Kitabı oku: «Einführung in die Systemische Soziale Arbeit»

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Prof. Dr. Wilfried Hosemann (i. R.), Dipl.-Päd., Dipl.-Sozialarb. (FH), lehrte Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Hochschule Coburg. Er ist Mitherausgeber des Journals der DGSSA (Deutsche Gesellschaft für Systemische Soziale Arbeit).

Dr. Wolfgang Geiling, Dipl.-Päd., Dipl.-Sozialpäd. (FH), Systemischer Berater und Familientherapeut (DGSF), Supervisor, Tätigkeiten in der Fort- und Weiterbildung, aktuell tätig als Vertretungsprofessur Methoden und Konzepte der Sozialen Arbeit an der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Erfurt www.wolfgang-geiling.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

UTB-Band-Nr.: 4008

ISBN 978-3-8252-5733-0 (Print)

ISBN 978-3-8385-5733-5 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-8463-5733-0 (EPUB)

2., überarbeitete Auflage

© 2021 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

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Printed in EU

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Cover unter Verwendung eines Fotos von djama – Fotolia.com

Abb. 1, 2, 6, 17, 18, 19, 20, 24: Andreas N. Schubert

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: info@reinhardt-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1Einführung

1.1Systeme und Systemtheorie

1.1.1Die Vorzüge systemischen Denkens

1.1.2Die Besonderheiten systemischen Denkens

1.1.3System – eine Annäherung an den Begriff

1.1.4Systemtheorien – unterschiedliche Ansätze

1.2Merkmale Systemischer Sozialer Arbeit

1.2.1Inhalt Systemischer Sozialer Arbeit

1.2.2Systemische Grundsätze des Vorgehens

1.2.3Ökologische Herausforderungen und Systemische Ethik

2Verbindende Elemente systemischen Denkens und Sozialer Arbeit

2.1Beobachtung

2.2Systeme, Kommunikationssysteme und Systemarten

2.3Systeme, Umwelt und Systembeziehungen

2.4Sinn und Kontext

2.5Zeit

2.6Kausalität – Ursache und Wirkung

2.7Menschen, Individuen und Personen

2.8Inklusion / Exklusion: soziale Teilhabe

3Systemische Praxis

3.1Systemisches Methodenverständnis

3.1.1Grundlagen professionellen Handelns

3.1.2Soziale Arbeit als Kybernetik zweiter Ordnung

3.1.3Professionelle Grenzziehungen

3.1.4Abstraktionen und Unsicherheiten

3.2Systemische Handlungsorientierung

3.2.1Systemische Werkzeuge zur Aufgabengestaltung

3.2.2Helfer-, Klienten- und Helfer-Klienten-Systeme

3.2.3Systemische Handlungsmuster

3.3Praxisherausforderungen

3.3.1Gesellschaftliche Spaltungen

3.3.2Digitalisierung

3.3.3Hilfe, Kontrolle, Macht

3.3.4Komplexität und Ambivalenz

3.3.5Zukunft: Entwicklung des Sozialen – soziale Gerechtigkeit

Literatur

Sachregister


Merksatz
Fallbeispiel / Beispiel
Literaturempfehlungen
Lernfragen zum Weiterdenken

Vorwort

Wir wollen die Leserinnen und Leser einladen, Systemische Soziale Arbeit kennen zu lernen und deren Nutzen zu prüfen. Damit übernehmen wir die Aufgabe, die abstrakte Sprache der Systemtheorie zu veranschaulichen und verständlich und lesbar zu bleiben. Bitte seien Sie nachsichtig mit uns. Dies ist ein Einführungsbuch, aber nicht immer ein einfaches Buch.

Systemtheorie läuft auf eine besondere Art des Nachdenkens hinaus und ist immer wieder mit Hoffnungen verbunden worden. Ein Vorteil der Theorie ist, dass sie Umwelt einbezieht und daher nicht als geschlossen betrachtet werden muss. So werden in diesem Buch Brücken zu anderen Ansätzen gebaut.

Das Buch wendet sich an Leser – wir meinen immer beide Geschlechter – die noch am Anfang der Begegnung mit diesem Bündel von Theorien stehen. Um Brücken zu bauen, ist es erforderlich, dass der Text zwischen verschiedenen sprachlichen Ebenen wechselt: zwischen Fachsprache und Alltagssprache, zwischen Perspektiven auf die Theorie von außen und von innen, zwischen unterschiedlichen Graden der Abstraktion, zwischen Praxisbeispielen und theoretischen Höhenflügen.

Diese Hinweise wollen darauf vorbereiten, beim Lesen auf Wechselbäder gefasst zu sein. Wir wollen ermuntern, mitunter Textpassagen zu überspringen, oder in einer Reihenfolge zu lesen, die nicht der linearen Abfolge entspricht. Diese Möglichkeit des Umgangs mit dem Buch verweist auf eine Besonderheit der Theorie: Systemtheorie ist auf die Beschreibung von Relationen ausgelegt. Wie in einer „richtigen“ Beziehungsgeschichte kann man bestimmte Angelegenheiten von der einen oder von der anderen Seite aus betrachten.

Anliegen des Buches ist es, mit dem Verständnis und dem Gebrauch systemtheoretischer Grundbegriffe vertraut zu machen und ihren Nutzen für die Soziale Arbeit zu zeigen. Diesen Zusammenhang von Systemtheorie und systemischer Praxis Sozialer Arbeit wollen wir stärken. Die Potenziale des Ansatzes sind weder technisch-instrumentell, noch bestandserhaltend oder unkritisch. Gerade die Möglichkeit, Systembeziehungen zu betrachten, ermöglicht es, Alternativen zu prüfen und Freiräume für Veränderung zu nutzen.

Wir möchten dazu ermutigen, vertraute Denkgewohnheiten aufzulockern, soziale Zusammenhänge mit neuen Begriffen zu analysieren, sich von den daraus entstehenden Ergebnissen zu überzeugen und nicht von den theoretischen Ansprüchen einschüchtern zu lassen. Nach unserer Überzeugung liefert die systemische Perspektive eine Fülle tragfähiger Orientierungen, die Position der Sozialen Arbeit zu bestimmen.

