Kitabı oku: «Lebendige Seelsorge 3/2021», sayfa 2

Yazı tipi:

DILEMMA INNOVATIONS- VS. EINSPARPROZESSE

Unabhängig von einer Umstellung der Verteilung der Kirchensteuermittel sowie von ergriffenen und noch zu ergreifenden Strategien und Maßnahmen wird die Zahl der Kirchenmitglieder und damit auch die Kirchensteuerkraft in den kommenden Jahrzehnten abnehmen. Das führt zwangsläufig zu Einsparprozessen, die im Nachgang der Veröffentlichung der Freiburger Studie teilweise bereits begonnen wurden. Gleichzeitig sind jedoch zusätzliche Investitionen nötig, um zumindest den kirchenspezifischen Faktoren, also dem hausgemachten Teil des Mitgliederrückgangs, zu begegnen und diese abzumildern. Dieses Dilemma zwischen Sparen und Investieren wird sich nur durch einen offenen und ehrlichen Prioritätenprozess auflösen lassen. Wenn dieser transparent, aber konsequent umgesetzt wird, werden ausgediente Konzepte innovativen Projekten weichen. Dann besteht die Hoffnung „Die Sache mit Gott“ (Heinz Zahrnt) mit neuer Energie unter die Menschen zu tragen.

LITERATUR

Gutmann, David/Peters, Fabian, #projektion2060. Die Freiburger Studie zu Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer. Analysen – Chancen – Visionen, Neukirchen-Vluyn 2021.

Wenn das Geld zum Selbstzweck wird

Auftrag und Sendung der Kirche ist es, die Botschaft vom Reich Gottes in die Welt zu tragen. Die Kirche ist Mittel zum Zweck. Auch das kirchliche Vermögensrecht ist geprägt von diesem hohen moralischen Anspruch, auch kirchliches Vermögen ist Mittel zum Zweck. Dennoch wird das Geld in der Kirche immer wieder zum Selbstzweck. Eine Neuausrichtung des kirchlichen Vermögens ist deshalb nicht nur rechtlich geboten, sondern längst überfällig. Anna Ott

Die deutsche Kirche ist reich an Vermögen. Daran hat sie sich gewöhnt. Die sich aus dem Reichtum ergebenden Möglichkeiten sind für die Kirche, ihre Mitglieder, aber auch den Staat und die Gesellschaft längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Gleichzeitig sind die Handlungsspielräume bei der Gestaltung der Haushaltspläne aufgrund der vielen Verpflichtungen deutlich eingeschränkt. Für den Umgang mit Geld, Besitz und Vermögen auf allen Ebenen normiert das Kirchenrecht dabei einheitliche Kriterien.

DAS KIRCHLICHE VERMÖGEN IST STRENG ZWECKGEBUNDEN

Damit die Kirche ihren Auftrag in der Welt – die Verkündigung des Glaubens, die Feier von Gottesdiensten und die Ausübung der Nächstenliebe – erfüllen kann, ist sie angewiesen auf zeitliche Mittel, auf Vermögen in verschiedenen Formen, auf Geld (vgl. Lumen gentium 8; Gaudium et spes 76). Die Kirche ist zwar zu Erwerb, Besitz, Verwaltung und Veräußerung von Vermögen berechtigt, jedoch nicht unbegrenzt. Schon zu Beginn normiert das Vermögensrecht im CIC eindeutig, dass kirchliches Vermögen nur ganz bestimmten Zwecke dienen darf (vgl. c. 1254 § 1 CIC). Da der moralische Anspruch der Kirche, mit dem das Evangelium in die Welt getragen werden soll, hoch ist, ist auch die Zweckbindung des Vermögens streng. Explizit genannt werden drei Zwecke kirchlichen Vermögens, die aufeinander verweisen und aufgrund der gemeinsamen Ausrichtung auf die Sendung der Kirche kaum voneinander zu trennen sind (vgl. c. 1254 § 2 CIC):

