Kitabı oku: «In Leipzig – danach»

Yazı tipi:

Ursula Weißig

IN LEIPZIG – DANACH

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Endlich

Die Hausgemeinschaft

Im Kindergarten

Das Ersatzkind

Der Ritt auf dem Fensterbrett

Scharlach

Die Freundinnen

Das Wäldchen

Kleine Oma, kleiner Opa

Urlaub

Der Garten

Südfriedhof und Völkerschlachtdenkmal

Der Schulanfang

Verlassen

Einsam

Meine Wanderjahre

Meine Katze

Die Reise

Die Gespräche

Sei still . . . (Mascha Kaleko)

Epilog

PROLOG

„Denn die einen sind im Dunkeln –

und die andern sind im Licht,

und man siehet die im Lichte –

die im Dunkeln sieht man nicht.“

Bertold Brecht „Dreigroschenoper“

Es hat die ganze Nacht über geschneit. Große Flocken haben sich vom Himmel herab gesenkt und eine dicke, weiße Decke ausgebreitet, so dass man an dem frühen Nachmittag des zweiten Sonntags im Dezember 2012 nur schwer auf den Straßen voran kommt. In der Innenstadt erklingt an allen Ecken Weihnachtsmusik.

Immer mehr Menschen strömen in die Nikolaikirche herein. Wir können nicht schnell genug die Programme austeilen. Die einen kommen jedes Jahr, die anderen zum ersten Mal. Voller Erwartungen sind sie alle. Es finden Begrüßungen zwischen Eltern verschiedener Altersgruppen statt. Man freut sich darauf, wieder einmal gemeinsam der verstorbenen Kinder zu gedenken. Die Gemeinschaft ist tröstend, der Weltgedenktag lädt sie alle dazu ein.

Weltweit stellen an diesem Tag Eltern für ihr verstorbenes Kind um die gleiche Uhrzeit eine Kerze ins Fenster, das ergibt durch die Zeitverschiebung ein Lichterband um den ganzen Globus. Es ist eine Initiative der „Compassionate Friends“, der „Mitfühlenden Freunde“, eine Initiative, die von den USA aus um den gesamten Erdball ging.

In Leipzig begehen viele Eltern, die ein Kind verloren haben, diesen Tag gemeinsam in einer Feierstunde in der Nikolaikirche.

Bald ertönt die Orgel, alle schauen gebannt nach vorn, nicht zur Kanzel, denn heute wird vom Rednerpult aus zu den Menschen gesprochen. Auch ich habe mich dazu entschlossen, von meiner Betroffenheit zu berichten. Von der Betroffenheit einer Schwester, die den verlorenen Bruder zwar nicht gekannt hat, dafür aber unter der Trauer der Eltern, die nie über den tragischen Verlust des Kindes hinweggekommen sind, gelitten hat.

Geschwister stehen im Schatten der Trauer ihrer Eltern, werden von der Familie und den Freunden nicht als Trauernde wahrgenommen. Im Gegenteil, ihnen wird immer wieder von Außenstehenden gesagt, dass sie jetzt diejenigen sind, die ihren Eltern Stütze sein sollten. Obwohl sie selbst unter dem Verlust der Schwester oder des Bruders sehr leiden.

Die Orgel verklingt mit ihrem letzten Ton, es ist plötzlich ganz still und ich gehe zum Pult.

Vor mir die Gesichter der Menschen, die von mir tröstende, aufrichtende Worte erwarten. Worte, die meinem eigenen Erleben entspringen und ihnen sagen sollen, ich habe diese Erfahrungen gemacht und möchte, dass ihr daraus etwas für euch mitnehmt, die Geschwister eures verstorbenen Kindes nicht vergesst. Sie behütet, aber nicht bewacht, aus Angst, auch ihnen könnte etwas Schlimmes passieren.

Ich sehe bekannte und fremde Menschen vor mir. Nur für einen Moment, dann konzentriere ich mich auf meinen Text und tauche wieder einmal tief ein in die Vergangenheit, in meine Kindheit, die für mich nicht so verlaufen ist, wie es eigentlich von allen Beteiligten gewünscht worden wäre.