Inhaltlich strukturiert ist das Buch wie folgt: Im ersten Teil wird in der Form einer Einführung grundsätzlich nach der Bedeutung von Systemtheorie und systemischer Praxis für die Soziale Arbeit gefragt. Im zweiten Teil des Buches wird ein Theorie-Netz aufgebaut. Dabei werden jeweils systemtheoretische Fragestellungen und Zugänge zur Theorie angeboten, um dann die Leistungspotenziale der Theorie für die Soziale Arbeit einzufangen. Im dritten Teil bieten wir Zugänge zu grundlegenden Handlungsorientierungen systemischer Praxis. Dabei werden die besonderen Bedingungen Sozialer Arbeit berücksichtigt und Begriffe zur differenzierten Beobachtung und Beschreibung professioneller Situationen angeboten.

Die 2. Auflage geht direkter auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der Sozialen Arbeit ein. Der ökologische Wandel, die Folgen der Veränderungen des Klimas, die Digitalisierung und die Spaltung der Gesellschaft verändern das Umfeld und die Soziale Arbeit. Die Möglichkeiten, darauf aktiv und mit an sozialer Freiheit ausgerichteten Antworten zu reagieren, sollen durch den hier vertretenen Ansatz gestärkt werden. Die neue Auflage bringt mehr Vielfalt im Hinblick auf eine gendergerechte Sprache. Grundsätzlich sind immer alle Geschlechter und Identitätsformen gemeint. Der Mix aus alten und neuen Texten führt zu einem unsystematischen Wechsel der Sprachformen, wir hoffen aber, Sie finden sich hinreichend berücksichtigt und können die Texte mit Gewinn lesen.

Nürnberg und Bamberg, im Frühjahr 2021

Wilfried Hosemann und Wolfgang Geiling


1Einführung
Seit der Antike wird darüber nachgedacht, wie Zusammenhänge in der beobachteten Vielfalt zu beschreiben sind und wie Ordnung in die Pläne kommt, nach denen vorgegangen wird. Als besonders attraktiv haben sich die Auseinandersetzungen um sich ,selbst ordnende Zusammenhänge‘ herausgestellt. Hier werden wesentliche Vorteile, Besonderheiten, Inhalte und Kontroversen des Systembegriffs vorgestellt.
Soziale Arbeit hat es mit vielen unterschiedlichen Interessen und Perspektiven zu tun. Es ist beispielsweise oft nicht klar, wer Auftraggeber ist oder wie aktuelle und längerfristige Ziele zusammenhängen. Systemtheoretische Überlegungen helfen bei solchen Ausgangslagen, fachliche Positionen zu bestimmen, Orientierungen in komplexen Situationen zu gewinnen und Interessen der Adressaten zu berücksichtigen. Eines der Motive, sich mit Systemtheorie zu beschäftigen, liegt daher in dem Mehr an Klarheit in Bezug auf eigene Zuständigkeiten und im Zugewinn von Sicherheit im Umgang mit komplexen Ansprüchen an die Soziale Arbeit.komplexe Anforderungen
Der allgemeine und häufige Gebrauch des Begriffs System führt aber auch zu Unklarheiten. Dies begründet die Notwendigkeit, sich genauer mit dem Verständnis von Systemtheorien und ihren Begriffen in der Sozialen Arbeit vertraut zu machen – auch, um sie kritisch betrachten zu können. Für das professionelle Mitgestalten des sozialen Zusammenlebens ist es notwendig, verantwortlich mit den eigenen Möglichkeiten und Grenzen des Wirkens umzugehen.
Selbstbeobachtung Sozialer Arbeit
Die zunächst schwierige und abstrakte Sprache der Systemtheorie ermöglicht die Beschreibung von unterschiedlichen Zusammenhängen (z. B. biologischen, psychischen, organisatorischen und gesellschaftlichen) mit einheitlichen Begriffen. Eine Folge dieser Abstraktion ist, dass systemtheoretische Theorien und Analysen keine eindeutigen Rezepte richtigen Handelns liefern. Wenn man so will, ist Systemtheorie für sich genommen zunächst inhaltlich offen und – bezogen auf ihre Ausrichtung an menschlichen und sozialen Werten – interpretationsbedürftig. Erst durch die ,Selbstverarbeitung‘ der Theorie durch die Soziale Arbeit gewinnt Systemtheorie unmittelbar an Bedeutung.Interpretationsbedürftigkeit
Sie ähnelt in diesem Sinne einem Werkzeug. Welche Rahmen und Bezugspunkte der Sozialen Arbeit im praktischen Handeln jeweils wichtig sind, bestimmt sie auch unter Zuhilfenahme von Wissen aus anderen Wissenschaftsbereichen, wie z. B. der Soziologie oder dem Recht. Soziale Arbeit könnte ihre Entscheidungen jeweils auch an anderen Erklärungszusammenhängen ausrichten. Daher braucht sie eine Theorie, die beobachter- und kontextbezogenes Denken fördert. Genau dies leistet Systemtheorie.Systemtheorie als Werkzeug
Es gibt verschiedene Arten der Beschreibung von Menschen. Dies kann beispielsweise geschehen über


