Kitabı oku: «Die Tigerin», sayfa 2

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III

Als sie, einer plötzlichen übermütigen Laune folgend, in einem vornehmen Restaurant der Avenue des Ternes déjeunierten, fragte Bichette, das Weinglas an den Lippen: »Warum hast du mir eigentlich diese Kappe gekauft?«

Fec fluchte innerlich darüber, daß er errötete. »Ich ... Das kam so ganz von selber ... Vielleicht auch, weil ich ... Nein, ich weiß es wirklich nicht.«

Bichettes Augen verdunkelten sich genießend. »Ich glaub es dir. Ich glaub es dir, weil du rot geworden bist.«

Die Zähne Fecs begannen zu mahlen, während er langsam den Blick hob. »Hör, Bichette, ich habe das Geldn ... Ich habe Geld von dir genommen, noch bevor ich wußte, was du vor der ... was du nach der Bijouterie ... was du eben dort gesagt hast. Als ob ich das schon gewußt hätte ... daß du so denkst. Das hat mir nämlich sehr gefallen. Ja, das Leerlaufen ist blödsinnig. Wenn man nichts mehr haben will, wenn man nichts mehr machen will, geht man besser um die Ecke, in den Duft. Aber bei mir war das anders. Das ist schon seit zwei Jahren so. Vorher habe ich sehr viel gemacht. Bis ich eben alles satt hatte. Alles. Alles. Alles. Da war dann das Leerlaufen geradezu Wollust für mich. In den letzten Wochen aber hatte ich auch das satt bekommen. Freilich, ohne es mir einzugestehen. Was dein Weinkrampf heute war, das weiß ich. Eh ben, wenn du es wissen willst: daß ich dir die Wollkappe kaufte, das war für mich genau dasselbe wie für dich der Weinkrampf. Damit, mit solchen Selbstüberraschungen warnt man sich. Davor nämlich, daß es nicht mehr so weitergeht. Ich habe jetzt die Wahl – in den Duft ... oder – wieder etwas zu wollen, wieder etwas zu machen.«

Bichette bekam mit einem Mal ein ganz verstörtes Gesicht. »Ja, Fec, ja, Fec, machen wir doch etwas! Etwas Neues! Etwas ganz Neues! ... Machen wir doch – uns

»Uns – machen?« Fec erstaunte bis in die Lippen.

Bichettes Hände fingerten wie irr den Rock hinab. Ihre Augen flackerten.

Sie hatten ohnehin ein wenig Aufsehen erregt. Man ist zwar in Paris an sehr vieles, das andernorts Zusammenrottungen verursachen würde, schlechtweg gewöhnt; ein höchst nachlässig gekleidetes Paar aber fällt in einem erstklassigen Mode-Restaurant auch in Paris auf. Ihre Gesichter, die in diesem Milieu sofort sozusagen dominierten, und das sichere Auftreten Fecs hatten den Maître d'Hôtel jedoch schnell entwaffnet; die Lebhaftigkeit ihrer Unterhaltung, welche durchaus gegen die Lokalusancen verstieß, besonders das überaus kräftige Mienenspiel Bichettes hatten dann aber neuerdings unliebsame Aufmerksamkeit hervorgerufen.

Der Tischkellner pirschte sich geschickt heran und schob, ein sehr deutlicher Wink, den kleinen Teller mit der zusammengefalteten Note auf den Tisch.

Als er sich, etwa drei Schritte entfernt, aufgestellt hatte, rief ihn Fec. »Wenn der Maître d'Hôtel sich nicht augenblicklich entschuldigt, werde ich dem Direktor meine Karte schicken.«

Der kleine Teller verschwand im Nu.

Der Maître d'Hôtel kam eiligst und entschuldigte sich devot. Fec würdigte ihn keines Blickes.

Sämtliche Anwesende gaben sichtlich ihre feindselige Haltung auf.

Bichettes Lippen bewegten sich fest auf einander. Ihre Augen waren halb geschlossen, während sie leise sagte: »Fec, wir machen uns.«

Fec lachte ungeniert aus vollem Hals.

