Kitabı oku: «Heimische Singvögel»
Walther Streffer
Heimische Singvögel
Wie, wann und wo sie singen
Inhalt
Einleitung
Singvögel müssen ihren Gesang lernen
Musikalische Differenzierung des Reviergesangs
Die «Vogeluhr» und der große Chor am Morgen
Singvogelporträts
Zaunkönig
Amsel
Singdrossel
Buchfink
Grünfink
Mönchsgrasmücke
Gartengrasmücke
Hausrotschwanz
Gartenrotschwanz
Rotkehlchen
Nachtigall
Zilpzalp
Fitis
Kohlmeise
Blaumeise
Teichrohrsänger
Sumpfrohrsänger
Feldlerche
Baumpieper
Goldammer
Star
Nachklang
Abbildungsnachweis
Literaturverzeichnis
Anhang: Klangbeispiele
Einleitung
Diese Anregungen zum Vogelstimmen-Hören sollen kein Vogelbestimmungsbuch ersetzen, zumal es sich um eine kleine Auswahl von einundzwanzig heimischen Singvögeln handelt.* Der Schwerpunkt richtet sich auf das Gesangsleben dieser Vögel, ihre musikalischen Fähigkeiten und wann und wo die Gesänge zu hören sind.
Die Stimmen der Tiere sind für viele Menschen etwas Besonderes, seien es die Konzerte der Heuschrecken und Zikaden oder der Frösche. Auch die verschiedenen Laute der Säugetiere (Hunde, Katzen, Pferde, Kühe, Schafe, Affen u.a.) bewegen uns; die Stimmen der Wale und Delfine werden seit Jahrzehnten studiert. Vor allem aber hat der Gesang der Vögel die Menschen seit Langem beglückt und interessiert. Nichts kommt unter den Lautäußerungen im Tierreich der Schönheit und Vollkommenheit des Vogelgesangs gleich. Seinen besonderen Rang können wir in gesteigerter Form miterleben, wenn wir ihn im Zusammenhang mit der Stimmentwicklung bei Tier und Mensch betrachten.
Die im Tierreich produzierten Laute, von den Insekten bis zu den Säugetieren, sind zum weitaus größten Teil angeboren; sie werden nicht individuell erworben. Wir können sie auch als affekt- oder leibgebundene Laute bezeichnen. Sprache im eigentlichen Sinne finden wir nur beim Menschen. Auch wenn es im Tierreich erstaunliche Kommunikationsformen gibt und bei einigen Tieren sogar Verständigung zwischen Tier und Mensch mittels Gebärdensprache, also ein gewisses Sprachverständnis, nachgewiesen werden konnte, ist der freie Stimmgebrauch des Menschen einzigartig. Sprache ist weit mehr ist als nur Information.
Zwischen den affektgebundenen Lautäußerungen der meisten Tiere einerseits und der menschlichen Sprache andererseits gibt es nun Töne und Klänge, die mehr einen freiheitlichen, spielerischen Stimmgebrauch repräsentieren. Diese Art des Umgangs mit den Tönen können wir im Gesang zahlreicher Singvögel erleben.
Mit Ausnahme der mechanisch erzeugten Laute (Instrumentallaute) werden alle Töne der Singvögel mithilfe des Atemstroms hervorgebracht. Diese Lautäußerungen unterteilen wir am einfachsten in Gesänge und Rufe. Ein Gesang besteht in der Regel aus Strophen, die in Motive (wiedererkennbare Folgen) unterteilt werden. Übereinstimmend gesungene Strophen werden als Strophentyp bezeichnet. Kleinere Lauteinheiten sind Phrasen und Elemente. Je nach Sängerqualität sind einzelne Gesänge melodienreich und aus vielfältigen Motiven zusammengesetzt (etwa bei der Amsel oder der Nachtigall), andere besitzen nur einen einfachen Strophentyp (so z.B. beim Zilpzalp). Gesänge, die wir im Frühjahr hören, sind zumeist die markanten Reviergesänge. Näheres zu diesen Gesangsaspekten wird in den beiden folgenden Kapiteln beschrieben (S. 11–30).
