Kitabı oku: «Grundkurs methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit», sayfa 4

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Reflexionsfragen zur Funktion einer Methode /eines methodischen Konzepts im Verhältnis zur Lebenswelt. Die Unterscheidung in lebensweltersetzende, -ergänzende oder -unterstützende Ansätze regt u.a. dazu an, Methoden entlang ethischer Fragen zu Selbstbestimmung und Autonomie von AdressatInnen zu reflektieren:

● In welchem Funktionsverhältnis steht eine Methode/ein methodisches Konzept zur Lebenswelt von AdressatInnen?

● Wie stark werden Selbstbestimmung und Autonomie von AdressatInnen durch die Methode/methodischen Konzepte gefördert oder eingeschränkt?

● Welche Möglichkeiten gibt es, methodisches Handeln so zu gestalten, dass AdressatInnen die größtmögliche Selbstbestimmung und Autonomie zuteilwird?

3.3 Funktionen und Diskussionen der Methodenentwicklung

Doppelte Grundfunktion: Methoden erfüllen eine doppelte Grundfunktion innerhalb der Sozialen Arbeit. Zum einen dienen sie dazu, das Handeln zu leiten und fachlich zu begründen. Methodisierung, also das Anordnen von Handlungen in ein logisch strukturiertes, begründetes und wiederholbares Vorgehen, erleichtert Entscheidungs- und Handlungsprozesse, weil sie die Komplexität reduziert und Fachkräfte nicht in jedem Fall erneut „bei null“ anfangen, sondern auf Bewährtes und Erprobtes zurückgreifen können. Insofern ist Methodisierung auch eine Form professioneller Routinisierung, die aber neben den eben genannten Vorteilen auch die Gefahr birgt, unaufmerksam, unflexibel oder unkritisch in der Anwendung von Methoden zu werden.

In ihrer zweiten Grundfunktion dienen Methoden dazu, die Professionalisierung, also die Entwicklung und den Status der Profession selber, zu fördern und sind daher eng mit der Professionsgeschichte Sozialer Arbeit verbunden. „Eigene“ Methoden vorweisen zu können, galt historisch als eine der zentralen Bedingungen dafür, zu einer Profession aufzusteigen.

Im Bemühen um ein eigenes Methodenrepertoire orientiert sich Soziale Arbeit damals wie heute an Erkenntnissen und Ideen, die in Gesellschaft und Wissenschaften vielversprechend erscheinen oder dominant sind. Darum spiegeln sich in der Diskussion um Methoden zum einen stets die größeren zeitgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Trends, in die Soziale Arbeit verwoben ist, und zum anderen sind die Diskussionen Ausdruck des Ringens um das Selbstverständnis Sozialer Arbeit.

Die Methodenentwicklung ist geprägt durch drei Diskussionsstränge, an denen auch die doppelte Funktion der Sozialen Arbeit deutlich wird:

● die Auseinandersetzung um den Begriff „Diagnose“

● die Frage, ob Soziale Arbeit sich primär dem Individuum oder größeren Gemeinschaften widmen sollte

● die Spannung zwischen Ansätzen, die das subjektive Erleben der AdressatInnen zum Ausgangspunkt machen, und solchen, die sich an Fragen der Wirksamkeit des Handelns festmachen

Diese drei Diskussionsstränge durchziehen die Fachdiskussion um methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit und werden daher im Folgenden näher beleuchtet.

3.3.1 Diagnose und/oder Dialog

Soziale Diagnose: Der historisch erste Methodisierungsschub der Sozialen Arbeit Anfang des 20. Jahrhunderts verbindet sich mit dem Begriff der „Sozialen Diagnose“. Zwei zentrale Schriften, die erste von Mary Richmond in den U.S.A. im Jahr 1917 und die zweite von Alice Salomon 1926 in Deutschland, trugen diesen Titel in der jeweiligen Sprache und signalisierten die Ambition, die Wohlfahrtspflege zu verwissenschaftlichen. Der in der Medizin anerkannte Begriff der „Diagnose“ wurde aufgegriffen und gleichzeitig um das Wort „sozial“ erweitert. Sich an der Wissenschaft der Medizin zu orientieren, versprach der aufstrebenden Profession Anerkennung und Abgrenzung von z.B. religiösen Begründungen für das Handeln. So fand der prominente medizinische Dreischritt „Anamnese“ (Sammeln und Sortieren wichtiger Daten), „Diagnose“ (Identifikation und Einordung der Krankheit/des Problems) und „Behandlung“ Eingang in die methodische Logik Sozialer Arbeit. Neben dem Begriff Diagnose ist auch die Unterscheidung in „stationäre“, „teilstationäre“ und „ambulante“ Angebote eine medizinisch entlehnte Begrifflichkeit.