Dieses scheinbar pöbelhafte Triumphieren mißfiel einem Herrn, dessen Spezialität es vermutlich war, Saloncourage zu zeigen. Er schritt, sich selbstgefällig in den Knien wiegend, auf Fec zu und fragte ihn sehr laut, wann der Rapide nach Angoulème Das französische Posemuckl. abgehe.

Fec erblaßte. Seine Finger erzitterten. Aber er fühlte penetrant, daß es komisch wäre, diesen Laffen zu ohrfeigen. Sein Gehirn tobte.

Plötzlich erhob er sich und seine Stimme war überall zu hören, als er in korrektem Französisch und mit liebenswürdigster Betonung antwortete: »Gehen Sie durch diese Tür dort und dann quer über die Straße in jenes Reisebureau, wo man Ihnen sicherlich so höflich Bescheid sagen wird wie einem gebürtigen Angoulèmer.«

An allen Tischen beschäftigte man sich miteins heftig mit den Speisen.

Ein sehr alter Herr näherte sich Fec, ein Glas Wein in der Hand, und stieß mit ihm an. Und eine junge hübsche Dame rief aus dem Hintergrund des Saales: »Bravo!«

Bichette atmete nicht.

Fec verlangte jetzt die Note.

Sie fuhren im Taxi, die Zungen in einander verwühlt, auf den Montmartre zurück. Vor das Aëro-Hotel. Bis sieben Uhr abends lagen sie im Bett.

In der Liberty's Bar auf der Place Blanche nahmen sie, viel bemerkt und deshalb vergnügt schweigend, den Apéritif; aßen dann aber in einem kleinen Bouillon der Rue Lépic.

Gegen elf Uhr erschienen sie auf dem Tanzboden der Moulin de la Galette. Sie ließen keinen Tanz aus. Sie tanzten bis vier Uhr morgens. Mit einander.

Bei ›Léon‹ war es ›grün‹, als sie eintraten. Nur hinten in einer Ecke saßen zwei alte Weiber.

Jean kam, verschlafen und grunzend, einhergeschwenkt. Als er Fec erkannte, lächelte er wissend. »Aber gebt acht! Die Gaby ist wütend.«

»Weißt du etwas?« fragte Bichette verdrossen.

»Wieso. Ich würds euch doch sagen.«

Bichette war müde. Fec angetrunken.

Sie lehnten, gegen einander gesunken, auf der Bank und lächelten unbestimmt. Bichettes Lächeln zerfiel langsam und blieb nur noch um die Augen liegen. Das Fecs zog sich ruckartig über das ganze Gesicht und wurde schließlich häßlich und steif.

Dann räusperte er sich mehrmals, wobei die Finger seiner rechten Hand wirr in die Luft stachen. »Ha, nur eine Frau, die am offenen Fenster wäscht, wird nie hineinfallen ... vorausgesetzt, daß das nicht ihr Truc ist. Aber auch wenn es nicht ihr Truc ist, kann sie hineinfallen, denn es ist kein übler Truc, keinen zu haben. Du verstehst mich, Bichette ... Ich habe übrigens bemerkt, daß die Langeweile die Leute schärft und daß ein Beefsteak verblödet. Es steckt immer etwas dahinter. Um zu reüssieren, mache man also die Leute vorerst scharf. Sie verblöden hierauf und vollgefressen erwischt man sie. Worauf man sie hat. Indem man sich hinter sie steckt. Denn es steckt nichts dahinter. Oder sollte man sich darüber wundern, daß alle Damen fette süße Speisen lieben und ... und ... Konfekt ...?«

Bichette spitzte bösartig die Lippen, setzte sich knurrend auf und riß ihre Hand aus der Fecs. »Schnock!«

»Eh ben.« Fec warf sich auf ihre Hand und zerrte sie zu sich heran.

»Laß mich los!« Bichette stieß mit den Füßen nach ihm.

»Dageblieben!«

Bichette versuchte, in seine Hände zu beißen, und spuckte, als es mißlang, ihm mitten ins Gesicht.

»Crotte!«

»Laß mich los!« Bichette machte eine letzte rasende Anstrengung, um sich zu befreien.

Aber Fec ließ nicht locker. »Aus einem papierenen Lichtschirm ...«

»So laß mich doch los,« wimmerte Bichette zusammensinkend.

