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1.2.3 Balance – Ausgeglichenheit

Die Idee der „Work-Life-Balance“„Work-Life-BalanceIdee“ zielt auf einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Lebensbereichen, wobei der Ausgleich zwischen dem erwerbsorientierten Arbeitsleben und den individuellen Lebensbereichen des Privatlebens im Vordergrund der Betrachtung steht.

BalanceBalance bedeutet Ausgeglichenheit zwischen den beiden Bereichen Arbeit (Work) und Privatleben (Life). Gemeint ist damit eine objektive aber auch subjektive zeitliche, örtliche und inhaltliche Ausgeglichenheit zwischen dem erwerbsorientierten Arbeitsleben und den Teilsystemen des Privatlebens, die eine individuell wünschenswerte ausreichende Berücksichtigung und Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche ermöglicht. Dadurch kann die individuelle Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen gesteigert werden, die eine dauerhafte psychische und physische Gesundheit fördert. „Eine Balance oder Vereinbarkeit beider Lebensbereiche (A.d.V.: des Arbeits- und Privatlebens) ist für das Individuum wichtig, um dauerhaft gesund und mit sich und der Umwelt im Einklang zu sein und einen Sinngehalt in seinem Leben erkennen zu können.“ (Michalk/Nieder 2007, S. 21).

Symbolisiert wird diese Ausgeglichenheit häufig mit einer Waage, auf der die beiden Lebensbereiche ausbalanciert werden (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 21). Dabei ist nicht zwingend von einer gleich verteilten Gewichtung beider Lebensbereiche (50%-50%-Gewichtung) auszugehen, sondern die Balance beider Lebensbereiche ist abhängig von den individuellen zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Prioritäten und wird von jeweils personenspezifischen Rahmenbedingungen des beruflichen und privaten Umfeldes bestimmt.

Bei der Betrachtung einer Balance zwischen Arbeit und Privatleben gehen viele Konzepte von der Annahme aus, dass die Abstimmung der verschiedenen Arbeits- und Lebensbereiche zu Konflikten zwischen beruflichen und außerberuflichen RollenKonflikte zwischen beruflichen und außerberuflichen Rollen führt. Häufig werden bei diesen RollenkonfliktenRollenkonflikte nur zwei Richtungen betrachtet: Entweder beeinträchtigt die Arbeit das Privatleben (work-to-family-conflictwork-to-family-conflict) oder das Privatleben stört das Berufsleben (family-to-work-conflictfamily-to-work-conflict) (vgl. Schobert, 2007, S. 20). Dieses bidirektionale Verständnis von Work-Life-Balance ist jedoch nur eine von sieben Beziehungen, die zwischen den verschiedenen Rollen des Arbeits- und Privatlebens bestehen können. In der Fachliteratur werden insgesamt sieben unterschiedliche Rollenbeziehungen zwischen Berufs- und PrivatlebenRollenbeziehungen zwischen Berufs- und Privatleben diskutiert, wobei einige Rollenbeziehungen wirkliche Rollenkonflikte darstellen, andere Rollenbeziehungen jedoch eine gegenseitige Stärkung bzw. Ergänzung der verschiedenen Rollen aufzeigen (vgl. Schobert 2007, S. 20):


