Kitabı oku: «Wege, Lichtung, Horizont: Konstellationen des 'Essayistischen' in María Zambranos Claros del bosque und Octavio Paz' El mono gramático», sayfa 6
Die beiden Texte von Zambrano und Paz sind nicht zuletzt Symbole für die essayistische Sicht auf die Kultur als ,erste Natur‘ des Menschen. María Zambranos biografisch reale Waldspaziergänge, die sich im Schreiben der Waldlichtungen spiegeln, beschreiben Wege durch das wahre Habitat des Menschen – den Wald von Zeichen, in dem der Mensch selbst als unwirkliche, nicht zu betretende Lichtung erscheint (wer Wald ist, kann die Lichtung nicht betreten). Und Octavio Paz’ ebenso historisch wirkliches Schlendern durch das Tempelareal von Galta ist Weg durch die halb verfallenen Schriftarchitekturen und Symbolkonstruktionen, die mit der Natur verschmelzen, von ihr verschluckt und überwuchert werden: Der Mensch, der darin haust, wird selbst zur Schriftruine, die niemals ein Ganzes beschreibt, sondern bröckelt, immer wieder ausgebessert und schließlich ganz verschluckt wird: mächtige Bilder für die Zivilisation als Natur des Menschen und ihre ständige Bedrohung der Auslöschung durch eine Gegenkraft, die schon im Mythos Babylon aufscheint. Das ,Essayistische‘ selbst hat Anteil an diesem Mythos. Montaignes Turm, Borges’ labyrinthische Bibliothek von Babel, Octavio Paz’ halb verfallene chimärische Tempelarchitektur von Galta – all diese Metaphern sind Aspekte des Mythos von der Ambivalenz des Menschen zwischen der Erhabenheit und dem Wahn, zwischen der Anstrengung des Aufbaus und dem ,Sic transit gloria mundi‘; nicht zuletzt des katastrophistischen Mythos der fatalen Verstrickung in die eigenen Schöpfungen. Der Wald der Zeichen und die Wüste der Signifikation reihen sich in die Metaphernwelt des mythischen Babylon ein, die, mit den Worten des Kunsthistorikers Sébastien Allard, das „allgegenwärtige Spannungsverhältnis zwischen Dekonstruktion und (Re)konstruktion“ beschreiben.216 Wald und Wüste, wie sie in den Texten von Zambrano und Paz erscheinen, übertragen den Mythos Babylon von der Architektur auf die Natur, sodass von ,erster‘ oder ,zweiter‘ Natur im Sinne Adornos überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann. Das ,Essayistische‘ ist nicht zuletzt ein Weg, diese Natur zwischen Selbstbehauptung und Entmächtigung in sich selbst zu ergründen, dem Mythos der Zivilisation in sich selbst nachzuspüren.
Für Montaignes Zeitgenossen war das Projekt der Erkundung der eigenen Subjektivität ein Novum. Die Faszination dafür brachte ihm zwar zahllose Bewunderer ein – allein von 1580 bis 1669 wurden die Essais in 37 Auflagen gedruckt –, doch selbst diese verstanden ihn im Grunde nicht. Wie Pierre Villey schreibt, war Montaigne seiner Zeit um 150 Jahre voraus. Erst im 18. Jh. hätte sein Denken wirklich erblühen können.217 Folgten die ersten beiden Bände der Essais noch einem breiteren Geschmack, zeigten sich selbst Freunde Montaignes vom dritten Band irritiert. Einig waren sich selbst wohlmeinende Leser in der Zurückweisung der ,peinture du moi‘, der exzessiven Präsenz des ,Ich‘ in den Texten, die in den späteren Essays ein immer größeres Ausmaß annimmt. Gewohnt und ,erlaubt‘ war die Darstellung von Handlungen öffentlicher Personen, die Teil der Geschichte waren und zu einer staatsmännischen Bildung beitragen konnten. Die Darstellung eines privaten ,Ich‘ hingegen war ein regelrechter Skandal, und so sah sich Montaigne mit dem Vorwurf der Eitelkeit konfrontiert, der „vanité de se mettre en scène“; die Essais waren für viele „un livre puéril, vain, pervers“.218 Dabei spielten nicht zuletzt auch religiöse Gründe eine Rolle, denn der Entwurf des eigenen ,Ich‘ im Duktus des Müßiggängers konnte als Abkehr von Gott aufgefasst und in die Nähe der Todsünden gerückt werden. Vor allem aber war es schlicht unschicklich.