●Eigenschaften (Person X ist liebenswert),
●Aussagen (Person X gibt an, Tee zu mögen statt Kaffee) und
●Zugehörigkeiten (Person X kann beschrieben werden als zugehörig zu einer Organisation, sozialen Gruppe, Schicht, Klasse oder einem Milieu).
Im Gegensatz zu einem Denken, das sich durch die Beschreibung von Eigenschaften kennzeichnet, die bestimmten Objekten oder Personen zugeordnet werden, orientiert sich systemische Theoriebildung an
●Relationen (orientiert an Beziehungen),
●zeitlichen Prozessen (orientiert an Stabilität und Veränderungen).
Diese Merkmale werden im Folgenden kurz veranschaulicht.
Beziehungsorientierung
Abb. 1: Bedeutung von Mustern
Beziehungen zwischen Einzelelementen
Wenn eine Melodie in der Notenschrift auf Papier gebracht ist, sind dort die einzelnen Töne beschrieben. Hört man nun jeden einzelnen Ton und macht dazwischen eine längere Pause, hat man zwar alle Töne nach einiger Zeit wahrgenommen, die Melodie aber trotzdem nicht gehört. Die Melodie scheint nicht in den einzelnen Tönen zu stecken (denn diese kommen z. B. auch in anderen Kombinationen vor), sondern in einem spezifischen Muster.
Beziehungen sind nicht auf der einen oder anderen Seite von Elementen oder Personen zu entdecken, sondern zwischen ihnen. Mit dem Begriff Relationen werden Verbindungen beschrieben, die aber keine Interaktionsbeziehungen sein müssen.verbindende Relationen
Rückwirkungen
Rückwirkungen statt einseitiger Kausalitäten
Abb. 2: Rückwirkungen
Diese Rückbezüglichkeiten führen nach einer Weile dazu, dass nicht mehr klar ist, was zuerst war. Das Verhalten von A wird durch das Verhalten von B beeinflusst und das Verhalten von B durch das Verhalten von A. Ebenso klar ergibt die Alltagsbeobachtung, dass in solche Rückkopplungsprozesse C (und D usw.) einbezogen sein kann. Die Schwierigkeiten der Zuordnung sind erheblich, weil sich die Prozesse überlagern können, gegenläufig sind oder sich auf verschiedenen Ebenen vollziehen.Rückkopplungsprozesse
Stabilität und Veränderungen
Stabilisieren sich bestimmte Beziehungen und Feedbackschleifen im Lauf der Zeit, kann man versuchen, Strukturen oder Systeme zu entdecken. Die Beobachtung von Systemen über eine längere Zeit ermöglicht sowohl die Wahrnehmung von Stabilität als auch von Veränderung.
Systemwandel in der BiologieDie Amöben Dictyostelium disoideum bilden unter guten Nährstoffbedingungen eine Population von isolierten Zellen, die sich isoliert fortbewegen und durch Zellteilung vermehren. Bei knapper werdenden Nährstoffen schließen sie sich zu einem schneckenähnlichen Zellaggregat zusammen, das in eine nährstoffreichere Gegend kriechen kann. Eine Metamorphose ermöglicht die Herausbildung eines Stiels mit einem Sporenkopf, der Sporen abtrennt und verstreut – was den isolierten Amöben die Gründung einer neuen Kolonie ermöglicht.
1.ständiger Wandel zur Normalität des Kreislaufs gehört,
2.sehr unterschiedliche Zustände Bestandteil dieses Lebenszyklus sind,
3.die Beobachtung einzelner Stationen eine Auswahl durch den Betrachter bedeutet,
4.sich der Vorgang wiederholt, aber die Elemente bei aller Ähnlichkeit neue Elemente sind, und
5.erst eine Gesamtschau den Blick auf die grundsätzlich passenden Umweltbedingungen erlaubt.
Um Ihnen den Einstieg in systemische Überlegungen zu erleichtern, möchten wir Sie noch zu der folgenden kleinen Geschichte einladen.
Systemtheorie im Alltag


Anhand dieser Geschichte lassen sich unterschiedliche Systeme und die Entstehung eines Interaktionssystems beobachten. Aus den zunächst unverbundenen, miteinander den Bus benutzenden Personen entwickelt sich ein soziales System, ein kommunikatives Netzwerk von Helfenden, das abgegrenzt werden kann von denjenigen, die nicht mithelfen. Darüber hinaus bildet sich innerhalb der Helfergruppe eine Ordnung, die eine unterstellte Kompetenz zur Basis hat. Das System stabilisiert sich um einen Zusammenhang herum als Interaktionssystem und löst sich wieder auf, als der Herzkranke von Sanitätern des Krankenwagens übernommen wird.Entstehung von Systemen
Je nach Betrachtung lassen sich verschiedene Systeme analysieren, u. a. das System ,öffentlicher Nahverkehr‘ oder das ,Medizinsystem‘. Anhand der Geschichte lässt sich erkennen, dass jemand ein bestimmtes System bei seiner Beschreibung zugrunde legen muss, damit auf dieses Bezug genommen werden kann. So lässt sich aus der Perspektive des öffentlichen Nahverkehrs fragen, wie mit Notfällen umgegangen wird, und welche Rettungsdienste direkt vom Fahrer oder anderen Personen kontaktiert werden können. Völlig andere Beschreibungen entstehen, wenn man aus einer anderen Perspektive nach dem Zustandekommen von medizinischer Hilfe fragt, oder sich dafür interessiert, wie hilfreiche, effektive Kommunikation beschaffen ist.unterschiedliche Betrachtungsweisen
In der Geschichte systemtheoretischen Denkens finden sich verschiedene Vorstellungen von dem, was unter einem System zu verstehen ist. Der Begriff System basiert auf dem Grundgedanken, dass sich Wirklichkeit über die Beobachtung und Beschreibung bestimmter Ordnungsmuster erfassen lässt.verschiedene Systemvorstellungen
Merkmal dieser Definition ist, dass ein relationales Begriffsverständnis zur Anwendung kommt, das sich grundlegend auf die Differenz zwischen System und Umwelt bezieht. Ein System konstituiert sich, indem es eine Grenze zu seiner Umwelt bildet, es verfügt über die Fähigkeit, sich durch eigenes Handeln abzugrenzen. Die Vorzüge dieser Definition sind, dass ein System auf Operationen aufbaut und nicht auf untereinander geordneten Elementen oder Objekten und, dass der Beobachter einbezogen wird.
Ältere Systemdefinitionen stellen darauf ab, dass in Systemen Elemente miteinander verknüpft werden und sich Regeln beobachten lassen. Bertalanffy (1979) bestimmt ein System z. B. als eine Menge von Elementen, zwischen denen wechselseitige Relationen bestehen. Eine weitere Idee ist, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile (Prinzip der Übersummation). So ist eine Schule mehr als die Summe der Schüler, der Lehrer und der Verwaltungsangestellten. Das, was die hochspezialisierte Verknüpfung der einzelnen Elemente ermöglicht, unterscheidet sich wesentlich von dem, was den einzelnen Elementen an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung steht.ältere Systemdefinitionen
Beschreibt man Systeme unter dem Gesichtspunkt ihrer Leistungen, kann man analysieren, welche Vorteile in der Umwelt von Systemen dadurch entstehen, dass Systeme Aufgaben und Funktionen übernehmen und bestimmte Effekte die Folge sind. Zu diesen Effekten gehört z. B. die Aufrechterhaltung von Strukturen (z. B. kann man sich darauf verlassen, dass es weiterhin Schulen gibt).
System und Umwelt
●Anpassung an die Umwelt (adaption),
●Zielverwirklichung (goal-attainment),
●Integration (integration) und
●Strukturerhaltung (latent pattern maintenance).
Parsons ordnet diese Grundfunktionen von Systemen entlang einer Innen / Außen–Dimension und einer zeitlichen Dimension, die das Problem der Bestandserhaltung umfasst. Aus der Kombination dieser beiden Achsen und den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe ergibt sich eine Vier-Felder-Tabelle: das AGIL-Schema.