Die Durchführung des Gottesdienstes ist der erste dieser Zwecke. Besonders in liturgischen Handlungen ist Christus gegenwärtig. Durch sie antworten die Gläubigen auf Gottes Heilszusage und werden somit selbst geheiligt. Ist das Ziel der kirchlichen Sendung das Heil der Menschen, so ist jedes eucharistisches Opfer zugleich Höhepunkt und Quelle kirchlichen Handelns (vgl. Sacrosanctum Concilium 10). Das Kirchenrecht eröffnet den Raum, in dem dieser Heiligungsdienst der Kirche stattfinden kann. Die Verwendung finanzieller Mittel für den Vollzug des Gottesdienstes, also mindestens für die rechtlich geforderten heiligen Räume und (Einrichtungs-)Gegenstände, ist dementsprechend erforderlich und geboten (vgl. Fischer, 49).

Anna Ott

geb. 1992, katholische Theologin und Studentin im Lizentiat Kanonisches Recht in Münster; promoviert zur Zukunftsfähigkeit der Kirchensteuer im Spannungsfeld zwischen rechtlichen Vorgaben, bewährter Praxis und kirchlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

Daran knüpft der zweite Zweck an: die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer kirchlicher Bediensteter. Weder sollen diese wegen ihrer Arbeit für die Kirche in äußerster Armut leben, noch soll das berufliche Engagement mit Geld aufgewogen werden und womöglich zu Überfluss führen (vgl. Fischer, 50). Die Entlohnung ist allein der Sendung der Kirche verpflichtet, in deren Dienst die Entlohnten stehen. Von ihnen wird gleichzeitig verlangt, in der Nachfolge Christi anspruchslos und einfach zu leben (vgl. c. 282 § 1). Dass sich die Vergütung des Dienstes für die Kirche an den Kontexten zu orientieren hat, in denen sie agiert, ist dabei unstrittig (vgl. c. 281 § 1; c. 232 § 2 CIC). So muss die Entlohnung bspw. auch die Bedarfe der Familien der Angestellten decken (vgl. GS 67).

Überschüsse aus Einnahmen sollen zum Wohl der Kirche und für die Werke der Caritas verwendet werden (vgl. c. 282 § 2 CIC), vor allem für die Armen (vgl. GS 69). Bezieht sich dies zwar auf Einkünfte der Kleriker, kann dieser Grundsatz doch insgesamt gelten. Die Finanzierung der Werke des Apostolats und der Caritas unter besonderer Beachtung der Armen ist nämlich der dritte explizite und gleichzeitig der umfassendste Zweck, dem kirchliches Vermögen dienen soll. Gerade die Sorge um die physisch Armen steht in enger Verbindung zu materiellen Gütern, die es gerecht zu verteilen gilt (vgl. Fischer, 67). Apostolat ist hingegen alles, was Christi Herrschaft in die Welt trägt und was den Menschen den Weg der Erlösung zeigt (vgl. Apostolicam actuositatem 2). An dieser vielfältigen Sendung der Kirche in der Welt haben alle Gläubigen teil (vgl. c. 216 CIC). Die Aufzählung dieser drei genannten Zwecke ist nicht erschöpfend. Das Kirchenrecht kennt weitere Zwecke wie die Evangelisierung, Bildung und Erziehung, Arbeit an (Hoch-)Schulen und im Bereich der Medien. Auch sie gehören zum Wesenskern von Kirche und sind somit legitimer Zweck von kirchlichem Vermögen. Zumeist konkretisieren diese weiteren Zwecke die drei explizit genannten, immer jedoch haben alle Zwecke mit der Sendung der Kirche in Einklang zu stehen (vgl. Fischer, 68f.). Durch die Zweckbestimmung werden die nicht verhandelbaren Leitlinien für den Umgang mit kirchlichem Vermögen deutlich. Diese sind vergleichbar mit dem, was betriebswirtschaftlich als ‚Compliance‘ oder ‚Good Governance‘ bezeichnet wird. Zugunsten der Erfüllung der Sendung kann hier jedoch die ökonomische Effizienz in den Hintergrund treten (vgl. c. 1295 CIC).