»Aus einem papierenen Lichtschirm, der an drei Seiten angebrannt war, machte sie sich mit sechzehn Jahren einen Hut, der ihr den ersten reichen Freund verschaffte. Ja, so ist das Verkehrsleben ... Hör, Bichette, das war aber nicht meine süße Wäscherin aus der Rue Nollet. Die hab ich ganz furchtbar geliebt. Wenn ich sage – geliebt, so heißt das ... Sie hatte etwas in den Augen wie du. Crotte alors! Anders. Aber vor ihr ging es mir gut. Ich konnte reden. Reden. Reden. Reden. Fast so wie jetzt. Und wenn ich mit ihr Arm in Arm im Bois spazieren ging, war mir wohl. Crotte! Selbstverständlich war mir nicht wohl. Aber bei ihr fühlte ich wenigstens schon irgendwie, warum mir nicht wohl war und nie wohl sein würde ... Hör, Bichette, ich liebe auch dich nicht. Ich habe nie, nie, nie in meinem ganzen Leben jemanden wirklich geliebt. Warum? Das ist ganz außerordentlich leicht zu begreifen: weil ich sonst ein entsetzliches Rhinozeros gewesen wäre ... Aber du hast recht, Bichette, auch ich halte es einfach nicht mehr so aus. Es muß etwas geschehen. Es muß etwas gemacht werden ... Eh ben, Bichette, ich weiß, was zuerst geschehen muß, was zu allererst gemacht werden muß. Errätst du es? Ja, wir werden uns machen. Du warst ingeni ... ingeniös. Hör, Bichette, wir müssen uns – lieben! Das muß – gemacht werden. Das ist ganz außerordentlich einfach, wenn man so genau und sicher weiß wie wir, daß es durchaus unmöglich ist, einander zu lieben ... Du verstehst mich, Bichette ... du ...«

Bichette wischte ihm die Lippen mit der Hand trocken. »Fec, ich bitte dich, komm! Gehn wir doch schon!«

Fec stieß sie unwirsch von sich. Plötzlich packte er ihre Elbogen, preßte sie nach hinten und fauchte ihr ins Gesicht: »Bichette, hörst du, ich liebe dich ... Und du liebst mich ... Abgemacht?« Speichel rann ihm aus den Mundwinkeln.

Bichettes Kopf fiel müde auf seine Schulter.

Da schrie Fec ganz leise auf ihren Mund: »Sag mir sofort, daß du mich liebst! Daß du mich immer lieben wirst! Daß du es wollen wirst!«

Bichettes Kopf sank noch tiefer. Dabei sagte sie langsam und laut: »Ja, Fec, ja, Fec, ich ...« Und mit einem Mal brüllte sie auf: »Abgemacht!«

Fec gröhlte, ließ sie fahren und soff.

Der kleine Pimpi, von dem man nicht wußte, wie er in Wirklichkeit hieß, lehnte bereits seit einiger Zeit beobachtend an der Bar und setzte sich nun neben Fec, in der Absicht, beruhigend zu wirken. Er war der einzige gewesen, der Fec weder für harmlos gehalten hatte noch für einen Trottel.

»Kinder, seht ihr aus wie gesogen aus den Pfoten, jo. Wo hat ihm stattgefunden?« Pimpi lachte in einer überaus angenehmen Art.

Fec riß eine Grimasse. »Trink! Und tu etwas für deinen Namen!«

»Warst du in England. Habe ich gezweifelt nicht sehr, verehrtem Meister.«

»Aber ich.« Fec gurgelte mit Wein. »Man soll nie genau wissen, was einmal los war.«

»Jo. Bin ich sehr für schlechtem Gedächtnis aus berufswegen.«

»Pimpi, großer Pimpi, wo ist dein Büchsenfleisch ... wo ist ...«

Bichette legte sich über den Tisch und beide Hände auf Pimpis Arm. »Hilf mir, ihn fortzubringen.«

Pimpi, dessen Ohren sich leise bewegten, blickte teilnehmend sachlich. »Wo wohnt ihm?«

»Kaum zwei Zigaretten weit,« sagte Fec so ruhig, daß beide verwundert schwiegen.

Da stand mit einem Mal der herkulische Körper des Japaners breitspurig vor dem Tisch. Seine Fäuste waren in den Hüften aufgestemmt, die grünlich schillernden Äuglein unverwandt auf Fec gerichtet.

