Kitabı oku: «Der Mann im Mond», sayfa 12
DAS UNKRAUT WÄCHST
Der Rittmeister hatte bis jetzt noch kein Wort gesprochen; aber die Miene des alten Fuchses mochte ihm doch nicht so ganz spaßhaft vorkommen, als sie aussehen sollte. "Mir scheint es, als dürfe man die Sache nicht nur so gehen lassen, wie sie geht, und am Ende warten, ob der Graf gehorsam sein will oder nicht; denn hole mich der—verzeihen Sie, gnädige Gräfin—wenn ich selbst drei Millionen hätte wie der Goldfisch, der jetzt in Freilingen vor Anker liegt, so täte ich nach meinem Sinn und nicht, wie mein alter Oheim wollte."
"Das heißt also," rief die Gräfin pikiert, "Sie würden Ihrem Kopf folgen, auch zu den Füßen des Fräuleins Ida liegen und die Gräfin Aarstein refüsieren?"
"Wie Sie nur so reden mögen?" antwortete der Rittmeister empfindlich. "Sie wissen ja selbst, wie ich mit Ida stehe; aber ich wollte damit sagen, daß der Graf Sie sehen muß. Und hat er Sie nur erst einmal gesehen, nun, so stehe ich dafür, daß er keine weitere Vergleichung anstellt, sondern zu Ihren Füßen liegt."
Die Geschmeichelte schlug ihn mit der Eventaille auf die Hand und meinte selbst, indem sie einen Blick in den deckenhohen Spiegel warf, daß dieser Rat vielleicht so übel nicht wäre. Auch Sorben schien er das einzige Rettungsmittel in seiner peinlichen Lage. Kommt die nur erst einmal hinter den Polen, dachte er, dann sei ihm Gott gnädig; denn wenn die einen lieben und von einem geliebt sein will, dann kostet es vierundzwanzig Stunden, und er ist im Netz.
Sie hielten jetzt großen Kriegsrat. Die Nachrichten, die der Rittmeister von seinem Kameraden Schulderoff aus Freilingen erhalten und kaum zuvor der Gräfin mitgeteilt hatte, stimmten auf ein Haar mit dem überein, was Fräulein Sorben ihrem Onkel geschrieben hatte. Über den Tatbestand war also nicht der geringste Zweifel mehr. Aber wie dem Grafen beikommen?
"Ist sie denn wirklich so hübsch?" fragte Sorben, um die feindliche Stellung recht genau zu rekognoszieren.
"Hübsch?" lachte die Gräfin bitter. "Hübsch? Nun, das müssen Sie ihren primo amoroso, den Rittmeister, fragen. Wenn durch einander gefitztes Rabenhaar, ein Maul voll gesunder Zähne, ein paar rote Bäckchen, eine gedrechselte Hopfenstange von Körper, die mir die Nerven angreift, weil man sie nicht berühren darf, ohne fürchten zu müssen, daß man eines der zarten Gliederchen abknicke,"—bei der kolossalen Riesenkürassierfigur der Gräfin war dies nicht zu befürchten—"wenn dies alles für hübsch gelten soll, so ist sie wunderschön! Ha, ha, ha, wunderschön! Nun, und das—muß man ihr lassen, viel Welt und bon ton hat sie auch. Denken Sie sich, ich lasse mich herab, sie mir letzten Winter präsentieren zu lassen, lade sie zu meinen Soirees und Hausbällen ein; aber siehe da, Mamsell Zimperlich setzte mir keinen Schritt wieder ins Haus. Ob dies nicht eine Sottise ohnegleichen ist? Und als ich mich einmal bei ihrer Frau Pate, die einen Affen an ihr gefressen haben mußte, als ich mich bei der Fürstin Romanow beklagte, warum die junge Dame sich so impertinent gegen mich betrage, was meinen Sie, daß ich zur Antwort erhielt? Denken Sie sich: das gute Kind sei zu unverdorben und keusch, als daß sie sich in meinen Cercles gefallen könnte! Dergleichen kann man von der Fürstin sich sagen lassen und es ohne Replik einstecken, aber, ma foi! sonst von niemand. Also zu unverdorben und keusch! Nun, der Herr Rittmeister da wird von ihrer Keuschheit zu sprechen wissen. Wie ist es damit? Gestehen Sie!"
