Kitabı oku: «Lichtenstein», sayfa 23

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Kapitel 33

Das Motto, womit wir diesen Abschnitt bezeichnen, ist eine Geisterstimme, die warnend durch die Weltgeschichte tönt, die von vielen vernommen, von den meisten überhört, von wenigen befolgt wurde. Zu allen Zeiten ging ein finsterer Geist durch das Haus der Erde, man vernahm oft sein Rauschen, man suchte es durch die Töne der Freude zu übertäuben. Ulrich von Württemberg hatte jene Stimme in mancher Nacht vernommen, die er sorgenvoll auf seinem Lager durchwachte. Er glaubte das Geräusch vieler Gewappneter und die dröhnenden Tritte eines Heeres zu vernehmen, er glaubte sie näher und näher um ihn sich lagern zu hören, und wenn er sich auch überzeugte, daß es nur die Nachtluft war, die um die Türme seines Schlosses brauste, so blieb doch eine finstere Ahnung in ihm zurück, daß sein Schicksal noch einmal sich wenden könnte. Jene Warnung des alten Ritters von Lichtenstein tönte oft in seiner Seele wieder, und vergeblich strengte er sich an, die künstlichen Folgerungen seines Kanzlers sich zu wiederholen, um ein Verfahren bei sich zu entschuldigen, das ihm jetzt zum wenigsten nicht genug überdacht schien. Denn seine alten Feinde rüsteten sich mit Macht. Der Bund hatte ein neues Heer geworben und drang herab ins Land, näher und näher an das Herz von Württemberg. Die Reichsstadt Eßlingen bot für diese Unternehmungen einen nur zu günstigen Stützpunkt. Sie liegt nur wenige Stunden von der Hauptstadt, beinahe mitten im Land, und war, sobald das Heer des Bundes die Kommunikation mit ihr hergestellt hatte, eine furchtbare Schanze, um Ausfälle nach Württemberg zu begünstigen und zu decken. Das Landvolk nahm an vielen Orten den Bund günstig auf, denn der Herzog hatte es durch die neue Art, wie er sich huldigen ließ, ängstlich gemacht.

Die Liebe zum Alten hatte der Herzog an seinem Volk erfahren, als er einige Jahre zuvor seinen Räten folgte und zur Verbesserung seiner Finanzen ein neues Maß und Gewicht einführte. Der "arme Konrad", ein förmlicher Aufstand armer Leute, hatte ihn nachdenklich gemacht und den Tübinger Vertrag eingeleitet. Die Liebe zum Alten hatte sich auf eine rührende Weise an ihm gezeigt, als der Bund ins Land fiel, und das Haupt des alten Fürstenstammes verjagen wollte. Ihre Väter und Großväter hatten unter den Herzogen und Grafen von Württemberg gelebt, darum war ihnen jeder verhaßt, der diese verdrängen wollte. Wie wenig sie das Neue lieben, hatten sie dem Bund und seinen Statthaltern oft genug bewiesen.

Der alte, angestammte Herzog, ein Württemberger, kam wieder ins Land, sie zogen ihm freudig zu. Sie glaubten, jetzt werde es wieder hergehen wie "vor alters"; sie hätten recht gerne Steuern bezahlt, Zehnten gegeben, Gülten aller Art entrichtet und Fronen geleistet. Sie hätten über Schwereres nicht gemurrt, wenn es nur nach hergebrachter Art geschehen wäre. So gut wurde es ihnen aber nicht. Die alten Formeln waren aus dem Huldigungseid verschwunden, die Steuern wurden nicht mehr nach hergebrachter Sitte eingezogen, es war alles anders als früher, kein Wunder, wenn sie den Herzog als einen neuen Herrn ansahen und murrend nach dem alten Recht verlangten. Sie hatten zu Ulrich kein Zutrauen mehr, nicht weil seine Hand schwerer auf ihnen ruhte als vorher, nicht weil er bedeutend mehr von ihnen wollte als früher, sondern weil sie die neuen Formen mit argwöhnischen Augen ansahen.

Ein Herzog, besonders wenn er einem Ambrosius Volland sein Ohr leiht, erfährt selten genau, wie man über ihn denkt und ob die Maßregeln klug berechnet waren, die ihm seine Räte an die Hand gaben. Und dennoch entging Ulrichs hellem Auge die Unzufriedenheit seines Volkes nicht ganz. Er merkte, daß er im schlimmen Fall sich nicht auf es werde verlassen können, so wenig als auf die Ritterschaft des Landes, die, seit er wieder im Land war, sich sehr neutral verhalten hatte.

