Kitabı oku: «Validation als Lebensphilosophie», sayfa 2

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Wenn Verluste größer werden, nimmt das Selbstwertgefühl ab.

Pensionsvorbereitung, E. Feurstein


1.4 Selbstbestimmung im Alter

Brauchen alte Menschen ein Selbstbestimmungsrecht?

Ob ein Mensch die Selbstbestimmung benötigt oder nicht, resultiert aus seiner Lebensgeschichte. Es stellt sich die Frage: Wie hat dieser Mensch seine Selbstbestimmung bis jetzt gelebt und hat oder will er diese Art beibehalten oder will er sich im hohen Alter noch verändern?

Geschichte

Eine Mutter hat einen Sohn. Sie liebt ihn über alles und versucht ihn vor all dem Bösen auf der Welt zu schützen. So geht sie in den Kindergarten, um mit dem kleinen Jungen, der gestern ihrem Sohn den Bagger aus der Hand gerissen hat, zu schimpfen. Sie beschimpft auch die Kindergartenpädagogin und erklärt dieser, dass sie besser auf die Kinder aufpassen solle. Ähnliches macht sie später in der Schule mit den Lehrern, mit den Lehrherren ihres Sohnes und an dessen späterer Arbeitsstelle. Als der Junge eine Freundin findet, muss er sich entweder für die Mutter oder für die Freundin entscheiden, denn beide wollen ihn beschützen, aber keine will, dass die andere mitredet. Der Sohn entscheidet sich für die Freundin. Wie geht es wohl der Mutter jetzt?

Der Sohn heiratet die Freundin. Die Ehefrau macht sich zur Aufgabe, ihren Mann vor allem Bösen dieser Welt zu beschützen. Als der Mann an seinem Arbeitsplatz um eine Gehaltserhöhung fragt, die abgelehnt wird, sucht sie dessen Chef auf und erklärt ausführlich, warum ihr Mann die Gehaltserhöhung verdient …

Reflexion zur Geschichte

Was glaubst du: Wünscht dieser Mann im Alter Selbstbestimmung, wenn Mutter und Ehefrau gestorben sind?

Antwort

Trotz der eindeutigen Geschichte kann man diese Frage nicht eindeutig beantworten. Vielleicht will er jetzt Verantwortung für sich übernehmen und sein Selbstbestimmungsrecht nachholen oder er verhält sich nach seinem alten Muster und ist mit der Möglichkeit zur Selbstbestimmung überfordert.

Ein anderer Mann, der schon früh von seiner Mutter zur Selbstständigkeit erzogen wurde und auch in seiner Familie selbstverständlich alle Entscheidungen getroffen hat, erkrankt an Demenz. Was glaubst du? Will er, dass ihm eine Pflegerin ständig nachläuft und ihm sagt, was gut für ihn sei, was er zu tun habe?

Auch hier kommt es ganz darauf an, wofür er sich in seiner neuen Situation entscheidet. Vielleicht bringt er in der Demenz den Wunsch nach passivem Versorgtwerden hervor oder er möchte sich, wie gewohnt, von keinem eine Entscheidung abnehmen lassen und reagiert mit Abwehr, wenn Pflegende ihn unterstützen wollen.

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Alzheimer-Demenz

Wo liegt der Unterschied?

Demenz lässt sich übersetzen mit der Geist geht weg oder ohne Geist, und bedeutet, dass der Mensch nicht mehr abstrakt denken kann.

Jeder von uns kennt die Redewendung „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ und weiß, was damit gemeint ist. Ein Mensch mit Demenz versteht zwar, was er hört, kann aber den Sinn dieser Aussage nicht erkennen, er kann nicht mehr abstrakt denken. Das Gehörte bedeutet für ihn: Der Apfel ist vom Baum gefallen und liegt nun neben dem Stamm.

Im weiteren Verlauf von Demenz kann er sogar sein Selbstbild verlieren. Er weiß dann nicht mehr, wer er ist, und erkennt sein eigenes Spiegelbild nicht mehr.

Alzheimer und Demenz beziehen sich aufeinander wie ein Apfel zum Obst (ein Apfel ist Obst, aber nicht alles Obst ist ein Apfel). Demenz ist der Überbegriff für verschiedene Arten von Demenz wie Alzheimer, vaskuläre Demenz, Multiinfarktdemenz, Lewy-Body-Demenz und viele mehr.