Kritik und Diskussion: Ob und inwieweit der Begriff der Diagnose für die Soziale Arbeit aber wirklich passt, oder ob er auf Abwege führt und darum besser mit anderen Begrifflichkeiten wie z.B. Fallverstehen (Müller 2012) oder Handlungsorientierung (Heiner et al. 2003) zu ersetzen sei, wird und wurde immer wieder kritisch diskutiert. So haben einige AutorInnen die Sorge, dass das Wort „Diagnose“ zu sehr dazu einlädt, Fachkräfte in eine quasi-medizinische Expertenposition zu versetzen. Mit einer solchen Position ist die Gefahr verbunden, dass Fachkräfte mehr damit beschäftigt sind, einseitig Urteile über das zu fällen, was geschehen ist, statt ihren AdressatInnen auf Augenhöhe zu begegnen und in einem echten Dialog das auszuhandeln, was geschehen soll. Andere dagegen verstehen „Diagnose“ als Bezeichnung des unvermeidbaren Prozesses der Problem(er-)klärung und als Grundlage für die weitere Interventionsplanung, der nicht nur das situative Handeln absichert, sondern SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen im interprofessionellen Austausch unterstützt und damit auch zur Anerkennung der Arbeit beiträgt (Thiersch et al. 2012).

Die Diskussion um den Begriff Diagnose und um die Gefahren diagnostischer Sprech- und Denkweisen (Heiner et al. 2003) entflammte zeitlich nicht zufällig um die Jahrtausendwende vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Profession und Gesellschaft. Zum einen beförderte die „Klinische Sozialarbeit“, die sich seit Ende der 1990er Jahre in Deutschland und später auch in Österreich und der Schweiz als Spezialgebiet formierte, erneuertes Interesse an psycho-sozialen diagnostischen Verfahren. In Anlehnung an „clinical social work“ im englischen Sprachgebrauch bezeichnet Klinische Sozialarbeit eine direkte Einzelfallarbeit mit Schwerpunkt auf bio-psycho-sozialer Gesundheit und ist als solche den Arbeitsbereichen von Psychologie und Psychiatrie verwandt, in denen der Diagnosebegriff schon lange etabliert ist. Zum anderen hielten zeitgleich betriebswirtschaftliche Maxime und Technologien Einzug in die Soziale Arbeit und beförderten den Trend, über diagnostische Instrumentarien Daten systematisch zu erheben, um auf dieser Grundlage Entscheidungen zu treffen. So wurden z.B. das „Person-in-Environment-System“ (PIE) (Karls/Wandrei 1994, Adler 2004) oder standardisierte Kinderschutzbögen für die Risikoeinschätzung (Kindler 2003) in dieser Zeit entwickelt.

Einig sind die AutorInnen sich darin, dass im Sinne eines sozialpädagogischen Herangehens „Diagnose“ sowohl der Versuch ist, mit Hilfe rückblickender Analyse von Daten eine Situation zu erfassen, als auch Anregung zur vorwärts gerichteten gemeinsamen Überlegung, was am besten zu tun sei. In diesem Versuch sind Fachkräfte letztlich immer auf den Dialog mit AdressatInnen angewiesen. Wie sie diesen Dialog gestalten, welche Expertise und Deutungshoheit sie für sich in Anspruch nehmen und wieviel Gewicht sie den Perspektiven, Deutungen und daraus folgenden Wünschen ihrer AdressatInnen einräumen, bleibt ein kritischer und kritisch zu reflektierender Punkt unabhängig davon, ob man den Begriff der „Diagnose“ verwendet oder nicht.