Der Rittmeister versicherte zwar auf das heiligste, daß er Ida immer nur als ein reines Kind der Natur gefunden habe; aber sein höhnisches Teufelslächeln bei diesen Schwüren, die Art, mit welcher er den Stutzbart bis an die Ohren zurückriß und die Augen einkniff, ließ fast erraten, daß er mehr wisse und erfahren habe, als er sagen wolle.
"Nun," sagte Sorben, "wenn die Aktien so stehen, so ist es nicht schwer zu agieren. Sie, Exzellenz, heben den Grafen durch Ihre Reize aus dem Sattel, der Rittmeister aber Ida, und zwar dadurch, daß er den Grafen eifersüchtig macht. Er darf nur dem süßen Schwärmer schwören, daß er die Gunst des Fräuleins Engelrein noch nie ganz genossen habe, und dazu ein Gesicht machen, wie wir es eben gesehen haben, so muß der gute Mann abgekühlt sein, als sei er nie entbrannt gewesen."
"Aber wie soll dies alles geschehen? Wir können doch die Mamsell Zimperlich nicht mit Extrapost kommen lassen, da sie erst vor vierzehn Tagen die Residenz verlassen hat, und der Graf ist auch nicht so schnell zu meinen Füßen zitiert, als Sie sich wohl vorstellen."
"Ist gar nicht nötig," replizierte Sorben, indem er seine Karte immer hübscher mischte, "nicht nötig. Wie wäre es—ja, das wäre am Ende das beste, wenn Sie selbst nach Freilingen gingen und dort dem ganzen Spaß auf einmal ein Ende machten!"
Der Gedanke schien der Gräfin nicht übel zu gefallen. "Wahrhaftig, es wäre so übel nicht," antwortete sie sinnend; "der alte Präsident—wahrhaftig, ich quartiere mich selbst bei ihm ein—erst vor einem Jahr hat er mich eingeladen, wenn ich einmal auf der Durchreise auf meine Güter durch Freilingen komme, bei ihm abzusteigen. Das wäre ein zu hübscher Spaß, Fräulein Ida in ihrem eigenen Hause den Galan abzuspannen. Nein, der Einfall ist göttlich, und ich bin fest entschlossen, ihn auszuführen." Sorben atmete wieder freier, als er die Gräfin auf so gutem Wege sah. Jetzt konnte, jetzt mußte ja noch alles gut werden, und sein Ansehen, seine Ehre war gerettet. Er tat sich nicht wenig auf seinen Witz zugut, mit welchem er so hübsch die Volte geschlagen und sein zweifelhaftes Spiel korrigiert hatte. Noch einmal riet er dringend zur Reise und empfahl sich.
Als er fort war, gestand die Gräfin ihrem Cicisbeo, daß sie nach Freilingen reisen werde, und zwar gleich morgen, aber nur unter einer Bedingung, nämlich er müsse sie eskortieren. Einmal würde ihr die Reise zu langweilig ohne ihn, und dann habe sie ihn auch höchst nötig, um Ida bei dem Grafen aus dem Felde zu schlagen. Der Rittmeister sagte freudig zu. Eine Reise mit einer solchen Frau war eine herrliche Aussicht. Daß er als Reisestallmeister den Wein nicht zu schonen habe, wußte er wohl. Nach Freilingen war es drei Tagreisen; wie angenehm ließ es sich bei der Gräfin im Wagen sitzen, wie interessant ließen sich die Verhältnisse weiter spielen, wenn man abends ins Nachtquartier einrückte.—Und dann, er kitzelte sich schon mit dem Gedanken, sich an Ida zu rächen, in die er—er mußte es sich zu seiner Schande gestehen—bis zum Tollwerden verliebt war und die ihm nicht einmal ein Küßchen—nein, es war zu unverschämt; bei andern hatte er nach den ersten Präliminarien beinahe ohne Schwertstreich gesiegt, und dieses Landpomeränzchen hatte ihm so imponiert, daß er es nicht wagte, nachdem sie ihn einmal mit Verachtung abgewiesen hatte, noch einmal einen Versuch zu machen. Und diese Blâme war ausgekommen, man wußte es sogar in dem kleinen Nest Freilingen, zwanzig Meilen von der Residenz, sein Kamerad Schulderoff, die ehrliche Haut, hatte ihn beschworen, sich zu räch—. Es mußte sein. Rache wollte er nehmen an der stolzen Jungfrau, daß ihr die Haut schaudern sollte.