Gliederung der Demenz, selbst erstellt

2.1 Definition aus medizinischer Sicht

Unter Demenz versteht man eine erworbene Hirnleistungsschwäche. Es kommt zu fortschreitenden Ausfällen von

 Gedächtnis und Merkfähigkeit,

 Orientierung und

 Kritik- und Urteilsfähigkeit.

Dabei verändert sich auch die Persönlichkeit und das führt zu Störungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen, so dass eine Demenz immer auch als Erkrankung der Angehörigen zu sehen ist.

Nach längerem Krankheitsverlauf

 zerfallen praktische Fähigkeiten wie Ankleiden, Gehen, Essen, Lesen, Sprechen,

 kommt es zum Verlust der Autonomie,

 folgt eine völlige Abhängigkeit von Betreuungs- und Pflegepersonen,

 tritt der Tod ein.

Im letzten Stadium der Erkrankung

 liegt der Patient reglos im Bett,

 ist er unfähig zu verbalen Äußerungen,

 ist er inkontinent,

 ist er völlig auf fremde Hilfe angewiesen.

Der Verlauf einer Demenz ist

 chronisch fortschreitend,

 kann durch medizinische Maßnahmen nicht rückgängig gemacht werden

 und endet meist innerhalb von fünf bis zehn Jahren tödlich.

 Todesursachen sind häufig Pneumonien (Lungenentzündungen) nach Aspiration (Verschlucken) und Kachexie (Abmagerung, Auszehrung) bei Nahrungs- und Flüssigkeitsverweigerung oder Herz-Kreislaufversagen.

Die Betreuung Dementierender ist aufgrund der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen oft sehr nervenaufreibend und schwierig. Das Fortschreiten ist trotz intensiver pflegerischer und therapeutischer Bemühungen seelisch sehr belastend und führt gerade bei pflegenden Angehörigen nicht selten zur Dekompensation. (Vgl. Bellinger 2002, S. 54ff.)

Während der Körper im Laufe des Lebens mehr oder weniger abgenutzt, sklerotisch und gebrechlich wird und der Geist langsam schwindet, bleibt die Seele, die Kindheitspsyche, in der Demenz erhalten. So knüpfen wir in der Validation an die unversehrt gebliebenen seelischen Kräfte an und kümmern uns darum, möglichst lange mit ihnen in Beziehung – in Verbindung – zu bleiben.


Körper, Geist und Seele, E. Feurstein

2.2 Vier Dimensionen der Desorientierung

2.2.1 Räumliche Desorientierung

Der Dementierende

 kann seinen Geburtsort nicht benennen,

 kann keine zutreffenden Aussagen über seinen derzeitigen Aufenthaltsort oder Wohnort machen,

 kann die Postanschrift seiner Wohnung nicht nennen,

 weiß nicht, wo sich seine Arbeitsstelle befindet,

 kann auch keine Wegbeschreibungen zu ihm bekannten Orten angeben,

 nimmt seine Umgebung als fremd wahr,

 findet Gegenstände nicht, versteckt sie, fühlt sich bestohlen (glaubt, man stehle ihm das Denken),

 verfehlt angegebene Richtungen und verläuft sich,

 fragt ständig, wo er sich und wo sich etwas befindet,

 zeigt sich verängstigt, irrt herum, sucht etwas ihm Vertrautes oder sitzt ruhig da, um sich nicht zu verirren. (Vgl. Pflegewiki, Orientierung 2012)

2.2.2 Zeitliche Desorientierung

Der Dementierende

 kann keine Angaben über die aktuelle Tageszeit, den bestehenden Tagesabschnitt oder das aktuelle Datum machen,

 kann nicht bestimmen, wie lange er sich in einer Situation oder an einem Ort befindet,

 kann keine Aussagen über den Verlauf und die Dauer von Ereignissen treffen,

 kann den derzeitigen Monat oder die jeweilige Jahreszeit nicht bestimmen,

 weiß über bevorstehende Ereignisse und ihre Bedeutung nicht Bescheid,

 verwechselt Daten und Termine,

 zeigt sich verunsichert,

 zeigt einen veränderten Tag-Nacht-Rhythmus

 und verwechselt lebende und verstorbene Personen. (Vgl. Pflegewiki, Orientierung 2012)

