Kitabı oku: «Trotz Depressionen ein erfolgreiches Leben», sayfa 2

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3. Wohngemeinschaft und Weiterbildung

Mit der Halbpension im Lehrlingsheim war es nun vorbei. Ab sofort hatten wir alle mit Wäschewaschen, Kochen und Putzen zu tun. Dafür hatten wir jetzt deutlich mehr Freiheiten.

Mit der Anweisung, um 22.00 Uhr zu Hause sein, war es nun glücklicherweise vorbei. Mit unseren restriktiven Budgetplanungen waren Einkäufe nur im Aldi möglich – damals noch im kartonweisen Sortiment. Nur das Bier musste schon einen hohen Qualitätsstandard haben. Jeder kam den notwendigen Aufgaben nach, sodass schnell eine enge Gemeinschaft entstand. Für unseren zentralen Ölofen, der in der Küche stand, hatten wir allerdings nur einen Spezialisten ausgewählt. Im Winter, mindestens einmal im Monat, kam es zu einer Feinstaubexplosion. Küche und Wohnzimmer standen im Rußnebel. Nur unser Spezialist konnte das Gerät wieder in Gang setzen. Wir anderen duften den klebrigen Ruß überall entfernen – eine großartige Aufgabe, und das immer wieder. Hier rühren auch folgende Ausrufe der Verärgerung beziehungsweise der Aufregung her. „Martha die Axt“ und „Mann die Karre“, die bis heute noch in den Folgegenerationen zum Einsatz kommen.

3.1 „44“ – für immer unvergesslich

Das Evergreen „In unserem Veedel“ von der Kölner Gruppe De Bläck Fööss wurde zu unserem WG-Motto-Lied. Der Refrain „… denn hier hält man zusammen, in unserem Veedel …“ wurde auf die Hausnummer unseres kleinen Häuschens umgewidmet, nämlich „44“. Wenn wir uns heute irgendwo treffen, wird das Superlied immer noch geschmettert. „44“ bekam schnell einen hohen Bekanntheitsgrad im Leverkusener Stadtteil Schlebusch. Im Erdgeschoss unseres Hauses hatten wir auf Dauer zwei Partyräume eingerichtet, in denen nicht – wie im Lehrlingsheim – um 22.00 Uhr Sperrstunde war, sondern immer der Bär von der Kette war. Regelmäßig an den Wochenenden hatten wir legendäre Feiern und das Haus voller Gäste. Unser Bekanntenkreis wurde ständig größer. Hinzu kamen die Sommerfeste im großen Garten hinter dem Haus als Highlight. Dabei herrschte eine Art Volkfeststimmung, wobei nicht nur Hunderte von Menschen, sondern auch Hunderte Liter Bier – gepaart mit vielen Flaschen Persiko (ein damals beliebter Likör aus Sauerkirschsaft) – anwesend waren. Das war selbstverständlich vorher und nachher viel Arbeit und Organisation für uns alle. Doch wir Jungs aus „44“ hatten alle einen Riesenspaß daran, anderen eine Freude zu bereiten.

Wie bereits im Lehrlingsheim, durfte ich für die passende Musik zum richtigen Zeitpunkt sorgen. Ziel war dabei immer, die Mannschaft in Wallung und auf die Tanzflächen zu bringen. Irgendwie ist mir das immer gelungen; auch viel später, bei Feiern im Berufsleben oder privaten Bereich. Das Equipment waren damals lediglich geschickt aufgenommene Musikkassetten und Schallplatten.

Ja, „44“ ist, bis heute nach 50 Jahren, ein Pseudonym für Freundschaft, Kameradschaft und Einheit. Alle ehemaligen Bewohner leben heute verstreut in ganz Deutschland und Europa. Wenn dann alle fünf Jahre zu einem Treffen aufgerufen wird, dann ist es nur eine Frage der Ehre und der gemeinsamen Erinnerung und alle laufen selbstverständlich ein. „44“ war nicht nur bekannt als Partymeile im Stadtteil Schlebusch. Hier war auch die Wiege weiterer Bildung und späterer Hochschul-/Universitätsstudien. Drei von uns arbeiten später in gehobenen Stellungen bei großen Chemieunternehmen. Einer von uns ist selbstständiger Zahnarzt. Doch eins nach dem anderen.