Das AGIL-Schema bezeichnet allgemeine Problemstellungen für Handlungen von sozialen Systemen (Willke 1991). Heute stehen Konzepte der Theorieentwicklung im Vordergrund, die den Selbstbezug der Systeme stärker betonen. Stichworte dafür sind Selbstreferenzialität, Selbstorganisation, operationale Geschlossenheit und Autopoiese (siehe Kap. 2.3).
Grundbausteine von Systemen
Das Zusammenspiel der Systeme
In der Trennungs- und Scheidungsberatung geht es z. B. einmal um Fragen der Versorgung und Erziehung der Kinder (Elternsystem) und dann um Fragen des ,Wir‘ in der Liebe (Paarsystem). Die Struktur der Sorgerechtsregelung sieht vor, dass die gemeinsame elterliche Sorge (Elternsystem) weiterbestehen kann, während die Partnerschaft der Eltern (Paarsystem) beendet wird. Die Differenz, dass das Elternsystem bestehen bleiben soll, während das Paarsystem zerfällt, kann in seiner Bedeutung mithilfe eines Systemverständnisses angesprochen werden, das die Fortsetzung von Operationen im Blick hat.
Welche Vorteile bietet letztgenanntes Verständnis von Systemen noch? Der Zwang entfällt, eine oder eine Reihe von bestimmten Funktionen zu beschreiben, die Systeme aufgrund ihrer Strukturen haben. Jetzt kann man davon ausgehen, dass sich Funktionen je nach Situation und Art der Beobachtung ändern können – denkt man z. B. daran, welche unterschiedlichen Funktionen die Zugehörigkeit zu einer Familie oder einem Verein für die unterschiedlichen Mitglieder hat und welche unterschiedlichen Effekte damit verbunden sind. Mit diesem Verständnis von Systemen ist man nicht mehr daran gebunden, alles, was ein System vollzieht, unter dem Aspekt des Selbsterhalts zu betrachten.Funktionen von Systemen
Auch Soziale Arbeit ist gezwungen, zu entscheiden, was (z. B. im Hinblick auf Aufgaben, Ziele, Situationen) zu ihr gehört und was nicht. In der Arbeit mit Familien muss beispielsweise stets neu bestimmt werden, ob Nachbarn an Gesprächen teilnehmen sollen oder ob es notwendig erscheint, über Generationsfragen oder kulturelle Aspekte zu sprechen. Soziale Arbeit hat mit dem zu tun, was sie aus ihren Traditionen, aktuellen Erfordernissen und Zielsetzungen für bedeutsam hält und realisieren kann. Anhand welcher Merkmale Soziale Arbeit ihre Komplexitätsreduktionen betreibt, muss sie selbst beobachten und reflektieren. Sie achtet darauf, ihre Arbeit und ihre Aufgaben so zu beschreiben, dass sie vorrangig von entsprechend ausgebildeten Sozialarbeitern ausgeführt werden. In ständig neu entstehenden Situationen muss sie sich bewähren und die Fortsetzung ihrer Leistungen ermöglichen.Entscheidungszwang der Sozialen Arbeit
unterschiedliche Systemtheorien
●Wie werden die Beziehungen zu den Adressaten und Klienten verstanden?
●Welche gesellschaftlichen Funktionen hat die Soziale Arbeit?
●Welche Bedeutung kommt normativen Grundlagen zu?
Eine erste Annäherung betrifft die Unterscheidung zwischen den Begriffen systemtheoretisch und systemisch.
DefinitionUnter dem Begriff systemtheoretisch fasst man eher den Bereich zusammen, der an der Theoriearbeit und der Reflexion ausgerichtet ist. Systemisch beschreibt dagegen den Bereich, der sich auf die praktische Veränderung von Systemen bezieht und unter dieser Perspektive auch Anregungen einbezieht, die aus verschiedenen Theorie- und Praxiszusammenhängen stammen.
Die zweite Annäherung bezieht sich auf den Zusammenhang von systemischem und konstruktivistischem Denken.
systemisch-konstruktivistischer Ansatz
Wissenschaftliche Grundlagen
Es hat Konsequenzen, die theoretischen Überlegungen beim Beobachter beginnen zu lassen. Systemische Konzepte, wie sie hier vertreten werden, lehnen sich nicht an die Vorstellung einer möglichst genauen Abbildung von ,objektiver Realität‘ an, auf denen dann aufgebaut werden kann. Sie beziehen den Prozess der Beobachtung viel mehr mit ein und verlangen eine Präzisierung von Beobachtung. Wichtig sind dabei vor allem die folgenden Fragen:Beobachtung als Startpunkt
●Welche Unterscheidung liegt einer Beobachtung zugrunde?
●Welche Konsequenzen sind mit dieser Beobachtung verbunden?
●Wer legt welche Beschreibung von sozialer Wirklichkeit mit welchen Folgen zugrunde?
Wesentlich ist uns, diesen Gedankengang auf Organisationen zu übertragen, da auch diese auf Beobachtungen und Unterscheidungen ihrer sozialen Umwelt aufbauen. Organisationen z. B. entscheiden, ob sie sich für Hilfeleistungen zuständig erklären oder nicht. Soziale Arbeit steht in der Verantwortung, ihre Unterscheidungen und Beobachtungen zu reflektieren, die ihrer Praxis zugrunde liegen.
Eine der grundlegenden Herausforderungen in der Praxis besteht darin, Soziales zu gestalten, ohne letztlich sicher sein zu können, wie etwas ist bzw. wirklich war. Ein Beobachter unterliegt keiner zwingenden Notwendigkeit, jeweils genau so und nicht anders zu beobachten. Denn soziale Systeme (ebenso wie soziale Situationen, soziales Handeln) lassen sich nicht voraussetzungslos erkennen, sondern ,nur‘ durch einen aktiven Akt entwerfen – und der kann nicht losgelöst von seinen Bedingungen verstanden werden.
Bedeutsamkeit von Unterscheidungen
Im Interaktionsgeschehen werden die Voraussetzungen ständig durch das Handeln anderer Personen und Organisationen beeinflusst. Diese erkenntnistheoretische Grundausrichtung ist wichtig, damit der Ansatz sozusagen nicht „frei in der Luft hängt“, ohne die eigenen Entscheidungen mit zu berücksichtigen (siehe Kap. 2.1).
Vorteil von Zusammenschau
Es wird deshalb eine Auswahl systemtheoretischer Begriffe, Konzepte und Theorien präsentiert, die dieses Vorhaben unterstützen. Der vorliegende Entwurf Systemischer Sozialer Arbeit bietet die Möglichkeit, die Arbeitskonzepte und praktischen Vollzüge von beiden Seiten her zu entwickeln und zu reflektieren und ihre Integration auf den Prüfstand zu stellen. Die vorgestellten Begriffe erlauben es, Gelingen als auch Misserfolg zum Ausgangspunkt professioneller Reflexion und Theoriebildung zu nehmen.So kann ein Beitrag zur Einheit der Sozialen Arbeit geleistet werden, da der Zusammenhang von Vollzug, Grenzbeobachtung (z. B. Erfolge oder Scheitern) und Theoriebildung analysierbar wird.
Zusammenfassung