 Ständig wiederkehrende Rituale geben Sicherheit:Alltagskleidung, SonntagskleidungFeiertage, TrauertageWechsel der Jahreszeiten oder wiederkehrende Ereignisse im Jahresablauf dekorieren (Advent, Ostern und Ähnliches)Essrituale (freitags fleischlos, Sonntagsfrühstück)Morgen- oder Abendgebete usw. (Vgl. Scharb 1996)

2.2.3 Personelle Desorientierung

Der Dementierende

 kann seinen Familiennamen, Vor- und/oder Geburtsnamen nicht benennen,

 weiß seinen Familienstand nicht,

 weiß sein Geburtsdatum und/oder sein Alter nicht,

 kann keine Auskunft über seinen erlernten Beruf geben,

 kann keine Angaben darüber geben, ob und wie viele Personen im Haushalt leben,

 weiß nicht, ob und wie viele eigene Kinder existieren,

 zeigt sich verstört und sucht das Gefühl der Mutter (Liebe).

Die Logik unserer Denk- und Wahrnehmungsmuster ist in der Demenz ähnlich der eines Kindes. Beispielsweise suchen Dementierende die Mutter, wenn sie sich nicht geliebt und geborgen fühlen, obwohl diese schon vor langer Zeit gestorben ist. In diesem Fall ist es die Sehnsucht nach der Mutter, die die zeitlich verschobene Wahrnehmung bestimmt. Wenn sie sich durch Menschen in ihrer Umgebung überfordert fühlen, kann es passieren, dass sie selbst mit ihren nahen Angehörigen in einem sehr unpersönlichen Ton sprechen: „Was machen Sie in meinem Zimmer? Verlassen Sie sofort diesen Raum!“ Hilfreich für diese Menschen ist der Aufbau einer vertrauensvollen, fürsorglichen Interaktion. (Vgl. Scharb 1996)

2.2.4 Situative Desorientierung

Der Dementierende

 kann Gründe für derzeitigen Aufenthalt oder für die gegenwärtige Situation nicht benennen,

 kann keine Auskunft über die Art und Weise seiner Her- und Ankunft geben,

 kann Eigenschaften von Dingen nicht beschreiben,

 kann Funktionen und Positionen von Menschen nicht zuordnen,

 kann Gebrauchsgegenstände nicht bestimmen und unterscheiden

 oder zeigt sich ratlos.

Die Dementierenden erleben ihre Situation, sind aber nicht fähig, ihre Lage zu begreifen, was wiederum als stark existenzbedrohend erlebt wird.

Länger dauernde zeitliche Orientierungslosigkeit führt zum Verlust der ICH-Identität. (Vgl. Scharb 1996)

2.3 Demenz-Merksätze

„Demenz – Für viele ist es das schlimmstmögliche Ende: das Leben zu verlieren, lange vor dem Tod. … Vom Menschen bleibt nur mehr eine Hülle, der man den Tod wünscht, um dem langsam schleichenden Sterben ein Ende zu geben.“

„Kaum ein Schicksal wird so gefürchtet wie jahrelang im Siechtum der demenziellen Veränderung in einem Pflegeheimbett zu liegen.“

„Lieber lahm, blind oder besser gleich tot – nur kein Versinken im ewigen Vergessen.“

„So werden demenziell veränderte Menschen als dumpf dahindämmernde Hülle beschrieben. Das Leben wird ihnen abgesprochen und man redet vom lebenden Toten.“

„Die Medien erzeugen Angst und Abwehr, wenn sie die Demenz als bösartige Krankheit beschreiben, die den Menschen als Person auslöscht. Diese Meinung entsolidarisiert und grenzt demenziell veränderte Menschen aus und lässt die Frage zu, ob dieses vegetierende, menschenunwürdige Leben erhaltenswert sei.“ (Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 20ff.)2

Was weiß die Medizin über Demenz?

