontinuierlich. Dann werden Sie schon nach wenigen Monaten eine Veränderung sehen.“

„Mmh.“

Der Doktor war vom Laufen besessen, das war spürbar. Und: Er war seiner Zeit weit voraus. Heute weiß jeder Alltagsläufer, jeder einigermaßen an Gesundheit Interessierte über High Density Lipoprotein, Low Density Lipoprotein, Gesamtcholesterin und Triglyzeride halbwegs Bescheid. Damals war das keineswegs der Fall. Es wusste auch kaum einer etwas über ungesättigte Fettsäuren, den Nutzen von nativem, kalt extrahiertem Olivenöl, gutem Rotwein, vegetarischer oder gar veganer Ernährung.

„Durch regelmäßiges Laufen ohne zu schnaufen senken Sie nicht nur die Blutfettwerte. Wenn Sie das tun, dann wirkt sich das, wie gesagt, günstig auf Ihre Leistungsfähigkeit, auf die koronare Geschmeidigkeit und damit Ihre Ausdauer aus. Sie trainieren zudem die Kollateralen.“

„Als da sind?“

„All die kleineren Blutgefäße am Herzen, die lebenslang Entlastung schaffen können.“

Er begann damit, etwas auf einen Notizblock zu krakeln.

„Schauen Sie, das ist der Querschnitt eines Blutgefäßes. Im Laufe des Lebens kann es zu immer mehr Ablagerungen an den Gefäßwänden kommen. Wenn sich jemand zu wenig bewegt, besteht die Gefahr, dass sich Blutgefäße zunehmend verengen, sozusagen zuklumpen.

„Und dann?“, fragte ich in meiner Naivität.

„Dann drohen Infarkt und Schlaganfall“, gab er lächelnd zurück.

„Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“

„Das tun die wenigsten. Aber keine Angst, dahin ist es ein weiter Weg. Doch wenn Sie laufen, reduzieren Sie dieses Risiko ungemein. Fangen Sie damit an. Ich glaube zu wissen, wovon ich rede.“

Der Doktor lächelte gewinnend.

„Und wie lang, und wie oft?“

„Fangen Sie ganz, ganz langsam an, kurze Strecken, abwechselnd gehen und laufen. Steigern Sie das ganz vorsichtig und behutsam, überanstrengen Sie sich nicht. Wenn Sie ins Schnaufen kommen, dann reduzieren Sie das Tempo. Viele machen den Fehler zu schnell zu laufen. Sie sollten sich beim Laufen noch unterhalten können. Laufen Sie drei oder viermal in der Woche. Sie können ja auch zu uns in eine Laufgruppe kommen, Gemeinsam geht alles leichter.“

„Hm, mal sehen. Gibt es sonst etwas Spezielles zu beachten? Besondere Schuhe oder Kleidung?“

„Ach was. Fangen Sie doch einfach mal an. Nehmen Sie Ihre alte Trainingshose oder Shorts und Ihre Turnschuhe und laufen Sie los. Ganz einfach so, ohne Aufwand.“

„Einfach so?“

„Genau. Und wirklich ganz langsam. Gehen Sie zwischendurch immer wieder einmal ein paar Schritte.“

Ich bedankte mich, sah auf dem Heimweg verklumpte Blutgefäße und bröckelnde Herzkranzgefäße vor meinem geistigen Auge und war beunruhigt. Aber, wie angedeutet, was Dr. Laubmann formulierte, war damals keineswegs medizinisches Allgemeingut. Man kann es sich heutzutage, da Gesundheits-, Fitness- und Ernährungsthemen omnipräsent sind, gar nicht mehr richtig vorstellen, aber in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts aß man tendenziell zu fett, möglichst täglich Fleisch, am liebsten Schwein, genoss bedenkenlos Sahnetorten, Chips und Süßigkeiten und fuhr selbst kurze Strecken mit dem Auto. Metzger und Bäcker mit verlockenden Angeboten gab es an jeder Straßenecke. Hinzu kam der steigende Verzehr von „Pizza-Art-des-Hauses“ in den aufstrebenden Pizzerien. Die allgegenwärtigen Currywurst, Schaschlik und Leberkäse setzten der Kulinarik die Krone auf. Man lebte in einer Wohlstandsgesellschaft und war sich deren Risiken kaum bewusst. Gesunde Ernährung, Bewegungstraining und Ausdauersport waren den meisten unbekannt. Zwar war die Gesellschaft geistig im Aufbruch aus der bräsigen Verschnarchtheit und Selbstgefälligkeit der Nachkriegsjahre, doch andererseits zeigten die Menschen deutlich, dass sie sich etwas leisten konnten, selbst wenn es gesundheitsschädlich war. Ein Blutdruck von 160 zu 100 galt keineswegs als riskant, sondern eher als normal, die Bäuche der Menschen wuchsen. Das Auto galt als Statussymbol, das Fahrrad war eher eine Notlösung. Ums Herz kümmerte man sich mal kurz, wenn die Medien von neuen Herztransplantationen berichteten, ansonsten schlug es vor sich hin. Es wurde also Zeit, dass sich etwas bewegte, am besten der Mensch sich selbst.

Ich war da keine Ausnahme. Meine innere Stimme sagte mir jedoch, dass an den Ansichten des Doktors so einiges stimmen könnte. Wieso gerade einem Chefarzt eines Krankenhauses in der Provinz diese Ideen kamen, blieb mir ein Rätsel. Von Herzzentren und Großkliniken hatte ich derartiges noch nicht gehört. Aber vielleicht hatte ich das verpennt und das Thema war an mir vorbeigegangen. Ich war schließlich erst 27 Jahre alt. Was kümmerte mich meine Gesundheit?

Noch also war mein Entschluss, es mit dem Laufen zu versuchen, nicht gefasst. Noch zögerte ich, gab meinem inneren Schweinehund nach, der auf Trägheit setzte. Doch gingen mir die Überlegungen dieses sympathischen Arztes nicht mehr aus dem Kopf. Ich spürte, dass in mir ein Bewusstseinsprozess in Gang gekommen war. Trotzdem stellte ich mir die Frage, wie denn regelmäßiges Laufen überhaupt gehen sollte. Drei-, vier- oder gar fünfmal in der Woche Laufen, das hieß ja jeweils mindestens eine oder eineinhalb Stunden weniger Freizeit, wenn man das Umziehen und Duschen mit einrechnete und das selbst, wenn man anfangs nicht zu lange lief. Das schien mir eine ziemlich zeitaufwändige und umständliche Sache zu sein.