Verschiedene Rollenbeziehungen zwischen Arbeits- und Privatleben
Die unterschiedlichen Rollen des Arbeits- und Privatlebens behindern und beeinträchtigen sich gegenseitig bei der Erreichung der jeweiligen mit den Rollen verbundenen Verpflichtungen. Die Rollenkonflikte können zeitlich, örtlich, verhaltensbezogen oder auch emotional belastend sein.
Um eine bestimmte Rolle gut erfüllen zu können, wird eine andere Rolle weniger gut erfüllt. Die unterschiedliche Ausübung der jeweiligen Rollen kann sich im jeweiligen Verhalten zeigen oder auch auf der psychischen Ebene angepasst werden.
Die Übernahme und Ausübung einer (z.B. beruflichen) Rolle wirkt sich positiv auf die Erfüllung einer anderen (z.B. privaten) Rolle aus.
Die Werte, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Gefühle, die mit einer Rolle verbunden sind bzw. in einer Rolle gelebt werden, werden auf eine andere Rolle übertragen und angewendet. Dies kann sich positiv (Work-Family Enrichment) oder auch negativ (Work-Family-Conflict) auswirken.
Engagement und Ausgeglichenheit zwischen und Zufriedenheit mit den verschiedenen beruflichen und privaten Rollen einer Person. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und reduziert Belastungen der Rollenträger. Die Kompetenzen der jeweiligen Rollen helfen beim Ausgleich.
Bestehende Unzufriedenheiten in und mit einer Rolle werden ausgeglichen durch besonderes Engagement in einer anderen Rolle.
Verschiedene Rollen werden klar voneinander abgegrenzt, um die Belastungen einzelner Rollen und mögliche negative Auswirkungen auf andere Rollen zu vermeiden sowie die verschiedenen Rollen deutlich voneinander abzugrenzen.

Tabelle 1:

Verschiedene Rollenbeziehungen zwischen Arbeits- und Privatleben. Quelle: vgl. Schobert 2007, S. 20 f.; Greenhaus/Singh 2004, S. 689 ff. Eigene Darstellung.

Mitte des letzten Jahrhunderts ging die Forschung noch davon aus, dass das Arbeits- und das Privatleben zwei getrennte und voneinander unabhängige Lebensbereiche sind, die sich gegenseitig gar nicht beeinflussen (vgl. Parsons/Bales 1955). Heute herrscht Konsens darüber, dass die beiden Lebensbereiche Arbeit und Privatleben in vielfältige Weise aufeinander wirken und sich gegenseitig sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können (vgl. Greenhaus/Singh 2004, S. 687 f.; Clark 2000, S. 349; BMFSFJ 2005a; Czurlok 2007; Collatz/Gudat 2011 S. 3 ff.; Kaiser/Ringlstetter 2010). Negative Beeinflussungen verschiedener Rollen können zu psychischer und physischer Überlastung und negativem Stress führen und in gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder gar im Burnout Syndrom deutlich werden. Demgegenüber kann eine positive gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen Rollen in den jeweiligen Lebensbereichen die eigene Motivation, die Leistungsfähigkeit sowie das Selbstwertgefühl steigern und insgesamt eine höhere Lebensqualität bewirken (vgl. Schobert 2007, S. 21).

Die Betrachtung der Balance kann sowohl zeitlich, örtlich als auch inhaltlich erfolgen.

Balance in zeitlicher HinsichtBalancezeitlich: Die Ausgeglichenheit zwischen Erwerbsarbeit und Privatleben kann hinsichtlich des Zeitumfangs erfolgen, der für die Lebensbereiche erforderlich ist bzw. zur Verfügung steht. Hier können die individuellen Prioritäten sehr unterschiedlich sein. Einem 25-Jährigen Berufseinsteiger ohne eigene Familie ist vermutlich ein zeitintensives Berufsleben wichtiger, um sich beruflich zu bewähren, sich in seinem Berufsfeld zu etablieren und damit die eigenen Aufstiegs- und Karrierechancen zu verbessern, wohingegen das Privatleben nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen muss. Demgegenüber müssen berufstätige Eltern viel stärker auch auf eine zeitliche Ausgeglichenheit und Abstimmung zwischen ihrem Berufsleben, Privat- und Familienleben achten, um die unterschiedlichen zeitlichen Anforderungen der verschiedenen Lebensbereiche aufeinander abstimmen zu können und somit ausreichend Zeit für ihre Familie zu haben. Dabei ist auch heute noch die zeitliche Abstimmung zwischen den Arbeitszeiten der Berufstätigkeit von Eltern und beispielsweise den Öffnungszeiten von Kindertagesstätten, Schule und Hort ein weit verbreiteter zeitlicher Konfliktbereich.