Das oft postulierte Ideal der Armut bedeutet nicht, dass die Kirche allen finanziellen Möglichkeiten entsagen soll.

EINE ARME KIRCHE MUSS NICHT FINANZIELL ARM SEIN

Das oft postulierte Ideal der Armut bedeutet nicht, dass die Kirche allen finanziellen Möglichkeiten entsagen soll. Schließlich übt sie eine spezifische Sendung aus, die nur erfüllt werden kann, wenn sie sich auf die kontextuellen Rahmenbedingungen einlässt, zu denen auch die Geldwirtschaft gehört. Eine Kirche, die arm ist, verpasst die Gelegenheit, Ungerechtigkeiten auszugleichen und sich den Menschen zuzuwenden, die zum Überleben selbst auf Geld angewiesen sind. Wenn Jesus im Neuen Testament seinen Jüngern aufträgt, allem Besitz zu entsagen, dann geschieht dies immer aus dem Motiv der Nachfolge heraus und nicht, weil der Besitz selbst verwerflich ist. Das wird er nur dann, wenn sich der Mensch an ihn klammert, habgierig und selbstgenügsam wird. Armut meint in diesem Sinne viel mehr die Haltung, mit der mit Besitz und Geld umgegangen werden soll. Der Umgang mit Vermögen hat immer differenziert und selbstkritisch gegenüber der eigenen Sendung zu sein. Das ‚Ob‘ und ‚Wie viel‘ ist immer zusammen mit dem ‚Wozu‘ zu denken und auch in den jeweiligen kulturellen Kontext zu übertragen.

Die Kirche ist entsprechend dann arm, wenn sie der Macht des Geldes entsagt und dieses immer nur im Kontext ihrer Sendung einsetzt.

Die Kirche ist entsprechend dann arm, wenn sie der Macht des Geldes entsagt und dieses immer nur im Kontext ihrer Sendung einsetzt. Das mag für eine finanziell ärmere Kirche aus praktischen Notwendigkeiten heraus leichter sein. Eine reiche Kirche läuft hingegen Gefahr, in Bequemlichkeit und mitunter auch Selbstgenügsamkeit zu verharren, die den Blick für die vielfältigen Möglichkeiten des Reichtums einschränken. Der Rückschluss jedoch, dass die Ausrichtung des Vermögens auf die Sendung in einer armen Kirche per se besser gelingt als in einer reichen, ist nicht haltbar.

DIE RÜCKBESINNUNG AUF DIE KIRCHLICHE SENDUNG KANN GELINGEN

Die Zweckbestimmung des gesamten kirchlichen Vermögens muss sich auch im Handeln aller Entscheidungsträger:innen widerspiegeln. Auf Ebene der Diözese kommt dem Bischof die Gewalt über das Vermögen zu. Verwaltet wird es in der Praxis aber vor allem durch den vom Bischof angewiesenen Diözesanökonom (vgl. c. 494 § 3 CIC). Sowohl Priesterrat als auch Konsultorenkollegium (in Deutschland das Domkapitel), Diözesanvermögensverwaltungsrat und Kirchensteuerrat müssen bei gewissen Entscheidungen gehört werden oder haben sogar Zustimmungsrechte. Wird eine entsprechende Genehmigung nicht eingeholt oder nicht erteilt, ist ein Rechtsakt ungültig.

Wer letztlich über den Haushalt entscheidet und wie transparent diese Entscheidungen ablaufen, ist je nach Bistum sehr unterschiedlich.

Durch die verschiedenen Kontrollmechanismen soll sichergestellt werden, dass Geldgeschäfte nicht nur ethischen Kriterien genügen, sondern auch im Sinne der Sendung der Kirche erfolgen. Wer letztlich über den Haushalt entscheidet und wie transparent diese Entscheidungen ablaufen, ist je nach Bistum sehr unterschiedlich. Somit ist auch nur schwer nachvollziehbar, ob die gebotene Zweckbindung ausreichend reflektiert wird. Eine Überprüfung der gebotenen Sorgfaltspflicht (vgl. c. 1284 § 2 CIC) erscheint von außen kaum möglich.