Freilich war Montaigne innerhalb der christlichen Welt nicht der Erste, der über sich selbst schrieb. Eines der prominentesten Beispiele für die Darstellung eines ,Ich‘ sind wohl die Confessiones des Augustinus. Doch besitzt das ,Ich‘ hier einen ganz anderen Status: Augustinus spricht von seinen Fehlern, um sich Gott zu unterwerfen; Selbsterkenntnis ist hier die Erkenntnis der Erlösbarkeit durch Gott. Daher gibt Augustinus nur wieder, was in Zusammenhang mit dem Gnadenereignis steht. Hugo Friedrich spricht von einer teleologischen Praxis, bei der es um ein schrittweises Ins-Reine-Kommen mit Gott und dem Heilsplan geht.219 Montaigne hingegen sucht kein Gnadenereignis. Er spricht über seine Wirkung auf Frauen, seine Gallensteine und das Schuheschnüren. Friedrich schreibt, die „Essais sind ein tagebuchähnlicher Monolog, bei dem man nie genau weiß, wen sich der Verfasser, außer sich selbst, als Mithörer denkt; Gott ist es jedenfalls nicht“.220 Obwohl Montaigne in seinen Ideen katholisch konservativ bleibt, zieht er auch den Zorn der Kirche auf sich, sodass seine Essias 1676 auf den vatikanischen Index verbotener Bücher gesetzt werden. Dabei dürfte wohl seine antidogmatische, radikal skeptische und für seine Zeit damit in gewisser Weise rebellische Grundhaltung eine Rolle gespielt haben, die in Verbindung mit einer rein weltlich ausgerichteten Moral die Autoritäten auf den Plan gerufen hatte. Bernhard Teuber liest die Essais als Auseinandersetzung mit den Dispositiven der Macht, in der das Subjekt sich selbst entmächtigt, um aus einer Position der ,faiblesse‘ heraus dieser Macht immer wieder trickreich auszuweichen. Dies führe letztlich zu einer subtilen Subversion der Macht selbst: „Bei Montaigne jedenfalls lassen sich die Figurationen der Entmächtigung durchwegs lesen als Defigurationen der Macht.“221 Das grundlegende Sprachspiel dieser Operation ist die Verteidigungsrede oder Apologie als „rhetorische Inszenierungen der Machtlosigkeit“.222
Wie sich zeigt, ist ,der Essay‘ als apologetischer Diskurs selbst der Apologie bedürftig; vielleicht ist dies ein Grund dafür, dass seine Verteidigung gegen die Anfeindungen der Wissenschaft oft ihrerseits essayistisch ausfällt. Verteidigen jedenfalls muss sich ,der Essay‘ nicht nur gegen den Vorwurf einer eitlen ,peinture du moi‘; er ist auch schon immer Ziel der Kritik vonseiten des Vernunftmächtigen. Schon unter den Gelehrten seiner Zeit stand er unter Anklage fehlender Wissenschaftlichkeit und Methode. Ein knappes Jahrhundert später ist es dann Nicolas Malebranche, der in seiner Recherche de la vérité (1675) die gängigen Vorwürfe gegen Montaigne pointiert formuliert: Er habe mit den Essais eine Sprache geschaffen, die Vernunftpositionen unterlaufe.223 Ohne an dieser Stelle auf die lange Reihe von Kritikern einzugehen: Der Vorwurf bleibt bestehen, sodass Adorno in seiner berühmten Apologie des Essays (Der Essay als Form) von 1958 noch dagegen mobil macht: Dem Positivismus nach solle, so Adorno, jede Darstellung des Ausdrucks eine Objektivität gefährden, die „nach Abzug des Subjekts herausspränge“. Die Reinheit der Sache selbst hoffe man durch ihre Indifferenz gegenüber dem Ausdruck gewährleisten zu können. Damit läuft der szientifische Geist jedoch Gefahr, zum „stur dogmatischen [sic]“ zu verkommen, schreibt Adorno, um dann noch einmal mächtig gegen die Verächter des Essays auszuholen: „Das unverantwortlich geschluderte Wort wähnt, die Verantwortlichkeit in der Sache zu belegen, und die Reflexion über Geistiges wird zum Privileg des Geistlosen.“224
Adorno plädiert keineswegs für eine Wiederzusammenführung von Wissenschaft und Kunst. Im Verlauf einer Entmythologisierung seien die beiden auseinandergedriftet; eine Einheit sei weder wiederherstellbar noch erwünscht. Dennoch sei der Gegensatz auch nicht zu hypostasieren: Wer jegliche Vermischung ablehne, sorge für eine „nach Sparten organisierte Kultur“, die den Verzicht auf „die ganze Wahrheit“ in sich berge: „Die Ideale des Reinlichen und Säuberlichen, die dem Betrieb einer veritablen, auf Ewigkeitswerte geeichten Philosophie, einer hieb- und stichfesten, lückenlos durchorganisierten Wissenschaft und einer begriffslos anschaulichen Kunst gemein sind, tragen die Spur repressiver Ordnung.“225
In der Paraphrase jener berühmten Apologie des Essays wird ein Aspekt essayistischer Haltung deutlich, der auch die beiden Texte von Zambrano und Paz stark prägt: ein Plädoyer für den Gebrauch sämtlicher Sinnesvermögen des Menschen, um dem ,repressiv Systemhaften‘ zu entkommen. Denn bei aller Skepsis geht es der Essayistin/dem Essayisten um die Erkenntnis einer ,ganzen Wahrheit‘; um ein Wissen, das nur unter Einbezug sinnlicher Kapazitäten einer ,imaginatio‘ erlangt werden könne. Beide Texte sprechen aus der Position einer Machtlosigkeit, da sie herrschende Diskurse unterlaufen; nicht indem sie sie angreifen, sondern indem sie sie erweitern und durch den Rückbezug auf die Dichtung mit ihrem ,anderen‘ konfrontieren.
