Kitabı oku: «Die Biene Maja und ihre Abenteuer», sayfa 2

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Drittes Kapitel: Der Waldsee und seine Leute

Ach, dachte die kleine Maja im Dahinfliegen, nun habe ich vergessen, Peppi nach den Menschen zu fragen. Ein so erfahrener Mann, wie er, hätte mir sicherlich die beste Auskunft geben können. Aber vielleicht würde sie heute noch selbst einem Menschen begegnen. Voll Unternehmungslust und Frohsinn ließ sie ihre blanken Augen über das weite bunte Land schweifen, das sich unter ihr in seiner sommerlichen Pracht ausbreitete.

Sie kam an einem großen Garten vorüber, in dem es von tausend Farben leuchtete. Es begegneten ihr vielerlei Insekten, die ihr Wandergrüße zuriefen und frohe Fahrt und gute Ernte wünschten. Jedes Mal wenn sie einer Biene begegnete, schlug anfänglich ihr Herz ein wenig, denn sie fühlte sich in ihrer Untätigkeit doch etwas schuldig und fürchtete sich, Bekannte zu treffen. Aber sie merkte bald, dass die Bienen sich weiter nicht um sie kümmerten.

Da sah sie plötzlich den blauen Himmel in unendlicher Tiefe unter sich leuchten. Sie dachte zuerst in großem Schrecken, sie wäre vielleicht viel zu hoch geflogen und hätte sich im Himmel verirrt, aber da sah sie, dass sich am Rande dieses unterirdischen Himmels die Bäume spiegelten, und sie erkannte zu ihrem Entzücken, dass es ein großes, stilles Wasserbecken war, das blau und klar im ruhigen Morgen dalag. Sie ließ sich voll Freude bis dicht auf die Oberfläche nieder und konnte nun sich selbst im Spiegelbild im Wasser fliegen sehen, sie sah ihre hellen Flügel wie reines flimmerndes Glas blinken, gewahrte, dass ihre Beinchen richtig am Körper lagen, wie Kassandra es sie gelehrt hatte, und sah die schöne Goldfarbe ihres Körpers im Wasser scheinen.

Es ist wirklich eine Wonne, so über eine Wasserfläche dahinzufliegen, jubelte sie. Sie erblickte große und kleine Fische, die in der hellen Flut dahinschwammen, oder ganz ruhig darin zu schweben schienen. Maja hütete sich wohl, ihnen zu nahe zu kommen, denn sie wusste, dass ihr vom Geschlecht der Fische Gefahr drohte.

Als sie am andern Ufer des Sees anlangte, lockte das warme Schilf sie und die riesengroßen Blätter der Seerosen, die wie grüne Teller auf dem Wasser lagen. Sie wählte eines der verborgensten Blätter, über dem die hohen blanken Schilfhalme sich in der Sonne wiegten, und das selbst beinahe ganz im Schatten lag. Nur ein paar runde Sonnenflecke lagen darauf, wie Goldmünzen.

„Herrlich,“ sagte die kleine Biene, „also wirklich ganz herrlich.“ Sie begann sich ein wenig zu säubern, indem sie mit beiden Armen hinter ihren Kopf griff und ihn etwas nach vorn zog, als ob sie ihn abreißen wollte. Aber sie hütete sich, zu fest zu ziehen, es handelte sich nur darum, den Staub zu entfernen. Dann strich sie mit den Hinterbeinchen über die Flügeldecken, so dass sie sich nach unten bogen und wundervoll blank wieder in ihre alte Lage zurückschnellten.

Da kam ein kleiner stahlblauer Brummer zu ihr, ließ sich neben ihr auf dem Blatt nieder und schaute sie erstaunt an.

„Was wollen Sie hier auf meinem Blatt?“ fragte er.

Maja erschrak.

„Man wird sich doch wohl einen Augenblick ausruhen dürfen“, sagte sie. Sie erinnerte sich, dass Kassandra ihr mitgeteilt hatte, dass das Volk der Bienen überall in der Insektenwelt in großem Ansehen stehe. Nun wollte sie einmal eine Probe machen, ob es ihr gelänge, sich in Respekt zu setzen. Aber ihr Herz klopfte doch etwas, weil sie sehr laut und entschieden geantwortet hatte.