Damit auch der Laie die typischen, prägnanten Gesänge der hier vorgestellten heimischen Singvögel zu unterscheiden lernt und der jeweiligen Vogelart zuordnen kann, ist im Folgenden bei der Beschreibung jedes Vogels ein QR-Code hinzugefügt worden, der als Klangbeispiel dient. Diese Beispiele finden sich auch auf der Website des Verlags (www.geistesleben.com/Wissenschaft-und-Lebenskunst/Naturwissenschaft/HeimischeSingvoegel.html) und in dem ausführlicheren Buch des Verfassers, Magie der Vogelstimmen. Die Sprache der Natur verstehen lernen, das mit vielen weiteren Phänomenen des Gesangslebens unserer heimischen Singvögel vertraut macht und auch noch weitere Vogelarten als die hier vorgestellten beschreibt. Was in Bezug auf die dort beigelegte CD gesagt wurde, gilt auch für dieses Buch, dass nämlich die Klangbeispiele helfen sollen, «sich die einzelnen Stimmen besser einzuprägen. Selbstverständlich kann der lebendige Eindruck eines Vogelgesangs dadurch nicht ersetzt werden». Im jeweiligen Klangbeispiel «hören wir meistens nur einen Strophentyp. Das vielfältige Gesangsrepertoire unserer Meistersänger musste auf wenige Motive reduziert werden»(Streffer 2003).
Mit den vorliegenden Vogelporträts möchte das Buch in verständlicher Form die bekanntesten und bei uns verbreiteten Singvögel mit ihren Besonderheiten vorstellen und auf die Elemente ihres Gesangs aufmerksam machen. Und zugleich mag es ein Beitrag dazu sein, dass wir die Einzigartigkeit unserer Singvögel, die in den letzten Jahrzehnten durch Urbanisierung und durch Industrialisierung unserer Landwirtschaft in ihrem Lebensraum oft immer stärker eingegrenzt und in ihrem Bestand reduziert wurden, wieder mehr wahrnehmen und schätzen lernen.
Stuttgart, im November 2018 | Walther Streffer |
*Zwölf Vogelporträts sind bereits im Jahre 2011 monatlich in a tempo, dem Lebensmagazin der Verlage Freies Geistesleben und Urachhaus, erschienen.
Singvögel müssen ihren Gesang lernen
Sobald wir uns intensiver mit der Stimmentwicklung im Tierreich beschäftigen, fällt auf, dass den Tieren ihr Stimmrepertoire auf sehr unterschiedliche Weise von der Natur mitgegeben wurde. Extreme wie «genetisch fixiert» oder «absolut frei» kommen im Reich der höheren Wirbeltiere kaum vor, zumindest sind derartige Bezeichnungen nicht zu eng zu sehen. Fast allen Landwirbeltieren ist die Stimme angeboren. Im Umgang mit der Stimme und dem Lernen verschiedener akustischer Signale scheint es bei Affen, Elefanten und Hunden, je nach Art, einen wesentlich größeren Spielraum als bei anderen Landsäugetieren zu geben. Auch die Lautäußerungen einiger Meeressäugetiere scheinen weit über affektgebundene Laute hinauszugehen. Die akustische Unterscheidungs- und Erinnerungsfähigkeit dieser intelligenten Tiere ist erstaunlich. Sie verfügen über ein umfangreiches Stimmrepertoire, das ständig verändert oder vermehrt werden kann. Zu den vielseitigen Kommunikationsmöglichkeiten gehören auch der Chorgesang der Wale und die Imitationsfähigkeit der Delfine.
Einem sehr großen Teil der nicht zu den Singvögeln gehörenden Vogelfamilien (Nonpasseriformes), zum Beispiel Störchen, Entenvögeln, Greifvögeln, Regenpfeifern, Möwen, Hühnervögeln, Eulen und Spechten, ist das Lautinventar angeboren. Auch Singvögel (Passeriformes) haben angeborene Lautäußerungen, zum Beispiel Warnlaute, Lockrufe, Bettellaute, Stimmfühlungslaute und Flugrufe. Die Gesänge sind jedoch häufig kompliziert aufgebaute Klanggebilde, und die meisten Singvögel müssen, um ihren arttypischen Gesang zu erwerben, von älteren Artgenossen lernen.