Bichette suchte ihr Messer. Sie grinste wütend, als ihr einfiel, daß Fec es eingesteckt hatte.

Pimpi, der nicht orientiert war, begrüßte den Japaner, den er für besoffen hielt.

Der versetzte ihm mit gesteifter Hand einen wuchtigen Swing unterhalb des Ohrs auf den Hals, so daß Pimpi ohnmächtig zu Boden sank.

Bichette fuhr mit einem kleinen durchdringenden Schrei empor und blieb, am ganzen Körper zitternd, stehen.

Fecs Augäpfel traten weit hervor. Sein Kinn zuckte merkwürdig, während er schnell mit der Linken auf den Tisch wies.

Als der Japaner, den Kopf ein wenig vorneigend, hinsah, ergriff Fec sein volles Weinglas und goß ihm den Inhalt in die Augen. Fast gleichzeitig warf er den Tisch um, legte sich an die Wand zurück und stieß seinen rechten Fuß mit solcher Gewalt auf den Magen des Japaners, daß dieser stöhnend nach hinten taumelte und besinnungslos über einen Stuhl fiel.

Fec, der durch die Wucht seines Stoßes zu Boden gestürzt war, sprang auf, rief dem feixend herbeieilenden Jean zu, Pimpi wegzuschaffen, bevor der Japaner zu sich käme, und rannte mit Bichette hinaus.

Fec hatte die feuchte Morgenluft fast nüchtern gemacht; Bichette, die sich sogleich von ihm losgerissen hatte, eigenartig verbissen. Auf ihre Füße blickend, folgte sie ihm in einem Abstand von drei Schritten.

Fec nahm ein Zimmer in dem schräg dem Aëro-Hotel gegenüber liegenden Hotel Puget, da er befürchtete, der Japaner würde nicht lange auf sich warten lassen.

Bichette warf sich totmüde über das Bett.

Fec lehnte sich an den Schrank und streichelte schmatzend seine Wangen. ›Wie angenehm es wäre, wenn jetzt das Haus zusammenstürzte,‹ dachte er flüchtig und lächelte darüber.

Die Straße herauf zog das Rumpeln eines schweren Karren. Das ganze Zimmer begann zu zittern.

Fec preßte, gequält atmend, die Hände auf die Ohren.

»Hältst dir die Ohren zu, wenn ich mit dir rede?« schrie plötzlich Bichette und setzte sich zornsprühend auf.

Fec ließ, matt grinsend, die Hände sinken. »Nein. Das tat ich wegen ...« Er wies mit dem Kopf kurz nach dem Fenster. »Aber, was hattest du mir denn gesagt?«

Bichette blickte mit stolzer Ausdruckslosigkeit an ihm vorbei auf die Wand. Dann bewegte sie höhnisch eine Achsel und ließ den Kopf auf die Kissen fallen.

Fec war es, als hätte er ein paar Sekunden lang gefühlt, was sie ihm nicht hatte wiederholen wollen. Aber es gelang ihm nicht, sich dieses Gefühls zu erinnern. Dennoch versuchte er es immer wieder. Er stand so lange am Schrank, bis ihm die Augen brannten.

IV

Gegen ein Uhr nachmittags wurden sie durch Pimpi geweckt.

Fec, sich schnell ankleidend, öffnete ihm verwundert. »Wie kommst du hierher?«

»Loute hat gewußt dem Adresse.« Pimpi legte eine große Ledertasche und einen nicht weniger schäbigen Handkoffer auf den Tisch, setzte sich vergnügt und wackelte, die Hiebstelle liebkosend, empört mit dem Kopf.

»Dieses Hotel?« fragte Fec verblüfft.

»Dem Aëro. War es Gaby, welche hat aufgehetzt dem Japaner.«

Bichette rieb sich mit einem Zipfel der Bettdecke die Augen und schob sich hoch. Als sie Pimpi und ihre Koffer erblickte, trat in ihr schlaffes unausgeschlafenes Gesicht ein erschreckender Ausdruck des Erstaunens.

Dadurch erhielt auch der Blick Pimpis denselben Ausdruck.

Fec rührte sich nicht, so gespannt beobachtete er: etwas Besonderes schien sich zu begeben.