Besonders stark hatte María Zambrano unter den Machtdispositiven zu leiden: zunächst als Verteidigerin der unterlegenen politischen Sache, anschließend aufgrund ihres philosophischen Stils, der sich der Mystik annähert. Wie Zambrano in den Claros del bosque andeutet, hatte sie selbst damit zu kämpfen, von einem Teil des akademischen Establishments als ,Mystikerin‘ oder ,Poetin‘ nicht für voll genommen zu werden.226 Schließlich musste sich Zambrano auch des allgegenwärtigen ,Machismo‘ erwehren, wie Octavio Paz in seiner Hommage an die Philosophin schreibt. So sei die Lehrtätigkeit Zambranos an der Casa de España (später Colegio de México) vor allem am Widerstand ihrer männlichen Kollegen gescheitert, die es ablehnten, mit einer Frau zusammenzuarbeiten: „¡una mujer profesora de filosofía!“227 Daraufhin sei sie ohne Vorbereitung kurzerhand in die Provinzstadt Morelia geschickt worden, wo sie sich einsam und verlassen in einem Umfeld gefühlt habe, das ihren geistigen Anliegen eher fernstand. Dieser Art von Problemen war Octavio Paz als renommierter Diplomat und bereits früh anerkannter Dichter nicht ausgesetzt. El mono gramático ist dennoch ein Werk, das die „Exklusionsmechanismen der diskursiven Logik“228 unterläuft. Der bloßen Einordnung als ,Prosagedicht‘ entgeht die tiefe und sehr persönliche Reflexion über den Vorgang des Dichtens und Schreibens. Sie entzieht sich jeglicher Macht, die versucht ist, mittels einer wissenschaftlichen Metasprache über den Text zu verfügen, und das Poem aus ihrem Sprachspiel ausschließt. Sein Konzept einer kritischen und historischen Poesie oder einer ,pasión crítica‘ steht daher unter dem Zeichen einer Apologie der Dichtung, die seit Platon unter dem Verdacht steht, der Vernunft entgegengesetzt zu sein. Sowohl Zambrano als auch Paz sehen sie jedoch als Instrument jenes unmittelbaren Weltverständnisses, wie es dem Laien im ,Buch der Natur‘ zur Verfügung steht. Dabei konfrontieren sie jedoch auch die Dichtung mit dem wissenschaftlichen Diskurs. Nicht die Erhöhung des ,Buchs der Natur‘ ist ihr Projekt, sondern die Problematisierung des Dechiffrierens aller Bücher. Denn Zambranos Lichtung ist genauso wie Paz’ Tempelruine unter diesem Gesichtspunkt vor allem eine Metapher für mangelhafte Lesbarkeit.
„Das komplizierte Ineinander von Dichterischem und Wissenschaftlichem im Essay“, schreibt Gerhard Haas, „hat immer wieder herausgefordert, sein Verhältnis zu diesen beiden Erkenntnis- und Aussageweisen näher zu bestimmen.“229 Beide Texte akzentuieren in der Metathematik die Interrelation von Philosophie und Mystik/Dichtung, die bei Paz als Verknüpfung von Text und Bild zusätzlich auf intermedialer Ebene gedacht und umgesetzt ist. Damit geraten die Texte zum Untersuchungsfeld für das Essayistische selbst, das sich auf seine Konstitutionsmechanismen hin prüft. In der Apologie ganzheitlicher Erkenntnisvermögen lässt sich das ,Essayistische‘, wie Müller-Funk schreibt, als „Absetzbewegung von den vertrauten Formen und Figuren des rationalen Denkens bestimmen: Definition, Eindeutigkeit, Kausalität, Verständlichkeit durch explizite Erklärung, die Wirksamkeit des Kausalgesetzes, Fußnoten, linearer Aufbau, eine strenge und tendenziell statische Distanz von Subjekt und Objekt, Einhaltung der Regeln der ,Disziplin‘.“230 Das ,Essayistische‘ schafft einen Raum, wo Diskurse atmen können, denen die szientifische Aussagepraxis ihre Sprache entzieht. Weil das ,Essayistische‘ sich jedoch dabei selbst infrage stellt, delegitimiert es Wissenschaft nicht, sondern unterhält einen kritischen Dialog mit ihr durch den Einbezug von Imagination und Phantasie, von Erfahrung und Sinnlichkeit.231