3.2 Endlich etwas nachholen

Während mein Zimmernachbar und ich noch unserem erlernten Beruf bei Bayer nachgingen, besuchten die anderen beiden die Fachoberschule und begannen schließlich ein Chemiestudium. Durch ihr Vorbild und ihren Bildungsweg wurden wir zwei Hauptschüler motiviert, zunächst einmal die Mittlere Reife nachzuholen. Das war doch schon mal etwas. In der Praxis bedeutete der Weg, berufsbegleitend, zwei Jahre lang dreimal in der Woche in die Abendschule. Das war eine harte Zeit, nach der Arbeit bis 21.00 Uhr die Schulbank drücken. Es war sehr kräftezehrend und brachte in unserem Privatleben enorme zeitliche Einschränkungen. Ich hatte mir damals schon fest vorgenommen, nie wieder irgendeine Weiterbildung regelmäßig am Abend durchzuführen. Doch es hatte, wie immer, auch einige wenige Vorteile.

3.3 Ming eeste Fründin

So freundete ich mich für eine ganze Zeit mit einer netten Leidensgenossin an. Wir mochten uns sehr, sie war sogar in „44“ integriert, was schon ein besonderes Vorrecht war. Doch wir sind für damalige Verhältnisse erstaunlicherweise kein klassisches Paar geworden. Es gab verständlicherweise auch keinen Sex. Ich bin ihr auch nicht zu nahe gekommen, obwohl ich es selbstverständlich versucht habe. Aus irgendwelchen Gründen, die ich heute nicht mehr nachvollziehen kann, hat es wohl nicht funktioniert. Der ganze Anhang aus „44“ war sehr traurig, als wir uns schließlich getrennt haben; sie war mittlerweile von allen ins Herz geschlossen worden.

Nach der Abendschule haben mein Zimmernachbar und ich bei Bayer gekündigt und versuchten – wie bereits unsere ehemaligen Mitbewohner – die Fachoberschule zu besuchen. Der Abschluss berechtigte uns dann, an einer Fachhochschule zu studieren. Vorher sollte dann noch etwas Wegweisendes geschehen.

Kurz vor dem Abschluss waren wir mal wieder unterwegs, um irgendwo einen schönen Abend zu beginnen und dann zu Hause Party zu machen. Wir hatten uns im Nachbarstadtteil Alkenrath für das Festzelt „Tanz in den Mai“ entschieden. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, der spätere Bundespräsident Johannes Rau führte den Eintanz durch. Er war zu diesem Zeitpunkt noch single. Erstaunlicherweise trafen wir dort einige Ausbilder aus der Zeit unserer Berufsausbildung bei der Bayer AG. Sie luden uns an ihren Tisch. Demnach waren wir ihnen nach Jahren wohl immer noch gut bekannt. Die Nichte eines Ausbilders saß auch dabei. Der Abend führte dann schließlich dazu, dass ich – völlig nichts ahnend – meine künftige Ehefrau Monika kennengelernt habe. Dazu später mehr.

Ich schloss die Fachoberschule erfolgreich ab. Im Vorfeld hatte ich mich um einen Studienplatz in Gießen bemüht. Doch wo die Liebe nun mal hinfällt. Die enger werdende Freundschaft zu Monika führte dazu, den Plan aufzugeben und zunächst in Leverkusen zu bleiben. Nach drei Jahren „44“ hatte sich die Gemeinschaft in alle Himmelsrichtungen aufgelöst. Daraufhin habe ich mir ein kleines Appartement gemietet und sollte jetzt unerwartet einige Jahre nachts unterwegs sein.

