Kitabı oku: «Zusammen aufwachen», sayfa 2
Sich selbst nicht als Feind sehen
Du trägst beide Seiten in dir: das Potenzial für absolute Klarheit und vollkommene Liebe ebenso wie die Neigung, dir und anderen das Leben immer wieder schwer zu machen. Wie kannst du nun dir selbst näher kommen und dich entwickeln?
Die wichtigste Voraussetzung ist ein ehrliches Interesse an dir. Es äußert sich zunächst in der Bereitschaft, dich dir selbst liebevoll zuzuwenden.
Bisher geht es dir vermutlich wie den meisten Menschen: Du beurteilst dich häufig. Immer wieder glaubst du, dass du etwas nicht gut genug machst oder, schlimmer noch, dass du nicht gut genug bist: Wieder einmal bist du zu spät aufgestanden, deine Wohnung sieht unmöglich aus, du vernachlässigst deinen Partner und meditierst zu selten. Mit einer solchen Salve an Urteilen kannst du dir im Handumdrehen den Tag verderben. Und kommst vielleicht zu dem Schluss: Ich werde es nie lernen. Ich bin einfach nicht gut genug. Mit mir stimmt etwas nicht.
Beurteilungen blockieren Entwicklung.Überlass solchen Gedanken und selbstschädigenden Einflüsterungen nicht das Feld! Bewertungen blockieren liebevolles Verständnis – die Voraussetzung für Entwicklung.
Der Schlüssel, so formuliert es der kalifornische Psychologe John Welwood1, liegt darin, dass wir unsere Persönlichkeitsstruktur nicht als Problem oder Feind sehen. Das ist ein sehr wichtiger Gedanke: Du musst deine Persönlichkeit nicht beurteilen, reparieren oder sogar auslöschen.
Versuch dir stattdessen mit einer Haltung von Interesse, Aufmerksamkeit und Mitgefühl zu begegnen. »Schwächen« sind in Wirklichkeit keine Schwächen. Wenn du deinen augenblicklichen Entwicklungszustand als »Schwäche«, »Unfähigkeit« oder »Versagen« bezeichnest, nimmst du eine Wertung vor und wertest deine eigene Bedürftigkeit ab. Damit machst du dir das Leben noch schwerer. Wäre es nicht sehr erleichternd anzuerkennen, dass dir bestimmte Sachen einfach (noch) nicht möglich sind und dass du auch überhaupt nicht perfekt sein musst? Bestimmte Dinge nicht zu können ist etwas vollkommen Natürliches!
Gelegentlich bin ich mit meiner Großnichte Amalia im Auto unterwegs. Sie ist noch ein kleines Kind und dementsprechend sitzt sie hinten auf der Rückbank in ihrem Kindersitz. Stell dir vor, nun würde jemand sagen: »Lass doch die Amalia auch mal fahren!« Würdest du das für eine gute Idee halten? Angenommen, dieser Jemand würde auf seinem Vorschlag beharren: »Wie, das kann sie nicht? Was für ein unbegabtes Kind!« Würdest du dem zustimmen?
Wir sind uns vermutlich einig: Amalia muss noch nicht Auto fahren können, denn sie ist noch ein Kind. Eines Tages wird sie Auto fahren (und lesen, schreiben und rechnen) können, aber zurzeit braucht sie noch besonders viel Unterstützung und muss zum Beispiel in den Kindergarten gefahren werden. Ihre Bedürftigkeit betrachten wir nicht als Makel, sondern als ihrem Alter angemessen.
Wenn du deine »Unvollkommenheit« und Bedürftigkeit genau so gütig betrachten kannst wie die eines Kindes auf der Rückbank im Auto, wird das sehr befreiend wirken. Mehr noch: So wird Entwicklung erst möglich.
Im nächsten Schritt kannst du dann auch die » Schwächen« deines Partners oder deiner Partnerin auf diese Weise betrachten.