Der Brummer erschrak in der Tat sichtlich, als er merkte, dass Maja nicht willens war, sich etwas vorschreiben zu lassen. Mit verdrossenem Summen schwang er sich auf einen Schilfhalm, der sich über das Blatt neigte, auf dem Maja saß, und sagte um vieles höflicher von oben herunter aus dem Sonnenschein:

„Sie sollten lieber einiges arbeiten, wie es sich für Sie gehört, aber wenn Sie der Ruhe bedürfen ... immerhin. Ich werde hier warten.“

„Es sind doch wirklich Blätter genug da“, meinte Maja.

„Alles vermietet“, sagte er. „Man ist heutzutage froh, wenn man ein kleines Grundstück sein eigen nennt. Wäre mein Vorgänger nicht vor zwei Tagen vom Frosch gefangen worden, so hätte ich heute noch keine rechte Unterkunft. Immer bald hier, bald dort zu übernachten, hat viel gegen sich. Es hat halt nicht jeder ein so geordnetes Staatswesen, wie Sie es pflegen. Übrigens mein Name ist Hans Christoph, mit Verlaub mich Ihnen vorzustellen.“

Maja schwieg und dachte mit Schrecken darüber nach, wie furchtbar es sein müsse, in die Gewalt des Frosches zu geraten.

„Gibt es in diesem Gewässer viele Frösche?“ fragte sie den Brummer und setzte sich genau in die Mitte des Blattes, damit man sie vom Wasser aus nicht erblickte.

Der Brummer lachte.

„Geben Sie sich keine Mühe,“ spottete er, „der Frosch kann Sie von unten sehen, wenn die Sonne leuchtet, weil das Blatt dann durchscheint. Er sieht ganz genau, wie Sie auf meinem Blatt sitzen.“

Maja, die von der bösen Vorstellung befallen wurde, dicht unter ihrem Blatt säße vielleicht ein großer Frosch und schaute sie mit seinen vorquellenden, hungrigen Augen an, wollte rasch auffliegen, als etwas ganz Furchtbares geschah, worauf sie in der Tat in keiner Weise vorbereitet war. Anfangs konnte sie in der ersten Verwirrung nicht genau unterscheiden, was eigentlich vor sich ging, sie hörte nur ein helles, klirrendes Sausen über sich, das so klang, als schwirrte der Wind in welken Blättern; dazu hörte sie ein singendes Pfeifen, einen hellen zornigen Jagdruf, und ein feiner, durchsichtiger Schatten huschte über ihr Blatt. Und dann erkannte sie, und ihr Herz stand still vor Angst, dass eine große, schillernde Libelle sich des armen Hans Christophs bemächtigt hatte und den verzweifelt Schreienden in ihren großen, messerspitzen Fängen hielt. Sie ließ sich mit ihrer Beute auf dem Schilfhalm nieder, der sich unter ihrer Last etwas niederbeugte, so dass Maja die beiden über sich schweben sah und zugleich das Spiegelbild im klaren Wasser. Hans Christophs Geschrei zerriss ihr Herz. Ohne Besinnen rief sie laut:

„Lassen Sie sofort den Brummer los, wer immer Sie sein mögen. Sie haben nicht das geringste Recht, in so eigenmächtiger Weise in die Gewohnheiten anderer einzugreifen.“

Die Libelle ließ den Brummer aus ihren Fängen, hielt ihn aber sorgfältig mit den Armen fest und drehte den Kopf nach Maja um. Maja erschrak sehr über die großen ernsten Augen der Libelle und über die bösen Beißzangen, die sie hatte, aber das Glitzern ihrer Flügel und ihres Leibes entzückte sie. Es blitzte wie Wasser, Glas und Edelsteine. Nur die ungeheure Größe der Libelle entsetzte sie, sie begriff ihren Mut nicht mehr und begann auf das heftigste zu zittern.

Aber die Libelle sagte ganz freundlich:

„Kind, was ist denn mit Ihnen?“

„Lassen Sie ihn los,“ rief Maja und in ihre Augen kamen Tränen, „er heißt Hans Christoph ...“

Die Libelle lächelte.

„Weshalb denn, Kleine?“ fragte sie und machte ein interessiertes Gesicht, das aber einen Ausdruck von großer Herablassung hatte.

Maja stotterte hilflos:

„Ach, er ist doch ein so netter, sauberer Herr und hat Ihnen, soviel ich weiß, nichts zuleide getan.“

Die Libelle sah Hans Christoph nachdenklich an:

„Ja, er ist ein lieber, kleiner Kerl“, antwortete sie zärtlich und biß ihm den Kopf ab.

Maja glaubte die Besinnung zu verlieren, so sehr erschütterte sie dieser Vorgang. Sie konnte lange kein Wort hervorbringen und musste nun, voll Grauen, die krachenden und knuspernden Laute hören, unter denen der Körper des stahlblauen Hans Christoph über ihr zerlegt wurde.