Heiner, M., Kunstreich, T., Meinhold, M., Müller, B. (2003). Diagnose und/oder Dialog? Ein Briefwechsel. In: Widersprüche (88), online verfügbar unter www.widersprueche-zeitschrift.de/article1044.html, 09.06.2017

Pauls, H. (2011): Klinische Sozialarbeit. Grundlagen und Methoden psycho-sozialer Behandlung. 2. überarb. Aufl. Juventa Verlag, Weinheim

3.3.2 Individuell und/oder kollektiv

Ein zweiter Strang der Methodendiskussion rankt sich um das Verhältnis zwischen individuellem und kollektivem Fokus für das methodische Handeln. Die Mehrheit der Tätigkeiten, die SozialarbeiterInnen heute ausüben, macht sich konzeptionell und finanziell an Individuen fest und versucht, Verhalten und/oder Verhältnisse individueller AdressatInnen zu beeinflussen. Das Methodenrepertoire, das für individuell-orientierte Soziale Arbeit entwickelt wurde, ist deutlich größer als das für Gruppen, Gemeinschaften oder Gemeinwesen, obwohl soziale Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts, wie etwa Frauenbewegungen, ArbeiterInnenbewegung und Jugendbewegung, die die Macht kollektiver Organisation zur Durchsetzung von Interessen demonstrierten, wesentlich zur Entstehung Sozialer Arbeit beigetragen haben. Die Entwicklung eigener Methoden kam während des Nationalsozialismus zum Erliegen und die Soziale Arbeit verstrickte sich in die rassistisch ideologisierte „Volkspflege“, in der individuelle Bedürfnisse von AdressatInnen bedingungslos dem „Volkswohl“ unterzuordnen waren. In den 1950er und 60er Jahren orientierte sich die methodische Entwicklung an Ideen aus den jeweiligen geo-politischen Einflusszonen. In der DDR hielten pädagogische Konzepte Einzug, die als passend zum sozialistischen Menschbild verstanden wurden, während in der Bundesrepublik Deutschland Methoden aus verschiedenen Psychotherapien, die sich im anglo-amerikanischen Bereich ausdifferenziert hatten, Einfluss gewannen.

„Psychoboom“ und Gesellschaftskritik: Während des dann folgenden sogenannten „Psychobooms“ (z.B. Bach/Molter 1979) in der Methodengeschichte fanden erst Ideen der humanistischen Gesprächstherapie (Rogers 1976) Eingang in das Denken und Handeln Sozialer Arbeit und später systemische Konzepte, wie etwa der „ökosystemische Ansatz“ (Germain/Gitterman 1999) oder Methoden aus der systemischen Familientherapie. Diese weiterhin überwiegend auf den Einzelfall ausgerichteten und therapeutisch entlehnten Methoden gerieten zum Ende der 1960er Jahre aber auch in die Kritik. Vor dem Hintergrund der gesellschaftskritischen Studentenbewegung und der Bürgerrechtsbewegung in den U.S.A. wurde der Vorwurf laut, dass die Soziale Arbeit und ihre Methoden gesellschaftliche Probleme individualisiere und Menschen pathologisiere. KritikerInnen forderten eine Politisierung des Selbstverständnisses und der Methoden Sozialer Arbeit. Gemeinwesenarbeit und andere kollektive politische Ansätze wurden in dieser Phase aufgegriffen und bereicherten das Methodenrepertoire. „Empowerment“ wurde zu einem Bezugskonzept der Sozialen Arbeit, das seitdem in vielfältigen Formen Eingang in methodisches Handeln gefunden hat (Kap. 3.8). Die Diskussion um das Verhältnis von individuellen zu kollektiven Ansätzen hält weiter an. Einerseits sind das Interesse und der Einfluss psychologischer, (quasi-)therapeutischer Ansätze und Programme, die sich nicht zuletzt auch über den Weiterbildungsmarkt verbreiten, ungebrochen. Andererseits sind auch Forderungen nach Re-Politisierung, z.B. über kritisch-pädagogische Methoden wie etwa anti-rassistische, anti-diskriminierende oder andere gesellschaftskritische Ansätze und nach stärkerer Vernetzung mit neuen sozialen Bewegungen und Gruppen, seit den 2000er Jahren wieder aufgeflammt.


Kessl, F., Plöger, M. (Hrsg.) (2012): Differenzierung, Normalisierung, Andersheit. Soziale Arbeit als Arbeit mit den Anderen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

Wagner, L. (Hrsg.) (2009): Soziale Arbeit und Soziale Bewegungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

3.3.3 Wirtschafts-, Wirkungs- und/oder Lebensweltorientierung

Ein dritter anhaltender Diskussionsstrang betrifft das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem, wirkungsorientiertem und lebensweltorientiertem Methodenverständnis.