Die zeitliche Balance kann sich aber auch auf verschiedene Zeiträume beziehen: Kurzfristig z.B. auf einen Tag oder eine Woche; längerfristig auf die Gestaltung verschiedener Lebensphasen (z.B. Berufsausbildung, Eintritt in den Beruf, Familiengründung, Karriere, längere Auszeiten vom Beruf, Austritt aus dem Berufsleben), die jeweils unterschiedliche Prioritäten hinsichtlich der Ausgeglichenheit zwischen Arbeits- und Privatleben haben können.

Balance in örtlicher HinsichtBalanceörtlich: Die örtliche Ausgeglichenheit betrifft die Vereinbarkeit der Anforderungen und individuellen Wünsche zwischen dem Arbeitsort und Arbeitsplatz der Erwerbstätigkeit und den privaten Örtlichkeiten. Mögliche örtliche Konflikte entstehen beispielsweise durch die erforderliche Anwesenheit an einem bestimmten beruflichen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber und der erforderlichen Betreuung z.B. kranker Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger an einem anderen Ort. Viele Menschen wünschen sich mittlerweile jedoch auch eine höhere Flexibilität bei der Wahl ihres Arbeitsortes und Arbeitsplatzes. Mögliche Gründe hierfür bestehen u.a. in der Vermeidung langer Arbeitswege zum Arbeitsplatz beim Arbeitgeber, in der besseren Vereinbarkeit beruflicher und privater Anforderungen sowie in dem individuellen Wunsch nach örtlicher Ungebundenheit auch während der Berufstätigkeit. So gewinnen Konzepte des mobilen Arbeitens zunehmend an Bedeutung und Verbreitung in der Praxis. Die seit dem Jahr 2020 die Welt beherrschende Coronavirus-Pandemie hat u.a. zu einer deutlichen Ausweitung der Arbeit im Homeoffice geführt, um Ansteckungen mit dem Coronavirus durch persönliche Kontaktbeschränkungen zu reduzieren. Standen vor der Coronavirus-Pandemie viele Arbeitgeber einer Arbeit im Homeoffice kritisch gegenüber, so haben die zahlreichen positiven Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice im letzten Jahr dazu geführt, dass sich eine Mehrheit der Arbeitgeber auch zukünftig vorstellen kann, ihren Mitarbeitenden eine ausgedehntere Arbeit im Homeoffice anzubieten. Allerdings hat die Arbeit im Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie auch gezeigt, dass vor allem diejenigen, die Kinder oder pflegebedürftige Personen im eigenen Haushalt betreuen müssen, teilweise stark mehrfach belastet und oft auch überlastet waren. So bedarf auch die Arbeit im Homeoffice (ebenso wie die mobile Arbeit) einer sorgfältigen Organisation der Festlegung bestimmter Arbeits- und Freizeiten.

Balance in inhaltlicher HinsichtBalanceinhaltlich: Die inhaltliche Ausgeglichenheit bezieht sich auf die inhaltlichen Ansprüche, die jeweils an die beiden Lebensbereiche gestellt werden. Diese müssen jedoch nicht gleichgewichtig sein, sondern können auch ganz unterschiedliche Ausprägungen haben. So reduziert eine Person den inhaltlichen Anspruch ihrer Erwerbstätigkeit lediglich auf den Zweck, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne große inhaltliche Ansprüche an die Arbeitsaufgaben zu stellen oder besondere karriereorientierte Erwartungen in ihrer Erwerbsarbeit zu haben. Demgegenüber stellt die gleiche Person sehr hohe inhaltliche Erwartungen an die Gestaltung ihres Privatlebens, beispielsweise hinsichtlich kultureller oder sozialer Aktivitäten. Bei anderen Personen kann eine inhaltliche Ausgeglichenheit genau entgegen gesetzte Schwerpunkte aufweisen oder auch ähnliche Schwerpunkte zwischen Berufsleben und Privatleben haben.