Seine Unruhe über diese Bemerkungen suchte er jedem Auge zu verbergen. Es beschwor die wildesten Töne der Freude herauf, und oft gelang es ihm sogar, zu vergessen, vor welchem Abgrund er stehe. Er verfluchte, um seinem Volk und dem Heer, das er in und um Stuttgart versammelt hatte, Vertrauen und Mut einzuflößen, einige Einfälle, welche die Bündischen von Eßlingen aus in sein Land gemacht hatten, doppelt heimzugeben. Er.schlug sie zwar und verwüstete ihr Gebiet, aber er verhehlte sich nicht, wenn er nach einem solchen Sieg in seine Stellungen zurückging, daß das Kriegsglück ihn vielleicht verlassen könnte, wenn der Bund einmal mit dem großen Heer im Feld erscheinen würde.

Und er erschien früh genug für Ulrichs zweifelhaftes Geschick. Noch wußte man in Stuttgart wenig oder nichts von dem Aufgebot des Bundes, noch lebte man am Hof und in der Stadt in Ruhe und Freude, als auf einmal am zwölften Oktober die Landsknechte, welche der Herzog ein Lager bei Cannstatt hatte beziehen lassen, flüchtig nach Stuttgart kamen und von einem großen bündischen Heer erzählten, das sie zurückgeworfen habe. Jetzt merkten die Bewohner Stuttgarts, daß eine wichtige Entscheidung nahe, jetzt sahen sie ein, daß der Herzog längst um diesen drohenden Einfall gewußt haben müsse, denn er ließ an diesem Tag die Ämter aufbieten, ließ die Truppen sich versammeln, die auf das Land umher verlegt gewesen waren und hielt noch am Abend dieses Tages eine Musterung über zehntausend Mann.

Noch in der Nacht zog er mit einem großen Teil der Mannschaft aus, um die Stellungen, die ein Teil der Landsknechte zwischen Cannstatt und Eßlingen genommen hatte, zu verstärken.

In jener Nacht wurde in Stuttgart manche Träne von schönen Augen geweint, denn Männer und Jünglinge, was die Waffen führen konnte, zog mit dem Herzog in die Schlacht. Doch das Rauschen des abziehenden Heeres übertönte die Klagen der Mädchen und Frauen, sie verhallten wie das Wimmern eines Kindes im Kampf der Elemente. Mariens Schmerz war stumm, aber groß, als sie den Gatten unter die Türe herabgeleitete, wo die Knechte mit den Rossen für ihn und den Vater hielten. Sie hatten still und einsam, nur mit ihrem Glück beschäftigt, die ersten Tage ihrer Ehe verlebt. Sie dachten wenig an die Zukunft, sie glaubten im Hafen zu sein, und indem sie nur sich selbst lebten, überhörten sie das Flüstern, die geheimnisvolle Unruhe, die einem nahenden Sturm vorangeht. Sie waren gewöhnt, den Vater ernst und düster zu sehen, es fiel ihnen nicht auf, wie sein Auge immer trüber, seine Stirn finsterer, seine Mienen beinahe traurig wurden. Er sah ihr süßes Glück, er fühlte mit ihnen, er verbarg, um sie nicht zu früh aufzustören, was ihm eine bange Ahnung oft genug sagte. Aber endlich nahte der entscheidende Schlag. Der Herzog von Bayern war bis in die Mitte des Landes vorgedrungen und der Ruf zu den Waffen schreckte Georg aus den Armen seines geliebten Weibes.

Die Natur hatte ihr eine starke Seele und jene entschiedene Erhabenheit über jedes irdische Verhängnis gegeben, die nur in einer reinen Seele und in der mutigen Zuversicht auf einen höheren Beistand bestehen kann. Sie wußte, was Georg der Ehre seines Namens und seinem Verhältnis zum Herzog schuldig sei, darum erstickte sie jeden lauten Jammer und brachte ihrer schwächlichen Natur nur jenes Opfer schmerzlicher Tränen, die dem Auge, das den Geliebten tausend Gefahren preisgegeben sieht, unwillkürlich entströmen.