Es ist keine leichte Aufgabe, die Werke des Apostolats und der Caritas zu definieren und ein kirchliches Kerngeschäft abzugrenzen, für das Vermögen verwendet werden kann.

Auf der Ebene der Pfarrei kommt in Deutschland nicht dem Pfarrer, sondern dem Vermögensverwaltungsrat – die Bezeichnungen variieren – das Verfügungsrecht über das Vermögen zu. Er trifft bindende Entscheidungen. Auch hier müssen sämtliche Akte der Vermögensverwaltung zugunsten der Zweckbindung reflektiert werden. Dabei reicht es nicht aus, dies bei anstehenden Entscheidungen zu tun, auch die (im Hintergrund) laufenden Kosten müssen im Blick behalten werden. Es ist notwendig, dass sich die Gremien einen Überblick über das gesamte Vermögen, alle Kosten und Ausgaben verschaffen. Auch ist eine grundsätzliche Vergewisserung, welchen Wert das Geld für die Sendung der Kirche vor Ort hat, für eine gelingende Vermögensverwaltung unabdingbar. Nur wenn Schwerpunkte im Sinne der Sendung getroffen werden, kann Geld seinem Zweck entsprechend verwendet werden.

Eine solche Schwerpunktsetzung muss dabei als fortlaufender Prozess verstanden werden. Bedarfe ändern sich, pastorale Innovationen müssen immer möglich sein und auch mitunter herausfordernde Abschiede von Liebgewonnenem dürfen nicht gescheut werden. Dann erst kann kirchliches Handeln vor Ort nicht nur im Sinne des Vermögensrechts gelingen, sondern zugunsten des kirchlichen Auftrags auch authentisch sein.

ABWÄGUNGEN ERFORDERN (DE-)MUT

Es ist keine leichte Aufgabe, die Werke des Apostolats und der Caritas zu definieren und ein kirchliches Kerngeschäft abzugrenzen, für das Vermögen verwendet werden kann. Um das Vermögen an den Zwecken auszurichten, bedarf es solcher Grenzen, die jedoch immer einer gewissen Dynamik unterworfen sein müssen, damit Kirche in der Welt wirken kann. Denn auch neue den örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten entsprechende Ideen zur Umsetzung des Apostolats müssen möglich bleiben, ganz im Sinne einer ecclesia semper reformanda.

Wie schwierig die Antwort auf die Frage nach dem Zweck sein kann, ist daran zu erkennen, dass zum Vermögen nicht nur das freie Verwaltungsvermögen gehört, das unmittelbar kirchlichen Zwecken dient, sondern eben auch solches, das dem Erzielen von Erträgen dient und nur mittelbar den kirchlichen Zwecken. Oft ist es das Stammvermögen, das den Anschein erweckt, es bestehe aus reinem Selbstzweck. Es handelt sich hierbei um die bleibende wirtschaftliche Grundausstattung, die eine langfristige Verwirklichung der kirchlichen Zwecke ermöglicht. Das Stammvermögen bzw. dessen Wert ist deshalb grundsätzlich zu erhalten. Da zum Stammvermögen vornehmlich Immobilien gehören und der Umgang mit diesen immer wieder Thema in kirchlichen Debatten ist, lässt sich an ihnen zeigen, wie auch das Stammvermögen einer Prüfung auf die kirchlichen Zwecke hin unterzogen werden kann. Auch wenn das Stammvermögen rechtlich besonders geschützt ist, ist eine Umschichtung zum Beispiel durch den Verkauf einer Immobilie unter gewissen Voraussetzungen möglich. Besonders angesichts der sinkenden Mitgliederzahlen und der verstärkten Fusion von Pfarreien, müssen Entscheidungen getroffen werden, welche Immobilien tatsächlich noch im Dienst der Sendung der Kirche stehen oder ob die dort (noch) stattfindende Sendung nicht auch gleichwertig an einem anderen Ort durchgeführt werden kann. Auch eine ökumenische Nutzung bietet sich immer öfter an. Eine Entscheidung über den Wert einer Immobilie ist umso drängender, wenn ihr Unterhalt hoch ist und das Geld an anderer Stelle unmittelbarer für Apostolat und Caritas gebraucht wird. Zugleich verdeutlichen solche Abwägungen, dass es bei der Zweckdienlichkeit nicht bloß um die kurzfristige Erfüllung der Sendung gehen darf, sondern dass auch langfristige Perspektiven einbezogen werden müssen.