4 Das ,Essayistische‘ als ,Praxis‘
4.1 Selbst und Praxis
Die Essais, schreibt Stefan Zweig in seinem Fragment gebliebenen biografischen Essay über Montaigne, haben einen einzigen Gegenstand, „und er ist derselbe wie der seines Lebens: das ,moi‘ oder vielmehr ,mon essence‘“.232 Und bei der gewaltigen Vielzahl an Sujets, die in den Essais anklingen, ist dieses ,Ich‘ tatsächlich das alles bestimmende, verbindende Element. „Ainsi, lecteur, je suis moi-même la matière de mon livre“, heißt es bereits im Vorwort; der Leser solle keinen anderen Zweck erwarten als einen rein privaten. Die Selbstbetrachtung ist bei Montaigne dabei nichts grundlegend Neues; sie gründet auf einer reichen Tradition von Schriften römischer Autoren des ersten und zweiten Jahrhunderts, die er sich zum Vorbild genommen hatte, darunter Epiktet und Marc Aurel und ganz besonders Senecas Epistulæ morales. Michel Foucault betrachtet diese Schriften unter den Vorzeichen einer allgemeinen Hinwendung zum Selbst und einer „Sorge um sich“ („souci de soi“), die mittels asketischer Techniken ,praktiziert‘ wurde, die also im Zusammenhang mit einer konkreten Praxis gedacht werden muss. Mit Askese ist dabei die Anstrengung der Einübung verschiedener Techniken gemeint, die Foucault auch unter dem Begriff der Künste seiner selbst („arts de soi-même“) versammelt. Diese sollen in ihrer Gesamtheit eine Lebenskunst („art de vivre“) beschreiben, die es dem Menschen erlaubt, sich als Subjekt moralischer Handlungen zu formen. Die Künste seiner selbst zielen auf die ,Umformung‘ des Individuums, das das eigene Verhalten reflektieren soll, damit sich in Analogie von Medizin und Moral eine ,Besserung‘ einstellen kann: „Die Selbstpraktik impliziert, daß man sich in seinen eigenen Augen nicht schlicht und einfach als unvollkommenes, unwissendes Individuum darstellt, der Besserung, Formung und Erziehung bedürftig, sondern als Individuum, das an gewissen Übeln leidet und sie in Pflege nehmen muß, sei's von eigener Hand, sei's durch jemand, der dazu berufen ist.“233 Dazu soll vor allem gemäß dem delphischen Prinzip eine Selbsterkenntnis gefördert werden, die auf die Formung des Selbst als moralisches Wesen zielt. Den dazu notwendigen Operationen, die von praktischen Texten zur Anleitung begleitet werden, kommt eine „etho-poetische“ Funktion zu, wie Foucault sie in Anlehnung an ein Wort Plutarchs nennt.234 Die Techniken umfassen dabei geistige Übungen wie Gedächtnistraining, Meditation und Gewissensprüfungen und in erster Linie natürlich das Philosophieren. Aber auch körperliche Übungen sind wichtig wie verschiedene Arten der Abstinenz, Gymnastik und Körperpflege, die Umsetzung von Gesundheitsregeln wie eine maßvolle Befriedigung von Bedürfnissen. Das Leben des Individuums bedarf einer ästhetischen Formung, die in der ,Askesis‘ erreicht wird, womit zunächst nur ,Übung‘ an sich gemeint ist. ,Praxis‘ ist also mit dem Begriff der Askese eng verbunden und beschreibt fortgesetzte Handlungen, die in einer Regelmäßigkeit einer bestimmten inneren Haltung einerseits entsprechen, diese aber gleichzeitig auch bedingen und formen. Foucault bezeichnet sie als „Formen der Einwirkung auf sich selber“.235 Askese ist dabei aber mehr als nur eine Übung zur ästhetischen Selbstformung; sie impliziert eine Haltung der ständigen Kontrolle, der Prüfung und der Wachsamkeit. Sie ist ,Anstrengung‘ zu sich selbst, Körperarbeit und Geistesarbeit: ,Selbstarbeit‘.