ENDLICH

In der Nacht vom 1. zum 2. Juli 1945 läuft ein zehnjähriger Junge, barfuß und in kurzen Hosen, durch dunkle, von Trümmern gesäumte Straßen im Südosten von Leipzig. Es ist warm, ein lauer Wind weht, treibt Stofffetzen und Papier vor sich her, irgendwo klappert ein kaputtes Fenster. Die amerikanischen Soldaten haben gerade Leipzig in Richtung Westen verlassen, die russischen Soldaten übernehmen ihre Besatzungszone.

„Das Baby kommt“, hatte mein Vater zu meinem Bruder gesagt. „Du musst jetzt ganz schnell zur Hebamme laufen, damit sie der Mutti hilft.“ Er selbst konnte ja nicht schnell genug laufen, war er doch mit nur einem Bein aus dem Krieg gekommen. Für einen dreiunddreißigjährigen jungen Familienvater sicher ein schwer zu ertragendes Schicksal. Mein großer Bruder lief so schnell er konnte, achtete kaum auf herumliegende Steine und Holzstücke von den zerbombten Häusern. Wollte er doch auf keinen Fall daran schuld sein, wenn die Hebamme nicht rechtzeitig dazu kam, er wollte nicht schuld sein, dass er wieder ein Geschwisterchen verliert, seine Eltern ein kleines Kind. Er sieht den kleinen, vor zwei Jahren verstorbenen Bruder noch vor sich, der auf dem Foto, das einzige von ihm im Wohnzimmer, lächelnd im Arm der Mutter liegt. Er sieht die Mutter vor sich, wie sie mit traurigen Augen den Kleinen im Kinderwagen in das Krankenhaus bringen musste, mit leerem Kinderwagen nach Hause kam.

Der kleine Bruder hat nie wieder in dem Wagen gelegen, einen Tag vor Weihnachten ist er gestorben. Woran hat ihm nie jemand gesagt. Zu Beginn des neuen Jahres kam plötzlich ein Brief, der die Sterbeurkunde ohne Angabe der Todesursache enthielt. Es war Krieg, der Kleine wurde unweit von der Stadt in dem Ort begraben, wo das Krankenhaus lag. Haben die Eltern es schon damals geahnt oder es sogar gewusst, wie der Kleine zu Tode gekommen ist, haben sie von ähnlichen Todesfällen gehört? Haben sie gewusst, dass jede Hebamme Meldung machen musste, sobald eine Geburt nicht normal verlief und es Hinweise auf eine Behinderung, geistig oder körperlich, des Neugeborenen gab? Dass diese Kinder dann in ein Krankenhaus eingewiesen wurden, aus dem sie nie nach Hause zurückgekehrt sind?

Ich glaube nicht, es war die Zeit der schwersten Bombenangriffe auf Leipzig und eine Kommunikation fast zum Erliegen gekommen. Das Kinderkrankenhaus der Stadt war schon lange zuvor bombardiert, die Kinder in Krankenhäuser auf dem Land verlegt.


Wenn in diesen Tagen alle Leute aus dem Haus meistens nachts im Luftschutzkeller saßen, dachte die Mutter voll Sorge an ihren kleinen Jungen, der weit weg in seinem Bettchen lag und sicher viel weinte.

Dass der Krieg dann plötzlich nicht nur in anderen Ländern tobte, die Bomben der Alliierten auf die Häuser unserer Stadt fielen, war für meinen großen Bruder eine schreckliche Erfahrung und er war froh, dass er nun mit dem Ende des Krieges auch ein neues Geschwisterchen bekommt, in dem leeren Kinderwagen wieder ein Baby liegen wird. Die Hebamme kam zur rechten Zeit an, ich hingegen machte von Anfang an Probleme. Die Nabelschnur lag um meinen Hals, der Kopf blau und mein erster Schrei lies auf sich warten. Dafür war er dann aber schrill genug, um allen zu zeigen, ich bin da und will auch bleiben. Das war der Anfang eines lauten Organs, mit dem ich später noch oft genug unangenehm auffiel. Für die gesamte Hausgemeinschaft war meine Ankunft der Beginn eines neuen Lebens nach einer schrecklichen Zeit. Von Geburt an war ich der Liebling des ganzen Mietshauses. Mein Bruder war nicht eifersüchtig, sondern war sich sicher, dass es mich ohne ihn nicht gegeben hätte.

