Kitabı oku: «Kalte Duschen, Warmer Regen», sayfa 2

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Karneval nur noch für Deutsche!

Verglichen mit New York ist Köln eine eher kleine Stadt, die aber seit Silvester 2015/16 – endlich, endlich! – auch ihr Nine Eleven hat. Das ist zwar, typisch Karneval, vollständig übertrieben, aber die Angelegenheit war zweifellos widerlich: Hunderte Frauen wurden von Männern belästigt, begrapscht, bedroht, bestohlen und beraubt. Das ist charakterlich erbärmlich und, was gut ist, strafrechtlich relevant. Für sowas gibt es juristisch einen auf die Mütze.

Nach wenigen Tagen aber richtete sich das öffentliche Augenmerk auf die – in diesem Fall nordafrikanische – Herkunft vieler Delinquenten. Die Flüchtlings- und Asyl- vulgo Abschiebe-Debatte, die so gleichermaßen geheuchelt, verlogen wie aggressiv ist, dass man tatsächlich von »Debattenkultur« sprechen kann, wurde hochgekocht. Ist es für Frauen angenehmer, von betrunkenen deutschen Männern überfallen zu werden als von aus kulturellen Gründen seltener alkoholisch befeuerten marokkanischen? Weil die Frauen das Gelalle der deutschen Kerle wenigs­tens halbwegs verstehen? Eine gemeinsame Sprache schafft Verbundenheit, aber gilt das auch bei Behelligern, Zudringlingen, Räubern und Notzuchtgierhälsen?

Oder schüren die Sprachbarrieren – afrikanische Sprachen gelten ja als »guttural« – zusätzliche Ängste? Mit betrunkenen Deppen wird man für gewöhnlich leichter fertig als mit nüchternen, aber ins Auge gehen kann beides. Doch darum ging es gar nicht, sondern um die Verschärfung eines simulierten Kulturkampfes, in dem ständig europäische, deutsche und überhaupt hochzivilisatorische Werte gegen Überfremdung und Minderkultur verteidigt werden müssen.

Zu diesen Werten zählt auch der deutsche Karneval; ein mir bekannter Physiotherapeut, der in einer Karnevalshochburg lebt, schließt seit zehn Jahren in der Zeit zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch seine Praxis und auch die Haustür zu – jahrelang hatten ihm die lustigen Narren und Jecken jederlei Geschlechts ab dem frühen Morgen in den Hausflur gestrullt, gekoddert und sich auch fäkal »gelöst«. Der Mann hatte die Nase, die Augen und überhaupt den Kanal voll und geht in diesen »toll« genannten Tagen in Urlaub; »toll« ist hier in seiner ursprünglichen Bedeutung – wahnsinnig, tollwütig – zu verstehen.

Wer traditionell turnusmäßig und willentlich herbeigeführte Tollwut als zivilisatorische Errungenschaft, als »Wert« oder als Ausdruck von Freizügigkeit missversteht und zum Vorwand nimmt, das organisierte Erbrechen zu rechtfertigen oder sogar zu verherrlichen, darf sich nicht wundern, wenn er als verächtlich empfunden wird. Es gibt wenig Humorloseres und Abstoßenderes als den Karneval, bei dem darüber hinaus die lokalen und regionalen Hauptkriminellen aus Wirtschaft und Politik immer in den Ehrenlogen sitzen.

Karnevalisten gehören sozial geächtet; das ist, weil sie massenhaft auftreten, nicht ganz leicht, und sie würden es, weil sie ja unter sich sind, auch gar nicht bemerken. Dass sie sich und ihr würdefernes Treiben lieber durch Rocker-Patrouillen und rechte Schlägertrupps verteidigen lassen, als einsichtig nicht einhellig mit ihren Kameraden, sondern im Gegenteil mit ihren für andere äußerst qualvollen Gewohnheiten zu brechen, sagt viel über den Grad ihres Herabgesunkenseins aus. Und für eine deutsche Frau, die zwar von Männern nicht bis zum Äußersten belästigt werden möchte, aber falls doch, dann ausschließlich von deutschen, verfügt auch der gentilste Mann über keinerlei Hilfsmittel mehr. Da müssen sie dann durch, wie es so heißt, und eine schall-, geruchs- und blickdichte Glocke obendrauf wäre sehr hilfreich.

Wunsch und Wahn

Mancher möchte unbedingt etwas tun, zu dem er nicht im mindesten befähigt ist. Je geringer die Chance, dass er es noch erlernt, desto verbissener sein Ehrgeiz. So kam in die Welt, was der Deutsche Straßenverkehr nennt.