„Stellen Sie sich doch nicht an,“ sagte die Libelle mit vollem Mund und kaute weiter, „Ihre Empfindsamkeit macht nur geringen Eindruck auf mich. Machen Sie es denn besser? Augenscheinlich sind Sie noch sehr jung und haben sich im eigenen Hause nur wenig umgesehen. Wenn im Sommer das Drohnenmorden in Ihrem Stock beginnt, empört sich die Umwelt nicht weniger, und ich meine, mit mehr Recht.“

Maja fragte: „Sind Sie fertig da oben?“ Sie konnte sich nicht entschließen hinaufzusehen.

„Ein Bein ist noch da“, sagte die Libelle.

„Schlucken Sie es bitte herunter, dann werde ich Ihnen antworten“, rief Maja, die genau wusste, weshalb die Drohnen im Sommer im Bienenstock getötet werden mussten, und die sich über die Dummheit der Libelle ärgerte. „Aber unterstehen Sie sich nicht, mir auch nur um einen Schritt näher zu treten. Ich würde mich nicht besinnen, unverzüglich von meinem Stachel Gebrauch zu machen.“

Die kleine Maja war wirklich sehr ärgerlich geworden. Zum ersten Mal erwähnte sie ihren Stachel und zum ersten Mal freute sie sich dieser Waffe.

Die Libelle machte böse Augen. Sie hatte ihre Mahlzeit beendet und saß nun, etwas geduckt, da, schaute Maja lauernd an und sah aus wie ein Raubtier, das im Begriff ist, sich auf seine Beute zu stürzen. Aber die kleine Biene blieb nun ganz ruhig. Sie konnte nicht recht begreifen, woher ihr Mut kam, aber sie empfand keine Furcht mehr. Sie ließ ein ganz feines helles Summen hören, wie sie es einmal im Stock vom Wächter gehört hatte, als eine Wespe sich dem Flugloch näherte.

Die Libelle sagte drohend und langsam:

„Die Libellen leben in bestem Einvernehmen mit dem Volk der Bienen.“

„Sie tun auch gut daran“, sagte Maja rasch.

„Meinen Sie etwa, ich hätte Furcht vor Ihnen, ich — vor Ihnen?“ fragte die Libelle. Sie ließ mit einem Ruck den Schilfhalm los, der in seine alte Lage zurückschnellte, und sauste mit einem klirrenden, blitzenden Flügelschlag bis dicht auf die Oberfläche des Wassers nieder. Es sah ganz herrlich aus, wie sie sich im See spiegelte, man glaubte zwei Libellen zu sehen, und beide bewegten ihre gläsernen Flügel so rasch und fein, dass es aussah, als fließe ein heller Silberschein um sie her. Es sah so herrlich aus, dass die kleine Maja ihren ganzen Verdruss um den armen Hans Christoph und jede Gefahr vergaß. Sie klatschte in die Hände und rief ganz begeistert:

„Wie wunderschön. Wie wunderschön!“

„Meinen Sie mich?“ fragte die Libelle ganz erstaunt. Aber dann fügte sie rasch hinzu: „Ja, ich kann mich sehen lassen, das ist wahr. Sie hätten die Begeisterung erleben sollen, in die gestern einige Menschen gerieten, die mich am Bach sahen, wo sie sich hingelegt hatten.“

„Menschen?“ fragte Maja, „ach, Menschen haben Sie gesehen?“

„Natürlich,“ sagte die Libelle, „aber es wird Sie zweifellos auf das lebhafteste interessieren, wie ich heiße, mein Name ist Schnuck, von der Familie der Netzflügler, im besonderen der Libellen.“

„Ach, erzählen Sie von den Menschen“, bat Maja, nachdem sie ihren Namen genannt hatte.

Die Libelle schien versöhnt. Sie setzte sich neben Maja auf das Blatt, und die kleine Biene ließ es zu. Sie wusste, dass Schnuck sich hüten würde, ihr zu nahe zu treten.

„Haben die Menschen einen Stachel?“ fragte Maja.

„Mein Gott,“ sagte Schnuck, „was sollten sie wohl damit anfangen. Nein, sie haben schlimmere Waffen gegen uns und sie sind uns sehr gefährlich. Es gibt niemand, der nicht Angst vor ihnen hätte, besonders vor den kleinen, bei denen man die beiden Beine deutlich unterscheiden kann. Diese heißen Knaben.“

„Stellen sie Ihnen nach?“ fragte Maja, ganz atemlos vor Erregung.