Achtsamkeit entwickeln
Achtsamkeit ist eine unverzichtbare Grundlage, um zu mehr Verständnis und Klarheit zu gelangen. Man kann sogar sagen: Der buddhistische Weg zu Verständnis und zu Klarheit ist Achtsamkeit.
Die Achtsamkeitspraxis beginnt bei dir selbst und besteht nach meinem Verständnis aus drei wesentlichen Aspekten. Du übst sie am besten zunächst nacheinander, um sie dann allmählich miteinander zu verbinden.
•Akzeptierende Selbstbeobachtung
•Liebevolle Selbsteinfühlung
•Bewusster Verzicht auf sofortige Einordnung und Deutung
Achtsam zu sein bedeutet, sehr aufmerksam und offen wahrzunehmen, was im Moment gerade geschieht, ohne es zu bewerten oder beeinflussen zu wollen. Wenn es etwas Angenehmes ist, Achtsamkeit beinhaltet sowohl Selbstbeobachtung als auch Selbsteinfühlung.nimmst du dies wahr, versuchst aber, es nicht festzuhalten, wenn es wieder verschwinden will. Wenn es etwas Unangenehmes ist, versuchst du, dich nicht dagegen zu wehren, sondern es einfach nur wahrzunehmen.
Indem du achtsam bist, legst du die Grundlage für Verständnis und Mitgefühl dir selbst und anderen gegenüber – und damit für heilsames Handeln. Denn was du akzeptierst, kannst du klar sehen und verstehen. Und was du verstehst, kannst du auf heilsame Weise verändern. Auf diese Weise löst du die Fesseln, die die Identifikation mit Gefühlen und Gedanken dir anlegt.
Verlange nicht von dir, dass es dir auf einen Schlag gelingt, permanent völlig achtsam zu sein. Es wird dir zunächst sicher nicht leicht fallen, dir selbst ohne Bewertung zu begegnen. Das macht nichts, auch diese Praxis darf sich langsam entwickeln.
Übe dich als Erstes darin, dir selbst liebevolles Interesse entgegenzubringen. Wende dich dazu bewusst deiner Lebenssituation und den damit verbundenen Gedanken und Gefühlen zu. Nimm dir dafür ausreichend Zeit und Ruhe. Wenn du bemerkst, dass dir die Achtsamkeit abhanden gekommen ist, bist du schon wieder dabei, sie zurückzugewinnen. Wende dich dir einfach erneut liebevoll zu. Je länger du übst, desto besser wird es dir gelingen, achtsam zu bleiben, so wie ein Muskel immer stärker wird, wenn du ihn regelmäßig trainierst.
Wege der Achtsamkeit
Achtsamkeit umfasst sowohl die Wahrnehmung deiner Innenwelt als auch der Außenwelt. Sie grenzt nichts aus und bewertet nichts. Es ist allerdings nicht möglich, alles gleichzeitig achtsam wahrzunehmen, sondern du nimmst zu verschiedenen Zeiten verschiedene Dinge in den Fokus deiner Aufmerksamkeit. Bei der sogenannten » Panorama Bewusstheit« (Chögyam Trungpa) schaust du wie mit einem Weitwinkelobjektiv auf die Welt, begegnest also der gesamten Umgebung achtsam, kannst dafür aber Feinheiten nicht so intensiv wahrnehmen.
Achtsamkeit eröffnet dir verschiedene Zugänge zu dir selbst. Du kannst sie auf deinen Körper, deine Emotionen, deine Gedanken, deine Absichten und auch auf dein Bewusstsein selbst richten. Mit fortschreitender Praxis wirst du bemerken, wie eng all dies zusammenhängt. Gedanken rufen zum Beispiel Emotionen hervor, und jede Emotion hängt eng mit körperlichen Gefühlen zusammen. Dies alles nimmst du mit deinem Bewusstsein wahr.