„Es sind keine eindeutigen Ursachen oder Entstehungsgeschichten der Demenz bekannt.“

„Wo keine gesicherten Kenntnisse zu Ursachen und Entstehung vorliegen, kann es auch keine kausale Therapie und Heilung geben.“

„Der einzige gesicherte Risikofaktor ist das Alter.“

Wobei die Menschen mit der Diagnose „Demenz“ immer jünger werden

„Medikamentöse Behandlung der demenziellen Veränderung wird immer mehr in Frage gestellt.“

„In jüngster Zeit wurden vermehrt wissenschaftliche Untersuchungen und Positionen veröffentlicht, in denen die Wirksamkeit der Medikamente in Zweifel gezogen und auf die mangelhafte Qualität bisheriger Studien verwiesen wird.“

„Meist werden Medikamente zur Therapie von psychischen Begleiterscheinungen der Demenz verschrieben (Neuroleptika, Antidepressiva, Hypnotika und Tranquilizer). Diese Medikamente sind nicht demenzspezifisch, sondern wirken gegen die Verhaltensweisen, die von der Umwelt als störend und gefährdend eingeschätzt werden. Die Haupt- und die Nebenwirkungen können gravierend sein, deshalb muss sorgfältig damit umgegangen werden.“ (Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 24ff.)2

2.3.1 Ist Demenz eine Krankheit?

Udo Baer sieht die Demenz als einen Erlebensprozess an: Auch in der Neurowissenschaft werde der Blick von der Denkstörung immer mehr auf die sozialen, emotionalen und anderen Aspekte des Erlebens und Verhaltens erweitert. (Vgl. Baer 2007, S. 33) Für Naomi Feil ist der Rückzug hochbetagter Menschen in ihre Vergangenheit keine Geisteskrankheit und kein Gebrechen, sondern eine Form des Überlebens. (Vgl. Naomi Feil, 1990, zitiert nach Scharb 1999, S. 1)

2.3.2 Ist Alzheimer ein normaler Alterungsprozess?

In der Literatur wie in Berichten und Geschichten tauchen immer wieder senile und sinnesgeschwächte Greise auf, deren Verhalten niemand mit einer Krankheit identifiziert hat. (Vgl. Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 35)

Die Choctaw-Indianer begegnen Menschen, die ihr Verhalten im Alter verändern, mit mystischer Ehrfurcht. (Vgl. Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 37)

Auch Amerikaner asiatischer oder pazifischer Abstammung sehen Demenz als nicht behandelbaren, natürlichen Alterungsprozess und afroamerikanische Pflegende weisen im Vergleich mit einer weißen Untersuchungsgruppe ein geringeres Belastungserleben auf.

Dem herausfordernden Verhalten von dementierenden Menschen wird in Entwicklungsländern eine sehr hohe Toleranz entgegengebracht. (Vgl. Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 37f.)

Verschiedene alte Kulturen ehren demenziell veränderte Menschen. Die Inuit glauben, dass bei Menschen mit Demenz der Geist den Körper verlasse, in eine heilige Sphäre eintrete und neu wirke.

Es stellt sich die Frage, was ein Phänomen wie die Demenz einer Gesellschaft wie der unsrigen zu sagen hat und wie wir den Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe würdig gestalten können. (Vgl. Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 22)

Vielleicht müssen wir trotz des enormen wissenschaftlich-technischen Fortschritts anerkennen, niemals vollständig über das Leben verfügen zu können. Diese Situation anzunehmen, statt die unter Demenz leidenden Personen auszugrenzen oder ihre Existenz zu verleugnen, könnte eine tragfähige Grundlage für einen würdigen Umgang mit Menschen, die die Fähigkeit und den Wunsch, Selbstverantwortung zu übernehmen, verloren haben, sein.

„Wir sehen die Dinge nicht wie sie sind

sondern so wie wir sind.“

Anais Nin3

2.3.3 Ein Gedanke zur Vorsorge


Ein Gedanke zur Vorsorge

Das Yin-Yang-Symbol zeigt die Ausgeglichenheit der Plus- und Minussymptomatik, nach der wir streben.

Yin Yang-Zeichen E. Feurstein


In Wirklichkeit leben wir in einer Unausgeglichenheit der Minussymptomatik. Aus Zeitungen sowie aus dem Radio, Fernsehen und Internet erfahren wir viele Negativnachrichten.

Yin Yang-Zeichen E. Feurstein


Mit den positiven Lebensaspekten beschäftigt sich nur der, der sie direkt sucht.

„Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist;

weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich,

was aus dir werden kann.“

Johann Wolfgang von Goethe4

Die angeführte Plussymptomatik dementierender Menschen entspricht in den letzten Jahren immer mehr den Sehnsüchten stressgeplagter Menschen. Und trotzdem versuchen wir, diese Menschen mit verschiedenen Betreuungsmethoden auf unser Denkniveau zurückzuholen. Sind Dementierende unsere Lehrmeister, die wir nicht als solche erkennen?