„Ja, ist Ihnen denn das nicht verständlich?“ fragte Schnuck mit einem Blick über ihre Flügel. „Ich bin nur selten einem Menschen begegnet, der nicht den Versuch gemacht hätte, mich zu greifen.“

„Weshalb denn nur?“ fragte Maja ängstlich.

„Wir haben eben etwas sehr Anziehendes“, sagte Schnuck mit einem bescheidenen Lächeln und sah schräg vor sich nieder. „Einen andern Grund weiß ich nicht. Es ist vorgekommen, dass Leute unserer Familie, die sich haben greifen lassen, die furchtbarsten Qualen und zuletzt den Tod haben erleiden müssen.“

„Sind sie aufgefressen worden?“

„Nein, nein,“ sagte Schnuck beruhigend, „das grade nicht. Soviel bekannt ist, nährt sich der Mensch nicht von Libellen. Aber im Menschen leben zuweilen Mordgelüste, die wohl ewig unaufgeklärt bleiben. Es mag Ihnen unglaublich erscheinen, aber in der Tat sind Fälle vorgekommen, in denen sogenannte Knabenmenschen Libellen gefangen haben und ihnen aus purem Vergnügen die Flügel oder die Beine ausgerissen haben. Sie zweifeln?“

„Natürlich zweifle ich daran“, rief Maja entrüstet.

Schnuck zuckte die glitzernden Achseln, ihr Gesicht sah ganz alt aus vor Erkenntnis.

„Ach, wenn man einmal offen sein dürfte,“ sagte sie, ganz blass vor Traurigkeit, „ich hatte einen Bruder, er berechtigte zu den besten Hoffnungen, nur war er etwas leichtsinnig und leider sehr neugierig. Er fiel in die Hände eines Knaben, der ihm unversehens ein Netz überwarf, das an einer langen Stange befestigt war. Sagen Sie selbst, wer denkt an so was?“

„Nein,“ antwortete die kleine Maja, „an so etwas habe ich niemals gedacht.“

Die Libelle sah sie an.

„Es ist ihm dann ein schwarzes Seil um die Brust gebunden worden, mitten zwischen seinen Flügeln, so dass er wohl auffliegen, aber niemals entrinnen konnte. Jedes Mal, wenn mein armer Bruder glaubte, seine Freiheit zurückgewonnen zu haben, sah er sich auf die grausamste Weise an jenem bereits erwähnten Seil wieder in das Bereich des Knaben zurückgezerrt.“

Maja schüttelte nur den Kopf.

„Man darf es sich gar nicht vorstellen“, flüsterte sie traurig.

„Wenn ich einmal einen Tag nicht daran gedacht habe, so träume ich sicher davon“, fuhr Schnuck fort. „Es kam damals sehr viel zusammen. Schließlich starb mein Bruder.“ Schnuck seufzte tief auf.

„Woran starb er?“ fragte Maja in aufrichtiger Teilnahme.

Schnuck konnte nicht gleich antworten, große Tränen brachen aus ihren Augen und liefen langsam über die Wangen:

„Er ist in die Tasche gesteckt worden,“ schluchzte sie, „das hält niemand aus ...“

„Was ist das?“ fragte Maja ängstlich, die kaum in der Lage war, so viel Neues und Böses auf einmal zu verstehen und zu bewältigen.

„Die Tasche“, erklärte ihr Schnuck, „ist eine Vorratskammer, die die Menschen in ihrem äußeren Fell haben. Aber was glauben Sie, das sonst noch darin war? O, in welch furchtbarer Gesellschaft musste mein armer Bruder seine letzten Atemzüge tun. Sie werden niemals darauf kommen!“

„Nein,“ sagte Maja mit bebendem Atem, „ich werde es nicht ... vielleicht Honig?“

„Nein, nein“, meinte Schnuck, sehr wichtig und sehr traurig zugleich. „Honig werden Sie selten in den Taschen der Menschen finden. Ich will Ihnen sagen, was darin war: es war ein Frosch, ein Taschenschwert und eine gelbe Rübe. Nun?“

„Schaurig,“ flüsterte Maja, „was ist ein Taschenschwert?“

„Es ist gewissermaßen der künstliche Stachel des Menschen. Da ihm die Natur diese Waffe versagt hat, sucht er sie nachzubilden. Der Frosch war gottlob bereits im Begriff, das Zeitliche zu segnen. Er hatte ein Auge verloren, ein Bein gebrochen und sein Unterkiefer war ausgerenkt. Aber sobald mein Bruder in der Tasche erschien, zischte der Frosch aus seinem schiefen Maul:

‚Wenn ich genesen bin, werde ich Sie unverzüglich verschlingen.‘ Dabei schielte er mit dem übrig gebliebenen Auge auf den bedauernswerten Ankömmling. Dieser Blick muss in der Dämmerung des Gefängnisses auf das furchtbarste gewirkt haben. Mein Bruder hat die Besinnung verloren, als er gleich darauf durch eine unerwartete Erschütterung so gegen den Frosch gepresst wurde, dass seine Flügel an dem kalten nassen Leib des Sterbenden kleben blieben. O, man kann keine Worte finden, um dies Elend in der treffendsten Weise zu kennzeichnen.“

„Woher wissen Sie das alles?“ stotterte Maja aufs äußerste entsetzt.

„Später warf der Knabe meinen Bruder und den Frosch fort, als er Hunger bekam und die Rübe suchte, um sie zu verzehren. Ich fand sie nebeneinander im Gras liegen, angelockt durch die Hilferufe meines Bruders. Aber ich kam nur noch zeitig genug, um alles zu hören und ihm die Augen zuzudrücken. Er legte seinen Arm um meinen Hals und küsste mich zum Abschied. Dann starb er tapfer und ohne Klage, als ein kleiner Held. Als das letzte Beben seiner zerknitterten Flügel aufgehört hatte, legte ich Eichblätter über ihn und suchte ein erblühtes Männertreu, dessen blaue Blume zu seiner Ehre auf dem Hügel verwelken sollte. ‚Leb wohl,‘ rief ich, ‚schlaf gut, mein kleiner Bruder‘, und flog in den stillen Abend hinaus, den beiden roten Sonnen entgegen, denn man sah die Sonne zweimal, am Abendhimmel und im See. So traurig und feierlich ist noch niemandem zumute gewesen. — Ist Ihnen auch schon etwas Trauriges passiert? Dann erzählen Sie es mir vielleicht ein andermal.“

„Nein,“ sagte Maja, „ich bin eigentlich bis jetzt immer froh gewesen.“

„Da können Sie Gott danken“, meinte Schnuck, etwas enttäuscht.

Maja fragte nach dem Frosch.

„Ach so, der“, sagte Schnuck. „Er erlitt voraussichtlich den Tod, den er verdiente. Wie konnte er nur die Hartherzigkeit aufbringen, einen Sterbenden zu ängstigen? Er versuchte damals zu entkommen, aber da sein eines Bein sowohl als auch sein eines Auge völlig außer Tätigkeit gesetzt waren, hüpfte er ununterbrochen im Kreise herum. Es sah außerordentlich komisch aus. ‚So wird der Storch Sie bald gefunden haben‘, rief ich ihm zu, bevor ich davonflog.“

„Der arme Frosch“, sagte die kleine Maja.

„Nun, ich muss doch bitten,“ meinte die Libelle nicht ohne Entrüstung, „Sie gehen zu weit. Einen Frosch bedauern, heißt sich in den eigenen Flügel schneiden. Sie sind eine gewissenlose Person, wie mir scheint.“

„Das kann ja sein,“ antwortete Maja, „aber es wird mir sehr schwer, jemanden leiden zu sehen.“

„O,“ tröstete sie Schnuck, „das liegt an Ihrer Jugend, Sie werden es lernen, nur Mut, meine Freundin. Aber ich muss nun fort in die Sonne. Es ist hier reichlich kühl. Leben Sie wohl!“

Es klirrte leise, und tausend helle Farben blitzten auf, blasse, liebliche Farben, wie rinnendes Wasser sie hat und klare Edelsteine. Schnuck schwang sich durch die grünen Schilfhalme bis auf die Oberfläche des Wassers, und Maja hörte sie in der Morgensonne singen. Sie lauschte dem feinen Gesang, der etwas von der schwermütigen Süßigkeit eines Volksliedes hatte und das Herz der kleinen Maja fröhlich stimmte und traurig zugleich. Es klang zu ihr herüber:

Lieblich ist der stille Fluss,

wenn der Morgensonne Gruß

seine Flut getroffen.

Wo der grüne Schilfhalm weht

und die Wasserrose steht,

weiß und gelb und offen.

Warmer Duft und Wind und Flut,

auf den Flügeln Sonnenglut

und im Herzen Freude.

Ach, das Leben ist nicht lang,

goldner Sommer, habe Dank,

herrlich ist es heute.