Dabei nehmen das Lesen und Schreiben eine wichtige Rolle ein. Gerade in Senecas Philosophie, die unter dem Zeichen einer Subjektivierung von Moral steht und eine bloße Übernahme stoizistischer Sinnsprüche ablehnt, steht die selbstständige Reflexion über Handlungsmaximen im Vordergrund. Die Übertragung abstrakter Anweisungen auf das Individuum erfolgt in einem Dreischritt aus Lektüre, Reflexion und Synthese: Schriften anderer sollen zur Kenntnis genommen werden, im Anschluss muss das Individuum darüber urteilen und im eigenen Schreiben das Gelesene zu etwas Eigenem umformen. Das Fremde soll mit dem eigenen Verschmelzen und im Einklang mit der eigenen Natur synthetisiert werden, um sich des eigenen moralischen Standorts zu versichern. Zur Veranschaulichung arbeitet Seneca mit Gleichnissen wie dem Bienen- und dem Verdauungsgleichnis: „Die Bienen, wie man sagt, müssen wir nachahmen, die umherfliegen und die zur Honiggewinnung geeigneten Blüten aussaugen, sodann, was sie eingebracht haben, ordnen, auf die Waben verteilen.“236 Genauso müsse, was durch Lektüren zusammengetragen wurde, durch Sorgfalt und Einfallsreichtum des Verstandes („ingenii nostri cura et facultate“) geordnet und in eine eigene Substanz transformiert werden.237 Unreflektierte Lektüren hingegen seien wie unverdaute Nahrung, die schwer im Magen liegt und zur Belastung wird. Stärkung werden sie nur, wenn sie in einen anderen Zustand verwandelt und vom Körper aufgenommen werden können: „,Verdauen‘ wir es: sonst geht es nur in unser Gedächtnis über, nicht in unser Wesen. Seien wir damit ehrlich einverstanden und machen wir es zu unserem Eigentum, damit eine Art von Einheit entstehe aus der Vielheit.“238
Seneca schreibt aus der Tradition der ,Stoa‘ und ihres Ideals sittlicher Vollkommenheit, des Erreichens der Gemütsruhe und des In-sich-selbst-Ruhens, der ,Euthymia‘ als Voraussetzung für ein glückliches Leben. Dazu gehört die Unempfindlichkeit gegenüber körperlichen und seelischen Übeln. Durch die Einübung einer sittlichen Lebensführung können Ruhe und Zufriedenheit erlangt werden, wobei das Sittliche als das von der Vernunft gebotene und als naturgemäßes Handeln angesehen wird. Der Mensch soll sich frei machen von allen Affekten, die dem naturgemäßen Handeln widersprechen und daher als schädlich gelten; nur so kann er die Unabhängigkeit seiner Seele erlangen. Wer sich von den Leidenschaften, dem ,pathos‘, leiten lässt, ist nicht Herr seiner selbst und kann nicht glücklich sein. Doch das höchste Gut der ,Stoa‘ ist nicht das glückliche Leben, sondern die ,Tugend‘ als intrinsischer Wert. Tugend bedeutet zu sich selbst kommen und im Einklang mit sich, seinem Schicksal und der Natur zu stehen. In diesem Zusammenhang können auch die Selbstpraktiken betrachtet werden. Vor allem durch das Philosophieren, also die Übung in der Vernunft, soll eine ständige Geisteshaltung antrainiert werden, welche dafür sorgt, dass sich der Mensch nicht von Dingen abhängig macht, die sich seiner Kontrolle entziehen. Dies erfordert nach Foucault „die Notwendigkeit einer Arbeit des Denkens an ihm selbst; […] sie muß die Gestalt einer fortwährenden Filterung der Vorstellungen annehmen, muß sie prüfen, kontrollieren und sortieren“.239 Der Gedanke, zu kontrollieren, was in unser Bewusstsein dringt, das dauernde Filtern von Ideen wird sich in veränderter Form240 auf Montaignes essayistische Haltung übertragen. „Die Kontrolle ist eine Machtprobe und eine Freiheitsgarantie: eine Weise, sich beständig zu versichern, daß man sich nicht an das binden wird, was nicht unserer Herrschaft unterliegt.“241 In der Tradition der ,Stoa‘, zu der Seneca einen lebenspraktischeren Zugang verschaffen will, besitzt vor allem die Überwindung der Todesfurcht große Bedeutung. Dieses Ziel ist durch die Einübung der Vernunft zu erreichen. Philosophieren heißt, zu lernen, über sich selbst Bescheid zu wissen – ein Aspekt, der für Montaignes Essais von zentraler Bedeutung sein wird. Zur Vermeidung der Todesfurcht schreibt Seneca an Lucilius:
das wird allein gewährleisten die Kenntnis seiner selbst und der Natur. Der Mensch wisse, wohin er gehe, woher er stammt, was ihm gut, was ihm schlecht ist, wonach er strebe, was die Vernunft ist, die Begehrenswertes und zu Meidendes unterscheidet, durch die der Begierden Wahnsinn zur Ruhe kommt, der Ängste Aufruhr gedämpft wird.242