Neben der Instandhaltung von Immobilien schlagen die hohen Personalkosten in vielen Bistumshaushalten zu Buche. Besonders in den Bistumsverwaltungen sind diese im Verhältnis zu den unmittelbaren Ausgaben für die Seelsorge ‚an der Basis‘ sehr hoch. Dieses Ungleichgewicht geht zurück auf die Einführung der Diözesankirchensteuer in den 1950er Jahren und wird zusehends größer. Vor allem angesichts der sinkenden Zahl an Kirchenmitgliedern, die ‚die Basis‘ ausmachen, besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Eine weitere Zuspitzung findet sich in renditeorientierten Investitionen der Kirche. Sie führen nicht selten zu einem schwerwiegenden Verlust an Glaubwürdigkeit. Eine Finanzierung durch Vermögenserträge ist außerdem problematisch, wenn das Geld bei Unternehmen angelegt wird, deren Handeln nicht mit der Sozialverkündigung der Kirche übereinstimmt und somit ihrer Sendung zuwiderläuft (vgl. Wiemeyer, 503f.). DBK und ZdK haben hier mehrfach die Notwendigkeit eines ethischen Investments betont. Nur schwerlich mit den kirchenrechtlichen Vorgaben zu vereinen ist außerdem die Bildung von Rücklagen aus Kirchensteuermitteln. Denn verlangen darf die Kirche von ihren Mitgliedern nur das, was sie notwendig für ihre Sendung benötigt (vgl. c. 1260 § 1 CIC). Ein vieles rechtfertigendes Sicherheitsbestreben entspricht ihr sicher nicht.

Die innerkirchlichen Rechtsfolgen eines Kirchenaustritts wirken der kirchlichen Sendung entgegen.

AUCH DIE KIRCHENSTEUER MUSS SICH AN DER SENDUNG MESSEN

Nicht zuletzt muss sich neben dem Besitz und der Verwendung auch der Erwerb von Vermögen und Geld – in Deutschland geschieht das hauptsächlich durch die Kirchensteuer – an den gebotenen Zwecken und der Sendung der Kirche messen. Viele Gründe sprechen für oder gegen die Kirchensteuer. Mit Blick auf das Ziel der Heiligung der Menschen und der Verbreitung der christlichen Botschaft in der Welt stechen zwei konträre Argumente heraus.

Eine untrennbar mit der Kirchensteuer verbundene Nebenwirkung ist der Kirchenaustritt. Unter anderem bewirkt ein solcher die Verweigerung des Zugangs zu den Sakramenten. Dienen doch eben diese als Zeichen und Werkzeug dem Heil der Menschen, fällt die Diskrepanz zur Sendung der Kirche sofort ins Auge. Die innerkirchlichen Rechtsfolgen eines Kirchenaustritts wirken der kirchlichen Sendung entgegen. Entsprechend muss dieser Aspekt auch Einfluss auf die Diskussion um die Rechtsmäßigkeit des gesamten Kirchensteuersystems haben.