Es gibt zwei Formen des Gesangslernens: die Nachahmung innerhalb der eigenen Art (Tradition) und die Nachahmung über die Artgrenze hinaus (Imitation). Im Folgenden sind diese Fähigkeiten, nach zunehmenden Schwierigkeitsgraden gegliedert, kurz aufgeführt:
•Die Befähigung zum arteigenen Gesang ist bei einigen Arten größtenteils angeboren und bedarf keiner großen Lernprozesse, zum Beispiel bei vielen Ammerarten.
•Teile des Gesanges sind angeboren, um sie aber zu arttypischen Strophen zu gestalten, ist ein Vorbild notwendig (etwa bei der Zaunammer). Manchmal sind aggressive Gesangsteile wie auch Tonhöhe und Klangfarbe angeboren, Rhythmus und Modulationsart müssen aber erlernt werden (zum Beispiel beim Hänfling).
•Ein Teil des Gesanges (häufig die Eingangsstrophe) ist angeboren, andere Teile (meistens die Schlusselemente) werden erlernt (so beispielsweise beim Buchfink und der Goldammer). Oder der Gesang ist zwar angeboren, die Gesangsstrophen lassen sich jedoch aufgrund von zum Teil erstaunlichen Lernfähigkeiten variieren beziehungsweise durch Nachahmung von Fremdmotiven vielfältig erweitern (das trifft auf die Mönchsgrasmücke und die Gartengrasmücke zu). Es können auch bestimmte Grundstrukturen des Gesanges genetisch angelegt sein, aber mit der Möglichkeit, mannigfaltig zu variieren (das können wir zum Beispiel bei der Singdrossel oder der Orpheusgrasmücke beobachten).
•Die musikalisch begabtesten Singvogelarten scheinen dagegen kaum Grenzen im Umgang mit Tönen zu kennen (so die Amsel, die Nachtigall, das Rotkehlchen oder die amerikanische Spottdrossel). Eine ausgeprägte Empfänglichkeit für den arteigenen Gesang bringen aber auch sie von Natur aus mit.
•Eine recht autonome Lernleistung stellt die Imitationsfähigkeit dar, die in verschiedenen Stufen von unseren besten Sängern erreicht wird.* Vertreter einiger Vogelgruppen (Kolkrabe, Rabenkrähe, Dohle, Eichelhäher, Star und Beo) können sogar die menschliche Sprache nachahmen. Wenige Vögel sind fähig, meisterhaft komplizierte Melodien beziehungsweise technische Geräusche unmittelbar, also ohne zeitlich messbaren Lernprozess, zu imitieren (die Spottdrossel und der Leierschwanz). Und die asiatische Schamadrossel, die auch über die vorgenannten Fähigkeiten verfügt, ist in Einzelfällen sogar fähig, längere Partien klassischer Musik zu erlernen und später eigenständig zu vervollkommnen.
In diesen angedeuteten Entwicklungsschritten – von der angeborenen Festlegung der Stimme bis zum vielfältigen spielerischen Stimmgebrauch – offenbaren sich im Vogelgesang verschiedene Grade von Autonomie. Es ist anzunehmen, dass sich im Verlauf der Evolution das Freiwerden von festgelegten Stimmvorgaben und das individuelle Gesangslernen wechselseitig bedingten.
Der außerordentliche Variationsreichtum im Vogelgesang hat seinen Ursprung darin, dass den jungen Männchen der meisten Singvogelarten ihre Stimme – im Vergleich zu anderen Tiergruppen – nicht angeboren ist. Fast alle Singvögel müssen ihren Gesang lernen. Das ist eine Ausnahmeregel in der Natur. Das Erlernen der stimmlichen Kommunikation kennen wir, abgesehen von einigen Land- und Meeressäugetieren, fast nur beim Menschen.