Wesentliche KritikBalanceKritikpunkte am Begriff und der Symbolik der Balance werden im Folgenden zusammengefasst:

1 Problematisch ist die Gegenüberstellung und damit der gegenseitige Ausschluss der beiden Lebensbereiche (Erwerbs-)Arbeit und Privatleben. Damit wird unterstellt, dass die Erwerbsarbeit eher der zur Existenzsicherung notwendige Lebensbereich ist, dessen Belastungen durch das individuell sinnstiftende Privatleben ausgeglichen werden soll oder muss. Unberücksichtigt bleiben hierbei die individuellen Prioritäten, die ein erfülltes Leben im Sinne einer „Work-Life-Balance“ durchaus in der zeitlich, räumlich und inhaltlich dominierenden Verwirklichung einer beruflichen Karriere sehen können. Aber auch der umgekehrte Fall, dass die Erwerbsarbeit eine inhaltliche Bereicherung und ein Ausgleich für ein ansonsten stark dominierendes Familien- oder Privatleben darstellen kann, bleibt hier unbeachtet.

2 Der Begriff der Balance suggeriert ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Lebensbereichen, das es für die individuelle Zufriedenheit gar nicht geben muss. So kann auch eine „ausgeprägte Schieflage“ der beiden Lebensbereiche das persönliche Optimum darstellen. Ausgeglichenheit sollte daher so interpretiert werden, dass es um Möglichkeiten geht, die individuell wünschenswerte Verteilung zwischen den verschiedenen Lebensbereichen zu erreichen.

3 Mehrfache Balance ist notwendig: Bei der hier verfolgten differenzierteren Betrachtung der verschiedenen Lebensbereiche („Work“: erwerbs- und nicht-erwerbsorientierte Arbeitsbereiche) und „Life“ (verschiedene private Lebensbereiche je nach individueller Ausprägung) wird eine mehrfache Balance zwischen den individuell unterschiedlich ausgeprägten Lebensbereichen notwendig. Dies erhöht die Komplexität und Schwierigkeit der Ausgeglichenheit einer Person erheblich und stellt weitreichendere Anforderungen an die Möglichkeiten und Mechanismen zur Erreichung einer individuellen Ausgeglichenheit.

4 Einen weiteren Kritikpunkt bildet die enge Begriffsfassung von Arbeit, die nur die Erwerbsarbeit berücksichtigt und weitere private und familiäre Arbeitsbereiche außer Acht lässt, die jedoch häufig verantwortlich sind für eine mangelnde Ausgeglichenheit oder auch unzureichende Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 21).

Die wesentlichen Kritikpunkte am Begriff der Work-Life-Balance werden in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefasst.


Wesentliche Kritikpunkt am Begriff der Work-Life-Balance
Mit der Gegenüberstellung von Arbeit und Leben wird die Arbeit aus dem Leben ausgeschlossen (vgl. Frone 2003, S. 144; Resch/Bamberg 2005, S. 171; Ulich/Wülser 2005, S. 126) Unter „Arbeit“ wird vor allem die Erwerbstätigkeit verstanden, wohingegen andere Formen von Arbeit unberücksichtigt bleiben (vgl. Eby 2005, S. 126) Der Gegensatz von Erwerbstätigkeit und Privatleben suggeriert, dass die Belastungen des Erwerbslebens durch das Privatleben ausgeglichen werden müssen. Doch auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Die Bedeutung der Balance ist mehrdeutig und damit erklärungsbedürftig (vgl. Guest 2001).

1.2.4 Definition des Begriffs Work-Life-Balance

In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen des Begriffs Work-Life-BalanceBegriffs Work-Life-BalanceDefinition, die auch die Entwicklung des Konzeptes und verschiedene Herangehensweisen und Schwerpunkte verdeutlichen.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend versteht unter dem Begriff der Work-Life-Balance folgendes:

„Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt. Betriebliche Work-Life-Balance-Maßnahmen zielen darauf ab, erfolgreiche Berufsbiografien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen“ (BMFSFJ 2005a, S. 4)

Schmoldt hebt in seiner Definition das Streben der Menschen nach einem sinnerfüllten Leben hervor:

„Wenn Menschen eine Balance zwischen dem Arbeitsleben und dem Leben außerhalb der Arbeitswelt anstreben, sei es in der Familie, in einer partnerschaftlichen Beziehung oder für politisches, soziales oder kulturelles Engagement, so geht es ihnen um ein sinnvolles Leben, das nicht alleine durch die Arbeit erfüllt wird.“ (Schmoldt 2004, S. 113).