Ein guter Einstieg in die Achtsamkeitspraxis ist immer wieder das bewusste Vergegenwärtigen deiner Erlebnisse. Eine Übung kann dich dabei unterstützen: Beim »Tagesrückblick« lässt du abends im Bett den Tag noch einmal Revue passieren und machst dir bewusst, wie du dich in verschiedenen Situationen verhalten hast und welche Auswirkungen dieses Verhalten auf dich und andere hatte.
Zunächst werde dir dabei deiner inneren Atmosphäre bewusst. Was fühlst du? Vielleicht nimmst du Anspannung wahr. Frage dich nun, was davor geschehen ist. Nehmen wir an, du hast mit deinem Partner zu Abend gegessen. Wie hat sich das angefühlt? Angespannt. Du hältst dies einfach nur fest.
Bewege dich auf diese Weise rückwärts durch die Abschnitte des Tages. Es geht ausdrücklich nicht darum, zu deuten oder zu bewerten. Mach dir einfach überblickartig bewusst, wie die aufeinander folgenden Situationen sich angefühlt haben und wie sie zusammenhingen. Du kannst dir dabei vorstellen, wie du mit einem Fahrstuhl aufwärts oder abwärts fährst und Einblick in die verschiedenen Etagen – die Situationen des Tages – erhältst, ohne irgendwo anzuhalten oder auszusteigen. Die Frage lautet einfach immer nur: Und was war davor? Wenn es dir lieber ist, kannst du auch mit dem Morgen beginnen und den Tag vorwärts durchgehen.
Die Macht der Gedanken
Wenn du im Alltag deine Gedanken achtsam verfolgst, kannst du feststellen, dass dir bestimmte Gedanken über dich immer wieder Schwierigkeiten bereiten. Du setzt dich zum Beispiel selbst unter Druck (»Ich muss«), wertest dich ab (»Ich bin nicht gut genug«) oder stempelst dich ab (»Ich bin nun mal ungeschickt«). Diese Gedankenmuster blockieren dich, führen in die Grübelei, rufen belastende Emotionen hervor und rücken Glück, Freude und Zufriedenheit in weite Ferne. Weil du dich mit diesen Gedanken identifizierst, kannst du andere Aspekte deiner Persönlichkeit nicht mehr wahrnehmen. Um etwas zu verändern, musst du es zuvor akzeptieren.Die Schwäche, die du dir unterstellst, erzeugst du mit diesen Mustern erst oder erhältst sie am Leben.2 Wenn du sie bewusst wahrnimmst, bist du nicht mehr so stark an sie gebunden. Mit der Zeit kannst du sie völlig entmachten.
Verstand ist nicht alles!
Du hast zwei Möglichkeiten, zwei Bewusstseinsarten, um mit dir und anderen zu kommunizieren. Der tibetische Meister Tarab Tulku und seine Schülerin Lene Handberg sprechen vom Verstandesbewusstsein und vom fühlenden Bewusstsein oder Spürbewusstsein.3 Keine dieser beiden Bewusstseinsformen ist besser oder schlechter als die andere. Du brauchst beide Zugänge, um dich in der Tiefe verstehen zu können. Zugang zu deiner eigenen Stärke findest du, indem du sie beide unterscheiden und für dich nutzbar machen lernst.
Im Verstandesbewusstsein erfährst du dich und die Welt denkend, benennend, beurteilend. Immer wenn Denken und Sprache im Spiel sind, ist das Verstandesbewusstsein aktiv. Während das fühlende Bewusstsein immer mit dem gegenwärtigen Moment verbunden ist, bezieht sich das Verstandesbewusstsein auch auf Vergangenheit und Zukunft.
Das Verstandesbewusstsein mit seinen Begriffen fixiert und trennt. Du denkst nach über dich und bist damit in einer gewissen Distanz zu dir. Im Verstandesbewusstsein entsteht oft eine Kluft: Auf der einen Seite erlebst du, was und wo du gerade bist, auf der anderen, was und wo du gerne wärest. Aus diesem Mangelgefühl entsteht Begehren. Somit ist das Verstandesbewusstsein meist unterwegs mit einem offenen oder versteckten Plan.