Ein gewisses Grundmuster des Gesanges scheint einigen Singvögeln angeboren zu sein; die Gesangsstrophen müssen aber erlernt werden, das heißt, ein junges Männchen muss zur vollen Entwicklung seines Gesanges eigene Artgenossen hören. In der Regel ist das der Vater, weil der Jungvogel dessen Stimme ständig in der Nähe des Nestes hört. Lieder und Motive werden entlang der männlichen Linie tradiert. Bei dem vielfältigen Vogelkonzert im Wald dringen aber unterschiedliche Gesänge und Motive an das Ohr eines jungen Vogelmännchens. Wird ein Jungvogel da nicht verwirrt? Offensichtlich nicht, denn aufgrund eines inneren Klangbildes, durch eine geheimnisvolle Lerndisposition für den arteigenen Gesang, bevorzugt der Jungvogel den Gesang seiner Art (siehe das Porträt des Buchfinks, S. 50 f.).
So wie man früher dachte, dass nur gute Sänger ihre Gesänge erlernen und weniger begabten ihre Strophen angeboren sind, so möchte man auch denken, dass die Länge der Lernphasen mit der Gesangsbegabung der einzelnen Arten korrespondiert. Das trifft teilweise zu, wenn wir an die lange Lernphase bei der Amsel oder an die kurze beim Zebrafinken denken. Eine Regel ist es aber nicht, denn vorzüglichen Sängern wie den Grasmücken ist der Gesang zum Teil angeboren. Bei Hänflingen, die im Vergleich mit Drosseln und Grasmücken eher bescheidene Musikanten sind, ist die Lernphase nicht auf das erste Lebensjahr beschränkt; sie bleiben lebenslang lernfähig. Hänflingmännchen können ebenso wie Grünfink, Stieglitz und Erlenzeisig «ihren Gesang von Jahr zu Jahr durch Hinzulernen neuer Gesangselemente erweitern und verändern beziehungsweise ihr Repertoire jenem der Nachbarn angleichen» (Glutz 14/II).
Das Lernvermögen ist von Art zu Art verschieden, und die sensiblen Phasen für das Gesangslernen der Nestlinge und Jungvögel sind unterschiedlich lang. Zahlreiche Vogelarten haben nur eine kurze, meist frühe Prägungsphase, etwa unmittelbar nach dem Ausschlüpfen bis kurz nach dem Ausfliegen der Jungen. Bei Goldhähnchen beginnt die Lernphase ab dem achten Tag. Bei der Sumpfmeise ist die Zeit des Gesangslernens ab dem Ausfliegen gut drei Wochen lang. Bei anderen erstreckt sich die sensible Phase vom zehnten bis zum siebzigsten Tag. Bei Sumpfrohrsängern ist es die sechste Lebenswoche; die Lernperiode endet mit etwa elf Monaten. Zahlreiche Spottsänger wie auch Amseln und Singdrosseln sind vermutlich langjährig oder lebenslang lernfähig; das gilt auch für Kanarengirlitze.
Auch der Grünfink ist, im Gegensatz zum Buchfink, nach Erreichen des dreizehnten Lebensmonats noch lernfähig. «Bei vielen Singvögeln prägen sich Nestlinge den Gesang ihres Vaters schon kurze Zeit nach dem Schlüpfen ein, produzieren ihn aber erst viel später, vorbildgetreu, auch wenn sie ihn zwischendurch nicht mehr gehört haben. Ebenso lernen nestjunge Singvogelweibchen den Gesang des Vaters kennen und wählen danach ihren späteren Partner, ohne dass sie selbst je singen» (Wickler 1986). Wenn aber einem Buchfink zur prägsamen Zeit ein Vorsänger fehlt und der Jungvogel stattdessen zum Beispiel einen Baumpieper hört, so lernt er dessen Strophe.
Ebenso wie die Lernphasen der Singvogelmännchen verschieden lang sind, so ist auch die jeweilige Gesangsaktivität der Vögel von unterschiedlicher Dauer. Das sollten wir im Frühjahr bei unseren Vogelstimmenwanderungen beachten:
Einige Männchen singen fast ganzjährig, etwa Rotkehlchen und Zaunkönig; andere singen von Februar bis Juli, zum Beispiel Amsel, Buchfink und Grünfink. Fast alle Zugvögel beginnen meistens unmittelbar nach ihrer Ankunft im Brutgebiet zu singen. Einige von ihnen singen während der ganzen Brutperiode recht ausdauernd, etwa die Mönchsgrasmücke. Manche singen bis nach dem Ausfliegen der Jungvögel, und wenige, wie die Rohrsänger, hören schon bald nach Beginn der Brut auf. Und andere haben bis zur Eiablage des Weibchens eine ausgeprägte Gesangsaktivität, werden dann stiller, um kurz nach dem Schlüpfen der Jungen eine zweite Singphase anzuschließen (etwa die Singdrossel).