DIE HAUSGEMEINSCHAFT

Das erste Weihnachtsfest nach dem Krieg muss für meine Eltern ein sehr trauriges gewesen sein. Obwohl es nun keinen Fliegeralarm mehr gab und viele Menschen dieses erste Weihnachten nach dem Krieg so friedlich wie möglich mit einfachen Mitteln begehen konnten. Wir waren im Haus die einzige Familie mit dem Verlust eines Kindes und alle bemühten sich, uns das Fest so schön wie immer zu gestalten. Mein Vater, ein guter Organisator auf dem Schwarzmarkt, hatte für Mehl, Zucker, Butter und Eier gesorgt. Es wurden für alle Plätzchen gebacken, im Waschhauskessel kochten Zuckerrüben für Sirup.

Am 24. Dezember spielte unser Nachbar im Erdgeschoß des Hausflures Weihnachtslieder auf der Trompete. Er hatte im Hof eine Werkstatt, wo er Blechblasinstrumente reparierte, und beherrschte diese Instrumente ausgezeichnet. Alle standen dick angezogen in der Kälte, ich wurde von einem zum anderen gereicht und jeder freute sich, dass es zu diesem Weihnachtsfest auch ein Kind in der Krippe gab. Symbolisch gesehen, denn ich steckte in einer dicken Decke und war sicher noch ziemlich unbeeindruckt von den Feierlichkeiten.

Das sollte sich in den nächsten Jahren ändern. Der Weihnachtsmann hat mich an den folgenden Weihnachtsabenden immer zum Weinen gebracht.


Die Erwachsenen haben es dann aufgegeben, mich mit seinem Besuch und seinen Geschenken erfreuen zu wollen. Die Trompete erklang nur noch kurz im Treppenhaus, Weihnachtslieder spielte man gemeinsam in der warmen Wohnung, dann wünschte man sich ein frohes Fest. Das wurde es ja dann auch mit den weiteren Jahren.

Sobald ich laufen konnte, stieg ich im Treppenhaus umher, klopfte an die Türen und fragte, ob ich „ein bisschen reinkommen kann.“ Für diese Besuche hatte ich aber nur auserwählte Familien. Als erstes unsere Nachbarn, sie hatten einen sechs Jahre älteren Sohn. Mit ihm konnte ich gut spielen, er hatte ein eigenes Kinderzimmer und sein Vater zeigte uns, wie man mit der Laubsäge lustige Figuren aussägt, um sie dann bunt anzumalen. Über uns wohnte eine Familie mit zwei großen Mädchen, sie neckten sich immer mit meinem Bruder, er war der einzige große Junge im Haus. Mich fragten sie immer nach ihm aus, ich plapperte alles raus, was ich wusste und brachte sie zum Kichern. Später sah ich ihnen zu, wenn sie sich für das Tanzengehen hübsch anzogen. In der kleinen Küche wurde immer viel gekocht, es roch gut und ich durfte auch immer mal mit essen. Unter uns wohnten die „reichen Leute“ des Hauses, ein Ehepaar. Er hatte in dem kleinen Laden neben der Haustür eine Schuhmacherwerkstatt, war immer sehr beschäftigt und seine Frau konnte wunderbaren Kuchen backen. Einmal hat sie zu Weihnachten alle eingeladen, es gab Feinfrosterdbeeren mit Schlagsahne, für die anderen Familien nach dem Krieg eine Delikatesse. Da sie keine Kinder hatten, freuten sie sich immer besonders über meine Stippvisiten. Er zeigte mir seine Briefmarken und erzählte von den Ländern, aus denen sie kamen. War es Zeit für mich, ins Bett zu gehen, mussten meine Eltern dann immer im Haus herumfragen, wo ich denn sei, weil nie sicher war, bei wem ich gerade gelandet war. Da ich aber immer wieder nur die drei Familien aufsuchte, war es am Ende doch nicht so schwer. Wurde mein Bruder auf die Suche geschickt, hatte er den Vorteil, auch irgendeine Leckerei zu bekommen. Machte sich meine Mutter auf den Weg, musste ich mich schnell verabschieden, sie hielt sich nie lange auf, fürs Schwatzen war sie nicht zu haben.