Da lachte Pimpi sein beliebtes Negerlachen, das er geradezu vorbildlich beherrschte. »Kinder, ist das gar nicht sehr wichtig, dem alles ... Nichts hat passiert, Bichette, gar nichts ... War ich soeben im Aëro. Dacht ich mir schon, daß du warst schlau und hast gewechselt, schöner Mädchen. Und weiß ich, wie sehr sehr Damen ihrem sieben Sachen brauchen, also hab ich ... Aber war es mir sehr angenehm, daß war bezahlt worden, denn anderem Falls ... et etcetera et etcetera. Kennt mich der Pariser? Er kennt mich.«

»Merci.« Bichettes Gesicht, das sich mühsam gespannt hatte, erschlaffte wieder. »Da können wir ja vorderhand hier bleiben, Fec.«

»Wir?« Pimpis Finger zuckten und verließen die Knie. »Bitt ich pardon, aber war ich doch nicht sehr sicher.«

Fec lächelte verstehend. Dann sah er Pimpi aufmerksam an.

Dessen Kopf begann von neuem zu wackeln. Sein vorzeitig gealtertes Gesicht suchte sichtlich nach einem passenden Ausdruck.

»Also Pimpi, du bist ja ein ganz blöder Kerl.« Fec schneuzte sich.

Pimpi brummte etwas, wovon nur das Wort ›Hering‹ zu verstehen war. Hierauf meinte er lustig: »Jo, ohne blöder Leute wäre gar nicht sehr hibsch auf dem Welt.«

An Pimpi vorbei, vor dessen Ohr er mit den Fingern schnalzte, ging Fec zum Fenster, das er öffnete.

Bichette, die jene Geste gesehen hatte, verzog spöttisch den Mund.

Da sprang Fec vom Fenster zurück. »Der Japaner ist unten.«

»Wo?« Bichette rutschte mit einem Ruck an die vordere Bettstelle.

»Zurück!« Fec preßte sich hinter den Fenstervorhang. »Ich kann ihn von hier aus unbemerkt beobachten ... Hast du drüben gesagt, Pimpi, daß sie kein Wort ...«

»Jo, ich auch.« Pimpi drehte sich nervös eine Zigarette. »Wird es vielleicht sein sehr gut, zu vermeiden einiger Zeit dem Landstraße und zurückzugehen in dem Wälder. Und noch dazu ...«

»Er weiß augenscheinlich nicht, was er tun soll.«

»Und noch dazu ...« Pimpi mißlang es, ein harmloses Gesicht zustande zu bringen. Mit dem Zeigefinger schichtete er, fast scheu, seine in die Stirn gekämmten pomadisierten Haare. »Weißt du, Bichette ... der Goux, der Laroche, der Cauler et etcetera, war da weiter nichts dabei, wenn warst du allein. Aber jetzt ... das ist anders, sehr anders, bitt ich zu glauben. Dann der Harry. Kennst du ihn doch. Und dann erst der Ralix, dem Hund. Kommt er in drei Tagen heraus, jo.«

»Er geht die Straße hinunter.« Fec, der alles gehört hatte, setzte sich auf den Tisch, Bichette beobachtend, die unbeweglich zu Boden sah.

»Oder, Bichette, geh allein weg ... einiger Zeit.« Pimpi ärgerte sich aber sofort über diesen Vorschlag. Deshalb schmißer die Zigarette in den Eimer, daß es aufspritzte, und reichte Fec und Bichette energisch die Hand. »Gefällt mir sehr von dieser Hering. Legt er schwerem Japaner um und meckert keiner Silbe daherüber und nicht über meinem Berührung von dieser gelber Aff.« Er nahm seinen Hut von dem Blechleuchter. An der Tür wandte er sich um. »Wenn braucht ihr was, aber keinem Münze, der kleiner Pimpi immer schläft er noch bei Fécamp. Also good by.« Er warf die Tür hinter sich zu.

Von der Treppe her erscholl sein Negerlachen.

»Ich glaube nicht, daß Gaby den Japaner aufhetzte,« sagte Fec nach einer Weile.