Zahlreiche unserer guten Sänger haben eine ausgeprägte melodische Komponente, beispielsweise Fitis, Rotkehlchen, Mönchs- und Gartengrasmücke, Baumpieper, Gartenrotschwanz, Trauerschnäpper oder Pirol; die Gesangsstrophen der Meisen haben dagegen rhythmischen Charakter.
Da «das Gefühlsleben der Vögel eine verhältnismäßig hohe Stufe der Entwicklung erreicht hat und da sie nur in Tönen ausdrücken, was sie bewegt, können die Triebfedern ihres Singens nicht zu einseitig veranschlagt werden» (Tiessen 1989).
*Zu den erstaunlichen Imitationsfähigkeiten der Singvögel siehe W. Streffer (2009), Klangsphären. Motive der Autonomie im Gesang der Vögel. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, S. 159-237.
Musikalische Differenzierung des Reviergesangs
Bei vielen Tierarten kämpfen die Männchen besonders zur Paarungszeit um die Rangordnung und damit meistens auch um die Weibchen; oder es wird um Jagd- beziehungsweise Nahrungsreviere gestritten. Die meisten Tiere beanspruchen einen ihrer Art entsprechend großen Raum, um sich und ihre Nachkommen zu ernähren. Insofern ist die verbreitete Meinung, auch Singvögel würden neben den Brutrevieren vor allem Nahrungsreviere verteidigen, verständlich. Wenn wir aber die musikalische Begabung der Singvögel in ihrem Einfluss auf das Revierverhalten berücksichtigen, lässt sich auch ein anderes Bild darstellen.
Ein Gebiet, das durch Gesang markiert wird, in dem der Vogel seine Nahrung erwirbt, sich fortpflanzt, sein Nest baut, seine Brut aufzieht und das er gegen Mitbewerber der eigenen Art verteidigt, nennen wir Revier. Im Frühjahr, wenn die Männchen der höhlenbrütenden Kohl- und Blaumeisen voll im Gesang sind, ist es nicht schwierig festzustellen, dass sie ein Revier besitzen und es durch Gesang verteidigen. Bei Höhlenbrütern ist es am einfachsten, ein bestimmtes Revier zu erkunden, denn das Nest ist in der Regel Zentrum des Reviers, und in der Nähe des Nestes, also hier der Höhle, wird oft und fleißig gesungen. Wenn wir auch auf die antwortenden Männchen achten, erhalten wir schon nach kurzer Zeit einen ersten Eindruck von der Ausdehnung des Reviers und der Nachbarreviere. Auch bei einem eifrig singenden Buchfinken ist es ohne weiteres möglich, unter Beachtung der antwortenden Reviernachbarn den von ihm eingenommenen Raum einigermaßen genau festzustellen.
Wenn heute von der Funktion des Reviergesanges gesprochen wird, so bezieht sich das hauptsächlich auf Reviermarkierung, Revierverteidigung, darauf, benachbarte Männchen auf Distanz zu halten, auf Anlocken der Weibchen, Zusammenhalt der Paare wie auch gesangliche Stimulation der Jungvögel. Je nach Art markieren die Singvogelmännchen in Mitteleuropa bereits ab Februar/März mit ihrem Gesang die Reviere, grenzen diese gegenüber Rivalen ab und signalisieren so, dass die besungenen Räume bereits besetzt sind. Um die besten Reviere wird häufig gekämpft. Erst nach Besetzung der Territorien beginnt bei vielen Singvögeln die Paarbildung. Die Bündnisse zahlreicher Singvögel sind recht locker und werden häufig nur für eine Brutperiode geschlossen; in der Regel geht Ortstreue vor Gattentreue.