Das eigene Denken wagen, auf die Probe stellen, um seine Unabhängigkeit zu bewahren – Stefan Zweig sieht darin das Ethos und das wahre Verdienst Montaignes um die Welt und nennt es, nach einer Metapher Senecas, die „Verteidigung der Zitadelle“. Für Seneca muss die Seele eine von Bollwerk geschützte Zitadelle sein, jedem Ansturm von außen gewachsen und unerreichbar für Geschosse. Sie besitzt sich selbst und genügt sich selbst.243 In diesem Sinn hatte Zweig in Montaigne eine Galionsfigur im Ringen mit seinem eigenen Schicksal und den Verheerungen seiner Zeit gesehen, der die Frage in den Mittelpunkt rückt: „Wie bewahre ich meine ureigenste Seele und ihre nur mir gehörige Materie, meinen Körper, meine Gesundheit, meine Nerven, meine Gedanken, meine Gefühle vor der Gefahr, fremdem Wahn und fremden Interessen aufgeopfert zu werden?“ Ihm geht es um den Aspekt der „Rettung der Freiheit in einer Zeit der allgemeinen Servilität an Ideologien und Parteien“.244 Dieses drängende Thema des 20. Jh. durchdringt auch die Schreibpraxis von Octavio Paz und María Zambrano. In Claros del bosque reflektiert sie ihr persönliches Schicksal gegen Ende eines 40-jährigen Exils; die Texte beschreiben nicht zuletzt ein Ringen um jenes ,Selbstsein‘, das sich stets an einem Topos existenzieller ,Selbstferne‘ abarbeitet. Und Octavio Paz’ El mono gramático entstand 1970 in England, nachdem er 1968 seinen Posten als mexikanischer Botschafter in Indien aus Protest gegen das Massaker von Tlateloco niedergelegt und seine Regierung ihn zur Persona non grata erklärt hatte und versuchte, ihn im eigenen Land totzuschweigen.245 Auch El mono gramático beschreibt einen Kampf um die eigene Unabhängigkeit – als Ringen um die eigene Sprache.
Zur Vorbereitung der Hinwendung zu sich, der ,conversio ad se‘, muss der Mensch zu der Einsicht gelangen, dass er Zeit mit nutzlosen Dingen zugebracht und sein Leben in einer ,Uneigentlichkeit‘ gelebt hat. Seneca schreibt an Lucilius:
manche Zeit wird uns entrissen, manche gestohlen, manche verrinnt einfach. Am schimpflichsten ist jedoch der Verlust, der durch Lässigkeit entsteht. […] der größte Teil des Lebens entgleitet unvermerkt, während man Schlechtes tut, ein großer Teil, während man gar nichts tut, das ganze Leben, während man Belangloses tut.246
Der Mensch muss sich von seinen unnützen Beschäftigungen befreien und eine Leere in sich schaffen; ein Vorgang, den Seneca als „sibi vacare“ bezeichnet. In diese Leere aber werden nun die Selbstpraktiken gepflanzt. Montaignes physischer Rückzug in den berühmten Turm 1571, in dem er mit dem Verfassen seiner Essais beginnt, folgt dem Gebot des Rückzugs zu sich, der Entledigung der belanglosen Tagesgeschäfte. Dabei entdeckt Montaigne, wie Karin Westerwelle beobachtet, nicht etwa die Meeresstille des Gemüts: Der Geist, einmal sich selbst überlassen, galoppiert davon („faisant le cheval échappé“): „wie ein durchgegangenes Pferd macht er sich selber heute hundertmal mehr zu schaffen, als zuvor, da er für andere tätig war; und er gebiert mir so viel Schimären und phantastische Ungeheuer, immer neue, ohne Sinn und Verstand, daß ich, um ihre Abwegigkeit und Rätselhaftigkeit mir mit Gelassenheit betrachten zu können, über sie Buch zu führen begonnen habe“ („mettre en rôle“).247 Die Synthese der vielfältigen Stimmen zu einer ,Einheit‘, die Seneca im Verdauungs-, aber auch im Chorgleichnis (ein harmonischer Klang aus vielen Einzelstimmen) noch beschworen hatte, will bei Montaigne nicht so recht gelingen. Er entpuppt sich eher als Derrida’scher ,Polylog‘. Roland Barthes seinerseits wird diese Erfahrung als eine des ,Ich‘ als ein orientalischer Suk beschreiben, als öffentlicher Ort also, an dem Geschrei und Durcheinander und jedenfalls kein geordneter Chorklang herrscht.248 Und so bedeutet Montaignes Schreiben als Selbstpraxis den Versuch, durch das „mettre en rôle“ Ordnung ins Chaos seiner Gedanken zu bringen – und das gelingt nur mit einer schonungslosen Reflexion über den inneren „Polylog“.
Es ist der Abgleich antiker Vorbilder mit Montaignes konkreter Lebenserfahrung, der seine Essais zu etwas Neuartigem macht. Man kann sagen, Montaigne denkt seinen Seneca in einer gewissen Radikalität weiter. Das wird insbesondere deutlich, wenn man sich den stoizistischen Topos der Askese als Einübung der Unempfindlichkeit gegen die Todesfurcht näher ansieht. Fasst Montaigne ihn in einem der frühen Essays, Que Philosopher, c’est apprendre à mourir (I, 20), noch dem Titel gemäß konservativ auf, entwickelt sich seine Sichtweise in De la Physionomie (III, 12) in eine andere Richtung: Mit einer Vorbereitung auf Übel wie Verbannung, Folter und Krieg, Schiffbruch und Krankheit müsse sich der Geist mit Gedanken beschäftigen, die uns vielleicht nie begegnen. Durch die Sorge aber um den Tod trüben wir das Leben und durch die Sorge um das Leben den Tod.