4. Erster Job als Taxifahrer

Als Student ist man finanziell schon sehr eingeschränkt. Deswegen wollte ich bis zum Studienbeginn an der Fachhochschule in Köln noch einige Monate etwas Geld verdienen. Graham Bonney sang zu der Zeit „Wähle 333 auf dem Telefon …“. Für meine Dienste sollte jetzt hoffentlich jeder nachts 3333 der Taxigenossenschaft Leverkusen wählen. Ich fand den Job derart aufregend, dass aus den geplanten wenigen Monaten zwei Jahre geworden sind. Leverkusen ist trotz seiner Großindustrie nicht gerade der Ort für ein ausgiebiges Nachtleben. Dennoch war ich gern nachts unterwegs, zumal zu der Zeit nur wenige Taxis im Einsatz waren. Dennoch bedeutete es viel Wartezeitzeit auf den Taxihalteplätzen und unendlich viel Gelaber mit den Kolleg(inn)en. Ich habe das Taxifahrervolk zu der damaligen Zeit als eine eingeschworene Gemeinschaft kennengelernt. Ich durfte dann bald auch dazugehören. Wir feierten viel zusammen und verbrachten viele gemeinsame klasse Stunden und sogar Urlaube auf Malle. Die Zeit hat mir dermaßen viel Spaß bereitet, dass ich sogar eine Taxikonzession mit Auto von meinem Unternehmer erwerben wollte. Wenn es innerhalb der Woche doch recht gemütlich zuging, so waren die Wochenenden schon recht lebhaft. Während ich vor meiner Taxifahrerzeit während Karneval und Silvester selbst ausgiebig Party gemacht hatte, so saß ich jetzt im Auto. Das war sehr lukrativ – doch auch äußerst stressig. Rückblickend gesehen, habe ich bei dem derartigen Trubel und langen Wartezeiten auf den Halteplätzen mit Kurzfahrten um die Ecke sehr viele Nerven gelassen.

Das war dann auch der wesentliche Grund dafür, weshalb ich die Festanstellung im Taxigeschäft aufgegeben habe. Während der zwei Jahre hatte ich das Fahrzeug fast jede Nacht zur Verfügung. Ich war täglich viele Stunden unterwegs und hatte relativ wenig Freizeit. Meine guten Freunde und sogar meine künftige Ehefrau gingen zum Feiern, während ich auf der Straße unterwegs war und auf Fahrgäste wartete.

Vergessen werde ich dabei niemals, dass ich durch den hohen Zeiteinsatz genug Geld gespart habe, um eine große Hochzeit auszurichten sowie nach der Heirat eine neue Wohnung komplett einzurichten. Wenn ich heute mit einem Taxi unterwegs bin, dann denke ich automatisch und gern an diese schöne und recht aufregende Zeit zurück, die mich als Mensch auch sehr geprägt hat.

5. Hochschulstudium – erste Anzeichen einer beginnenden schrecklichen Krankheit

1979 – also im Alter von 23 Jahren – gab es wieder Veränderungen in meinem Leben. Dieses Mal mit großen späteren Auswirkungen. Zunächst habe ich meine Frau Monika im Juni ’79 geheiratet. Selbstverständlich waren nebst Familien auch die Jungs aus „44“ mit Anhang dabei. Wir hatten eine Wohnung in Köln gefunden – in Sichtweite von der Fachhochschule in Köln-Deutz. Dann habe ich wider Erwarten doch noch die Kurve bekommen und im August ’79 mit dem Ingenieurstudium der Versorgungstechnik begonnen.

Der Wechsel vom nächtlichen Taxifahren in den Hörsaal und an den Schreibtisch war für mich äußerst gravierend und sehr, sehr anstrengend. Ich zweifelte schnell daran, ob dieser Weg die richtige Entscheidung gewesen war. Das machte sich auch schon bald in der Praxis bemerkbar, da ich einfach keinen Bock auf Vorlesung und Dozenten hatte. Stattdessen stand ich morgens oft nicht auf und verbrachte den Vormittag gemütlich im Bett, bestückt mit diversen Schokoladentafeln. Meine Frau bemerkte die ersten Ausfälle nicht, weil sie sich frühmorgens in die Arztpraxis aufmachte. Als Arzthelferin hatte sie einen langen Arbeitstag. Deswegen hatte ich mit meinem Vorgehen auch bald ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. Ich musste mich also irgendwann aufraffen und selbst unter Druck setzen, wieder morgens loszugehen.

Nach den ersten Wochen fand ich glücklicherweise einige Kommilitonen, die mir das Studium erleichterten. Es entstand eine freundschaftliche Zusammenarbeit, wobei wir uns gegenseitig anspornten – es war ein Geben und Nehmen.