Von einigen Singvögeln ist jedoch bekannt, dass sie lebenslang (Rabenvögel) oder doch über mehrere Jahre (z.B. Sperling, Gimpel und Kernbeißer) zusammenleben. Auch bei nichtziehenden Höhlenbrütern scheint die Partnerschaft von größerer Dauer zu sein. Die Paarbildung findet bei Kohl- und Blaumeisen etwa bereits nach Auflösung der Winterschwärme im Januar/Februar statt. Darüber hinaus gibt es Vogelarten, bei denen Männchen mehrere Weibchen haben können, zum Beispiel Trauer- und Halsbandschnäpper, Zaunkönig, Alpenbraunelle, Beutelmeise, Waldlaubsänger. Umgekehrt ist es auch möglich, dass sich Weibchen von Grauammer und Heckenbraunelle mit mehreren Männchen paaren.
Fast ausnahmslos sind es die Männchen, die den oft lauten und intensiven Vollgesang vortragen, nicht selten von sogenannten Singwarten, also von exponierten Stellen, aus.* Der Gesang dient auch der Partnerwerbung. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass bei vielen Zugvogelarten die Männchen ein bis zwei Wochen vor den Weibchen im Brutgebiet ankommen. Sie tun ihre individuelle Anwesenheit und ihren Revierbesitz durch laute Gesänge kund. Die später heimkehrenden Weibchen werden so über akustische Signale davon unterrichtet, wo sich potenzielle Brutpartner aufhalten. Bei manchen Arten (so beim Fitis) erreicht die Gesangsrate mit Ankunft der Weibchen ihren Höhepunkt. Für die Theorie, der Gesang diene auch dem Anlocken der Weibchen, spricht ebenfalls, dass unverpaarte Sänger häufig sehr viel länger und ausdauernder singen als verpaarte Männchen.
Im Gegensatz zu Artgenossen, die ihre Reviere voneinander abgrenzen, durchdringen oder überlappen sich die Reviere verschiedener Arten. Die Größe der Reviere ist von Art zu Art verschieden und vom Biotop ebenso abhängig wie von der Bestandsdichte. Die unterschiedliche Reviergröße hängt selbstverständlich auch mit dem Nahrungsangebot zusammen. Wird aber mit dem Reviergesang vor allem ein Nahrungsrevier verteidigt? Ist die Vorstellung, dass der Revierbesitzer den Eindringling vor allem aus Futterneid vertreiben will, haltbar? Unabhängig davon, dass Brut- und Nahrungsrevier nicht deckungsgleich sein müssen, kann der aufmerksame Beobachter im Laufe der Zeit feststellen, dass Konflikte an den Reviergrenzen primär während des Singens und weniger bei der Nahrungssuche entstehen. Und ebenso ist wahrzunehmen, dass selbst territoriale Arten sich häufig in fremden Revieren aufhalten und dass sie dort nach Nahrung suchen. Bei Höhlenbrütern wie Kohl- und Blaumeise ist das verhältnismäßig leicht zu beobachten.
Zaunkönige, Buchfinken, Rotkehlchen, Goldammern und Singdrosseln kann man häufig auf dem Flug in Nachbarreviere beobachten. Einige Rohrsänger- und Grasmückenarten unternehmen ebenfalls Erkundungsflüge über die Reviergrenzen hinaus. Und Buchfinken nutzen beispielsweise zum Nahrungserwerb «nicht nur von Artgenossen nicht beanspruchtes Zwischengelände, sondern regelmäßig auch Nachbarterritorien, wo sie vom Reviereigner toleriert werden, solange sie stumm bleiben» (Hanski/Haila 1988). In den 1990er-Jahren konnte nachgewiesen werden, dass Buchfinken, die zur Brutzeit «ausgesprochen territoriale Vögel» sind, nicht selten ihr Revier verlassen, um sich in fremden Revieren «vorwiegend mit Nahrungssuche» zu beschäftigen (30 bis 54 Prozent des Tages); Strophen wurden jenseits der Reviergrenzen nur in seltenen Fällen gesungen (Maciejok 1995).
Es ist unschwer festzustellen, dass nicht nur Buchfinken, sondern auch andere territoriale Singvögel, mehrfach am Tag ihren Brutplatz verlassen, um in Revieren benachbarter Artgenossen nach Nahrung zu suchen. Und offensichtlich dürfen sie es auch, solange sie sich ruhig verhalten. Denn bei gesangsbegabten Singvögeln gilt die Regel: Singen in fremden Revieren ist nicht erlaubt! So sind es nicht zufällig die guten und markanten Sänger (zum Beispiel Amsel und Nachtigall), die als Solisten ihre Reviere verteidigen, während schlichte Sänger (zum Beispiel die Mehlschwalbe und der Feldsperling) verträglich sind und gesellig leben.