»Wie sie mich reizte, das war gar nicht so guips.«

»Eine Art weiblicher Pimpi.«

»Nur nicht so aufrichtig.«

»Ich sagte ja auch – weiblicher ...«

Bichette packte Fec an den Schultern, stieß ihn auf einen Stuhl nieder und schmetterte ihm in die Augen: »Was willst du damit sagen, hein?«

Fec schwieg geringschätzig, die Hände in die Hosentaschen steckend.

»Du glaubst, daß ich mit Pimpi ...«

Fec blickte gleichgültig zur Seite.

»Das ist aus. Längst. Oder glaubst du, daß ich allerhand verheimliche ...?«

Fecs Lippen spielten mokant. »Hab ich nach etwas gefragt?«

»Antwort will ich! ... Nein, aber du tatest so, als ob ich ...«

»Was soll denn das alles!« Fec machte eine unwillige Kopfbewegung.

Bichette, deren Augen nicht von seinem Gesicht wichen, packte ihn fester. »Oder glaubst du vielleicht, daß ich ...«

»Ich glaube gar nichts. Das war nie meine Schwäche.«

Bichette schluckte und ließ seine Schultern los. Sie hakte ihren über und über verknitterten Rock auf, streifte ihn ab undstieg heraus. Dann stellte sie das Lavabo auf den Stuhl und goß in weitem Bogen Wasser ein. »Fec, ich weiß nicht, ob du dich noch erinnerst, was du gestern ... heute morgen bei ›Léon‹ ... Bitte, reich mir das Handtuch! ... Du erinnerst dich?«

»Ja.«

»An jedes Wort?«

Fec, der seine Schuhe putzte, nickte.

Bichette beendete schweigend ihre Toilette.

»Warum fragtest du?« Fec betrachtete ihre starken steilen Beine.

»Couçi couça.« Bichette zog ihre schmutzige Bluse aus, warf sie zu Boden, ließ ihre kurze Seiden-Combinaison fallen und stieg auf die Kommode, um ihren Akt im Spiegel sehen zu können.

Fec wurde ärgerlich. »Ich war besoffen.«

»Scheinst dich zu entschuldigen.« Bichette hatte sich ihm schnell zugekehrt. Als sie ihn fast verwirrt dastehen sah, sprang sie höhnisch lachend herunter. »Er entschuldigt sich! Schlingue!«

Fec lächelte widerwillig. »Muß ich das nicht?«

Bichette ließ eine Schnur um ihre Hand spielen. Die andere liebkoste ihre Brust. »Nein.«

Fec erstaunte. »Wirklich nicht?«

»Nein.« Bichettes Augen umglitten ihn forschend.

»Wirklich?«

»Nein.« Ihre Augen blieben mit einem flachen Ausdruck stehen.

Fec wurde so neugierig, daß er unsicher lachte. »Eh ben, dann ist es also abgemacht?« Eine peinigende Verlegenheit, die ihn ganz unvermittelt überfiel, kaum daß er die Frage getan hatte, zwang ihn jedoch, Bichettes Blick zu meiden.

Bichette rieb achtlos ihre Nägel. »Ja. Aber ...«

»Aber ...?«

»Ich ... ich weiß doch nicht ...«

»Was.«

»Nicht ganz ...«

»Was!«

»Wie du ...«

»Was denn, zum Teufel!«

»Wie du dir das alles denkst ... wie ...«

»Du bist nicht aufrichtig.«

»Hein? Nicht aufrichtig?«

»Ja.«

»Schlingue!« Bichette hieb mit der Faust auf den Tisch, daß es krachte, und begann, ununterbrochen halbe Worte ausstoßend, wild darauf herumzukramen. Endlich fand sie den Schlüssel, sperrte die Ledertasche auf und warf Ketten, Armbänder, Colliers und Etuis kunterbunt auf den Tisch. »Da, da, da, da ...« Ihre zuckenden Finger rissen die Etuis auf und leerten sie aus wie Tüten. Ohrgehänge und Brillantringe rollten umher. Einiges fiel zu Boden. »Glaubst du, du ... daß ich diesen Létsch da mag? Kein Mensch hat mich noch so was tragen sehen.«

Fec trat auf sie zu, versetzte ihr, von einer Wut gepackt, die ihn selbst dumpf erstaunte, einen Faustschlag auf die Schulter und schleuderte sie aufs Bett.