Michalk und Nieder (2007) fassen den Begriff der Work-Life-Balance noch weiter und betrachten ihn ganzheitlich:

„Work-Life-Balance heißt: den Menschen ganzheitlich zu betrachten (als Rollen- und Funktionsträger) im beruflichen und privaten Bereich (der Lebens- und Arbeitswelt) und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und individuell für beide Bereiche die anfallenden Verpflichtungen und Interessen erfüllen zu können, um so dauerhaft gesund, leistungsfähig, motiviert und ausgeglichen zu sein.“ (Michalk/Nieder 2007, S. 22; Freier 2005, S. 21).

Trotz der Kritik am Begriff der Work-Life-Balance wird er aufgrund der Verbreitung in der Literatur auch hier beibehalten, allerdings inhaltlich weiter gefasst. Zugrunde liegt im weiteren folgende Definition von Work-Life-BalanceWork-Life-BalanceDefinition:


Eigene Definition der Work-Life-Balance: Work-Life-Balance bedeutet, Menschen dabei zu unterstützen, ihre individuellen und lebensphasenspezifischen Interessen und Verpflichtungen aus unterschiedlichen Rollen und Funktionen in verschiedenen Lebensbereichen so erfüllen und ausleben zu können, dass sie dauerhaft leistungsfähig, leistungsbereit sowie physisch und psychisch gesund bleiben und sich wohl fühlen, um so insgesamt ein zufriedenes, sinnerfülltes und ausgeglichenes Leben zu erreichen. Dabei wird die individuelle lebensphasenabhängige Balance von vielfältigen Faktoren beeinflusst.

Abbildung 2:

Definition des Begriffs Work-Life-Balance

Die vielfältigen Einflussfaktoren auf die lebensphasenbezogene Vereinbarkeit der individuellen Lebenswelten visualisiert die Abbildung 3.

Abbildung 3:

Einflussfaktoren einer lebensphasenorientierten Work-Life-Balance

1.3 Neue Konzepte und Begrifflichkeiten zum Thema “Work-Life-Balance“

In den letzten Jahren wurden zum Thema Work-Life-Balance neue Konzepte und Begrifflichkeiten entwickelt. Zu denen am häufigsten diskutierten Konzepten gehören das Work-Life-Blending, die Work-Life-Integration und die Work-Life-Separation.

1.3.1 Work-Life-Blending

Work-Life-BlendingWork-Life-Blending bezeichnet die Vermischung bzw. Verschmelzung des Arbeitslebens mit dem Privatleben. Hierbei werden die definierten Grenzen zwischen der erwerbsmäßigen Arbeit und dem Privatleben aufgehoben. In Absprache mit dem Arbeitgeber können Mitarbeitende zeitlich und örtlich flexibel arbeiten, auch in eigentlichen Arbeitszeiten private Angelegenheiten erledigen und dafür in eigentlich arbeitsfreien Zeiten (am Morgen oder Abend, am Wochenende, im Urlaub) ihre beruflichen Aufgaben bearbeiten und für berufliche Fragen, Termine und Kollegen erreichbar sein. Das führt u.a. dazu, dass die Arbeitszeit nicht mehr eindeutig von der Freizeit abgegrenzt wird und sich beide Lebensbereiche stark vermischen. (vgl. Illingworth 2004; Kordouni 2017; Scholz 2018; Weibler 2018).