Wir wollen die systemische Herangehensweise so beschreiben, dass Raum für unterschiedliche Arbeitsfelder, methodische Konzepte und Ebenen der Intervention zur Verfügung steht. Für uns ist es systemische Praxis, wenn sich Soziale Arbeit auf eine Sicht- und Vorgehensweise stützt, dieDefinitionen
●sich auf Systeme bezieht, d. h. die Systemgeschichte einbezieht,
●Systeme in ihrem Eigensinn und ihren wechselseitigen Abhängigkeiten betrachtet,
●systemische Grundsätze des Vorgehens als Orientierung in der Praxis nutzt,
●sich selbst in die Beobachtung einbezieht und mit verschiedenen Systemen verbunden betrachtet und
●Systeme unter den Aspekten von sozialer Teilhabe beobachtet.
Die Frage nach typischen Merkmalen für eine Systemische Soziale Arbeit wird in diesem Text über die in Tab. 1 aufgeführten inhaltlichen Kriterien beantwortet.Merkmale und Inhalte
In den folgenden Textpassagen werden die analytischen Darstellungen mit inhaltlichen Hinweisen gefüllt, um Antworten auf die Fragen zu geben, wie sich eine Systemische Soziale Arbeit zugleich theoretisch und empirisch bestimmen lässt.
Tab. 1: Inhalte, Grundsätze und Ethik Systemischer Sozialer Arbeit
Inhalt Systemischer Sozialer ArbeitSystemische Grundsätze des VorgehensSystemische Ethik•Gegenstandsbestimmung der Sozialen Arbeit•Ort der Leistung•Art der Leistung•Theorieentwicklung und Reflexion•Forschung•Respekt und Bescheidenheit•Zirkularität und Vernetztheit•Leitdifferenz soziale Teilhabe•Ressourcen- und Lösungsorientierung•Kontextsensibilität•Reflexivität•Menschenbild•Wertschätzung•Soziale Gerechtigkeit•Nachhaltigkeit
Gegenstandsbestimmung
Dimensionen Sozialer Arbeit
●den Handlungsraum der Adressaten und Klienten zu erweitern,
●auf der Ebene von Bund, Ländern und Kommunen soziale Leistungen zu erbringen und
●sich an der Entwicklung der Gesamtgesellschaft über Innovationen, Konflikte und Gesetze zu beteiligen.
Über den Gegenstand Soziale Arbeit verdichtet sich die fachliche Diskussion und es kommt zunehmend zur Klärung theoretischer und methodischer Positionen in der Wissenschaft der Sozialen Arbeit. Die Dimensionen, anhand derer Soziale Arbeit ihre Bezüge in der Praxis beobachtet und gestaltet, lassen sich systematisieren hinsichtlich
●Adressaten und Klienten (wie Lehrer oder Jugendliche),●Organisationen (wie Stadtwerke, Allgemeiner Sozialdienst),●soziale Räume (wie Stadtteilbezug oder soziale Netzwerke im Internet),●Funktionssysteme (wie Medizin, Recht, Politik) und●der Gesellschaft (wie Beiträge zur Sozialpolitik).
Streitet ein Klient mit einem Mitarbeiter einer Sozialbehörde, dann kann dieser Streit unterschiedlich interpretiert werden. Mögliche Interpretationsebenen wären z. B. die Persönlichkeit des Klienten, der soziale Nahraum des Klienten, die Interaktion von Klient und Sozialarbeiter, rechtliche Vorschriften, die beteiligten Organisationen, gesellschaftliche Teilsysteme (z. B. Wirtschaft, Recht), kulturelle Muster von Männern und Frauen.
An diesen Möglichkeiten der Ausdeutung knüpft Soziale Arbeit an. Sie übersetzt Seinsbeschreibungen in soziale Relationen, und wo andere Ansätze Probleme wie Dinge behandeln, führt sie Prozesse ein. Soziale Arbeit entscheidet wesentlich darüber mit, wem Hilfe wie, wann und wo gewährt wird. Über ihre Traditionen, Erfordernisse und Wertsetzungen verdichtet sie soziale Zusammenhänge zu ihrem Gegenstand. Da schwierige soziale Situationen in vielen verschiedenen Lebenslagen auftreten, ist es auch nicht verwunderlich, dass Soziale Arbeit so unterschiedliche Praxisausprägungen hat. Damit wird weder theoretisch noch praktisch eine Allzuständigkeit begründet. Aufgrund der Vielzahl von Akteuren, die am Aushandlungsprozess um Hilfe beteiligt sind, entsteht ein sich stetig wandelnder, aber nicht beliebiger Gegenstand sozialarbeiterischen Handelns.Dimensionierung von Praxis
soziale Teilhabe
Ort der Leistung
Der Ort der Leistung Sozialer Arbeit wird hier nicht als räumlicher Ort verstanden, sondern systemisch (relational) gedeutet und als zwischen den Systemen bestimmt (z. B. zwischen Klienten und einer Organisation). Soziale Arbeit steht in ihren Praxisvollzügen vor der Notwendigkeit vermitteln zu müssen und zu entscheiden, auf welche Systeme sie sich in ihrer Arbeit bezieht. Bei diesen Verknüpfungsentscheidungen und -leistungen zwischen Systemen ist ein hohes Maß an Wissen, kommunikativem Geschick und Verantwortungsübernahme erforderlich, um
●sich für Klienten engagieren zu können (Adressatenbezug),
●die eigenen Ressourcen effizient einzusetzen (Selbstbezug) und
●nachhaltige Lösungen mit gestalten zu können (Gesellschaftsbezug).
Soziale Arbeit hat es mit mehreren Beteiligten zu tun (z. B. mit Vertretern einer Kommune, Geldgebern, Bürgern, Klienten) und richtet sich an verschiedenen Personen und Systemen mit unterschiedlichen Geschichten, Besonderheiten und Erwartungslagen aus. Eine Voraussetzung, dass dies in der Praxis gelingen kann, besteht in der genauen Reflexion und Überprüfung von Kooperationen und Parteilichkeiten. Mehrere Auftraggeber und Auftragslagen zu haben, ist nicht ehrenrührig, sondern als normal erwartbar. Sowohl die Geber von Ressourcen (Geld, Zeit, Rechte) haben Interessen, wie auch die Nehmer (Soziale Arbeit, die Personengruppen und Organisationen, für die sie Leistungen erbringt). Bürger, Adressaten, Klienten begegnen sich als Gestalter und als Betroffene.zwischensystemische Stellung
Bedeutung anderer Gebiete
Ob auf der Ebene von Interaktion mit Adressaten oder auf der Ebene von Organisationssystemen: Soziale Arbeit ist auf Kommunikation angewiesen. Kommunikative Anschlussfähigkeit bildet die Plattform ihrer Leistungserbringung. Durch Selbstbeobachtung in der Praxis (z. B. im Rahmen von Supervision bzw. Evaluation) besteht die Möglichkeit, die eigene Positionierung zu prüfen, beschreibbar zu machen und diesen ‚nichtstationären Ort‘ auszuhalten.
Theorieentwicklung
Die Ansprüche an die Reflexionsleistung werden systemtheoretisch bestimmt und orientieren sich daran, dass Reflexionsleistungen geeignet sind, die Einheit des Systems einzubeziehen. Mit der Thematisierung der Einheit als Bezugsrahmen besteht die Möglichkeit der professionellen Selbstvergewisserung und der Weiterentwicklung. Theorien dienen nach unserem Verständnis dem Justieren von Grundüberzeugungen und Handlungsausrichtungen.Reflexionsleistung
Forschungsmethoden
Diese Dimensionen werden durch den Autor um zwei weitere ergänzt: um eine theoretische und historische und um die Dimension Praxisentwicklung und –reflexion (Hollstein-Brinkmann 2012). Konkrete Forschungsdesigns können sich z. B. auf komplexe Dynamiken von Inklusion und Exklusion oder auf Bedingungen für ‚best practice‘ hinsichtlich der Organisations- und Interaktionsformen Sozialer Arbeit beziehen.
Die folgenden sechs Grundprinzipien veranschaulichen, woran systemische Praxis ausgerichtet werden kann (siehe Kap. 3). Je nach Arbeitsfeld und programmatischer Ausrichtung kommen die skizzierten Grundsätze des Vorgehens in unterschiedlicher Gewichtung zum Tragen.
Respekt