Das ist nicht schön anzusehen; in ihren PKW, Lieferwagen und auf ihren Fahrrädern, vulgo edel-vulgär, »Bikes« entwi­ckeln die Landsleute eine Melange aus Unfähigkeit, Rechthaberei, Vorteilsnahme und mangelndem Unrechtsbewusstsein, aus der sich eine Aggression entwickelt, die der Deutsche seltsamerweise nicht gegen sich selbst, sondern gegen andere richtet.

Es existieren aber weit gefährlichere Wunsch/Wirklich­keit-Nichtzusammenbekommer; nicht wenige Deutsche möchten das Vierte Reich errichten, können aber nur mit größter Mühe und unter Aufbietung all ihrer Kräfte bis drei zählen. Was tun, AfD und Pegida?

Zum Glück für die geistig-horizontal katastrophale Knabbermischung aus Talkshow-Nazis und Straßenschlägern gibt es Mediengestalten, sie so gerne kritische Journalisten wären, vorausgesetzt, es wäre frei Haus und ohne Reiberei und Ärger zu haben. Man kann hier vom Plasberg-Syndrom sprechen, wobei der Name dieses Eitelfeixers nur einer von vielen ist, die auf die originelle immergleiche Idee verfallen, sich eine braune Tonne ins Studio einzuladen, ein wenig naserümpfend an ihr herumzuschnobern, um dann am Ende doch einen perfekten Kratzfuß hinzulegen, selbstverständlich im Namen von Demokratie, Wählerwillen, Pluralismus, Parität und allem.

Die Blamagen, in die sie sich und jede nennenswerte Berufsauffassung tunken, sind selbstverständlich nicht ihrer anerzogenen oder beruflich erworbenen Feigheit ge­schuldet, sondern dem Gebot der Abbildung von Vielfalt sowie den Verhältnissen, die man nicht verändern, sondern nur moderieren will. Dieses höchst einfältige Medienpersonal hat seine unegalen Pranken ausschließlich zu dem Zweck, fortwährend zu erklären, sie seien ihnen ge­bunden. So – und ausschließlich so – ist die AfD/Pegi­da-Kampfvokabel von der »Lügenpresse« zutreffend: Es handelt sich um Brown-Nosing-Journalismus.

Von Genese bis Langnese

Ist die Welt nicht furchtbar langweilig, weil sie einem die immergleiche hässliche, mörderische, gemeine und abstoßende Visage zeigt? Man kann das so sehen, und nicht wenige hoffnungsvolle junge Männer fielen oder fallen der Schwermut anheim, manche auch der Schwerwut, der Verzweiflung, der Trunksucht – letzteres nicht deshalb, weil es sich bei ihnen um sogenannte »Feierbiester« handelte, sondern, im Gegenteil, um sehr ernsthafte Existenzen.

Aber ist diese Sicht auf die Welt hilfreich und klug? Es will mir nicht so scheinen. Der Teil der Menschheit, für den ein Tag nur dann ein guter Tag war, wenn jemand anderes getäuscht, ausgeplündert und dreist betrogen wurde, ist zweifelsohne existent, und der Eindruck, er vergrößere sich und verbreite sich aggressiv metastasenhaft, kann leicht entstehen. Wenn jemandem beim Anblick von Flüchtlingen nichts anderes einfällt, als reflexhaft »Weg hier! Raus mit euch! Verschwindet! Packt euch!« zu krakeelen und gegebenenfalls ein Pogrom anzuzetteln oder individuell kräftig Hand anzulegen, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, bekommt das Wort Notschlachtung einen verführerischen Klang.

Doch soll man sich seinem Feind – das Wort »Gegner« ist hier fehl am Platz – nicht gemein machen, schon gar nicht in der Wahl seiner Grunzsprache und sonstiger Mittel. Wer Flüchtlinge in lebensgefährdende Situationen, denen sie gerade mühevoll entronnen sind, zurückjagen will, macht sich der versuchten oder vollzogenen Beihilfe zum Mord schuldig und gehört dafür verurteilt und eingesperrt. Verbale Mordbrennerei ist durch das kostbare Gut der Meinungsfreiheit nicht gedeckt.