Nach einem halben Jahr standen glücklicherweise die ersten beiden Prüfungen an, darunter auch das Fach Physik – mein totales Antifach in der Berufs-/Fachoberschule. Die Vorbereitungszeit dafür und die Prüfungen selbst hatten mein Nervenkostüm derart strapaziert, das ich erst einmal nicht mehr bereit war, mich einem derartigen Stress auszusetzen. Kurzerhand bewarb ich mich bei der Bundesbahn für den mittleren Dienst. Das hatte zwar wenig mit meinem erlernten Beruf und dem Ingenieurstudium zu tun, doch das war mir völlig egal. Nur bloß weg von diesem schrecklichen stressigen Hochschulbetrieb. Zunächst erhielt ich eine Einladung zum gesundheitlichen Check beim Bahn-Arzt. Das erkannte ich schon einmal als positives Vorzeichen dafür, dass sich da etwas ergeben könnte. Doch das war wohl nix. Der Bahn-Arzt stellte leider in Teilbereichen eine Farbenblindheit, eine Rot-Grün-Sehschwäche, bei mir fest. Dieses Ergebnis war dann also das absolute No-Go für alles, was irgendwie mit der Schiene und Signalen zu tun hat. Er stufte mich als „bahnuntauglich“ ein.

Daraus folgte, dass ich mich schweren Herzens wieder dem Studium zuwenden musste. Etwas Rückenwind und neue Motivation gaben mir die beiden ersten bestandenen Prüfungen. Doch bei dem Gedanken, dass mich noch weitere 22 Prüfungen bis zum Studienabschluss erwarteten, wurde mir sofort ganz mulmig. Sehnsüchtig blickte ich zurück auf meine Taxifahrerzeit und begann dann wieder zu fahren, aber nur am Wochenende. Das war, neben den Einkünften, auch eine willkommene Abwechslung, mal wieder mit den alten Freunden solidarisch als Mannschaft zusammen zu sein.

Der mittlerweile regelmäßige Lern- und Klausurstress hat mich schwer mitgenommen. Ich fühlte eine zunehmende Leere und Antriebslosigkeit. Mein gesundes Selbstbewusstsein wurde immer mehr vertrieben durch Minderwertigkeitsgefühle. Aus einem lebenslustigen und humorvollen Menschen, der andere zum Lachen bringen konnte, wurde eine stille, zurückgezogene Figur. Entspannung und Freude wichen Gereiztheit und negativen Gedanken, die sich zwischen Leben und Tod abwechselten. Ich war der Meinung, dass das Studium sich für mich als eine emotionale Belastung darstelle. Ich folgte meiner befreundeten Studiengruppe nur noch mechanisch zur Klausurvorbereitung in Meetings oder sonst wo.

Tipp:

Bei einer Depression gehört es zu den typischen Symptomen, sich von anderen Menschen zurückzuziehen. Hier können mehrere Aspekte eine Rolle spielen, zum Beispiel einfach seine Ruhe haben zu wollen, die Sorge vor Ablehnung, die Sorge, nicht ernst genommen zu werden, oder keinem zur Last fallen zu wollen.

Die gezielte Kontaktpflege mit ausgewählten Personen, in deren Anwesenheit der Betroffene sich sehr wohlfühlt, kann zu einer Verbesserung seiner Verfassung führen.

Damals hatten ich und mein näheres Umfeld, einschließlich meiner engsten Familie, keinen blassen Schimmer, dass meine offensichtlichen mentalen Veränderungen die ersten Anzeichen einer sich anbahnenden psychischen Krankheit waren.

Nach vier Semestern hatte ich tatsächlich alle anstehenden Prüfungen erfolgreich absolviert. Ich will mich nicht hervorheben, aber wenn ich meine zahlreichen Kommilitonen betrachte, war das nicht selbstverständlich und ganz sicher auch nicht mein alleiniger Verdienst. Eigentlich lag jetzt nur noch ein Jahr einschließlich der Diplomarbeit vor mir. Dennoch befand ich mich in einer psychisch schwierigen Phase. Frust und Gleichgültigkeit sowie die beschriebenen Merkmale prägten den Alltag.