Das Spürbewusstsein verwendet keine Sprache, du erfährst dich über das direkte Spüren. Über die Einfühlung führt dich das Spürbewusstsein in die frische Wahrnehmung und Verbindung.
Achtsamkeit auf den Körper lenken
Indem du die Achtsamkeit auf den Körper lenkst, aktivierst du das Spürbewusstsein. Spüre deinen Körper, während du ein gutes Essen genießt, wenn du tanzt, Sport treibst, in der Sauna schwitzt oder dich bei einer Massage entspannst. Spüre möglichst genau: die kleinen geschmacklichen »Sensationen« in deinem Mund (Sinneseindruck heißt auf Englisch nicht zufällig sensation!), die Bewegung deines Körpers im Rhythmus der Musik, der beschleunigte Herzschlag, der Schweiß, der deinen Rücken hinabrinnt, die kraftvollen Hände des Masseurs.
Beim nächsten Schritt konzentrierst du dich nicht auf die Sinneseindrücke, die von der Außenwelt hervorgerufen werden, sondern du versuchst, deinen Körper von innen zu fühlen. Am besten beginnst du an einem Ort in deinem Körper, den du besonders gut spüren kannst, zum Beispiel der Bereich des Sonnengeflechts in der Magengegend oder die Herzgegend. Es kann auch ein völlig anderer Ort sein: der Kopf, die Wirbelsäule, die Arme, die Füße, das bleibt ganz dir überlassen. Deinen persönlichen »Wohlfühlort« im Körper kannst du mit einer Übung ausfindig machen.4
Auch wenn du über diesen Wohlfühlort Kontakt zu dir selbst aufnimmst, werden Gedanken auftreten. Lass sie einfach kommen und gehen. Statt ihnen zu folgen, lenke deine Achtsamkeit zurück auf das Empfinden an deinem Wohlfühlort.
Mit wachsender Achtsamkeit kannst du dann auch andere körperlichen Empfindungen wahrnehmen. Du wirst feststellen, dass jede Emotion mit körperlichen Empfindungen einhergeht. Wenn du verliebt bist, schlägt dein Herz schneller, es kribbelt im Bauch, du hast feuchte Hände, einen trockenen Mund. Wenn du dich nach einem Streit mit deinem Partner verletzt und hilflos fühlst, spürst du vielleicht einen Kloß im Hals. Wenn du merkst, dass deine Partnerin ärgerlich wird, und infolgedessen Angst bei dir aufkommt, verspannen sich deine Schultern. Wenn du auf den Ärger deiner Partnerin mit Wut reagierst, macht diese sich durch Spannung im Sonnengeflecht bemerkbar.
Meist sind Emotionen zunächst über Körperempfindungen wahrnehmbar. Mit etwas Übung wird der Körper für dich zu einer Art Wünschelrute: Er zeigt dir an, dass bestimmte Gefühle aufkommen. Dein Körper führt dich wie eine Wünschelrute zu deinen Gefühlen.Wenn du sie rechtzeitig bemerkst, kannst du ihnen deine volle Aufmerksamkeit schenken und entscheiden, wie du mit ihnen umgehen möchtest, bevor sie die Kontrolle übernehmen. So bist du zum Beispiel in der Lage, in einem Streit nicht aus Wut zu reagieren und damit alles noch schwieriger zu machen. Versuche stattdessen innezuhalten, dich vielleicht sogar zurückzuziehen, bis deine Emotionen nicht mehr so stark sind.
Wichtig ist, dass du deine körperlichen Empfindungen und Emotionen nicht bewertest. Bleib einfach in Verbindung mit ihnen und gib ihnen Raum. Wenn die Situation es zulässt, interessiere dich für sie und taste dich mit dem Spürbewusstsein förmlich in sie hinein. Es ist nicht wichtig, was du spürst, sondern dass du spürst. Auf Benennungen und Erklärungen versuche zu verzichten.