Geschichte

Der Affe und der Fisch – eine Rettung in letzter Sekunde

Pflegepersonen verhalten sich manchmal wie dieser Affe, der auf dem Baum sitzt. Er sieht einen Fisch im Wasser schwimmen und denkt: „Hilfe, er ertrinkt, wenn ich ihn da nicht heraushole.“

Der Affe und der Fisch 1, E. Feurstein


So hüpft er vom Baum, springt ins Wasser und rettet den armen Fisch vor dem Ertrinken.


Der Affe und der Fisch 2, E. Feurstein

Wieder auf dem Baum sitzend gibt er ihm ein Stück seiner Banane zur Stärkung und wundert sich, dass sich der Fisch nicht darüber freut.


Der Affe und der Fisch 3, E. Feurstein

Dementierende Menschen sind wie die Fische in der kleinen Erzählung – sie leben in einer anderen Wirklichkeit. Sie wollen und können nicht in unsere Realität gerettet werden, weil sie aufgrund ihres verloren gegangenen Denkvermögens an den Überreizungen der Gesellschaft ersticken würden.

Wenn der Affe dem Fisch etwas Gutes tun will, sollte er zu ihm ins Wasser eintauchen, eine Zeit lang mit ihm verbringen und früh genug das Wasser wieder verlassen, wenn er spürt, dass ihm die Luft ausgeht. Er kann sich dann ans Ufer setzen und die Beine ins Wasser halten, damit sich der Fisch mit den Wellen, die seine Zehen schlagen, vergnügen kann. Will oder muss der Affe aber längere Zeit im Wasser bleiben, sollte er sich einen Schwimmreifen oder ein Schlauchboot zulegen, um sich länger in der Nähe des Fisches aufhalten zu können.

In der Begleitung von demenziell veränderten Menschen ist das genauso. Wenn eine Betreuungsperson Dementierende aus ihrer Welt herausholen will, sind diese Menschen völlig überfordert. Sie wehren sich, schreien oder schimpfen. Die Betreuer wiederum können das nicht verstehen und deuten das Verhalten als Undankbarkeit für ihre Unterstützung.

Dieses Eintauchen in die Welt der Demenz ist eine große und anstrengende Herausforderung, die wir als Pflegende nur kurze Zeit gut aushalten. So brauchen auch wir Rettungsboote oder Schwimmreifen, wenn wir uns längere Zeit mit Dementierenden beschäftigen.

Erich Schützendorf beschreibt in seinem Buch „Wer pflegt, muss sich pflegen“ Maßnahmen, die Pflegende treffen können:

Belobigungsecken, Zuhörecken, Entschleunigungs-Parcours, Entspannungsnischen, Atmungsstationen, Meditation, Belobigungsspiegel, Rückzugsräume, Lachräume, Windspiele, Bälle balancieren, Sandkisten, Wassersäulen, Hängematten, Kuscheltiere, Kumquats-Sprechpuppen, Sanduhren, Orff-Instrumente, Zaubervorhänge, Paradox-Spiegel und Ähnliches (Vgl. Schützendorf 2006, S. 69ff.)

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Verständnismodelle

3.1 Existenzielle Erfahrungen

Erfahrungen aus der Vergangenheit können eine tiefe Bedeutung dafür haben, wie jemand in der Gegenwart empfindet und denkt.


Erfahrungen (Krohwinkel 2011)

Wir alle haben Erfahrungen im Leben gemacht, die positive oder negative Auswirkungen gezeigt haben. In emotional ähnlichen Situationen knüpfen wir unbewusst an die vergangenen Erlebnisse an, nach deren Vorbild wir die aktuelle Situation auffassen. Die gemachten Erfahrungen beeinflussen die Zufriedenheit, das psychische Wohlbefinden und die körperliche Verfassung in der Jetztzeit. (Vgl. Krohwinkel 2011)

3.2 Fünf Säulen der Identität

Unsere Ich-Identität ruht auf fünf Säulen. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Säulen sind bei jedem Menschen unterschiedlich gewichtet. Unbesetzte Säulen zeigen einen Verlust, der die Ich-Identität negativ beeinflusst. Wenn wir diese fünf Säulen der Identität in Bezug auf einen bestimmten Menschen näher betrachten, erhalten wir eine gute Momentaufnahme vom gegenwärtigen Status seines Ichs. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass die einzelnen Bestandteile dieses Ist-Zustandes bei einer Änderung der individuellen Lebensumstände einen ganz anderen Stellenwert erhalten können.