Am andern Morgen fuhr ein Reisewagen mit dem gräflich Aarsteinischen Wappen zum Tor hinaus. Bald nachher jagte der Rittmeister von Sporeneck mit seinem Jockei hintendrein, eine Stunde vor der Stadt gab er das Pferd dem Jockei und setzte sich in den gräflichen Reisewagen, und fort ging es über Stock und Stein, bis man den Münsterturm von Freilingen sah. Dort stieg er aus, küßte noch einmal eine schöne Hand, die ihm aus dem Wagen geboten wurde, saß auf und ritt auf einem Umweg in die Stadt, wo er sich im Gasthof zum Goldenen Mond einquartierte.
* * * * *
TRÜBE AUGEN
Ida fühlte einen tiefen Stich im Herzen, als sie die Gräfin aus dem Wagen steigen sah. "Nun adieu, Liebes- und Lebensglück!" seufzte sie, indem sie einen trüben Blick über Martiniz hinfliegen ließ und zur Treppe eilte, um den erlauchten Gast zu empfangen. "Nun adieu, Liebesglück, wenn dieses Weib in mein Leben greift!"
Sie zerdrückte eine Träne des Unmuts über ihr Geschick und ging weiter. So ungefähr muß es jenen unschuldigen Tierchen zu Mut sein, wenn sie die Riesenschlange erblicken und, von ihrem greulichen Anblick übertäubt, nicht auf ihre Flucht denken, sondern in geduldiger Resignation dem Verderben entgegengehen.
Mit jener Leichtigkeit und Grazie, die man in höheren Verhältnissen von Kindheit an studiert, wußte die Gräfin schnell über das Unangenehme der ersten Augenblicke hinüberzukommen. Sie war die Freundlichkeit, die Herzlichkeit selbst. So weit hatte es freilich Ida in der Bildung nicht gebracht, daß sie denen, die sie nicht lieben konnte, wie ihren wärmsten Freunden begegnete. Auch war sie die Überraschte und die Gräfin die Überraschende; daher war Ida etwas befangen und zeremoniös beim Empfang der hohen Dame; aber ihr natürlicher Takt sagte ihr, daß sie jede andere Rücksicht beiseite setzen müsse, um nur die im Auge zu haben, die Gräfin, die nun einmal ihr Gast war, anständig und würdig zu behandeln.
Um wie viel edler waren die Motive, welche Ida bei ihrem Betragen leiteten, als die der Gräfin! So verschieden als Natur und Kunst. Die Aarstein wußte gegen jeden, auch wenn sie ihn bitter haßte und ihm hätte den Dolch in den Leib rennen mögen, freundlich und leutselig zu sein. Sie konnte ihm etwas Verbindliches sagen, wenn sie das bitterste Wort auf der Zunge hatte. Aber so sind jene Gesellschaftsmenschen, die nichts Höheres kennen, als sich zu produzieren. Wenn man in ihre Cercles tritt, glaubt man in die alten Zeiten zu kommen, wo noch alles so brüderlich und freundlich war; da ist alles übertüncht, alles hat den schönen Anstrich der Geselligkeit; aber man soll nur einmal hinhorchen, wie es da über die ehrlichen Leute hergeht, wie medisant da alles bekrittelt wird, wie da der Bruder, der Freund gewiß sein darf, von dem, der ihm gerade noch so schön getan, ohne Schonung bitter bespöttelt zu werden.