„Horch, das Lied der Libelle erschallt“, rief ein weißer Schmetterling seiner Freundin zu. Sie schaukelten sich dicht an Maja vorüber durch das strahlende Blau des schönen Tags. Da hob auch die kleine Biene ihre Flügel, und mit leisem Summen begrüßte sie den silbernen See zum Abschied und flog landeinwärts davon.

Viertes Kapitel: Iffi und Kurt

Als die kleine Maja am anderen Morgen im Kelch einer blauen Glockenblume erwachte, hörte sie, dass die Luft von einem feinen leisen Rauschen erfüllt war, und sie spürte, dass die Blume sich bewegte, als bekäme sie heimlich kleine Stöße. Durch ihren geöffneten Kelch zog ein feuchter Geruch von Gras und Erde, und es war sehr kühl.

Maja nahm ängstlich ein wenig Blütenstaub von den gelben Staubgefäßen der Blume, machte dann sorgfältig Morgentoilette und wagte sich vorsichtig Schritt für Schritt bis an den äußersten Rand des hängenden Kelches. Da sah sie, dass es regnete. Ein feiner kühler Regen ging mit leisem Rauschen nieder und bedeckte alles umher mit Millionen heller Silberperlen. Sie lagen auf den Blättern und Blumen, rollten im Gras die schmalen grünen Wege der Halme nieder und erfrischten den braunen Erdboden.

Maja sah mit großem Erstaunen und voll tiefer Verwunderung diese Veränderung der Welt, es war der erste Regen, den sie in ihrem jungen Dasein erlebte. Aber obgleich es ihr wohl gefiel und sie beglückte, stellte sich doch eine leichte Besorgnis bei ihr ein, denn sie erinnerte sich der Warnung Kassandras, niemals im Regen auszufliegen. Sie begriff, dass es schwer sein musste, die Flügel im Tropfenfall zu bewegen, auch tat ihr die Kälte weh, und sie vermisste den ruhigen goldenen Sonnenschein, der die ganze Erde heiter und sorglos stimmte.

Es musste noch sehr früh sein, denn das Leben im Gras unter ihr nahm erst seinen Anfang. Unter ihrer blauen Glocke war sie wohlgeborgen und konnte den erwachenden Verkehr unter sich prächtig beobachten. Darüber vergaß sie für eine Weile ihren Kummer und das Heimweh, das sich in ihrem Herzen einstellte. Es war gar zu unterhaltend, so von einem sicheren Versteck aus, von oben her, auf das Leben und Treiben der Grasbewohner herabzuschauen. Aber allmählich zog es ihre Gedanken doch nach ihrer verlassenen Heimat, nach dem Schutz und der starken Gemeinschaft des Bienenstocks. Dort saßen sie nun beieinander, des Ruhetags froh, bauten vielleicht hier und da ein wenig an den Zellen, oder fütterten die kleinen Maden. Aber im allgemeinen war es recht ruhig und beschaulich im Stock an Regentagen. Nur zuweilen flogen Kundschafter aus, sahen nach dem Stand des Wetters und erforschten, von welcher Seite der Wind kam. Die Königin ging im Reiche umher, von Etage zu Etage, prüfte alles, lobte oder tadelte, legte wohl hin und wieder ein Ei und beglückte alle durch ihre königliche Gegenwart. Wie froh machte es, einen Blick von ihr aufzufangen oder ein huldvolles Wort. Es kam vor, dass sie den jüngeren Bienen, die ihre ersten Leistungen hinter sich hatten, freundlich über die Köpfchen strich oder sich nach ihren Erlebnissen erkundigte.

Ach, wie glücklich machte es, sich dazu rechnen zu dürfen, sich von allen geachtet zu wissen und den starken Schutz der Gemeinschaft genießen zu können. Hier an ihrem einsamen und ausgesetzten Platz war sie gefährdet und fror. Und wenn der Regen anhielt, was sollte sie dann beginnen und wodurch sollte sie sich ernähren? Honigsaft war kaum in der Glockenblume zu finden, und der Blütenstaub würde auch nicht allzulange vorhalten. Sie empfand zum ersten Male, wie notwendig zu allem Wanderleben und zum Vagabundentum der Sonnenschein war. Ohne den Sonnenschein wäre wohl niemand leichtsinnig, dachte sie.

Aber, wenn sie sich nur des Sonnenscheins erinnerte, erfüllte es sie schon wieder mit Freude und heimlichem Stolz, dass sie so mutig gewesen war, ihr Leben auf eigene Faust zu beginnen. Was hatte sie in der kurzen Zeit ihres Wanderns nicht schon alles gesehen und erfahren! Davon wussten die andern wohl ihr Leben lang nur wenig. Erfahrung ist doch das höchste Lebensgut und ihrer Opfer wert, dachte sie.