Die Barrieren an den Reviergrenzen haben weniger als bisher angenommen mit Futterneid zu tun; sie sind vielmehr musikalischer Natur – das heißt, selbst territoriale Singvögel verteidigen nicht so sehr ein Nahrungsrevier als vielmehr ein Klangrevier (siehe die Ausführungen zum Rotkehlchen, S. 70 ff.). In fremden Revieren zu singen führt deshalb viel häufiger zu Streitigkeiten, als in fremden Revieren nach Nahrung zu suchen.
Eine musikalische Differenzierung des Reviergesanges zeigt, dass herkömmliche Interpretationen nur für den unteren Bereich, den «erregten Kampfgesang», eine gewisse Berechtigung haben. Hier singen die Männchen gegeneinander, während sie im «entspannten Motivgesang» alternierend miteinander singen, und zwar vielfältiger, feinstrukturierter und klangreicher. Die meist disharmonischen Veränderungen offenbaren im Übergang vom entspannten zum erregten Gesang den Stimmungswandel des Vogels; zum Teil ist sogar ein Absinken in alte, angeborene Gesangsstrukturen hörbar.
Es ist kein Geheimnis, dass der Vogelgesang gerade dann am schönsten ist, wenn er seine biologische Funktion nicht erfüllt. Darauf haben bereits zwei große Forscher aufmerksam gemacht (Lorenz 1935 / Hassenstein 1969).
Von der normalen Gesangsebene, dem entspannten Motivgesang, gibt es gewissermaßen zwei Abweichungen. Zum einen, wenn ein männlicher Artgenosse in einem fremden Revier singt. Der Gesang wird dann entweder kürzer, lauter und härter oder – wie bei der Nachtigall – bedrohlich leise; in jedem Fall erfährt der entspannte Motivgesang hin zum erregten Kampfgesang eine deutliche musikalische Reduzierung. Zum anderen, wenn eine Nachtigall oder Amsel in spielerisch-kompositorischer Weise wie über sich hinauswächst. Alles, was den funktionalen aggressiven Gesang der unteren Ebene wie auch den entspannten Motivgesang überschreitet, ist eine Entwicklung über biologische Notwendigkeiten hinaus und zeigt bis zur oberen Ebene, die ich «sphärischen Gesang» nennen möchte, eine stufenweise Zunahme an Autonomie.
Der Wechselgesang benachbarter Männchen, spiegelt auch im Rhythmischen die Stufen dieser drei Reviergesangstypen.* Auf der unteren Ebene ist zu hören, dass sich die Sänger in die Strophen fallen, auf der mittleren Ebene, in einem entspannten Feld, singen sie in einem harmonischen rhythmischen Wechsel, während sie auf der oberen Ebene, im angleichenden Wechselgesang, versuchen, sich in ihren Gesangsstrophen und Motiven einander musikalisch anzunähern, bis die Klangmuster übereinstimmen.
Beim angleichenden Wechselgesang, der in der Regel entspannt erklingt, aber durchaus musikalisch engagiert vorgetragen werden kann, versuchen zwei männliche Artgenossen, die Gesangsstrophen des jeweils anderen mit möglichst ähnlichen Strophen zu beantworten, bis die Motive sich gleichen. Sobald wir das wahrnehmen, gewinnen wir unmittelbar den Eindruck, dass hier nicht gegeneinander, sondern in einer besonderen Weise miteinander gesungen wird. Wechselseitiges Angleichen der Gesänge ist in vielen Singvogelarten verbreitet und kann sogar schon bei Jungvögeln vorkommen (Wickler 1986).
Ein verwandtes Phänomen auf der Ebene der Gesangsangleichung ist von Grünfinken und Bluthänflingen bekannt: Junge Männchen, die ihre Gruppe verlassen haben, passen als Zuwanderer ihre spezielle Gesangsform dem jeweiligen Dialekt der lokalen Population an.
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