3.2.1 Säule der Leiblichkeit

Was braucht der Mensch, um sich körperlich, psychisch und geistig gesund zu fühlen? Hier gelten für jeden Einzelnen natürlich unterschiedliche Kriterien (Sport, gesundes Leben, bewusste Ernährung, guter Schlaf, ausgewogenes Sexualleben und anderes).

3.2.2 Säule des sozialen Umfelds

Wer gehört zu diesem Umfeld? Welche Familienangehörigen, welche Freunde und Bekannte sind diesem Menschen wichtig? (Kollegen, Sportkameraden, Vereinskollegen und andere)

3.2.3 Säule der Arbeit und Leistung

Wann hat dieser Mensch das Gefühl, dass er erfolgreich ist? Wo bekommt er Anerkennung? Hierzu zählt die Freude an der Arbeit, die ein Mensch braucht, um sich ausgeglichen zu fühlen. Wie wichtig Arbeit und Leistung sind, sieht man auch daran, dass viele Menschen, wenn sie ihre Arbeit verlieren, eine Identitätskrise erleiden. Dies gilt auch oft für Menschen, die in Pension gehen („Pensionsschock“).

3.2.4 Säule der materiellen Sicherheit

Wir sagen oft (aus uns anerzogener Bescheidenheit), dass uns materielle Dinge nicht so wichtig sind. Wenn wir aber die Miete nicht bezahlen, uns den Friseur nicht leisten oder Heizkosten und tägliche Bedürfnisse nicht finanzieren können, dann merken wir, wie sehr wir bis zu einem gewissen Grad materielle Sicherheit brauchen. Wir müssen uns sicher sein, dass wir, wenn wir krank sind, nicht nur von einem sozialen Netz aufgefangen werden, sondern auch materiell abgesichert sind. Der eine findet im Sparbuch diese materielle Sicherheit, der andere im sicheren Arbeitsplatz oder in der sicheren Rente. Unsere materiellen Ansprüche mögen bescheiden sein, aber wenn unsere Mittel unter diesen Anspruch sinken, dann geraten wir sowohl in eine finanzielle als auch in eine seelische Krisensituation.

3.2.5 Säule der Werte

Jeder Mensch hat für seinen Lebensinhalt, seinen Lebenssinn und seine Lebensphilosophie ganz persönliche Werte, deren Beeinträchtigung für ihn eine ernste Lebenskrise auslösen kann. Der Sinn des Lebens kann in einer Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen bestehen. Im Vertrauen zu sich selbst oder zu anderen kann der Glaube für ihn ein hoher Wert sein oder die Zugehörigkeit zu einer politischen oder weltanschaulichen Gemeinschaft. Wenn der Sinn des Lebens verloren geht, können Identitätseinbußen entstehen.

Die fünf Säulen verschieben sich in Wert und Inhalt während des gesamten Lebens und sind abhängig vom Alter und von der Lebenssituation. Wenn eine Beziehung in die Brüche geht, wird die Säule des sozialen Umfeldes ihren bisherigen Stellenwert verändern, wenn jemand die Arbeit verliert, wird die Säule der materiellen Sicherheit neu positioniert werden, und wenn jemand schwer erkrankt, wird die Säule der Leiblichkeit eine neue Bedeutung bekommen. Wenn eine der Säulen zu stark vernachlässigt wird, kann die Identität Einbußen erleiden.

Im Pflegemodell der Validation liegt der Schwerpunkt der Arbeit in der Anerkennung und Befriedigung der psychosozialen Grundbedürfnisse hochbetagter Menschen.

Das unten dargestellte Raster der fünf Säulen wird daher in der Validation bei der Erhebung des Ist-Zustandes eines Klienten als wesentliche Grundlage verwendet. Was hat seine Identität, sein Selbstverständnis ausgemacht, wie waren früher die in den fünf Säulen veranschaulichten Elemente seiner Identität ausgefüllt und befriedigt? Was ist von all dem heute noch übrig geblieben?

Unter Zugrundelegung der so erhobenen Daten können wir dann validierende Pflegemaßnahmen bestimmen, die dazu beitragen, die Säulen der Identität zumindest teilweise wieder aufzufüllen. Wir werden bei jener Säule mit den Maßnahmen beginnen, die keinen oder fast keinen Inhalt mehr aufweist. (Vgl. Petzold 2004)

Was ist mir im Leben wichtig?