Die Philosophie befiehlt uns, den Tod stets vor Augen zu haben […], und dann gibt sie uns Verhaltensregeln an die Hand, die gewährleisten sollen, daß diese Voraussicht und dieses Vorausbedenken uns ja nicht weh tue. Genauso machen es die Ärzte, die uns in Krankheiten stürzen, damit sie etwas haben, an dem sie ihre Arzneien und Künste ausprobieren können.249
Montaigne sieht zwei Seiten der philosophischen Zurichtung auf den Tod: Einerseits sei es gut zu erkennen, was man vor sich habe. Andererseits könne die Vorausahnung die Angst erst recht schüren. Wenn die Philosophie wie in der Tradition der Selbstsorge eine Medizin sein soll, fragt Montaigne gewissermaßen nach ihren Nebenwirkungen. Schlichte Bauern, so Montaigne, wüssten manchmal ehrenhafter zu sterben als Philosophen.
Der Mensch solle sich nicht mit Belanglosem und Nutzlosem beschäftigen. Bis hier folgt Montaigne Seneca. Doch dann wendet er die ,Askesis‘ polemisch gegen sie selbst: Wenn das Philosophieren sich als nutzlos oder kontraproduktiv erweise, solle man lieber damit aufhören. Die Askese, deren Basis bei Seneca stets die Philosophie bleibt, radikalisiert sich in der Subjektivierung und kritisiert nun ihre eigenen Grundlagen: Vielleicht bestehe die beste Übung darin, auf jede Übung zu verzichten. Damit wendet sich Montaigne ab von der Moralphilosophie; seine Essais werden, in den Worten Hugo Friedrichs, zum „Hauptstück der neuzeitlichen Moralistik“,250 die immer auch die Nähe zur Dichtung pflegt und aus ihr hervorgeht.251 Schreiben ist durchaus noch Selbstpraxis; doch aus der Selbstkontrolle wird eine eher ungerichtete Selbstbetrachtung. Das therapeutische Ziel der Selbstvervollkommnung wird zugunsten einer Beobachterposition weitgehend aufgegeben, und aus einer „Teleologie des Moralsubjekts“252 entsteht das Subjekt als Faszinosum. Der Moralist ist kein Ethiker und geht nicht von einem idealisierten Menschenbild aus. Montaigne entbindet sich, wie Friedrich sagt, von jeder Mustergültigkeit253 und erteilt so auch einem möglichen erzieherischen Nutzen seiner Texte eine Absage: „Je n’enseigne poinct, je raconte.“254 Statt Lehren gibt er Beschreibungen seiner selbst und beobachtet vorurteilsfrei die Menschen in ihrer konkreten Lebenswelt und ganzen Widersprüchlichkeit. ,Der Mensch‘ verschwindet im Plural der Individuen, und sich selbst als Individuum zu betrachten und schreibend zu spiegeln gebe daher am besten Auskunft über das Menschlichsein.
Die Beobachtung der Fremdheit, die Betrachtung der Sprachlosigkeit – Zambrano und Paz beschreiben Universalia der Menschen als persönlichste Erfahrungswelt. Damit korrespondieren sie mit einem Aspekt, den Georg Lukács als entscheidenden des essayistischen Schreibens ansieht: An seinem Grund erscheint eine existenzielle Metathematik, welche ,den Essay‘ über seinen historischen Moment hinaushebt:255 Die ,poetische Essayistik‘ von Zambrano und Paz ist ein Versuch, diese ,großen Fragen‘ im Subjekt durch die Dichtung zu öffnen, und besinnt sich gerade darin auf die Moralistik, die in ihren Ursprüngen stets in der Nähe zur Dichtung gestanden hat.256
Der essayistische Text etabliert sich aus antiken Traditionen heraus als moralistische Selbstpraxis. Dabei versprachlicht oder ,ver-schriftet‘ sich die Praxis; konkrete Handlungsanweisungen, vor allem im Bereich physischer Betätigung, verschwinden. Das Schreiben als Praxis steht bei Montaigne unter dem Begriff des „mettre en rôle“, das ein Untereinandersetzen der Zeilen, ein lineares ,Abspulen‘ des Schreibens und damit eine geordnete, auf- und abrollbare Folge impliziert. An die Regelmäßigkeit einer ordnenden Schreibpraxis ist die wohlgegliederte Darstellung des schreibenden Subjekts in der Selbst-Beschreibung/Selbst-,Verschriftung‘ gebunden. Doch genau das bleibt als Versuch unvollständig. Die Schrift seiner selbst verliert ihr festes Ziel und beginnt, um sich selbst zu kreisen: „Doch das Ende der linearen Schrift ist das Ende des Buches“,257 schreibt Derrida – das heißt auch des Buches seiner selbst. Weder stellt sich eine geordnete Textgestalt ein, noch zeichnet sich eine schlüssige psychologische Gestalt ab.