Aber ist es nicht überhaupt in der Welt so? Sucht nicht immer einer dem andern so viel als möglich Abbruch zu tun? Wohl dem, der es dahin gebracht hat, daß er ruhig in dieses böse Treiben hineinsieht und dazu lächelt! Mit Ruhe und dem Bewußtsein, Gutes gewollt zu haben, in der zufriedenen Brust, lache ich über den Spott meiner Neider, über die hämischen Bemühungen jener Falschmünzer, die mit schnöder Schadenfreude aus allem, was man je gesagt und gedacht, nicht gesagt und nicht gedacht hat, Gift saugen und in ihrer frechen Leumundsiederei ein Gebräu zusammenkochen, das sie gerne mir unterschieben möchten!
Sie sind zu bedauern, solche schlechte Menschen, die, von Neid und Scheelsucht gestachelt, so ganz den wahren Lebenszweck aus dem Auge verlieren, glücklich und brüderlich untereinander zu wohnen! So denke ich und viele Tausende mit mir über jene bösen Mensen in den gesellschaftlichen Zirkeln und in der Welt überhaupt, so denken wir und lachen; denn das Spiel des Lebens sieht sich heiter an, wenn man ein sicheres Glück im Herzen trägt, und froher kehr' ich, wenn ich es gemustert, zu meinem schönern Eigentum zurück.
So dachte auch Ida, als sie an der Hand der Gräfin die Treppe hinanstieg; ein tröstender Gedanke lag recht hell in ihrer Seele; sie verglich ihren innern Wert mit dem ihres Gastes und dachte: wenn Martiniz mich liebt, wie ich ihn liebe, in wird er diese Frau verachten, und wenn—ach, sie durfte den Gedanken nicht recht ausdenken, ohne daß ihr das Wasser in die Augen trat!—nun, wenn er an sie verloren geht, so habe ich wenig verloren.
Es gab einen sonderbaren, aber schönen Anblick, wenn man die beiden Damen so nebeneinander hingehen sah. Gräfin Aarstein, eine kolossale Figur,—sie hätte ohne Anstand in jedem Garderegiment dienen können,—voll, üppig gebaut, in ihren Bewegungen lag etwas Imposantes, Majestätisches, Gebietendes, in ihren Mienen eine Hoheit, die an Übermut grenzte. Ihre dunkeln Augen hatten das holde, mädchenhafte Niederschlagen schon lange verlernt und rollten mit einem unstäten Feuer umher, als suchten sie lüstern einen Gegenstand der Begierde oder als musterten sie alles umher, ob auch die gehörige Ehrfurcht gegen einen Sprößling eines so hohen Hauses bewiesen werde. Ihr Gang war etwas schwerfällig, weil die korpulente Figur für die in die feinsten Pariser Atlasschuhe eingepreßten Füße etwas zu schwer war.
Neben ihr die leichte, schlanke, sylphidenähnliche Gestalt Idas—nein, dieser Kontrast! Sie hielt sich zwar kerzengerade wie eine Tanne, aber doch war das holde Lockenköpfchen ein wenig vorwärts gesenkt; das sanfte Auge, oft niedergeschlagen in Demut, zeigte dennoch, wenn sie es aufschlug, so glänzenden Mut, so feurige Lust und Liebe, so gebietenden Ernst, daß es durch die sanfte Beredsamkeit überzeugender gebot als das Rollauge der gebietenden Gräfin. Und um wie viel anziehender war das Schelmengrübchenlächeln des süßen Mädchens als das schrankenlose Lachen und Gurren der Gräfin, die durch ihre rauhe; tiefe Stimme jedes Ohr verletzte. So schwebte Ida neben der Gräfin hin, so wie Juno und Hebe traten sie in das Zimmer.