Säulen der Identität, Petzold 2004

3.3 Maslowsche Bedürfnispyramide

In unserer Konsumgesellschaft lassen sich fast alle materiellen Wünsche relativ leicht erfüllen. Die psychosozialen Bedürfnisse nach Sich-sicher-Fühlen und Anerkennung hingegen treten oft in den Hintergrund. Doch ein Mensch wird ein Mensch nur durch andere Menschen. In einem afrikanischen Zitat der Zulu heißt es: „Was nützt uns alles ‚Haben‘, wenn wir darin das ‚Sein‘ verlieren?“ Desorientierte Menschen suchen dieses Gefühl, wertvoll und wichtig zu sein.

Die Maslowsche Pyramide als Modell für desorientierte, alte Menschen:


Maslowsche Pyramide (Vgl. Feil 2004, S. 41)

Menschen, deren Bedürfnisse befriedigt sind, bleiben gesünder, schlafen besser, leben länger und werden seltener dement. Die Befriedigung höherer Bedürfnisse hat positive soziale Konsequenzen, wie Loyalität, Freundlichkeit und anderes mehr.

3.4 Erikson-Theorie

Der Psychoanalytiker Erik H. Erikson beschreibt, wie sich die Persönlichkeit eines Menschen von der Geburt bis ins hohe Alter entwickelt. Er bezeichnet die Persönlichkeitsentwicklung als eine Auseinandersetzung mit einer Anzahl von Krisen, die sich im Laufe eines jeden Erwachsenenlebens einstellen werden. Diese Krisen können entweder zu Fortschritten oder, wenn der Mensch an der Entwicklungsaufgabe scheitert, zu Regressionen in der Persönlichkeitsentwicklung führen. Erikson nimmt an, dass jeder Mensch dazu gezwungen ist, sich mit einer immer stärker entwickelten Gesellschaft auseinanderzusetzen, um seinen eigenen Platz darin zu finden und zu bestehen. Jeder Mensch lernt also von der Kindheit an bis zum Erwachsenenalter, sich in seine Umwelt zu integrieren, damit er daraus eine gesunde Persönlichkeit entwickeln kann. Damit dies verwirklicht wird, muss man bestimmte Krisen bewältigen und mit einem geeigneten Ansatz lösen. (Vgl. Erikson 1973

Ich-Integrität als Lösung?

Die Ich-Integrität ist als eine Verschmelzung des tatsächlichen Selbst mit dem idealen Selbst zu verstehen. Boeree sagt: „Ich-Integrität ist, mit seinem durchaus fehlerhaften Leben in der Summe aller Dinge im Reinen sein, zu dem stehen, was man erreicht hat und nicht erreicht hat, zufrieden sein mit seiner Lebensleistung und sie zu akzeptieren. So muss der nahe Tod nicht gefürchtet werden. Wer dem Tod ohne Furcht entgegensteht, hat die Stärke erlangt, die Erikson Weisheit nennt.“


Erikson-Theorie (Messer 2009, S. 22ff.)

In der Validation wird die Demenz im Endstadium als Verlorenes Ich bezeichnet. Naomi Feil erweitert das Entwicklungsmodell von Erikson um dieses Endstadium als die neunte Stufe.

Sie sieht es als Aufgabe des Menschen, im hohen Alter von 80 Jahren oder noch älter, seine Gefühle so weit wie möglich frei zu äußern, um dann in Frieden sterben zu können.

Wird diese Aufgabe nicht erfüllt, kann eine depressive Verstimmung entstehen, die in einer Demenz münden kann (Vgl. Feil 2005, S. 30)


Erikson-Theorie, Erweiterung nach Feil (Feil 2005, S. 30)

3.5 Stroke-Babys

(to stroke = streicheln, stroke = der Schlag, der Hieb)

Das klingt etwas eigenartig, weil wir Streicheln für positiv, Schlagen aber für negativ halten. Es muss uns aber klar sein:

 Jede Zuwendung ist eine Auseinandersetzung mit der Person.

 Ich setze mich nur mit Personen auseinander, die wichtig, wertvoll oder interessant sind.

 Auch eine negative Auseinandersetzung ist eine Anerkennung einer Person.