Lebensweltorientierung: Das Konzept der Lebensweltorientierung wurde in den 1970er Jahren von Hans Thiersch (1978) entwickelt und stieg im Verlauf der folgenden Jahrzehnte zu einem der Leitkonzepte der Jugendhilfe auf. Ab 1990 ist die Lebensweltorientierung auch im Kinder- und Jugendhilfegesetz wiederzufinden. Aber auch in anderen Arbeitsfeldern sind „Lebenswelt“ und „Alltag“ inzwischen zu zentralen Begriffen methodischen Handelns geworden. Dabei ist aber wichtig, dass das Verständnis von dem, was „Alltag“ oder „Lebenswelt“ ist, in der Theorie der Lebensweltorientierung gerade kein alltägliches Verständnis ist. „Alltag“ ist dadurch gekennzeichnet, dass Deutungs- und Handlungsmuster einfach ablaufen, ohne besonders ins Bewusstsein zu kommen oder gar hinterfragt zu werden. Gerade dies aber soll eine lebensweltorientierte Soziale Arbeit leisten. In der Lebensweltorientierung wird das Alltägliche zum Ausgangspunkt der Arbeit aber auch und zum Gegenstand der distanzierten Betrachtung. Dazu verbindet Lebensweltorientierung Kritische Theorie mit hermeneutischen (deutenden) Ansätzen. Die subjektiven Perspektiven von AdressatInnen, ihre Interpretationen des Alltags und ihre räumlichen und sozialen Verortungen sind Ausgangs- und Orientierungspunkt der Arbeit. Lebensweltorientiertes Arbeiten fordert Fachkräfte dazu auf, den Deutungen und Lebensweisen der AdressatInnen respektvoll zu begegnen und aktiv Anschluss an ihren Alltag zu suchen. Gleichzeitig aber gilt es, das Alltägliche immer wieder auch bewusst zu machen und zu bearbeiten, damit es seinen Automatismus verliert und darüber ein „gelingenderes Leben“ ermöglicht werden kann.

„[D]ie Lebensweltorientierung bearbeitet Schwierigkeiten und Probleme in der Komplexität des Alltags. Gleichzeitig agiert sie aber auch provozierend und verfremdend, um Menschen aus den Verstrickungen des Alltags herauszubegleiten. Lebensweltlich zu arbeiten heißt insofern, auf die in der Lebenswelt vorfindlichen Probleme von Menschen einzugehen und gemeinsam mit ihnen eine ‚Vision‘ gelingenderen Lebens zu entwickeln und zu unterstützen“ (Füssenhäuser 2006, 127).

Wirtschaft und Wirkung: Während die Lebensweltorientierung zu einem Leitkonzept der Jugendhilfe wurde, fanden ab den 1990er Jahren zeitgleich zunehmend auch betriebswirtschaftliche Ideen, allen voran „Wirkungsorientierung“ (Effektivität), „Wirtschaftlichkeit“ (Effizienz) und „Qualität“ von Prozessen und Ergebnissen, Eingang in die Ausgestaltung sozialer Dienste und die Methodendiskussion. Diese Gesamtentwicklung wird von KritikerInnen auch als „Ökonomisierung Sozialer Arbeit“ bezeichnet (Seithe 2012, 115) und spiegelt sich auch im Import sprachlicher und inhaltlicher Konzeptionen aus der Betriebswirtschaft, wie etwa dem Leitbegriff des „Management“. Diese Orientierung impliziert sowohl eine auf Steuerung abzielende Strukturierung der Aufgaben als auch ein Selbstverständnis Sozialer Arbeit als „Dienstleistung“. Um sich als eine Dienstleistung neben anderen auf dem Markt behaupten zu können, muss Soziale Arbeit, so das Argument, nachweisen können, dass sie die Ziele erreicht, die sie anstrebt, und dass sie die dafür zur Verfügungen stehenden Ressourcen optimal einsetzt. Dafür bedarf sie systematisch gewonnener Daten, die über den Einzelfall hinaus den Nutzen von Angeboten nachweisen. Evaluationen und Wirkungsforschung haben so einen erhöhten Stellenwert erhalten.