Unten zog ein Trupp Wanderameisen im Gras vorüber. Sie schritten singend durch den kühlen Graswald und schienen Eile zu haben. Ihr frisches Morgenlied erklang im Marschtakt und stimmte das Herz der kleinen Maja wehmütig und nachdenklich.

Bald ist unsre kurze Frist

auf der Erde aus.

Was ein rechter Räuber ist,

macht sich nichts daraus.

Sie waren außerordentlich gut bewaffnet und sahen keck und gefährlich aus. Ihr Lied verklang unter den Huflattichblättern. Aber dort schienen sie mit ihrem Gesang etwas Rechtes angerichtet zu haben, denn es erklang nun eine rauhe heisere Stimme, und die kleinen Blättchen eines jungen Löwenzahns wurden energisch auseinandergedrängt. Maja sah einen großen blauen Käfer hervordringen, der wie eine Halbkugel aus glänzendem, dunklem Metall aussah und bald bläulich, bald grünlich, zuweilen auch ganz schwarz schimmerte. Er war wohl zwei- oder dreimal so groß wie sie. Sein harter Panzer schien ihr von unzerstörbarer Festigkeit, und seine tiefe Stimme hatte etwas geradezu Einschüchterndes. Er schien durch den Gesang der Soldaten erwacht und bei sehr schlechter Laune zu sein. Sein Haar war noch nicht geordnet, und er rieb sich den Schlaf aus den blauen listigen Äuglein.

„Ich komme,“ schrie er, „das genügt für alle, um Platz zu machen.“

Gottlob stehe ich ihm nicht im Wege, dachte Maja, die sich in ihrem hohen schwebenden Versteck sicher fühlte. Aber ihr Herz klopfte doch ein wenig, und sie zog sich leise einen Schritt weiter in die Blütenglocke zurück.

Der Käfer bewegte sich schwerfällig und schaukelnd durch das nasse Gras. Eine sehr elegante Erscheinung war er eben nicht. Bei einem welken Blatt, grade unter ihrer Blüte, machte er halt, schob es zur Seite und trat etwas zurück. Da erkannte Maja darunter den Eingang zu einer Höhle.

Nein, was es nicht alles gibt, dachte sie neugierig, davon habe ich mir keine Vorstellung gemacht. Man kann gar nicht lange genug leben, um alles zu erfahren, was auf der Welt möglich ist. Sie verhielt sich ganz still. Nur der Regen rieselte leise nieder. Da hörte sie den Käfer in die Höhle hineinrufen:

„Wenn Sie mit mir auf die Jagd wollen, müssen Sie sich schon entschließen aufzustehen. Es ist heller Tag.“ Weil er zuerst erwacht war, fühlte er sich so überlegen, dass es ihm schwer wurde, freundlich zu sein.

Es dauerte eine Weile, bis Antwort kam, dann hörte Maja eine dünne zirpende Stimme aus dem Loch schallen:

„Um Gottes willen, machen Sie oben zu, es regnet herein.“

Der Käfer gehorchte, neigte abwartend den Kopf etwas zur Seite und schielte durch die Spalte.

„Eilen Sie sich, wenn ich bitten darf“, sagte er mürrisch.

Maja war sehr gespannt, wer herauskommen würde. Sie kroch so weit vor, dass ein großer Regentropfen auf ihre Schulter fiel. Sie erschrak sehr und trocknete sich ab. Unten hob sich das welke Blatt, und langsam kroch ein braunes Tier hervor, das ihr im hohen Maße absonderlich vorkam. Es hatte einen plumpen Leib und einen ganz ungewöhnlich dicken Kopf mit kleinen aufrechten Fühlhörnern. Die Beinchen waren sehr dünn und bewegten sich langsam, und der Ausdruck des Gesichts war sorgenvoll.

„Guten Morgen, meine Iffi“, sagte der Käfer und wurde vor Höflichkeit ganz schlank. „Wie haben Sie geschlafen?“ und dann fügte er hinzu: „mein alles!“

Iffi nahm seine Hand etwas gleichgültig.

„Es geht nicht, Kurt,“ sagte sie, „ich kann nicht mit. Die Leute reden zu viel.“

Der arme Käfer schien wirklich sehr zu erschrecken.