 Der Mensch will lieber negative Streicheleinheiten als gar keine, denn auch diese sichern das Überleben. Ohne Streicheleinheiten stirbt der Mensch.

Ignorieren sollte deshalb in der Betreuung und Begleitung von Menschen nicht vorkommen.

Menschen, die in ihrem Leben zu wenige Streicheleinheiten erhalten haben, legen es in den Beziehungen manchmal darauf an, negative Streicheleinheiten zu bekommen – im Sinne von: Negative Anerkennung ist besser als keine.

Der Mensch verhält sich dann so, dass er die Entrüstung, den Ärger, Hass und Zorn seiner Umwelt auf sich zieht. Solche Menschen haben meistens ein Streicheldefizit, das heißt, sie leiden daran, nicht genügend beachtet zu werden. Also versuchen sie, ihre Umwelt dazu zu zwingen, sich mit ihnen – wenn auch negativ – auseinanderzusetzen.

Diesen Menschen kann man nur mit häufigen, positiven Streicheleinheiten helfen. Dazu muss man sie allerdings zuerst akzeptieren. Da sie es aber anderen durch ihre negative Verhaltensweise sehr schwer machen, sie zu akzeptieren, handelt es sich um ein schwieriges Unterfangen. (Vgl. Birkenbihl 1999, S. 55)

3.5.1 Anerkennung

Wenn wir im Leben zu wenig Aufmerksamkeit bekommen haben, brauchen wir sehr viele kleine Anerkennungen, die unser Defizitloch wieder auffüllen. Manchmal ist das Anerkennungsdefizit so groß, dass sogar ein Loch im Loch entsteht und das Auffüllen unendlich schwer und lange erscheint. In Beziehungen von Herzen kommende Anerkennung zu geben, bringt einen Gewinn für die Empfänger und die Sender.

Anerkennungsloch, E. Feurstein


In anerkennende Beziehung treten heißt:


Bezugspunkte der Grundhaltung nach Scharb, E. Feurstein

3.6 Interpretation eines Gesichtsausdruckes

Wie Elemente der nonverbalen Kommunikation auf den Betrachter wirken, beschreibt der Duisburger Psychologieprofessor Siegfried Frey in einem Forschungsergebnis.

Am Bildnis einer Madonna zeigt Frey, wie sich die Wirkung eines Gesichtsausdruckes durch eine neue Positionierung verändert. Nur die Neigung des Bildes verändert bereits den Gesichtsausdruck. „Aus einer anmutigen, bescheidenen Frau wird eine selbstsüchtige, auf andere herabschauende Herrin.“ (Vgl. Frey, 2016)


Interpretation eines Gesichtsausdrucks, Heiligenbild vgl. Siegfried Frey

Kopfhaltung

Das Erstaunliche an diesem Beispiel ist, dass man den Eindruck hat, der Gesichtsausdruck der Madonna habe sich verändert. Die wahre Ursache an dieser Irritation liegt aber allein in der Kopfhaltung. In solchen Details verbirgt sich die Tücke der nonverbalen Kommunikation. Manchmal sind es eben nur Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob jemand auf uns einen sympathischen oder eher unsympathischen Eindruck macht. (Internet: https://www.br.de/telekolleg/faecher/psychologie/sprache-kommunikation102.html 2016)

3.7 Vier Typologien

Eine Typologie soll dazu dienen, einen Menschen in seiner individuellen und für ihn typischen Eigenart besser zu verstehen.

Im Folgenden werden das Enneagramm, der sympathikotone und parasympathikotone Mensch, die Alpha-Omega-Typologie und die Kontrolldramen nach Redfield beschrieben:

3.7.1 Enneagramm

Das Enneagramm ist eine Typenlehre mit langer Tradition, die die Besonderheiten von neun verschiedenen menschlichen Charakteren beschreibt. Diese Beschreibung soll in der validierenden Arbeit zu einem Verständnis für die Eigenheiten auch bei dementierenden Menschen führen.

Alle neun Typen haben charakteristische Züge, an denen man sie mehr oder weniger schnell erkennen kann. Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine genauere Typeneinteilung mit einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Enneagramm einhergehen muss. Eine Erklärung zu den Wechselbeziehungen der verschiedenen Charaktere untereinander würde allerdings den Rahmen dieses Buches sprengen. Zu diesem Thema gibt es sehr gute einschlägige Literatur.

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