Bichette schnellte mit tierischer Behendigkeit hoch.

Und schon rauften sie. Bösartig. Verbissen. Keuchend. Aber sie schlugen einander nicht ins Gesicht.

Ein ganz heller spitzer Schrei, der ihm gefährlich klang, ließ Fec zurückfahren.

Bichette stand schwer atmend da. Ihre Arme hingen wie in allen Gliedern gebrochen. Ihre schwarzen Seidenstrümpfe waren zerrissen. Ihre rot gewordenen zerkratzten Brüste zitterten. Ihr Gesicht war erdfahl. An einem ihrer Halbschuhe fehlte der Absatz. Sie begann zu taumeln.

Fec, fast erschrocken, umfaßte sie mit beiden Armen und legte sie vorsichtig aufs Bett. »Was hast du ... Was ist ...«

Bichette bewegte verneinend ein wenig den Kopf. Dann drückte sie die Hände langsam auf Fecs Wangen, zog ihn zu sich nieder und küßte lange und heiß in seinen Mund hinein.

Nachher kleideten sie sich schweigend an.

Nach einigem Zögern hob Fec die Bijous auf, legte sie sorgsam in die Ledertasche, schloß diese ab und wollte eben den Schlüssel daneben auf den Tisch legen, als es ihn zwang, zur Seite zu blicken.

Bichettes Augen waren lauernd auf ihn gerichtet.

Fec steckte, die Achseln zuckend, den Schlüssel ein.

Bichette lachte unbestimmt und umhalste ihn. »Aber sag mir jetzt, warum ich nicht aufrichtig war.«

»Nicht weil du nicht weißt, wie ich mir das alles denke, sondern ... Crotte, wozu auch ...« Fec machte sich unwillig los.

»Sondern ...« Bichette stampfte mit dem Fuß. »Ich will es wissen. Also ... sondern ...«

» ... sondern weil du fürchtest, du könntest es vielleicht nicht durchführen.« Fec wußte nicht, weshalb er das überhaupt sagte.

Bichette trat von ihm weg. »Vielleicht.« Ihr Körper zog ihre Hand von Fecs Schulter. »Aber ich versichere dir, daß es nicht ganz so war. Auf jeden Fall muß das alles noch genau besprochen werden. Dann werde ich schon wissen, ob ich es kann. Aber glaub nur nicht, daß ich schwach bin oder nicht aufrichtig. Ich hab noch immer alles herausgekotzt.«

Fec unterließ ein kaum begonnenes Lächeln, als er sah, wie Bichettes Augen flogen.

»Wir müssen uns jetzt schnell entscheiden, Fec.« Bichette begann sich hastig zu schminken. »Pimpi hat recht. Es ist das Beste, zu verschwinden. Wenigstens für einige Zeit.«

»Hm. Wie wärs mit – Bagnolet.« Fecs Stimme klang übelgelaunt.

»Ausgeschlossen.« Bichette scheitelte mit den Fingern ihr herrliches Haar und warf es mit einem Ruck des Kopfes nach hinten. »Paris bleibt Paris.« Sie puderte sich so heftig Brust und Nacken, daß eine weiße Wolke sich um sie erhob. »Nizza. Was meinst du?«

»Nizza? Eh ben.« Fec wurde jedoch nervös, weil er zugestimmt hatte, wiewohl es weder erwogen war, noch seinemGefühl nach wirklich unausweichlich. »Da liegt ja noch ein Armband.«

»Verkaufs.« Bichettes Hände hasteten vor dem Spiegel an ihrem Kopf. »Und komm rasch wieder.« Sie puderte sich, vorsichtig tupfend, Nase, Wangen und Stirn! »Es reicht ja sonst doch nicht.« Sie korrigierte mit der Zungenspitze die Schminklinien der Lippen. »Inzwischen esse ich hier. Arthur holt mir schon was.« Sie wandte sich lächelnd um. »Bin ich schön so?« Ihr Lächeln floß triumphierend durchs ganze Zimmer.

»Ja.« Fec schloß den Rock und schlang sich das Tuch um den Hals.

Bichettes Gesicht verbitterte sich. »Du sagst das so ... so ...« »Du weißt es doch.« Fec zog ein gelbes Päckchen aus der Tasche und zupfte eine Zigarette heraus.