„Ich verstehe wohl nicht richtig,“ stammelte er, „sollte das junge Glück unserer Freundschaft an so gleichgültigen Dingen scheitern? Bedenken Sie doch, Iffi, was kümmern die Leute Sie? Sie haben Ihr Loch, können hineinkriechen, wenn Sie wollen, und wenn Sie tief genug steigen, hören Sie nichts.“

Iffi lächelte wehmütig und überlegen.

„Kurt, davon verstehen Sie nichts. Ich habe da meine eigene Anschauung. Übrigens kommt noch etwas hinzu: Sie haben meine Unkenntnis in sehr wenig feiner Weise ausgebeutet, Sie haben sich für einen Rosenkäfer ausgegeben, und gestern sagte mir die Wegschnecke, Sie seien ein Mistkäfer. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Die Wegschnecke hat Sie bei einer Tätigkeit beobachtet, die ich hier nicht weiter kennzeichnen will; Sie werden verstehen, dass ich mich zurückziehe.“

Als Kurt sich von seinem Schreck erholt hatte, wurde er ärgerlich:

„Nein, das verstehe ich nicht,“ rief er heftig, „ich wünsche um meiner selbst willen geliebt zu sein, und nicht um meiner Beschäftigung willen. Wie können Sie einen Mann danach beurteilen, wo er sich aufhält!“

„Wenn es nicht grade der Mist wäre, würde ich ein Auge zudrücken“, sagte Iffi zurückhaltend. „Sie müssen auch bedenken, dass eine junge Witwe, deren Gatte erst vor drei Tagen von der Spitzmaus gefressen worden ist, sich die denkbar größte Zurückhaltung auferlegen muss. Also — leben Sie wohl.“

Und Iffi war plötzlich mit einem Ruck in ihrer Höhle verschwunden, so rasch, dass es erschien, als habe ein Windstoß sie davongerissen. Maja hatte nicht für möglich gehalten, dass jemand so rasch in einem Loch verschwinden könnte. Jetzt war Iffi fort, und der Käfer starrte mit verblüfftem Gesicht in die leere dunkle Öffnung und sah so dumm dabei aus, dass Maja lachen musste.

Endlich besann er sich und begann betrübt und zornig seinen kleinen rundlichen Kopf zu schütteln, und die Fühler hingen traurig nieder, wie zwei verregnete Fächer.

„Für Charakter und gediegene Lebensführung hat heute niemand mehr Sinn“, seufzte er. „Iffi ist herzlos, ich habe nicht gewagt, es mir einzugestehen, aber es ist der Fall. Aber wenn sie in der Tat nicht das Herz hat, meine Freundin zu sein, so sollte sie wenigstens den Verstand dazu haben.“

Maja sah, wie Tränen in seine Augen traten, und ihr Herz wurde von Mitleid ergriffen.

Aber plötzlich kam Bewegung in Kurt. Er wischte die Tränen aus den Augen und trat vorsichtig hinter einen Erdhaufen, den seine Freundin wahrscheinlich aus ihrer Wohnung geschaufelt hatte, und Maja sah einen kleinen rötlichen Regenwurm durch die Gräser kommen. Er hatte eine sehr ungewöhnliche Art der Fortbewegung, bald machte er sich lang und dünn, dann wieder kurz und dick, und seine rote Körperspitze bestand aus lauter zarten Ringen, die sich lautlos verschoben und vorantasteten. Sie erschrak sehr, als Kurt plötzlich einen Schritt aus seinem Versteck hervor machte, den Wurm ergriff und ihn in zwei Hälften zerbiss. Er begann gelassen die eine Hälfte zu verzehren und kümmerte sich wenig um die verzweifelten Windungen, die die beiden Wurmhälften am Boden und in seinen Armen ausführten. Es war ein ganz kleiner Wurm.

„Nur Geduld,“ sagte Kurt, „gleich ist es vorüber.“

Aber während er kaute, schien er wieder an Iffi zu denken, die er für alle Zeit verloren hatte, und große Tränen rollten über seine Backen.

Die kleine Maja in ihrem Versteck bedauerte ihn herzlich. Es gibt doch sehr viel Trauriges in der Welt, dachte sie. Da sah sie, dass die eine Wurmhälfte, die Kurt in seiner Bekümmernis zur Seite gelegt hatte, sich eilig entfernte.

„Nein, so was!“ rief sie, und sie tat es vor Schrecken so laut, dass Kurt sich verwundert umschaute.

„Machen Sie Platz!“ rief er, als er es hörte.

„Aber ich sitze Ihnen ja gar nicht im Weg“, antwortete Maja.

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158 s. 14 illüstrasyon
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