Mögliche Arbeitsorte können das Büro beim Arbeitgeber, das Homeoffice, auf Reisen oder auch andere Orte sein. Die Flexibilisierung des Arbeitsortes und der Arbeitszeit ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit der individuellen beruflichen mit den privaten Anforderungen und Aufgaben der Beschäftigten. Vor allem für Familien mit zu betreuenden Kindern oder zu pflegenden Angehörigen ist die örtliche und zeitliche Flexibilität wichtig, um beispielsweise die beruflichen Arbeitsaufgaben mit den Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, den Schulferien, zu Hause zu betreuenden kranken Kindern oder mit Pflegezeiten von Angehörigen besser vereinbaren zu können. Auch für die innerfamiliäre Organisation der Kinderbetreuung und der Pflegeorganisation von Angehörigen ist eine örtlich und zeitlich flexible Berufstätigkeit wichtig und hilfreich, gerade wenn die Eltern oder ein Elternteil zu unterschiedlichen Tages- oder auch Nachtzeiten arbeiten muss, wie es beispielsweise bei der Schichtarbeit der Fall ist. Aber auch Erwerbstätige ohne Kinder oder eigene Familie schätzen Arbeitsangebote mit einer hohen örtlichen und zeitlichen Arbeitsflexibilität. Ein weiterer Vorteil der örtlichen Flexibilität besteht im Wegfall oder der Verringerung von Wegezeiten zum Arbeitsplatz beim Arbeitgeber. Ein aktuelles Beispiel für die Notwendigkeit einer örtlichen und zeitlichen Flexibilisierung des Arbeits- und Privatlebens ist die Arbeit vieler Erwerbstätigen im Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie seit dem Jahr 2020 aufgrund der notwendigen Kontaktbeschränkungen zur Reduzierung der Ansteckungen mit dem Coronavirus. Die zeitweisen Schließungen von Schulen und Kindertagesstätten führten dazu, dass viele Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen und beschulen (Homeschooling), als auch im Homeoffice arbeiten mussten.

Für die Umsetzung eines Work-Life-Blending und der damit verbundenen zeitlichen und örtlichen Flexibilität ist jedoch eine zeitlich umfangreiche Erreichbarkeit der Mitarbeitenden erforderlich, die sich auch auf die eigentlich arbeitsfreien Zeiten erstreckt. Ermöglicht wird dies durch die vielfältigen elektronischen und digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien, die uns mittlerweile ständig begleiten, wie zum Beispiel unser Smartphone, das Tablet oder der Laptop sowie der (meist) allgegenwärtige Internetzugang über das WLAN und Hotspots. Eine ständige bzw. zeitlich sehr umfangreiche Erreichbarkeit der Mitarbeitenden auch in ihrer eigentlich arbeitsfreien Zeit führt zu einer Entgrenzung zwischen dem Arbeits- und Privatleben und erhöht die Gefahr einer ständigen Arbeitsbereitschaft der Mitarbeitenden zu Lasten der eigentlich arbeitsfreien Zeit, die ja zur Erholung und Regeneration der Beschäftigten von ihrer Arbeit dient. Mögliche Folgen können steigende Arbeitszeiten, vermehrte Überstunden sowie auf Dauer eine physische und psychische Überlastung der Mitarbeitenden sein. Auch besteht die Gefahr, dass es eigentlich gar keine arbeitsfreien Zeiten mehr für die Beschäftigten gibt, in denen sie sich ausreichend von ihrer Arbeit erholen und abschalten können, so dass das Privatleben eigentlich völlig vom Arbeitsleben vereinnahmt wird. Sind Mitarbeitende ständig im beruflichen „Stand-by-Modus“, so kann sich dies auch nachteilig auf die persönlichen Beziehungen innerhalb der Familie und zu Freunden und auf Partnerschaften auswirken, da ein Teil der persönlichen Aufmerksamkeit immer auf potenzielle Arbeitsanfragen ausgerichtet ist. Auch fällt ein wirkliches Abschalten von den beruflichen Anforderungen und Aufgaben und das zur Ruhe kommen der Beschäftigten zunehmend schwerer, was sich ebenfalls gesundheitlich negativ auswirken kann. Ebenso fehlt bei diesem Konzept eine eindeutige Abgrenzung der Arbeitsorte, so dass auch die private Wohnung der Beschäftigten dauerhaft zum Arbeitsbüro werden kann. (vgl. Scholz 2018; Werle 2016, S. 70 ff.).

Ob mit dem Ansatz des Work-Life-Blending die gewünschte Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben erreicht werden kann, ohne neue private Probleme oder berufliche Überlastungen zu provozieren, bleibt fraglich und ist letztlich von den persönlichen Gegebenheiten, Bedürfnissen und verfügbaren physischen und psychischen Ressourcen abhängig.

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