Wenn du deine Gefühle interessiert und wohlwollend erforschst, bringst du ihnen keinen Widerstand mehr entgegen. Du löst dich aus der Identifikation mit ihnen. Sie fesseln dich nicht weiter, sondern du beobachtest, wie sie kommen und gehen – und bist im selben Moment frei. Du stellst fest: Das Gefühl an sich ist nichts Bedrohliches, es ist wie eine Wolke, durch die du unbeschadet hindurchzugehen vermagst.
Zugleich kommst du in Kontakt zu einer tieferen Schicht in dir, die von Mitgefühl und Akzeptanz geprägt ist und eine liebevolle Kraft freisetzt.
Verzichte darauf, verstehen zu wollen
Wenn du dich ganz dem Spürbewusstsein hingibst, verzichtest du zunächst darauf, etwas verstehen zu wollen – und ermöglichst damit letztlich ein tieferes Verständnis.
Eine meiner Schülerinnen hat dies auf sehr beeindruckende Weise erlebt. Sie praktiziert schon sehr lange und gibt selbst Meditationskurse. Vor einiger Zeit hatte sie große Probleme mit ihrem Partner, und obwohl sie schon viele Methoden ausprobiert hatte, fand sie keinen angemessenen Umgang damit. Folgender Rat hat ihr schließlich geholfen, den Teufelskreis des Verstandesbewusstseins und der damit verknüpften Muster und Prägungen zu durchbrechen:
Wenn du das nächste Mal in einer schwierigen Situation mit ihm bist, konzentriere dich nicht auf ihn und die Situation, sondern spüre in dich hinein. Verzichte bewusst darauf zu verstehen, was geschieht. Verzichte auch darauf, dem Geschehen irgendeine Bedeutung beizumessen; es ist weder bedeutungsvoll noch bedeutungslos. Ordne nichts ein, lass es einfach nur sein. Bleibe wach und zeige Präsenz im direkten Kontakt mit dem Leben. Wenn es dir gelingt, werden die Spannungen sich lösen. Du musst dann nichts mehr überwinden, nichts erreichen. Du gelangst in einen Zustand, in dem es dir an nichts mangelt.
Sicher, in Beziehungen gibt es immer wieder viel zu besprechen. Jeder hat Bedürfnisse und Wünsche, die es zu achten gilt. Schwierigkeiten verlangen oft danach, verbal geklärt zu werden. Auch Kritik am Partner, der Partnerin muss möglich sein. Der Schlüssel zum Glück ist direktes Erleben.In den folgenden Kapiteln biete ich dir Hilfestellungen für den Beziehungsalltag an. Der wichtigste Schlüssel zum Glück jedoch ist direktes Erleben. Es ermöglicht dir, mit dir selbst und anderen Menschen verständnisvoll und gütig umzugehen – auch in schwierigen Situationen. Das Spüren ermöglicht dir eine kraftvolle Gelassenheit, die dir in der Beziehung zu dir selbst und anderen sehr helfen wird.
3. In Kontakt kommen
In einer buddhistischen Zeitschrift las ich einmal folgende Kontaktanzeige: »Junger, gut gebauter, dunkelhaariger Buddhist sucht: sich selbst.«
Zuerst ging ich davon aus, dass es sich nur um einen Scherz handelte. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass der Mann auf der richtigen Fährte war. Er wusste offenbar: Wer Einsamkeit hinter sich lassen will, muss nicht unbedingt den Partner fürs Leben kennenlernen, sondern vor allem sich selbst.
Im Kontakt mit der eigenen inneren Fülle fällt es dann leichter, mit anderen Menschen in Verbindung zu treten – sei es auf der Suche nach dem Traumpartner oder in der Beziehung, in der man bereits lebt.