Dazu kommt, dass die Grölmobber und ihre Anzug tragenden Vorturner gar nicht wissen, was eine Meinung ist; sie lügen bereits, wenn sie das Wort »Ich« nur aussprechen, aber auch das wissen sie selbstverständlich nicht, sonst wären sie ja andere, aber sie haben ja weder von Adorno noch von Rimbaud je gehört. Nennenswerter Gedankengang ist bei ihnen nicht einmal unter dem Mikroskop feststellbar, und wenn die Mischung aus Niedertracht, Dummheit, Gemeinheit und Feigheit einen mangels Masse erfolgenden Hirntod nach sich zöge, hätten die Friedhofsgärtner im Land hunderttausendfach die Hände voll zu tun.

So simpel aber ist es nicht; auch Hundekothaufen sind Teil des Universums. Das ist mitunter maßlos deprimierend; langweilig ist es nicht. Langeweile entsteht durch mediale Vermatschung und Breittretung, gepaart mit Zer­streuung. Wenn die zurecht verneutrummt »Bevölkerung« genannten Massen, die diese Welt tatsächlich weit über Gebühr mit sich bevölkern, vor der Idiotenlaterne sitzen, sich Cas­tingshows aller Art gefallen lassen, sich auch die Werbeblöcke nicht entgehen lassen, mit dieser Information im Rücken eine Meinung zu Flüchtlingen haben und den ganzen Salat dann noch digital kommentieren, ist die Genese zur geistigen Langnese vollzogen.

Bevor ich mich einer Depression ergebe, will ich doch lieber fröhlich in Ärsche treten. Erstaunlich, wie viele Gesäße dem gleichen, das ganz unzutreffend »menschliches Antlitz« genannt wird.

Kinder-Schokolade ... macht den Pimmel grade!
Wie unfruchtbar kotige Braune gegen süßes Braunes stänkern

Ja ja, man weiß es: »Kinder-Schokolade« ist ganz schlimm, Zahnärzte geben sie ihren Kindern, damit sie nach Feierabend noch was zu bohren haben. Und Ferrero vulgo Nestlé ist ein übler, global verheerend wirkungsmächtiger Lebensmittelschurke, dem man das Handwerk legen muss. Und Fußball ist nichts als Kommerz. Ja, das stimmt alles, aber Kindern jeden Alters ist es manchmal trotzdem egal. Die wollen dann ihren »Kinder-Riegel«, auch wenn sie klug genug sind zu wissen, was sie sich da in den Kopf stecken. Zwar achten sie auf gute und gesunde Ernährung, aber Ausnahmen müssen unbedingt sein, Prinzipienreiterei hält doch keine Sau aus. Und mit Leuten, die protestantisch »konsequent!« sind, ist nicht gut Kirschen essen, weder solche aus dem eigenen Garten, vom Markt, vom Biohof und schon gar nicht »Mon Chéri« genannte, womit wir wieder bei Ferrero sind.

Die Süßkrämer von Ferrero verkauften zur Fußball-EM 2016 eine »Sonderedition« ihrer Schoko-Riegel, auf deren Verpackungen Kinderfotos deutscher Nationalspieler zu sehen waren, zum Beispiel von Mario Götze, der so aussah, als hätte er sein Lebkuchentag nie etwas anderes ge­futtert, von André Schürrle, dessen langweiliges Aggressions-Ego nicht einmal mit einer Tonne Lollolade befriedigt werden könnte, von Ilkay Gündogan und von Jérôme Boateng. Man kann Werbeständerei egal wofür doof oder stil- und haltungslos finden, man kann auch, wenn man sonst gerade nichts zu tun hat, über »Kinder-Schokolade« und ihren Verzehr durch die erweiterte Zielgruppe die Hände ringen, aber zwei Dinge tut man nicht ungestraft: einem gut gewachsenen, süßen Herforder Bienenkind seinen Schoko-Riegel verweigern und eine italienische Zuckersüßigkeit deutschnational denunzieren.

»Pegida BW – Bodensee« zeigt via Facebook = Fressenkladde ein Foto von zwei Schokolade-Schachteln, auf denen Gündogan und Boateng zu sehen sind. »Vor Nichts wird Halt gemacht«, ächzt es aus der braunen Dummlumpenhölle, und die Pedigaisten versuchen es auch erbärmlich schlapp mit dem, was sie für »Humor« halten und fragen scheinheilig: »Gibt’s die echt so zu kaufen? Oder ist das ein Scherz?«

Für Ferrero ist die kotbraune Attacke ein gefundenes Fressen, um das Verticken der schokobraunen Schore in Kindergärten und auf Schulhöfen in ein antirassistisch aufschimmerndes Licht zu tauchen: »Wir von Ferrero möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich von jeglicher Form von Fremdenfeindlichkeit oder Diskriminierung dis­tanzieren. Wir akzeptieren und tolerieren diese auch nicht in unseren Facebook-Communities. Viele Grüße, dein Kinder-Schokolade-Team«, erklärte die PR-Anduz-Abteilung von Ferrero.