Evidenzbasierte Praxis: Vor dem Hintergrund der Ökonomisierung sozialer Dienstleistungen und eines „aktivierenden Sozialstaats“ hat u.a. das methodische Konzept der „Evidenzbasierten Praxis“ (EBP) in der Sozialen Arbeit Auftrieb erhalten. Obwohl sich EBP in Deutschland bislang wenig oder nur langsam verbreitet hat, ist Evidenzbasierte Praxis in der Sozialen Arbeit vieler europäischer und anglo-amerikanischer Länder seit der Jahrtausendwende stark vertreten. In der EBP kommt die Logik des kritischen Rationalismus (Kap. 2.3.1) zum Einsatz, denn das ursprünglich aus der Medizin kommende Modell betont die systematische Berücksichtigung von Ergebnissen der Wirkungsforschung, um zu entscheiden, welche Interventionen eingesetzt werden.

UnterstützerInnen von EBP führen neben der intendierten Verbesserung von „Outcomes“ zum Wohle der AdressatInnen regelmäßig auch den Zugewinn an Legitimation für die Profession und die Modernisierung ihrer Wissensbasis als Argument ins Feld. KritikerInnen dagegen warnen davor die Aussagekraft von Wirkungsstudien überzubewerten. So ist zum Beispiel die Logik von Wirkungsstudien, die sich aus naturwissenschaftlichen Denk- und Forschungsweisen ableitet, nur sehr bedingt oder auch gar nicht auf die komplexen und höchst unterschiedlichen Zusammenhänge in der Sozialen Arbeit übertragbar.

Anders als in der Medizin sind Interventionen der Sozialen Arbeit kaum standardisierbar und vor allem immer abhängig von den Beziehungen und Interpretationen von Fachkräften und AdressatInnen. Besonders warnen KritikerInnen überdies vor der Vereinnahmung der EBP durch ökonomische Interessen.


Otto, H.-U., Polutta, A., Ziegler, H. (Hrsg.) (2010): What Works. Welches Wissen braucht die Soziale Arbeit? Budrich Verlag, Opladen Farmington Hills

Seithe, M. (2012): Schwarzbuch Soziale Arbeit. 2. Auflage VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

Sommerfeld, P., Hüttemann, M. (Hrsg.) (2007): Evidenzbasierte Soziale Arbeit. Nutzung von Forschung in der Praxis. Schneider Verlag, Baltmannsweiler

Thiersch, H. (2014): Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Aufgaben der Praxis im sozialen Wandel. 9. Aufl. Beltz Juventa, Weinheim/Basel

Thiersch, H., Grunwald, K., Köngeter, S. (2012): Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. In: Thole, W. (Hrsg.): Grundriss Soziale Arbeit. 4. Aufl. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 175–196

Reflexionsfragen zur Diskussion um Methoden:

● In welchem zeitgeschichtlichen Kontext wurde eine Methode entwickelt oder wurde populär?

● Welche Bezüge zu anderen gesellschaftlichen Trends oder Systemen werden in den Leitbegriffen der Methode hergestellt?

● Wie positioniert sich die Methode im Spannungsfeld „Diagnose – Dialog“?

● Wie ist die Methode in Bezug auf individuelle oder kollektive Ansätze ausgerichtet?

● Inwiefern lassen sich die Diskussionen um Wirtschafts-, Wirkungs- oder Lebensweltorientierung in der Methode wieder finden?

3.4 Theorie und Ethik in methodischem Handeln


Die 15-jährige Katharina lebt seit sechs Monaten in einer betreuten Wohngruppe für Jugendliche im Rahmen der stationären Jugendhilfe. Sie hat guten Kontakt zu den sieben anderen Mitbewohnerinnen, geht zur Schule und erbringt dort gute Leistungen. In der Gruppe gibt es Hausregeln, die Katharina, wie alle anderen Bewohnerinnen vor Beginn ihres Aufenthalts, mündlich und schriftlich mitgeteilt wurden und allen bekannt sind. Dazu gehört u.a., dass Bewohnerinnen während der Woche in Schulzeiten bis 21:30 Uhr in der Wohngruppe sein sollen, es sei denn, es ist anderes mit dem Betreuerteam abgesprochen. An einem Dienstagabend ist Katharina nicht rechtzeitig zurück. Versuche seitens der diensthabenden Sozialarbeiterin, sie telefonisch zu erreichen, gelingen nicht. Katharina meldet sich aber selber um 23:30 Uhr telefonisch bei einer Mitbewohnerin, die der Sozialarbeiterin dann mitteilt: „Katharina sagt, sie verspätet sich.“ Ein weiterer Rückrufversuch seitens der Sozialarbeiterin bleibt unbeantwortet. Katharina erscheint schließlich gegen 1:45 Uhr nachts, sagt im Vorbeigehen zur Sozialarbeiterin fröhlich „Sorry, war ‘ne Party, hab das Telefon nicht gehört, und dann war kein Bus!“ und verschwindet in ihrem Zimmer.