Wieder war ich entschlossen, das Studium an den Nagel zu hängen, und sah mich stattdessen lieber als ungelernte Arbeitskraft in der Industrie um. Doch meine Frau und gute Freunde standen zu mir und halfen mir, das Tief einigermaßen zu überwinden. Das Jagen nach den letzten Prüfungsscheinen ging also wieder weiter. Kurz danach sollte sich die nächste Überraschung einstellen, so nach dem Motto: „Unverhofft kommt oft.“

5.1 Eine ernst zu nehmende Überraschung

Meine Frau kam freudestrahlend von der Arbeit und berichtete mir, sie sei schwanger. Das hört sich jetzt zwar traurig an, doch ich wusste nicht, ob ich lachen oder heulen sollte. Ich entschied mich für Letzteres und schloss mich stundenlang im Wohnzimmer ein. Wie sollte ich ohne Studienabschluss und ohne Arbeit eine Familie ernähren? Nur darum drehten sich meine Gedanken. Ich verstand auch nicht so recht, wie eine Frau, die doch bei einem Gynäkologen arbeitete, schwanger werden konnte. Damals gingen die Pharmareferenten dort noch ein und aus und ließen immer die wichtigen Musterpillen zurück. Kurzum, die neue Situation bedeutende jetzt für mich noch mehr Stress, noch mehr Gas geben, um idealerweise zur Geburt unseres ersten Sohnes Daniel eine feste Anstellung zu haben.

Unter höchsten Anstrengungen habe ich dann von 150 Studenten im Fachbereich als Erster im Februar 1983 den Abschluss geschafft. Das war jetzt nicht das Ergebnis meiner Intelligenz oder weil ich so großartig bin. Nein, es war einfach nur Hochdruck und Sorge für die Familie. Eine Woche nach der Diplomprüfung habe ich dann meine erste Stelle als Diplom-Ingenieur der Versorgungstechnik angetreten. Es gab weder Urlaub noch eine Auszeit. Bei dieser ersten Arbeitsstelle sollte es eine unangenehme Überraschung geben. Mein künftiges Berufs- und Privatleben sollte in völlig neue Bahnen gelenkt werden.

6. Erster Job nach dem Studium

Ich war selbst überrascht, wie reibungslos und schnell das Bewerbungs-/Einstellungsverfahren bei meiner ersten Bewerbung gelaufen ist. Es handelte sich dabei um ein kleines eigentümergeführtes Unternehmen mit dreißig Mitarbeiter(inne)n, mit dem Schwerpunkt Wasseraufbereitung. Die Anlagen wurden entsprechend der individuellen Kundenbedürfnisse konzipiert und im Unternehmen auch selbst gebaut und installiert. Meine Aufgabe war es nun, derartige Anlagen in Unternehmen des Mittelstandes – im Medizinbereich bis hin zur Industrie – an den Mann zu bringen.

Das heißt: Kundenakquisition und Verkauf standen bei meiner Tätigkeit im Vordergrund. Doch halt, im Grunde hatte ich doch gar nicht vor, nach dem Studium irgendetwas zu verkaufen. Da hätte ich doch sofort, noch vor meinem Studium, Handelsvertreter oder Versicherungsagent werden können. Ich war doch gar nicht der Typ Mensch dafür.

Normalerweise hätte ich schon mit Beginn der Probezeit sofort die Notbremse ziehen und dem schnellen Anfang ein Ende setzen müssen. Zwei Aspekte sprachen dagegen. Erstens herrschte damals in Deutschland ein weitgehender Einstellungsstopp für Hochschulabsolventen. Zweitens, und noch wichtiger, ich hatte eine ganz junge Familie zu versorgen. Also habe ich mich – wie bereits im Studium – ganz verbissen in die Produktpalette des Hauses gründlich eingearbeitet. Mein Chef, und gleichzeitig auch Firmeninhaber, hat mir sehr dabei geholfen. Er ist mit mir durch Deutschland gefahren und hat mir gezeigt, wie ich Kunden kalt akquirieren und Verkaufsgespräche mit technischem Background erfolgreich führen kann. Der Mann hat mich wirklich fasziniert, weil er mit seiner Art Menschen gewinnen konnte und dadurch auch meistens zum Erfolg kam. Er war ein Vollbluttechniker und ein sehr guter Vertriebsmann zugleich. Normalerweise ist diese Konstellation sehr selten.

Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass er mich sehr mochte. Er hatte auch eine besondere, angenehme Art, mich zu schulen – insbesondere bei den Vertriebsaktivitäten. Im Nachhinein kann ich heute sagen, dass er mir den Vertrieb/Verkauf so nahegebracht hat, dass ich das Berufsfeld sogar lieben lernte und viele Jahre später auch meine Haupttätigkeit wurde.

Die ersten drei Monate waren wir meistens gemeinsam unterwegs. Dabei haben wir die Firmenprodukte auf den verschiedensten Fachmessen ausgestellt. Dort habe ich auch gelernt, wie man erfolgreich auf dem Messestand Produkte präsentiert, Geschäfte abschließt und anbahnt.

Was für mich dann erschreckend gewesen ist, mein Chef war in gewisser Hinsicht ein Chamäleon. In der Regel waren wir im schicken Anzug und Krawatte beim Kunden. Dann kam es zu meinem Entsetzen auch vor, dass er nach dem Kundengespräch im Anzug den Blaumann anzog und die Installation einer Anlage bei dem nächsten Kunden selbst vornahm. Deswegen waren wir auch selten mit der hochwertigen Limousine unterwegs, sondern viel öfter in einem Lieferwagen. Derartige Aktionen waren überhaupt nichts für mich und brachten mich in eine totale Stresssituation. Privat besaß ich noch nicht einmal eine Bohrmaschine. Und ich hatte – übrigens bis heute – nachweislich zwei linke Hände. Nee, nee, nee, das waren Abgründe für mich. Allein, sich nur vorzustellen, beim Kunden eine Endmontage vornehmen zu müssen, wenn er neugierig hinter mir steht und mich genau beobachtet, ließ mich in Panik geraten. Ich hoffte dann immer im Stillen, dass mir derartige Aktionen erspart bleiben würden.

Weil mir mein mangelndes handwerkliches Geschick später in meinem Privatleben auch immer wieder begegnete, noch einmal zur Erinnerung: Ich habe zwar ein technisches Studium absolviert – allerdings ohne irgendwelche handwerkliche Fähigkeiten. Ich habe während meiner Berufsausbildung mit diffizilen, leicht zerbrechlichen Glasgeräten im Laboratorium hantiert – halt so, wie man Frauen vorsichtig behandelt, eben nicht wie ein Stück Eisen.

Während dieser Zeit standen noch meine Abschlussfeier und der Einstand ins Berufsleben aus. Das wurde selbstverständlich auch ordentlich gefeiert. Dafür war das damals, höchste Hochhaus in Deutschland genau der richtige Ort – die höchstgelegene Location Kölns. Nach dem Motto: „Gestern wusste ich noch nicht einmal, wie ‚Ingenieur‘ geschrieben wird, und heute bin ich schon einer“ haben wir uns dort hoch über Köln mit einem Superblick eingefunden. Wie schon bei „44“ lagen die komplette Organisation für 60 Personen und ausreichend stimmungsvolle Musik gern in meinen Händen. Unsere Familien und Freunde erlebten einen Abend, den wohl niemand vergessen wird. Meine Mutter war auch gekommen, wir hatten uns einige Monate nicht gesehen. Trotz der guten Stimmung war sie voller Sorge um mich. Sie meinte, ich sähe schlecht aus, hätte abgenommen, ein käsiges Gesicht und dunkle Augenränder. Das war nicht gerade ein Kompliment und sicher bei der großartigen Party der falsche Zeitpunkt. Später sollte sich angesichts meiner sich einstellenden gesundheitlichen Probleme herausstellen, dass sie mit ihrer Äußerung recht gehabt hatte. Die große eindrucksvolle Party bleibt mir dennoch – auch in dieser Hinsicht – fest in Erinnerung.