Die Sehnsucht nach Verbindung
Von meinen Einsätzen als Notarzt kenne ich schon lange einen Mann, der immer wieder anruft, besonders häufig in der dunklen Jahreszeit und an Feiertagen, wenn andere bei ihren Familien oder mit Freunden zusammen sind. Meistens gibt er Herzschmerzen als Grund für seinen Anruf an. Doch es ist nicht sein körperliches Herz, das schmerzt. Seine Wohnung ist voller Plüsch-Teddybären: In jeder Größe und Farbe, in allen Zimmern, insgesamt sind es über 600. Er möchte keine Behandlung im üblichen Sinn. Er möchte nur, dass ich bei ihm sitze – etwa 10 bis 15 Minuten, entsprechend der Dauer eines gewöhnlichen Hausbesuchs, denn er ist bescheiden. Manchmal möchte er, dass wir zusammen schweigen, hin und wieder erzählt er ein wenig aus seinem Leben: Von einem als lieblos empfundenen Elternhaus, zwei gescheiterten Ehen ohne Kinder. Seit Jahren lebt er allein und vermeidet, unter Menschen zu gehen, denn dann fühlt er sich noch einsamer. Gleichzeitig sehnt er sich nach einem Ausweg aus diesem Gefängnis.
Einsamkeit ist weit verbreitet
An Weihnachten verdoppeln wir im ärztlichen Notdienst die Einsatzkräfte. Zwar nimmt die Einsamkeit selten so drastische Formen an wie bei dem Mann mit den 600 Teddybären, aber unter Einsamkeit leiden heute sehr viele Menschen, und zwar unabhängig von ihrem Alter und der sozialen Stellung.
Wahrscheinlich kennst du ebenfalls Phasen oder Momente der Einsamkeit in deinem Leben. Auch Menschen, die Freunde haben und in einer Beziehung leben, können sich einsam fühlen. In manchen Beziehungen haben die Partner schon lange die Verbindung zueinander verloren.
»Er sitzt nur noch vor seinem Computer«, berichtete mir einmal eine Kursteilnehmerin. Seit über 30 Jahren war sie mit ihrem Mann verheiratet. »Für mich interessiert er sich nicht mehr und ich darf ihn nicht mehr berühren.«
Eine andere Frau verließ ihren Mann nach vielen Jahren der Einsamkeit in der Ehe und schloss sich einer spirituellen Wohn- und Lebensgemeinschaft an. Nach einem halben Jahr sprang sie von einer Brücke. Sie hinterließ einen Zettel: »Bei euch habe ich erfahren, was möglich ist. Doch für mich ist der Weg dorthin mittlerweile zu weit und zu schwierig.«
Das Gefühl getrennt zu sein
Einsamkeit geht stets einher mit dem Erleben, getrennt zu sein. Du sehnst dich nach Zugehörigkeit, nach Liebe und menschlicher Wärme und gleichzeitig erlebst du dich als ausgegrenzt, wie umzäunt. Jedes Erleben von Trennung ist mit Leiden verbunden.
Einsame Menschen tragen oft tiefe Blockaden in sich, die sie hindern, sich auf andere einzulassen. Der Grund dafür können schmerzhafte Erfahrungen in vorherigen Bindungen sein, sei es mit den Eltern oder in Liebesbeziehungen. Die Angst, dass sich die schmerzhaften Erlebnisse wiederholen könnten, ist dann übermächtig.
Auch die Angst vor Ablehnung kann eine Rolle spielen. In milderer Form kennen wir solche Blockaden als Schüchternheit. Aus Angst vor negativen Reaktionen fällt es uns schwer, Kontakt aufzunehmen. Obwohl wir nach Nähe suchen, weichen wir aus oder ziehen uns zurück. Dann leiden wir unter dem Gefühl, keine Verbindung herstellen zu können, nicht dazuzugehören.
Von außen ist das oft kaum wahrnehmbar. Manche Menschen leben ein scheinbar geselliges Leben, fühlen sich aber einsam. Mir selbst ging es oft bei geselligen Anlässen mit verordneter Fröhlichkeit so, zum Beispiel an Silvester.