Es ist eben alles Kommerz, sogar der prognostizierbare Zahnschmerz. Aber manchmal muss es eben genau das sein. Auf den gekrähten Kinderreim »Kinder-Schokolade / macht den Pimmel grade« möchte ich nicht verzichten müssen, und wenn es schon etwas mit »a« sein muss, dann lieber Viagra als Pegida.

Weichensteller

»Nur über meine Weiche!«, erklärt der Sozialdemokrat mutig und entschieden, und dann stellt er brav und wie ihm geheißen, die Weiche, damit der Zug auch ja pünktlich abfährt, egal in welche Richtung und wen er wohin abtransportiert oder deportiert, aber der Gang der Dinge ist nun einmal der Gang der Dinge und hat oberste Priorität.

Lieblingsklarversprecher

Großes Vergnügen bereitet es mir, jemanden im Brust­ton der Empörung wettern zu hören, die Deutschen folgten der Regel »Wes’ Lied ich ess’, des’ Brot ich sing’«. Die Folge ist häufig allzu billiges Grinsen und Gelächter der Zuhörerschaft: »Wes’ Lied ich ess’, hahahahaha...!«

Dabei stimmt doch alles an diesem Satz; das akustische Knäckebrot, das aus dem Radio herausbröselt, ist für das menschliche Ohr und die innen angrenzenden Organe hoch gefährlich, der Tod durch Langeweile oder sprachästhetischen Ekel ist stets in greifbarer Nähe. Was als sogenanntes »Brot« vermarktet wird, ist für den Verzehr ungeeignet; wenn man es schon nicht essen kann, bleibt nur der Versuch, es zu singen: »Wes’ Lied ich ess’, des’ Brot ich sing’.«

Deutschland schmeckt nicht (oder allenfalls nutellabraun), es klingt nicht, es swingt nicht, es groovt nicht – es marschiert. Und zwar immer dem hinterher, der schlechte Musik und nicht minder schäbiges Brot verspricht und dieses fade Versprechen auch einlösen wird, sofern man ihn nicht daran hindert.

Nie mehr Frieden mit Xavier Naidoo

Als der Norddeutsche Rundfunk (NDR) als Veranstalter des European Song Contest (ESC) Xavier Naidoo erst einlud, beim ESC zu singen, um ihn dann wieder auszuladen, wirkte das etwas peinlich; Naidoo hätte perfekt zu einer Veranstaltung gepasst, die mit Musik nicht das Geringste zu tun hat. Herbert Grönemeyer kommentiert den Heckmeck kritisch; etliche Kollegen Naidoos aber fühlten sich gleich zu dem Versuch bemüßigt, das schöne Wort »Solidarität« zu entwerten und unterzeichneten eine Hey-du-bist-unser-Buddy-Note an Naidoo, die auf einer ganzen Seite der FAZ als bezahlte Anzeige erschien.

Zu den Unterzeichnern gehörten neben anderen die Heulboje Tim Bendzko; Roger Cicero, der Sinatra für alle, die nie Sinatra gehört haben; der »Becks«-Werbe­ständer Thomas D; die deutsche Dogge Heinz Rudolf Kunze; die rühmannsche Schmunzelmuffe Jan Josef Liefers, der Dauerangeber und Bild-Palladin Til Schweiger; die Schlagerschreckschraube Christina Stürmer; PUR, deren Sänger Hartmut Engler einmal wie immer viel versprechend und nichts haltend via Bunte verkündet hatte, »an Selbstmord gedacht« zu haben, und – huch! – die Betschwester Antje Vollmer.

Dass Dumme und / oder Gemeine sich mit Xavier Naidoo gemein machen, wundert nicht; nur muss man eben kein Recht auf Meinungs- und Auftrittsfreiheit für ihn erstreiten; beide stehen ihm wie jedem zu, und er kann seinen Quark auch bei den kaiserreichstreuen Irrsinnigen von den »Reichsbürgern« breittreten. »Xavier Naidoo ist ein Künstler, der polarisiert«, teilte der NDR mit; der Satz enthält mindestens zwei schwere Irrtümer. Xavier Naidoo ist kein Künstler, sondern ein Medienmaschinist; es gibt nicht ein Lied oder eine Zeile von ihm, die wert wären, aufbewahrt zu werden, es sei denn aus Gründen der Abschreckung. Wenn Sülze wimmern könnte, hieße sie Xavier Naidoo; verglichen mit der Vorsteherdrüse der »Söhne Mannheims« ist Kindersenf Granit.