persönliche Haltung
Zirkularität und Vernetztheit
Systemische Praxis arbeitet mit Kommunikation und deren Regeln und Mustern. So wird weniger die Suche nach der Problemursache, als vielmehr die Frage des Umgangs mit unterschiedlichen Ursachen- und Kausalitätsvorstellungen in der sozialen Praxis bedeutsam. Die Betrachtung von isolierten Problemen wird selten dem Zusammenwirken von Alltagserfordernissen, emotionalen und sozialen Erfahrungen und den Erfordernissen von Organisationen gerecht. Die Aufmerksamkeit wird auf Komplexität und Wechselwirkungen zwischen Systemen gelenkt (z. B. Familie – sozialer Raum – Erwerbsleben). Diese Perspektive ermöglicht, die Zirkularität und Vernetztheit sozialer Zusammenhänge zu erfassen.praktischer Umgang


Leitdifferenz sozialer Teilhabe
Als Leitdifferenz der Sozialen Arbeit wird aus systemischer Perspektive das Problem der sozialen Teilhabe oder Nicht-Teilhabe diskutiert. Nicht generell Defizite an individueller Kompetenz, Gesundheit oder Bildung lassen Soziale Arbeit notwendig werden. Erst wenn bestimmte Definitionsgrößen des sozialen Zugangs, der gesellschaftlichen Teilhabe an Gütern und der Eigenverantwortung unterschritten werden, wird Soziale Arbeit herausgefordert, Formen der Leistungserbringung zu prüfen. Soziale Teilhabe umfasst auch die Mitwirkung an der Gestaltung der Zukunft und gleiche Chancen für gesellschaftliche Anerkennung.Teilhabe oder Nicht-Teilhabe
Ausgangspunkt Sozialer Arbeit