»Also geh schon!«

Fec rauchte lässig. »Willst du so lange hier warten?«

»Hast wohl den gelben Affen schon vergessen?« Bichette setzte sich, an den Fingern zerrend, aufs Bett. »Aber beeil dich! Und gib acht! Zeig dich nicht unnötigerweise!«

»Ich geh in die Rue du Temple. Der alte Chabert zahlt am besten. Aber er lamentiert. Das dauert.« Fec öffnete mißmutig die Tür.

»Fec!« Bichette sprang auf, warf sich ihm an den Hals, streichelte seinen Kopf und reichte ihm die offenen duftenden Lippen.

Fec küßte sie langsam und so lange, wie sie wollte. Dann ging er wortlos. Als er auf die Treppe trat, war ihm alles gleichgültig.

»Halt-là!« rief Bichette ihm durch die Tür nach. »Zwei Röcke sind noch drüben. Und drei Paar Schuhe.«

Es war dunkel geworden, als Fee, leicht angetrunken, zurückkam.

Bichette lag am Boden, auf dem Bauch, trank Wein und rauchte.

Fec stieg über ihre Beine hinweg.

»Du bists.« Bichette drehte lächelnd den Kopf nach oben. Fee warf ihre Röcke aufs Bett, die Schuhe zu Boden. »War jemand da?«

»Wer soll denn dagewesen sein.« Bichette drückte die Zigarette auf der Diele aus.

»Ich frag doch nur.« Fec ließ sich müde aufs Bett fallen.

»Wie viel hast du?«

»Fünfhundert.«

»Also wir fahren.« Bichette stemmte sich hoch. »Du riechst nach Regen.«

»Ja, es regnet.«

Bichette trat dicht neben ihn hin und sah ihm ins Gesicht. »Und nach Cric.«

»Crotte alors!« Fec stand auf. »Fahren wir doch sofort.«

»Darauf warte ich doch nur, du ... Rhinozeros.« Bichette kniff ihn neckisch in beide Wangen und spuckte ihm dreimal auf die Lippen.

Der Nacht-Rapide ging in vierzig Minuten ab.

Der Koffer war im Nu gepackt ...

Kaum daß das Taxi sich in Bewegung gesetzt hatte, sprang Bichette, wie von einem plötzlichen Rausch erfaßt, Fee auf die Knie, preßte ihm die Hände fest auf den Kopf und sagte in lustbebendem Flüsterton: »Fee, jetzt gehörst du mir. Mir allein. Und ich gehöre dir. Dir ganz allein. O, das haben wir fein gemacht! Und wir werden alles machen. Alles. Ich hab dich ganz genau verstanden. Und auch du hast mich ganz genau verstanden. Wir werden uns nichts vortrillern. Wir werden sap bleiben. Wir werden uns nichts vormachen. Wir werden alles machen. Hart und klarmachen, ja, machen, machen ... machen, macheln, maffeln, maffeln, maffeln, maffeln ...« Es war, als stopfte sie in dieses vergewaltigte Wort alles, was sie an Willen besaß.

Fec, völlig mitgerissen, roch mit unsäglichem Genuß ihren Atem. Er zitterte, als er ihren Namen aussprach: »Bichette ... Ja, das, was die andern schwächt und schließlich doch gegen einander bringt und unter die Pfeifen, das soll uns eine ganz ungeahnte Kraft geben. Die größte Kraft. Den letzten Elan. Hart bis unter die Haare und klar wie das Nichts, auf das allein wir bauen, werden wir nie schwach werden, nie dumm. Und wenn wir untergehen sollten (denn die Natur, das Leben ist das Dümmste und Roheste, das existiert), werden wir nicht durch uns untergegangen sein. Und das ist es, was nicht nur das Leben, sondern auch den Tod der andern vergällt: das dumpfe Bewußtsein, nicht alles getan zu haben, um die Niederlage zu vermeiden, schwach gewesen zu sein, dumm. Wir aber werden anders untergehen. Vielleicht mit jenem hellen spitzen Schrei auf den Lippen, den du ... Bichette, Bichette, bitte hau mir eine herunter!«

Bichette tat es augenblicklich. Und schrie auf vor Vergnügen.

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