Außerdem »polarisiert« Naidoo nicht, er arisiert. »Mus­lime tragen den neuen Judenstern«, behauptet Naidoo in seinem jüngsten Lied »Nie mehr Krieg«, das in dem Diplomaten in eigener Sache Jürgen Todenhöfer einen willigen Multiplikator fand. Mit sehr viel gutem Willen könnte man Naidoo unterstellen, ihm sei die infame Gleichsetzung von schief angekuckt und vernichtet werden aus Gründen gedanklicher Insuffizienz durchgerutscht und er habe sich nur gegen pauschale Diskriminierung von Muslimen äußern wollen. Es geht aber um eine Selbststilisierung einer Religionstruppe, die angeblich von Völkermord bedroht wird und sich gegen diese Gefahr schützen und zur Wehr setzen muss.

Wer »Nie mehr Krieg« jault und Muslimen gleichzeitig verbal das Tragenmüssen des Judensterns andichtet, will keinen Frieden, und wenn er es noch so beteuert. Die Schmierseife, die Naidoo als »Musik« oder »Gesang« absondert, ist nicht leicht zu ignorieren, aber mit Geistesgegenwart und etwas Energieaufwand kriegt man das gerade noch hin. Wenn aber ein aggressiv Gottgläubischer seinen Antisemitismus als Pazifismus verkauft, ist es – gerade für Pazifisten – Zeit, klar zu sagen, mit wem man um keinen Preis auf einunddemselben Planeten wandeln will.

Je ne suis pas Bild

Es war Freitag, der 13. November 2015. Nach dem Abendessen las ich noch einmal Vincent Klinks prachtvoll aufgemachtes und vor allem umwerfend facetten- und kenntnisreich geschriebenes Buch über Paris – »Ein Bauch spaziert durch Paris« –, um mit einer langen Rezension zum Ende zu kommen.

Der Meisterkoch, Musiker und Autor Vincent Klink richtet sein Augenmerk nicht allein auf kulinarische Freu­den; Literatur, bildende Künste, Musik, Schauspiel und sogar die Schneiderkunst geraten in den Fokus eines gleichermaßen geerdeten, stabilen wie neugierigen, wissensdurstigen Betrachters. Wenn Klink Heinrich Heines gültiges Diktum »Ein Kluger bemerkt alles. Ein Dummer macht über alles eine Bemerkung« zitiert, dann gilt der erste Satz für ihn, auch wenn er ihn niemals für sich reklamierte; der zweite ist meiner Kenntnis nach die treffendste Definition des deutschen Studienrats und Philis­ters.

»Dichter könnten Nationen retten, aber nur dann, wenn sie auch gelesen und verstanden werden«, schreibt Klink und ergänzt: »Manch einer wird sich an den Kopf greifen, wenn ich Michel Houellebecq für ein großes Kaliber halte. Viele urteilen über ihn, meist abfällig, aber fast keiner hat ihn gelesen. Ich glaube aber, er wird die Zeitläufte überdauern, schon deshalb, weil er so viele Feinde hat. Der Begriff des unverstandenen Genies ist zwar schon schwer angenagt, aber es gibt diese Genialität, die im Verborgenen gedeiht. Leute, die die übernächste Generation vielleicht gebührend feiern wird.«

Und dann geschieht das Entsetzliche: Paris wird von Attentätern in Blut getaucht, 129 Menschen sterben, hunderte werden teils schwer verletzt. Der Ausnahmezustand wird verhängt, die französischen Grenzen werden geschlossen, und die Selbstmordattentäter sind zu tot, um noch aussagen zu können, wer sie schickte. Wie vor den Kopf geprügelt sitzt man da, bestürzt, todtraurig, fassungslos, und um wenigstens etwas Fassungsähnliches wiederzugewinnen, hört, sieht und liest man alles, das auch nur einen Hauch von Information enthalten könnte. Selbst in der trüben Quelle bild.de fischt man und nimmt wahr, dass ein Julian Reichel »unsere Gesellschaft« als »weltoffen und freiheitsliebend« bezeichnet und »unser freies Leben« beschwört; aus der Tastatur des gedungenen Mietlings eines Medienkonzerns, der seinerseits über Leichen geht, für den Menschen nichts als Ware oder Konsumenten dieser Ware sind und dessen Freiheitsbegriff sich in der Freiheit zur Erpressung, zur Bloßstellung und zum Anstacheln niedrigster Instinkte erschöpft, liest sich das wie Perfidie und Perversion.