Martiniz sah finster durch die Scheiben auf den Wagen hinab, der ihn so unbarmherzig aus dem süßesten Moment seines Lebens herausgerasselt hatte. Er verwünschte den Gast, der gerade jetzt kommen mußte, wo er endlich seinem Herzen Luft gemacht, wo er dem Mädchen, das er liebte, das er anbetete, seine Gefühle gestanden hatte, wo er Gegenliebe, süße verschämte Gegenliebe in ihren sanften Augen las, wo, wie von Engeln des Himmels gesungen, "mein Emil" von ihren Lippen tönte, wo er, das Engelskind im Arm, die Seligkeit erwiderter Liebe in der Brust, Himmel und Erde vergaß und auf diese würzigen Purpurlippen, auf die bräutlich errötenden Wangen den ersten, seligen Ku—
* * * * *
DIE GRÄFIN AGIERT
Die Flügeltüren flogen auf, und Ida, hoch errötend beim Anblick des Geliebten, führte die Gräfin herein. Sie zitterte, von so vielen gegeneinander kämpfenden Empfindungen bestürmt; die Stimme wollte ihr beinahe versagen, als sie den "Grafen Martiniz" der "Gräfin Aarstein" vorstellte. Sie sah die Erz-General-Kokette erröten, sie sah, wie sie den bildschönen Mann mit ihren Feuerrädchen beinahe zu versengen drohte; es zuckte ihr ganz eisig in das liebende, ängstliche Herzchen hinein, als die Gräfin sich in einer nachlässigen Stellung auf den Sofa warf, ihr zurief, sie möchte sich doch gar nicht genieren und ihre Arrangements treffen, die ein so plötzlicher Überfall wie der ihrige immer notwendig mache, sie möchte sich doch durchaus nicht genieren, der Graf werde schon die Gnade haben, sie zu unterhalten.
"Da sei Gott gnädig," flüsterte Ida in sich hinein, indem es ihr fröstelnd und doch wieder siedheiß durch alle Glieder ging, "wenn die so fortmacht, so müssen wir ja alle samt und sonders, den Grafen mit eingeschlossen, zu ihren Füßen knien."
Sie nahm ihre Schlüssel und ging; aber noch in der Türe warf sie einen Blick auf Martiniz zurück, so voll Liebe und Besorgnis, als müsse sie ihn bei einem reißenden Tier allein lassen.
"Ein liebes Kind, die Ida," wandte sich die Gräfin an Martiniz, der schweigend und gedankenvoll neben ihr Platz genommen hatte, "ein liebes Kind; schade nur, das; man sie so bald aus der Pension genommen hat, ehe sie noch die letzte Vollendung, das freiere Sichbewegen angenommen hat. Nun, das macht sich nachgerade immer noch, wenn auch hier nicht gerade der Ort ist, wo sie anständige Vorbilder dazu haben mag; in größeren Städten findet sich dies eher."
Sie hielt inne, als erwartete sie eine Antwort von dem Grafen; diesem aber schien sein Kopf mit dem Herzen Ida nachgesprungen zu sein, und jetzt erst, als die Gräfin nicht mehr sprach, nahm er sich zusammen und beantwortete ihre Frage durch ein leises Kopfnicken.
"Warte, ich will dich schon aufmerken lehren," dachte die Aarstein, der die Zerstreuung des jungen Mannes nicht entgangen war. "In einer Hinsicht ist es gut, daß das Fräulein aus der Residenz wegkam; Sie können sich gar nicht denken, unsere Herren waren ganz rabiat, als sie so lieblich aufblühte; die Straße vor dem Haus der Madame La Truiaire wurde nicht leer von den Anbetern, und natürlich—ein solches Mädchen hat denn doch auch ein Herzchen und fühlt sich durch diese Aufmerksamkeit geschmeichelt. Übrigens, das muß man ihr lassen, mit dem größten Anstand wußte sie den Herren zu imponieren und sie sogar zu verscheuchen; daß sie nun freilich bei dem Rittmeister von ……. es nicht ebenso machte, kann man ihr nicht verdenken."