Anders gewendet ermöglicht die Kirchensteuer, dass die Kirche in Deutschland so umfassende Werke des Apostolats und besonders viele caritative Aufgaben übernehmen und somit ihrer Sendung ausgiebig nachkommen kann. Die mit einem Kirchenaustritt verbundenen Strafen sollen bewirken, dass weniger Leute aus der Kirche austreten und entsprechend mehr Kirchensteuern gezahlt werden, von denen wiederum mehr Werke des Apostolats und der Caritas realisiert werden können. Würde dieser Zweck erfüllt, könnte die Verweigerung der Heilszeichen an Einzelne letztlich an anderer Stelle mittelbar der Sendung der Kirche dienen. In der Realität erscheinen die durch die Bischofskonferenz bei einem Kirchenaustritt festgesetzten Folgen jedoch weniger als Mittel zum Erhalt des Apostolats, sondern eher als Mittel zum Erhalt von Macht. Wenn die Einnahmen über die Kirchensteuer somit nicht mehr Mittel zum Zweck sind, sondern selbst zum Zweck werden, fehlt nicht nur die rechtliche Grundlage für ein solches System, es erscheint auch sonst kaum legitim.

LITERATUR

Fischer, Georg, Finanzierung der kirchlichen Sendung. Das kanonische Recht und die Kirchenfinanzierungssysteme in der Bundesrepublik Deutschland und den USA, Paderborn 2005.

Müller, Ludger/Rees, Wilhelm/Krutzler, Martin (Hg.), Vermögen der Kirche – Vermögende Kirche? Beiträge zur Kirchenfinanzierung und kirchlichen Vermögensverwaltung, Paderborn 2015.

Pulte, Matthias, Vermögensrecht der katholischen Kirche. Ein Handbuch für Studium und Praxis, Würzburg 2019.

Wiemeyer, Joachim, Das Vermögen der Katholischen Kirche, in: Althaus, Rüdiger/Hahn, Judith/Pulte, Matthias (Hg.), Im Dienste der Gerechtigkeit und Einheit. Festschrift für Heinrich J. F. Reinhardt zur Vollendung seines 75. Lebensjahres, Essen 2017, 501–516.

Wissenschaftliche Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Mit Geldanlagen die Welt verändern? Eine Orientierungshilfe zum ethikbezogenen Investment, Bonn 2010.

Ein ökumenischer und ökonomischer Perspektivwechsel

Die Replik von David Gutmann und Fabian Peters auf Anna Ott

Kirchliches Vermögen darf letztlich einzig dem Zweck dienen, die Botschaft vom Reich Gottes in die Welt zu tragen. Diese Kernthese entfaltet Anna Ott in ihrem Beitrag und greift zur Spezifizierung auf das kanonische – also das katholische – Kirchenrecht zurück. Demzufolge soll kirchliches Vermögen vor allem für dreierlei eingesetzt werden: zur Durchführung des Gottesdienstes, zum Unterhalt des Klerus sowie zum Wohl der Kirche und für die Werke der Caritas. Ob diese Zweckbestimmung tatsächlich erfüllt wird, muss immer wieder neu von den verantwortlichen Gremien und Personen – in den Pfarreien den Vermögensverwaltungsräten und in den Diözesen den Diözesanbischöfen – geprüft werden. Um der Sendung der Kirche nachzukommen, müssen je nach kulturellem und zeitlichem Kontext bei der Verwendung kirchlicher Mittel Schwerpunkte neu gesetzt oder angepasst werden. Das gelte auch für die Kirchensteuer. Auch die Haupteinnahmequelle dürfe ausschließlich der kirchlichen Sendung dienen. Sollte die Kirchensteuerpflicht zu Kirchenaustritten führen, stehen deren innerkirchliche Rechtsfolgen – insbesondere die Verweigerung des Zugangs zu den Sakramenten – der Zweckbestimmung entgegen. Dann sei, so Ott, an der Legitimität des Kirchensteuersystems zu zweifeln. Die Kirchensteuer wäre dann nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern Selbstzweck.