Bild betreibt auch Ursachenforschung; unter der Überschrift »Ist Houellebecqs Bestseller eine Vorlage für den Terror?« schreibt das Blutblatt: »Eine Terrorwelle erfasst Paris: Gewalt, bürgerkriegsähnliche Zustände, auf der Straße liegen Tote. Die Täter: Islamisten – bereit, für ihre wahnsinnigen Ideen zu morden und zu sterben.

Solche Szenen sind es, die der französische Skandal-Autor Michel Houellebecq (59) in seinem Buch ›Soumission‹ (deutsch: Unterwerfung) beschreibt. Nun wurde aus der Fiktion blutige Realität! Ist Houellebecqs umstrittenes Werk also die Vorlage für die erschütternden Ereignisse am Freitagabend in Paris? (...)

›Unterwerfung‹ spielt im Jahr 2022: Die französische Gesellschaft ist in einem Kulturkampf versunken. Um den Sieg der rechtsextremen Front National zu verhindern, wird der vermeintlich gemäßigte Mohammed Ben Abbes zum ersten muslimischen Staatspräsidenten gewählt, unterstützt durch die Stimmen der Sozialisten und Konservativen. Doch kaum ist Abbes an der Macht, müssen Frauen Kopftücher tragen und dürfen nicht mehr arbeiten, die Christen sollen zum Islam konvertieren, die Polygamie wird eingeführt, nicht-islamische Professoren verlieren ihren Job. (...)

Houellebecq lebt davon, zu provozieren. (…) Wer sich intensiv mit dem Buch beschäftigt stellt fest: Mit dem Titel ›Unterwerfung‹ ist nicht der depressive Ich-Erzähler gemeint. Er wird am Ende zum Islam konvertieren, um weiterhin als Professor arbeiten zu können. Gemeint ist die ›Unterwerfung‹ einer gesamten Nation. Houellebecq rechnet mit einer Gesellschaft ab, die ihre eigenen Werte nicht mehr kennt und ihre Freiheit und Demokratie nicht verteidigt.

›Entscheidend für den Roman ist, dass die politischen Ereignisse, die er beschreibt, psychologisch ebenso überzeugend wie glaubhaft sind‹, schrieb der Gewinner des diesjährigen Welt-Literaturpreises Karl Ove Knausgård in seiner Rezension über das Buch in der New York Times. Das Thema sei nicht der Islam, sondern eine ›Kultur, in der die gemeinschaftlichen Bindungen sich auflösen, und die im Wunsch nach Stabilität, der vor allem anderen rangiert, ihre wichtigsten Werte aufgibt und sich einem religiösen Regime unterwirft‹.

Auch Knausgård bescheinigt Houellebecq, was der immer gesagt hat: ›Im Roman ist alles auf die Spitze gebracht.‹ Also tatsächlich Satire. Das Problem dabei ist nur, dass Satire nur von denen verstanden wird, die Zeit, Lust und den kulturellen Hintergrund haben, sich mit einem Thema zu beschäftigen. Alle anderen genügt die erste, die offensichtliche Ebene: Der Islam bedroht unsere Gesellschaft, und jeder, der sich dagegen stellt wird zum Schweigen gebracht. Und eine solche Haltung kann mörderische Reaktionen nach sich ziehen.«

Soweit Bild. Formulierungen wie »Skandal-Autor« oder »lebt davon, zu provozieren« sind schon verleumderisch genug; wenn man es für problematisch erklärt, dass zur vernünftigen Rezeption eines Textes ein Minimum an Beschäftigung mit ihm – »Zeit, Lust, kultureller Hintergrund« – notwendig ist, damit es keine »mörderischen Reaktionen« gibt, so gilt das nicht nur für die Leser von Bild, sondern vor allem für ihre Redakteure und Autoren.

Es ist grotesk: Ein viertelalphabetisches Hetzblatt befindet darüber, was ein Schriftsteller schreiben darf und was nicht. Michel Houellebecq hat mit knapper Not einen Bild-Persilschein ausgestellt bekommen; puuh, da hat der Autor aber Glück gehabt.

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