●Gewährleistung der Freiheitsrechte,
●Legitimation der Gesellschaftsform und
Daraus ergeben sich die Legitimation und die Aufgabe, andere gesellschaftliche Bereiche wie z. B. den Arbeitsmarkt oder das Bildungswesen zu thematisieren. Die Übernahme sozialer Dienstleistungen und der damit verbundenen Kosten muss demokratisch legitimierbar sein.
Ressourcen- und Lösungsorientierung
systemischer Fokus
Abb. 6: Zirkulärer Kreis positiver Rückmeldungen
Abb. 6 veranschaulicht stark vereinfacht eine zirkuläre Dynamik in Folge einer Orientierung an Bewältigungskompetenzen.
Kontextsensibilität
Systemische Praxis ist daran orientiert, sensibel mit dem Kontext jeden Verhaltens bzw. jeder Kommunikation umzugehen. Mit Kontext wird der Zusammenhang benannt, an denen Personen und Systeme ihre Entscheidungen ausrichten. Durch Kontextsensibilität gewinnt Soziale Arbeit Zugänge zu Sinn und zu Möglichkeiten der Veränderung. Verhalten kann vor einem bestimmten Hintergrund sinnvoll entschlüsselt werden (z. B.: Für welche soziale Situation aus der Vergangenheit könnte dieses Verhalten eine Antwort gewesen sein?). Die Frage, an welchen Kontexten Systeme ihre Entscheidungen und Handlungen ausrichten, bezieht sich u. a. auf soziale und gesellschaftliche Traditionen, Verhältnisse und Wertvorstellungen, Erfahrungen und Erwartungen. Mithilfe von Kontextsensibilität wird der Spagat zwischen Erfahrung und aktuellen Ausrichtungen bearbeitbar. Die ökologische Krise und der Klimawandel verändern den Gesamtkontext aller Gesellschaften auf der Welt.Ursache von Entscheidungen
Reflexivität
In der Sozialen Arbeit wird organisatorisch entschieden und methodisch gehandelt. Wirkungen werden beobachtet und bewertet. Alle diese Aktivitäten haben spezielle Voraussetzungen, Erfordernisse und Folgen, die reflektiert werden müssen. Da in der Praxis mehrere Themen und Beteiligte angesprochen werden, muss eine Auswahl getroffen werden: Wer, was, wie, wann und warum wird aktuell thematisiert? Diesen Selektionsprozess unter professionellen Gesichtspunkten zu gestalten, kann als Merkmal eigenständiger und verantwortungsvoller Praxis verstanden werden. Die Autonomie Sozialer Arbeit zeigt sich in Entscheidungen darüber, welche Wissensvorräte aus anderen gesellschaftlichen Bereichen Bedeutung erlangen sollen (z. B. aus der Medizin bei der Betreuung psychisch Kranker oder auffälliger Jugendlicher). Soziale Arbeit versteht sich aus den genannten Gründen als wissens- und reflexionsbasierte Wissenschaft und Praxis.reflexionsbasierte Wissenschaft
Ökologischer Wandel
DefinitionDer Titel „ökologisch“ soll beschreiben, dass ein Zusammenhang von Systemen erkennbar ist. Dieser realisiert sich über Informationen und Kreisläufe, wobei kennzeichnend ist, dass Aktivitäten eher durch das reagierende System als das auslösende System angeregt werden (Bateson 1981).
Für die Soziale Arbeit stellt sich die Frage, wie sowohl ihre Adressaten, die von ihr vertretenen Gruppen und sie als eigene ressourcenabhängige Professionsgruppe sich als Teil dieser Auseinandersetzungen verhält. Mit folgenden Fragen ist zu rechnen:Gesellschaftliche Orientierungen
●Mit welchen Argumenten kann Soziale Arbeit auf moralische Forderungen ebenso mit moralischen Forderungen antworten und – auf einer anderen Begründungsebene – mit Hilfe der Ethik deren Stellenwert bestimmen? Im konkreten Fall ist gerade ein verallgemeinernder Hinweis keine Gewähr dafür, dass nicht ein vergleichbarer Hinweis ein ebenso gewichtiges Argument darstellt.
●Warum soll das Glück oder die Not eines deutschen Bundesbürgers unter Menschenrechtsaspekten höher gewichtet werden als das einer Chinesin oder eines Polynesiers?
●Was ist das verbindende Element über die verschiedenen Ansprüche hinaus?