Nach dem Ende der intensiven und hervorragenden Einarbeitungszeit wurde ich dann allein auf die Menschheit losgelassen. Ich bekam sogar einen Firmenwagen mit Privatnutzung. Das war ja auch ganz nett. Nicht ganz so nett, sondern eher anstrengend war es dann, tagelang in Norddeutschland unterwegs zu sein. Übernachtungen und umfangreiche Fahrzeiten kamen hinzu. Alles fernab von der Familie. Unser erster Sohn, Daniel, war erst einige Monate alt. Ich spürte dann auch, wie der Erfolgsdruck für die Verkaufserfolge langsam, aber stetig zunahm. Der Chef hat zwar nichts gesagt und sich schon gar nicht beschwert, denn er gab mir viel Zeit, um mich draußen einzuleben, aber ich machte mir selbst Druck. In einem derartig kleinen Unternehmen sind die Arbeitsabläufe recht transparent. Jede(r) Mitarbeiter(in) bekam mit, wann von wem ein Angebot zum Auftrag wurde. Ich wollte nicht als Versager dastehen und nur Kosten verursachen. Ich brauchte für mich den Erfolg und die Anerkennung der Kollegen.

Und dann kam die unvergessliche Horrorversion. Ich hatte einen Termin bei einem Industriekunden in Brunsbüttel, also sehr weit weg von Köln. Ich weiß heute nicht mehr, wer die glorreiche Idee hatte. War es einer von den Technikern oder der Chef selbst? So nach dem Motto: „Du bist ja sowieso da oben, kannst du die Anlage an die Wand bringen? Sind ja nur ein paar Dübel. Das kriegst du selbst hin.“ Das war noch in Köln und ich bekam schon dort sofort Schweißausbrüche. Als ich dann einen Tag später beim Kunden war, hatte ich die Nacht vorher schon mal nicht geschlafen. Im Laboratorium des Betriebes dann angekommen, war es genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Kunde wich nicht von meiner Seite. Er schaute mir ständig über die Schulter. Aus meiner Sicht war es schon eine Kunst, etwas mit einer Wasserwaage gerade, also waagerecht aufzuhängen, und jetzt das! Zu meiner Überraschung stellte sich der Kunde als „’n ganz Netter“ heraus, so wie man das im Norden sagt. Ich dachte: Der hat bestimmt eine Bohrmaschine und den Keller voller Werkzeuge in seinem Haus. Ich meine, ich habe die Anlage lediglich ausgepackt und er hat sie dann glücklicherweise ohne irgendeinen Kommentar schließlich selbst aufgehängt. Mann, was war mir das peinlich beziehungsweise unangenehm. Nach dieser Aktion habe ich den Kunden einigermaßen entspannt verlassen und den nächsten Kunden im Anzug aufgesucht.

Wenn ich heute darüber nachdenke, war der Auftakt zu meiner ersten Arbeitsstelle schon recht turbulent:

•der zeitliche Endspurt des Studiums

•der anschließende sofortige Berufseintritt

•eine kurze, aber intensive Einarbeitung vom Chef persönlich

•die neue Erfahrung „Ich bin jetzt kein richtiger Diplom-Ingenieur mehr, sondern ein besserer Verkäufer.“

•bundesweit regelmäßig mit Übernachtungen unterwegs

•junge Familie

Dieses Gesamtpaket sollte sich als eine physische und psychische Belastung herausstellen, die nicht jeder Mensch so ohne Weiteres stemmen kann. Vier Monate nach meinem Berufseintritt – ich befand mich noch in der Probezeit – traten plötzlich und unerwartet große, völlig ungeahnte Probleme auf. Es begann mit Schlafstörungen. Wenn ich bis zu diesem Zeitpunkt von jemandem gehört hatte: „Ich kann nicht schlafen“, hatte ich dafür nur Kopfschütteln übrig. Das Image für jemand, der schlecht schlafen kann, ist eher mit „Schlafmütze“ oder „Schnarchnase“ besetzt. Ich konnte das nicht nachvollziehen, mir fehlte jegliche Vorstellung, was das für Betroffene bedeutet. Das war jetzt völlig anders. Ich wurde dazu gezwungen, meine Haltung zu überdenken.

Tipp:

Eine starke Belastung über einen längeren Zeitraum führt zu körperlichen und psychischen Reaktionen. Es ist ein Hilferuf, den wir unbedingt beachten sollten. Das ist bestimmt leichter gesagt als getan. Doch wir müssen prüfen, in welchen Lebensbereichen wir kürzertreten müssen, um zur Regeneration zu kommen.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
101 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783962298197
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Metin
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