Wenn Sie die diensthabende sozialpädagogische Fachkraft wären, wie würden Sie mit der Situation umgehen? Formulieren Sie erste Ideen so konkret wie möglich. Was würden Sie wie zu wem sagen? Was würden Sie wann und wie tun wollen?

Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit ist immer von theoretischen Annahmen darüber, wie Menschen und Gesellschaften konstituiert sind, und moralisch-ethischen Vorstellungen darüber, wie Menschen und Gesellschaften sein sollen, durchsetzt. In der Praxis vermischen sich zudem theoretische und ethische Ideen aus der Alltagserfahrung mit solchen aus wissenschaftlichen Diskursen. Theorien und Ethik spielen daher eine wesentliche Rolle für die genauere Betrachtung der Tätigkeiten von Fachkräften der Sozialen Arbeit, die regelmäßig auf Menschen in krisenhaften oder anderen vulnerablen Lebenslagen einzuwirken versuchen und dafür theoretischer Begründung und ethischer Rechtfertigungen bedürfen.

3.4.1 Die Rolle von Theorien


Eine Theorie ist eine gedankliche Konstruktion, die zur Deutung, Erklärung oder zur Vorhersage von Phänomenen dient.

Diese sehr allgemeine Definition umfasst sowohl wissenschaftliche Theorien wie auch Alltagstheorien.

Alltags- und wissenschaftliche Theorien: Alltags- wie wissenschaftliche Theorien basieren auf Erfahrungsdaten, die allerdings unterschiedlich gewonnen und verarbeitet werden. Wissenschaftliche Theorien unterscheiden sich von Alltagstheorien in ihren Absichten und in ihren Entstehungsweisen. Alltagstheorien werden auf der Grundlage von Alltagserfahrungen gebildet und dienen primär der Bewältigung eben dieses Alltags. Alltagstheorien entstehen typischerweise unbeabsichtigt und werden selten einer systematischen Prüfung unterzogen. Wissenschaftliche Theorien dagegen haben das Ziel, möglichst schlüssige Ideengefüge über einen Gegenstandsbereich zu bilden und entstehen im gegenseitigen Austausch von WissenschaftlerInnen. Wissenschaftliche Theorien müssen sich stets der systematischen Prüfung, Diskussion und Weiterentwicklung oder Ablehnung stellen.

Unterschiedliche Ebenen und Reichweite: Wissenschaftliche Theorien, die in der Sozialen Arbeit genutzt werden, fallen in ihrer Reichweite und Komplexität unterschiedlich aus und nehmen verschiedene Ebenen in den Blick. So gibt es z.B. Theorien, die sich mit der Frage befassen, wie Wissen und Erkenntnis überhaupt hergestellt werden (Erkenntnistheorien), solche, die für das Verstehen der Gesellschaft Orientierung bieten (Gesellschaftstheorien), solche, die auf die Profession selber zielen (Professionstheorien) sowie solche, die sich mit dem menschlichen Handeln befassen (Handlungstheorien). Einige Theorien werden mit Hilfe empirischer Forschung konstruiert, während andere primär gedankliche Entwürfe zur Verfügung stellen, die sich nicht notwendigerweise messen und empirisch „testen“ lassen, aber dennoch wichtige Orientierungen bieten.