●Wie wird im gesellschaftlichen System eine Resonanz auf die Veränderungen der natürlichen Umwelt erzeugt, und wie erreicht diese Stimulanz das Teilsystem Soziale Arbeit und seine Adressaten? Die Resonanzfähigkeit der Gesellschaft ist mit der Art und Weise verbunden, wie sie Informationen filtert, verarbeitet und als Basis zur Entscheidungsfindung nutzt. Zu diesen Themen quer liegt die Differenzierung der gesellschaftlichen Systeme wie Wirtschaft, Recht, Bildung, Soziale Arbeit, Medizin. Die zentrale Frage bezieht sich auf die Repräsentation des Gesamtsystems, da Klimakatastrophen und ökologische Veränderungen das Gesamtsystem infrage stellen und eben nicht nur Teilsysteme betreffen. Diese wiederum sind aber in der differenzierten Gesellschaft Ansprechpartner und (Mit-)Gestalter von Lösungspfaden.
Die ökologischen Herausforderungen radikalisieren weitere Fragen:
1.Wie kann in einer differenzierten Gesellschaft, die von der Rationalität von Teilsystemen abhängig ist, schnell eine koordinierte Strategie gefunden werden, die sowohl die Folgen der Klimakatastrophe in den Blick nimmt als auch die Handlungen anderer Gesellschaften weltweit? Die Vorstellung, die Aufgaben der Gesamtrepräsentation an das politische System delegieren zu wollen, ist nachvollziehbar, aber in sich widersprüchlich, da die Selbständigkeit von Wissenschaft, Wirtschaft oder Sozialer Arbeit geradezu verlangt, benötigt und von den Systemen verteidigt wird.
Wenn Umweltethik synonym mit Moral gesetzt wird, besteht die Gefahr, dass sowohl das Reflexionspotenzial der Ethik nicht genutzt wird als auch Ethik zu einer Ansammlung von Forderungen wird („Moralpredigt“). Erfahrungsgemäß treffen Forderungen dann auf andere Forderungen – Konflikte entstehen und Zeit vergeht. Der Schutz der Lebensgrundlagen gerät auf praktischer (finanzieller usw.) Ebene in eine konkurrierende Situation zu sozialen Ansprüchen, auch wenn lautstark das Gegenteil behauptet wird. Wenn Regionen die exzessive Ausbeutung der Natur aufgeben, wird der öko-soziale Wandel Gewinner, Unbeteiligte und Verlierer hervorbringen. Es gibt keine Garantie für eine Gleichverteilung von Belastungen und zu erwartenden Nutzen.Erfordernisse ethischer Verständigung
Aufgrund des Zusammenhangs von Beobachter und Beobachtungsgegenstand (siehe Kap. 1.1) kommt die erste Priorität der Reflexion der eigenen Beobachtungen und Beschreibungen zu. In der systemischen Praxis werden ständig Entscheidungen vorgenommen, die einer kontinuierlichen und systematischen Reflexion bedürfen – aus dem Ansatz lässt sich für die Soziale Arbeit weder eine Opferrolle noch eine Begrenzung auf die Helferrolle ableiten.Systemische Reflexionsangebote
Definition von Moral und Ethik
Menschenbild
Zusammenwirken mehrerer Systeme
●dem Zusammenwirken von biologischem, psychischem und sozialem System,
●der individuellen Geschichte aus Zugehörigkeiten und Ausgeschlossensein von sozialen Systemen und
●den aktuellen Verbindungen (System-Umwelt-Relationen) des Menschen in seinem sozialen Raum.
Wertschätzung
Als ethischer Imperativ findet die Ausrichtung an der Erweiterung der Anzahl von Handlungsmöglichkeiten breite Anerkennung:
Soziale Gerechtigkeit
Soziale Gerechtigkeit ist sowohl auf einen Begründungsdiskurs als auch auf einen Anwendungsdiskurs angewiesen. Die Grundfragen, nach welchen Prinzipien wir welche sozialen Verhältnisse als gerecht beurteilen und wie Umverteilungen vorgenommen werden sollen, betreffen die Soziale Arbeit unmittelbar. Beide Fragen sind gesellschaftlich hochstrittig. Soziale Arbeit fördert soziale Gerechtigkeit, indem sie es Menschen ermöglicht, an unserer Gesellschaft und ihren Ressourcen teilzuhaben und sie in demokratischen Verfahren mitzugestalten. Entsprechend mischt sie sich in normative Diskurse der Gesellschaft ein und beteiligt sich an Umverteilungsprozessen.Einmischung
Versteht man, wie Rawls (1979), Gerechtigkeit als erste Tugend sozialer Institutionen, wird deutlich, dass Gerechtigkeitsfragen nicht losgelöst von sozialen Systemen und Organisationen bearbeitet werden können.
Nachhaltigkeit
Kritik an linearer Logik
●Welche bisherigen Lösungsversuche können als gescheitert gelten?
●Welche unbeabsichtigten Nebenfolgen von Hilfe können in den Blick genommen werden?
●In welchem Systemzusammenhang ist ein Problem die Lösung eines anderen Problems?
●Auf welcher Systemebene lässt sich ein als Problem definierter sozialer Zusammenhang nachhaltig lösen?


Zusammenfassend lässt sich zu den ethischen Perspektiven der Systemtheorie in der Sozialen Arbeit folgender Hinweis geben:
Systemtheorie ist keine ‚kritische‘ Theorie in dem Sinne, dass sie vorab auf ein normatives Ziel ausgerichtet ist, sondern eine ‚kritisch nutzbare‘ Theorie.
Dies hat Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen gehört, dass die normative Zielsetzung, die der Theorieanwender unterstützen will, von ihm ausgewiesen, verantwortet und geleistet werden muss. Der Anwender bekommt nicht automatisch eine normative Zielsetzung mitgeliefert. Die Grundstruktur der Systemtheorie ist relational.Vorteile der Theorie
„Systemische Herangehensweisen zielen immer auf die Analyse und Beeinflussung von Beziehungen ab: Beziehungen zwischen sozialen Systemen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen, Institutionen) und ihrer Umwelt.“ (Heiner 2004, 159)
Relationen konstituieren sich als ‚dazwischen Seiendes‘. Eine Beziehung ist nicht nur auf der einen oder auf der anderen Seite zu entdecken. Insbesondere normative Aussagen können daher erst im zweiten Schritt aus den vorangegangenen Beschreibungen abgeleitet werden – und sie verweisen auf den Autor der Beschreibung, wie nachfolgendes Zitat verdeutlichen soll:
Zusammenfassung
●Systemische Soziale Arbeit umfasst den Zusammenhang von systemischer Praxis und systemtheoretischen Interpretationen Sozialer Arbeit.●Systemische Soziale Arbeit begreift ihr Engagement als einen kommunikativen Zusammenhang für die Lösung spezifischer Aufgaben und Probleme der Gesellschaft – sie ist ein Teil der Gesellschaft und nicht außerhalb von ihr.●Systemische Soziale Arbeit berücksichtigt die Freiheit und die Unabhängigkeit der Adressaten, Klienten und Kooperationspartner und legitimiert sich über Beiträge zu demokratischen Diskursen.●Das systemische Vorgehen gründet in Respekt und einer am Dialog ausgerichteten Haltung sowie einer Orientierung an Ressourcen und Lösungen. Dabei wird das Zusammenwirken verschiedener Systeme berücksichtigt.●Systemische Soziale Arbeit reflektiert, dass Kontakte zu ihr sowohl positiv als auch negativ bewertete Folgen haben können, ebenso, dass sie selbst Menschen sozial ausschließt oder sich sozial negative Effekte zeigen können, und bezieht sich daher selbst ständig in ihre Analysen ein.

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9783846357330
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