Das wurde am Wochenende in dem Schrebergarten nachgeholt, den sich jeweils drei Familien des Hauses, ca. 2 km entfernt, zugelegt hatten. Die Gärten lagen beieinander, ich wurde im Kinderwagen, später im Handwagen geschoben, darauf kam alles, was man nicht unbedingt tragen wollte. Meine Mutter war von Anfang an die eifrigste Gärtnerin, hatte Erdbeeren, Gemüse und Blumen. Für meinen Vater war der Weg zu Fuß zu weit, eine Verkehrsverbindung gab es in diese Richtung nicht. Sicher war er in der Zeit dann auf dem Fußballplatz oder auf der Pferderennbahn, was meiner Mutter aber gar nicht gefiel. Dort konnte er es nämlich nicht lassen, Wetten abzuschließen, die nicht immer zu seinem Gunsten ausfielen. Das war dann auch bald ein tägliches Streitthema in unserer Familie.

Für meinen großen Bruder wurde es immer mehr zur Selbstverständlichkeit die „Männerarbeiten“ zu erledigen. Er holte Kohlen, Kartoffeln und das Eingeweckte aus dem Keller, schleppte die schweren Holzwannen ins Waschhaus, wenn meine Mutter große Wäsche hatte. So war er für mich von Anfang an der „Mann“ im Haus, von meinem Vater wurde ich verwöhnt, ich war seine „Kleene.“

Apropos Kartoffeln. Die wurden in meiner Kindheit noch mit Traktor oder LKW angeliefert. Im Konsum bestellte jede Familie ihre entsprechende Menge „Einkellerungskartoffeln“, das konnten mehrere Zentner sein. Die wurden am Tage der Lieferung von Männern in Säcken durch den Hausflur auf den Hof getragen. Für jede Familie war eine bestimmte Ecke vorgesehen. Dort hockten wir dann, neben uns mehrere Eimer und sortierten die Kartoffeln aus. Die schlechten an die Seite, für die Aschengrube, die großen in den einen Eimer, für die Kartoffelstiege, die kleinen in den anderen Eimer für Schwenkkartoffeln. Das waren die leckersten, meistens nicht viel und wurden bald verwertet. Gekocht und gepellt wurden sie im Ganzen in Öl geschwenkt, bis sie rundherum braun waren. Im weitläufigen Sinne also Bratkartoffeln.

Die Frauen nahmen die Situation zum Anlass, sich mal wieder ausgiebig auszutauschen über Kindererziehung, Kochrezepte und das allgemeine Leben. Die Männer, in unserer Familie war es mein Bruder, trugen die vollen Eimer in den Keller. Dort hatte jeder eine Kartoffelstiege, nach mehreren Eimern musste Keimstopp auf die Kartoffeln gestreut werden, damit sie, ohne zu keimen, den Winter überstanden. Das klappte aber nie so richtig. Unsere Kartoffeln hatten bald, ab Januar, Februar, lange Keime, die dann durch die Ritzen der Stiege ragten. Meine Mutter streute Keimstopp nur widerwillig, wahrscheinlich deshalb zu wenig. Sie war generell gegen den Einsatz von Chemie im Zusammenhang mit Lebensmitteln. Beim Geschirrspülen wurde bei uns noch lange kein Fit verwendet.

IM KINDERGARTEN

Mit zweieinhalb Jahren musste ich tagsüber in den Kindergarten gehen. Der war im Gebäude des Stötteritzer Rathauses untergebracht. Mein Vater arbeitete dort in der Verwaltung, meine Mutter fuhr mit der Straßenbahn zur Arbeit in die Waldstraße. Sie arbeitete seit Januar 1948 in einem Verlag als Sekretärin des Verlagsleiters. Heute nennt man das Chefsekretärin. Sie ging vollkommen auf in ihrem Beruf, war für Chef, Mitarbeiter und Autoren eine Vertrauensperson. „Volk und Buch“ war der erste Verlag, der von der sowjetischen Militäradministration wieder freigegeben wurde. Ich habe heute noch mein schönstes und liebstes Kinderbuch von dort, „Annette reist in die Rhön“ von Elisabeth Witsch, illustriert von Max Schwimmer, 1945 erschienen. In diesem Verlag war auch Erich Loest einer der ersten Autoren.