Theorien sind nicht neutral: In der Diskussion um Alltagswissen einerseits und wissenschaftliches Wissen andererseits taucht schnell die rhetorische Unterscheidung von „objektivem“ versus „subjektivem“ Wissen auf. Im Gegensatz zu „objektiv“ verweist dabei die Zuschreibung „subjektiv“ zumeist darauf, dass ein solches Wissen nur einer vereinzelten Perspektive oder Erfahrung entstammt oder keine über Forschung hergestellte Allgemeingültigkeit beanspruchen kann.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die beiden Begriffe nicht gleichberechtigt nebeneinander stehen. Vielmehr positioniert der Begriff „objektiv“ das so bezeichnete Wissen als „von Interessen frei“ oder „neutral“ und darum als „besseres Wissen“. Aber trotz ihres (fach-)öffentlich transparenten und diskutierbaren Entstehungsprozesses sind auch wissenschaftliche Theorien, vor allem sozial- und geisteswissenschaftliche, denen in der Sozialen Arbeit eine besondere Rolle zukommt, nicht „neutral“, sondern immer eingebunden in gesellschaftliche oder kulturelle Strukturen und ideologische Tendenzen. Darum wird in der Sozialarbeitswissenschaft inzwischen eher davon gesprochen, dass wissenschaftliches Wissen immer „intersubjektiv“, also im Abgleich zwischen AkteurInnen, hergestellt wird, und nicht „objektiv“, also neutral, ist.

Bilder von Mensch und Gesellschaft: Theorien beinhalten immer auch ideologische Positionierungen und Annahmen über Menschen und Gesellschaft. Dazu gehören

● Annahmen über die menschliche Natur („Der Mensch ist von Natur aus gut oder altruistisch“, „Der Mensch ist von Natur aus böse oder selbstsüchtig“, etc.),

● Annahmen über menschliches Verhalten („Der Mensch ist in seinem Verhalten genetisch-biologisch bestimmt“, „Der Mensch erlernt Verhalten erst durch Erziehung und Sozialisation“, etc.),

● Annahmen über Motivationen des Handelns („Der Mensch verhält sich rational in seinen Entscheidungen“, „Menschliches Verhalten ist von vielfach unbewussten Emotionen bestimmt“, etc.),

● Annahmen zum Gesellschaftsbild („Gesellschaft basiert primär auf Konsens“, „Gesellschaft basiert primär auf Konflikt“, etc.) sowie

● Annahmen über das Verhältnis von Gesellschaft zu Individuum („In der Gesellschaft hat das Individuum das Primat gegenüber allgemeinen Interessen“, „In der Gesellschaft haben allgemeine Interessen Vorrang vor individuellen“, etc.).

Durch ihre Tendenzen zu bestimmten Bildern von Mensch und Gesellschaft haben Theorien auch eine ethische Dimension.

3.4.2 Die Rolle der Ethik


Ethik beschäftigt sich mit Fragen nach „richtigem“ Handeln und „gutem“ Leben und beschäftigt sich also mit den Werten, an denen sich Menschen – als Individuen, Gruppen oder Gesellschaften – orientieren sollen.

Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit hat stets auch Bezüge zu ethischen Fragen. Seit ihrer Entstehung ist Soziale Arbeit eine oft an bürgerlichen Moralvorstellungen orientierte Praxis, die auch unterhalb gesetzlicher Normen gesellschaftlich dominante Ideen von „richtiger“ Lebensführung, „ordentlicher“ Erziehung, „guter“ Mutterschaft usw. transportiert. Da die Praxis Sozialer Arbeit gleichzeitig erheblich in die Lebenswelt und Privatsphäre von Personen eingreifen kann, dient Ethik in der Sozialen Arbeit dazu, sowohl die persönlichen Moralvorstellungen von Fachkräften als auch die in gesellschaftliche Institutionen eingewobenen moralischen Normen zu hinterfragen. Dazu greift Soziale Arbeit sowohl auf Sozialethik als auch auf Berufsethik zurück.

Sozialethik: Sozialethik beschäftigt sich speziell mit der Frage, auf welchen Werten eine Gesellschaft und ihre Institutionen beruhen sollten und in welchem Verhältnis dabei Individuen zur Gesellschaft stehen. So ist zum Beispiel die Frage „Welche Verantwortung kommt dem Individuum bei der Versorgung von älteren Menschen zu und welche Verantwortung hat die Gesellschaft?“ eine sozialethische Fragestellung. Menschen- und Gesellschaftsbilder sind also Gegenstand der Sozialethik, die dabei helfen kann, Vorstellungen von Normalität und Moralität, zu analysieren, zu begründen oder auch in Frage zu stellen.