"So—o?" fragte der Graf, indem ein dunkles Rot seine Wangen überzog. "Der Rittm—"—"Nun ja," lachte die Gräfin, "da ist es auch kein Wunder, daß sie ihn liebte und vielleicht noch liebt; wo ist denn in der Residenz ein Damenherz, das er zu überwinden sich vorsetzte und das er nicht überwunden hätte? Er hat zwar etwas leichte Grundsätze, ist aber sonst ein artiger Mensch; au fond ist es übrigens dennoch gut, daß man das Mädchen schnell aus der Pension nahm; denn sehen Sie—doch, da kommt sie ja selbst," lachte sie Ida entgegen, die mit liebenswürdiger, wirtlicher Geschäftigkeit Tee für ihren Gast brachte. Beinahe hätte sie das ganze zierliche Dejeuner auf den Boden fallen lassen; denn der Graf—was mußte ihm nur begegnet sein?– er saß da, bleich wie der Tod, den starren Blick auf sie geheftet—
"Nun, da erzähle ich," fuhr die Gräfin Satanas, die mit teuflischer Freude das zarte Band, das diese liebenden Herzen kaum erst umschlungen hatte, zu zerreißen strebte, "da erzähle ich gerade dem Herrn Grafen Ihre Affäre mit dem Rittmeister, und wie ich die arme Ida bedaure, daß man sie so grausam herausriß aus der Wonne der ersten Lie—"
"Gnädige Frau!" rief Ida mit den Tönen des Schreckens und setzte die Tasse nieder, die in ihrer zitternden Hand zu klirren begann.
"Nun, so erschrecken Sie doch nicht so, daß ich aus der Schule schwatze; das nimmt man bei uns nicht so genau; wahrhaftig, der Papa hätte auch keine ungeschicktere Zeit zu Ihrer Zurückberufung wählen können—"
"Ich muß Sie bitten, gnädige Frau—"
"Ei, so lassen Sie doch die gnädige Frau," fiel ihr die Aarstein ins Wort, "ich kann das Wort Frau nicht ausstehen. Es ist mir gar nicht, als ob ich Frau wäre, und wahrhaftig, ich bin es ja eigentlich gar nicht," setzte sie naiv und mit einem schalkhaften Lächeln gegen Martiniz hinzu; "ich lebte nur ein paar Wochen mit meinem Herrn Gemahl, Gott hat uns kein Kind beschert, und da bin ich ja eigentlich so gut als Mädchen."—
Ida schlugen die Flammen ins Gesicht; solche frivole Äußerungen mußten ihre unentweihten jungfräulichen Ohren hören, ohne daß sie diese wegwerfende Gemeinheit bestrafen konnte; und dann das dumme Aufziehen mit dem Rittmeister; es war ja kein wahres Wort an der Sache; sie konnte gar nicht begreifen, was nur die Gräfin damit wollte; hatte sie ihn denn nicht so gut abgetrumpft wie jeden andern? Was mußte nur Martiniz von ihr denken! Sie nahm sich vor, bei der nächsten Gelegenheit ihn zu überzeugen, daß gewiß an der Geschichte mit dem Rittmeister kein wahres W—. Aber nein, wie sah der Graf aus! Er hatte die Lippen zusammengekneipt, daß sie ganz weiß wurden, sein Auge rollte unstät umher, schien sie zu suchen, zu fassen, und doch schlug er es nieder, so oft er ihrem Blick begegnete. Es war ihr ganz bange ums Herzchen, als ahne sie irgend ein Unglück; sie klügelte hin und her, was ihm sein könnte, und fand immer nichts.
Die Gräfin zog sich letzt in ihre Zimmer zurück, um sich umzukleiden. Ida sah ihr mit leichterem Herzen nach; denn sie hoffte—sie gestand es sich nur so halb und halb, daß sie es hoffte—aber sie hoffte, der Graf werde vielleicht an dem Gespräch von vorhin fortmachen; aber sie täuschte sich bitter; er sagte kaum ja oder nein, wenn sie ihn etwas fragte, finster sah er immer vor sich hin, und nach ein paar Minuten sprang er auf und ging. Was hatte man ihm doch getan? Es war und blieb ihr unbegreiflich. Endlich aber fiel ihr ein, der Rittm—, ja, das war es: eifersüchtig war der gute Graf. Sie mußte lachen, als ihr der Gedanke kam. Sie fühlte sich so rein und unschuldig, daß es ihr ein leichtes schien, den Grafen zu überzeugen; aber Strafe soll er leiden, der Unartige, nahm sie sich vor; wenn er mir die Aarstein zu viel ansieht, so will ich immer von dem Rittmeister sprechen und ihn recht bös machen.
Das gute, fröhliche Kind, wie wenig dachte sie daran, was Eifersucht Böses anrichten könne, wie wenig ahnte sie, was ihrer wartete!