Im Kindergarten war ich das jüngste Kind, alle Kindergärtnerinnen wurden mit Fräulein angesprochen und hatten eine weiße Schürze um. Zum Kindergarten gehörte ein Hof, mit gelben Ziegelsteinen gepflastert und eine Wiese mit großen Bäumen. Es gab dort kein Klettergerüst, keine Rutsche. Zum Spielen hatten wir Bälle, Springseile, Reifen und Puppenwagen. Letztere aus Korb geflochten und auf einem kleinen Holzgestell mit Rädern. Sicher gab es davon nur wenige, nicht jedes Mädchen konnte in der warmen Jahreszeit auf dem Hof mit dem Puppenwagen umherfahren.


Eines Tages war ich froh, als kleinste, so ein Gefährt ergattert zu haben und kam auf die Idee, es ganz für mich in Sicherheit zu bringen. Vom Hof ging eine Tür ins Rathaus und ich wusste, dass dort mein Vater arbeitete. Er war für mich die rettende Insel, dort kann mir keiner oder keine den Wagen wieder wegnehmen. Also nichts wie hin zu der Tür, holpernd ging’s übers Pflaster, die Tür war schwer, aber ich konnte sie aufschieben und den Wagen hinter mir her zerren. Nun stand ich vor einer großen Holztreppe, die auch noch um die Kurve ging, also eine Wendeltreppe. Was ich einmal begonnen hatte, wollte ich auch zu Ende bringen. Also rauf mit der Karre auf die erste Stufe und dann Stück für Stück, Stufe für Stufe, immer weiter. In der Kurve, auf der breitesten Stufe angekommen, kam mir ein Mann entgegen. „Na, wo willst du denn hin, du kleene Zwecke mit dem großen Wagen?“

„Ich will zu meinem Vati“, konnte ich nur sagen und er. „Wenn du mir noch sagst, wie der heißt, dann bring’ ich dich am besten mal hin, eh’ du mir hier noch die Treppe runterfällst.“

Nachdem er von mir erfahren hat, wer mein Vati war, klemmte er mich samt Wagen unter den Arm, trug mich die Treppe hoch, stellte mich bei meinem Vater im Zimmer ab und sagte: „Hier, die will zu dir, stand schon auf der halben Treppe.“

Meinem Vater blieb fast das Herz stehen, konnte ich mit meinen knapp drei Jahren doch gar nicht einschätzen, in was für eine Gefahr ich mich begeben hatte. Zu kurze Beine zum Treppensteigen und dann noch den Wagen bugsieren. Auf dem Arm meines Vaters ging es zurück in den Kindergarten, die Erzieherinnen bekamen ein Donnerwetter zu hören, das sie so schnell nicht vergessen sollten und ich war nun auch noch daran schuld. Sie konnten mir aber nicht lange böse sein, da ich als Jüngste auch von Anfang an den meisten Kummer hatte und viel geweint habe. Ich war immer sehr froh, wenn nachmittags mein großer Bruder nach der Schule zum Kindergarten kam und mit mir nach Hause gegangen ist. Kam dann mein Vater später auch nach Hause, legte er sich auf das Sofa. Ich durfte mich mit meinem Märchenbuch, das war sehr groß und hatte auf jeder Seite bunte Zigarettenbilder, dazulegen. Er las mir daraus so lange vor, bis meine Mutter mit dem Abendbrot aus der Küche kam. Manchmal waren es mehrere Märchen, mein Vater war der beste Vorleser, den ich als Kind hatte. Später hat mein Bruder versucht, ihn auch in dieser Hinsicht zu ersetzen, was ihm aber leider nicht gelungen ist. Vielleicht hatte er aber auch keine Lust und hat sich deshalb nicht allzu viel Mühe gegeben. Welcher halbwüchsige Junge verbringt schon gern seine Freizeit mit den Märchen der Brüder Grimm.

Von meinem „Ausflug“ mit dem Puppenwagen hat mein Vater zu Hause nichts berichtet. Er wollte sicher meiner Mutter den Schrecken im Nachhinein ersparen. Erst viele Jahre später, als ich mal mit meiner Mutter im Rathaus diese Treppe hochging, habe ich es ihr wie nebenbei erzählt.

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23 aralık 2023
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9783957448057
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