Berufsethik: Berufsethik bündelt Leitlinien für das Professionsverständnis und Handeln von Angehörigen des Berufs unabhängig von Arbeitsfeldern oder institutionellen Trägern. Nationale und internationale Organisationen der Sozialen Arbeit haben Prinzipien und Ethik-Kodizes formuliert, die generelle Haltungen und Zielrichtung der Arbeit sowie „Soll“-Vorgaben für professionelles Verhalten und Handeln gegenüber AdressatInnen, KollegInnen und in Organisationen und Öffentlichkeit darlegen.

Ethische Grundlagen und Prinzipien der Sozialen Arbeit: Die International Federation of Social Work (IFSW) benennt als ethische Grundlagen der Sozialen Arbeit Menschenrechte, Menschenwürde sowie Soziale Gerechtigkeit. Daraus abgeleitet haben SozialarbeiterInnen die Aufgabe, „die körperliche, psychische, emotionale und spirituelle Integrität und das Wohlergehen einer jeden Person [zu] wahren und [zu] verteidigen“ sowie „soziale Gerechtigkeit zu fördern, in Bezug auf die Gesellschaft im Allgemeinen und in Bezug auf die Person, mit der sie arbeiten“. (DBSH 2014, 30)

Dazu werden folgende Prinzipien spezifiziert:

● Das Recht auf Selbstbestimmung achten

● Das Recht auf Beteiligung fördern

● Jede Person ganzheitlich behandeln

● Stärken erkennen und entwickeln

● Negativer Diskriminierung entgegentreten

● Verschiedenheit anerkennen

● Gerechte Verteilung der Mittel sicherstellen

● Ungerechte politische Entscheidungen und Praktiken zurückweisen

● Solidarisch mit Benachteiligten arbeiten


Staub-Bernasconi, S. (2007): Soziale Arbeit: Dienstleistung oder Menschenrechtsprofession. Zum Selbstverständnis sozialer Arbeit in Deutschland mit dem Seitenblick auf die internationale Diskussionslandschaft. In: Lob-Hüdepohl, A., Lesch, W. (Hrsg.): Ethik sozialer Arbeit. Ein Handbuch. Schöningh, Paderborn, 20–54

Klärungshilfe im kommunikativen Austausch: Neben der Rolle als Reflexionsfolie für Grundlagen und Prinzipien der Sozialen Arbeit dient Ethik auch als Bezugspunkt in der Alltagspraxis. So sind ethische Überlegungen bei Konflikten oder Dilemmata hilfreich für die Klärung von Haltung und Handlungsoptionen gegenüber AdressatInnen, KollegInnen, ArbeitgeberInnen und Trägerorganisationen, Angehörigen anderer Professionen sowie in der Öffentlichkeit. Konflikte treten in der Praxis regelmäßig auf, wenn z.B. die Zielvorstellungen von AdressatInnen und Professionellen bzw. Institutionen nicht übereinstimmen (Zielkonflikte), wenn die Wege oder Mittel zum Ziel zwischen den Handelnden umstritten sind (Handlungskonflikte) oder wenn persönliche Interessen von Fachkräften oder die Interessen Dritter im Spiel sind und Einfluss auf die fachlichen Interessen ausüben (Interessenkonflikte).

Ethische Dilemmata: Ethische Dilemmata sind Konflikte auf der Werteebene, „wenn zwei Zielstellungen miteinander konkurrieren, die beide aus ethischer Sicht nicht aufgegeben werden können“ (DBSH 2014, 39). Ethik dient hier als Klärungshilfe im kommunikativen Austausch mit AdressatInnen sowie im kollegialen Austausch oder in der Supervision. Daraus leitet sich auch die Legitimation der Forderung ab, dass professionelle Soziale Arbeit zeitlicher, finanzieller und personeller Ressourcen für eben diesen Austausch in Formaten wie Kollegialer Beratung und Supervision (Kap. 7.2.4) bedarf, um eine ethische Praxis zu sichern.


DBSH (Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e. V.) (2014): Berufsethik des DBSH. Ethik und Werte. In: Forum Sozial. Die berufliche Soziale Arbeit, (4), www.dbsh.de/fileadmin/downloads/DBSH-Berufsethik-2015-02-08.pdf, 03.07.2017

Ethik Journal. Online Journal. Zeitschrift für Ethik im Sozial- und Gesundheitswesen. www.ethikjournal.de, 09.06.2017

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