Zum Schreiben als entwerfende Praxis gibt es einen interessanten Ansatz von Hanspeter Ortner, der untersucht, wie Texte Wissen als gefügte Formen herstellen. Er ist zunächst für das essayistische Schreiben interessant, weil es Ortner um Textoperationen geht, die nicht reproduzieren, sondern gestaltend und erschaffend sich ihren Gegenstand ,erschreiben‘. Ortner nennt es „das epistemisch-heuristische Denken“. Ortner stellt sich die Frage, wie solche Texte unverbundene Einzeldaten organisieren, um am Ende konstruktivistisch erarbeitete Ganzheiten hervorzubringen. Gerade weil ich diesem Gedanken in einem entscheidenden Punkt für das ,Essayistische‘ nicht folgen möchte, lohnt sich ein kurzer Blick auf Ortners Idee, um von hier aus – ex negativo – Schlüsse für ein essayistisches Schreiben zu ziehen: Ortner fasst Texte als Gestalten im Sinne der Gestaltpsychologie auf. Text ist für ihn „eine Figur aus organisiertem Wissen vor dem (Hinter-) Grund des nicht-organisierten Wissens“.258 Eine Figur ist eine Einheit, die sich vor einer Umgebung abhebt. Als Gestalt bezeichnet Ortner den inneren Zusammenhang der Elemente dieser Einheit, ihre „Binnenstruktur“.259 Die sogenannte Gute Gestalt ist dann erreicht, wenn alle Elemente zusammenstimmen und ein konzises Bild ergeben.260 Ortner fasst nun Schreiben (oder zumindest jenes Wissen schaffende Schreiben) als Gestaltbildungs- und Abduktionsprozess auf, genauer: als Suche nach der ,Guten Gestalt‘, dem Höchstmaß an Kohärenz und Stimmigkeit, in der aus einer Fülle von Möglichkeiten, aus einem „embarras de richesse“ heraus, konzise Einheiten entstehen: „Das Chaos war schon immer die Ursuppe der Schöpfung. Doch vor der Schöpfung ist es eben nur Chaos, Raum des Möglichen.“261 Ein Scheitern oder Nichtzustandekommen der ,Guten Gestalt‘ trotz der „Probierbewegungen“262 selbstreflexiver Prozesse im epistemisch-heuristischen Schreiben führt Ortner nun im Wesentlichen auf eine Fehlleistung des Gehirns zurück.263 Und genau hier liegt wohl Ortners Fehleinschätzung, denn im ,Essayistischen‘ ist jenes Scheitern konstitutiv veranlagt. Die essayistische Wahrheits- und Wissenssuche – und dieser Vorgang ist nur aus der tiefen Ambivalenz ihrer Haltung heraus zu begreifen – impliziert das Paradox von Finden-Wollen und dem Wissen um ein letztendliches Nicht-Finden-Werden. Aus aufrichtiger Suche und kalkuliertem Scheitern ergeben sich das besondere Spannungsverhältnis und die Ästhetik des ,Essayistischen‘. Ortner macht für das Schreiben geltend: „Der komplizierte dynamische Prozeß, den ich als Gestaltbildungsprozeß begreifen will, braucht im Geflimmer der Möglichkeiten den Stabilisator Sprache, die dauerhaften Objektivierungen mit und in Zeichen.“264 Das ,Essayistische‘ jedoch folgt einer Sprachkonfiguration, in der Zeichen, wenn überhaupt, nur ein verschwommenes Bedeutungszentrum besitzen, in der jede feste Begrifflichkeit nur als Prozess temporärer Fixierung erscheint und Sprache einen Dialog mit dem stets Ungesagten ermöglichen soll: Wie stabil kann vor diesem Hintergrund ein ,Stabilisator Sprache‘ sein? An dieser Stelle halte ich Julia Kristevas Begriff der ,Textpraxis‘ für weitaus besser auf das ,Essayistische‘ applizierbar. Denn sie verbindet in ihrer Theorie nicht nur explizit Schreib- und Selbstpraxis, sondern fasst diese Praxis auch als Problematik von Gestaltwerdung, die sich aus einem dynamischen, unabschließbaren Verhältnis der sprachlich fixierten ,Bedeutung‘ zu ihren immer wieder umwälzenden Urkräften, dem ,Semiotischen‘, ergibt.265 Ortners Vorstellung des Texts als gefügte, ,gute‘ Bedeutungsgestalt wirkt vor dem Hintergrund Kristevas Beschreibung komplexer textlicher Sinngebung beinahe naiv.