Zwei Ökonomen, die in zwei verschiedenen Kirchen beheimatet sind, nehmen diesen dezidiert katholisch-theologischen und -juristischen Zugang voll Ehrfurcht zur Kenntnis. Sie hätten sich dem Obersatz vermutlich aus einer anderen Perspektive genähert: Wann und wie gelingt es, die Botschaft vom Reich Gottes in die Welt zu tragen? Welche kirchlichen Strukturen braucht es, damit Menschen – in der Regel Kirchenmitglieder – diese Idee finanziell unterstützen? Wenn die Kirchensteuer zu Kirchenaustritten führt: Welche Möglichkeiten gibt es, Menschen von ihrer Sinnhaftigkeit zu überzeugen?

Die Freiburger Studie hat es noch einmal deutlich aufgezeigt: Da wo die Kontaktflächen zwischen Kirche und Mitgliedern verloren gehen, schwinden die Akzeptanz und Plausibilität der Kirchenmitgliedschaft und damit sowohl der religiösen Praxis als auch der Kirchensteuerpflicht. Wenn kirchliches Vermögen dem Zweck dienen soll, das Reich Gottes in die Welt zu tragen, dann muss es zur Aufrechterhaltung dieser Kontaktflächen eingesetzt werden. Zwar sagen diese allein nichts über Qualität und Tiefgang – Ökonomen würden das Wort Effizienz verwenden – kirchlicher Arbeit aus, aber sie sind das sine qua non der Zweckbestimmung. Denn Kirchenaustritte können – zumindest statistisch signifikant – nicht mit der Arbeit in der ‚Kerngemeinde‘ vor Ort erklärt werden. Sie sind keine Frage von theologischen Grundüberzeugungen oder synodalen bzw. bischöflichen Entscheidungen. Für die Höhe von Kirchenaustritten spielen die binnenkirchlich heiß diskutierten Fragen, ob kirchliche Arbeit nun liberal oder pietistisch, lutherisch, uniert, reformiert oder katholisch, progressiv oder konservativ sein muss, eine untergeordnete Rolle. Austritte vollziehen sich – statistisch signifikant – nicht im ‚Inner Circle‘.

Es gilt also kirchliches Vermögen so einzusetzen, dass möglichst viele mit der Botschaft vom Reich Gottes erreicht werden. Und dafür lohnt der Blick in die Peripherie der Parochie: auf die vorhandenen Berührungspunkte zu denen, die nicht regelmäßig mit ihrer Kirche in Kontakt stehen (wollen). Hier ist an Kasualien (Taufe, Kommunion, Konfirmation, Firmung, Hochzeit, Bestattung) und subsidiäre Aufgabenerfüllung mit klarem kirchlichem Profil (Kindertagesstätten, Religionsunterricht, Freiwilligendienste, Angebote von Diakonie und Caritas etc.) zu denken. Und es gilt bei der Verwendung kirchlicher Mittel Schwerpunkte so zu setzen und anzupassen, dass neue Berührungspunkte entstehen. An diesem kirchlichen Handeln muss erkennbar werden, wie sich christlicher Glaube in der Gegenwart bewährt. Und es sollte sich einerseits flächendeckend an alle richten und andererseits distanzierte Kirchenmitgliedschaft erlauben und wertschätzen.

Damit die Sendung der Kirche – das Heil der Menschen, wie es Anna Ott schreibt – erfüllt werden kann, muss kirchliches Vermögen dazu beitragen, dass Glaube und Kirche im alltäglichen Leben relevant ist und bleibt. Dafür braucht es eine verlässliche Finanzierung, die auch in kurzzeitig schlechten Phasen, wie wir sie aktuell durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie erleben, handlungsfähig bleiben lässt. Solange kirchliche Finanzen in diesem Sinne dazu eingesetzt werden, dass Menschen mit dem christlichen Glauben in Kontakt kommen und in diesem gestärkt und zur Verantwortung für die Welt ermutigt werden, spielt es auch keine Rolle, ob Ressourcen auf örtlicher oder übergeordneter Ebene eingesetzt werden. Und dann ist auch die Kirchensteuer kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
157 s. 12 illüstrasyon
ISBN:
9783429065096
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:

Bu kitabı okuyanlar şunları da okudu