"Sieh, ich kann nicht glauben, daß Du auf immer von mir gehst", sagte sie, indem sie ihre schönen Züge zu einem Lächeln zwang, "wir haben jetzt erst zu leben begonnen, der Himmel kann nicht wollen, daß wir schon aufhören sollen. Drum kann ich Dich ruhig ziehen lassen, ich weiß ja zuversichtlich, daß Du mir wiederkehrst."

Georg küßte die schönen, weinenden Augen, die ihn so mild und voll Trost anblickten. Er dachte in diesem Augenblick nicht an die Gefahr, der er entgegengehe, er dachte nur daran, wie groß für das teure Wesen, das er in den Armen hielt, der Schmerz sein müßte, wenn er nicht mehr zurückkehrte; wie sie dann ein langes Leben einsam nur in der Erinnerung an die wenigen Tage des Glücks fortleben könnte. Er preßte sie heftiger in die Arme, als wolle er dadurch diese schwarzen Gedanken verscheuchen; seine Blicke tauchten tiefer in ihre Augen herab, um dort Vergessenheit zu suchen, und es gelang ihm, wenigstens trug er ein schönes Bild der Hoffnung und der Zuversicht mit sich hinweg.

Die Ritter stießen vor dem Tor gegen Cannstatt zum Herzog. Es war dunkle Nacht, das erste Viertel des Mondes und das Heer der Sterne warfen einen matten Schein herab; Georg glaubte zu bemerken, daß der Herzog finster und in sich gekehrt sei; denn seine Augen waren niedergeschlagen, seine Stirn kraus, und er ritt stumm seinen Weg weiter, nachdem er sie flüchtig mit der Hand gegrüßt hatte.

Ein nächtlicher Marsch hat immer etwas Geheimnisvolles, Bedeutendes an sich. Die Sonne, heitere Gegenden, der Anblick vieler Kameraden, der Wechsel der Aussichten locken bei Tag den Soldaten zum Gespräch, wohl auch zum Gesang. Weil die Eindrücke von außen stärker sind, denkt man weniger nach über das Ziel des Marsches, über das Ungewisse des Krieges, über die Zukunft, die niemand dunkler verhängt ist als dem Kriegsmann im Feld. Ganz anders auf dem Marsch in der Nacht. Man hört nur das Gedröhn des Zuges, den taktartigen Hufschlag der Rosse, ihr Schnauben, das Klirren der Waffen, und die Seele, die durch das Auge keine Bilder mehr empfängt, wird durch dieses eintönige Gemurmel ernster; Scherz und Gelächter sind verstummt, das laute Gespräch sinkt zum Geflüster herab, und auch dieses gilt nicht mehr gleichgültigen Gegenständen, sondern der Entscheidung, welcher man entgegenzieht.

So war auch der Zug in jener Nacht, ernst und von keinem Laut der Freude unterbrochen. Georg ritt neben dem alten Herrn von Lichtenstein und warf hie und da ängstliche Blicke auf diesen, denn er hing wie von Kummer gebückt im Sattel und schien ernster als je zu sein. Er hätte beinahe ohne Leben geschienen, wenn nicht hin und wieder ein Seufzer aus seiner Brust heraufgestiegen wäre und seine glänzenden Augen nach den Wölkchen geschaut hätten, die um die bleiche Sichel des Mondes zogen.

"Glaubt Ihr, es wird morgen zum Gefecht kommen, Vater?" flüsterte Georg nach einer Weile.

"Zum Gefecht? Zur Schlacht!"

"Wie? Ihr glaubt also, das Bundesheer sei so stark, daß es uns jetzt schon werde die Spitze bieten können? Es ist nicht möglich. Herzog Wilhelm müßte Flügel haben, wenn er seine Bayern herabgeführt hätte, und Frondsberg ist in seinen Entschlüssen bedächtig. Ich glaube nicht, daß sie viel über Sechstausend stark sind."

"Zwanzigtausend", antwortete der Alte mit dumpfer Stimme.

"Bei Gott, das hab ich nicht gedacht", entgegnete der junge Mann mit Staunen "Freilich, da werden sie uns hart zusetzen. Doch wir haben geübtes Volk, und des Herzogs Augen sind schärfer als irgendeines im Bundesheer, selbst als Frondsbergs. Glaubt Ihr nicht auch, daß wir sie schlagen werden?"

"Nein."

"Nun, ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ein großer Vorteil für uns liegt schon darin, daß wir für das Land fechten, die Bündischen aber dagegen; das macht unsern Truppen Mut; die Württemberger kämpfen für ihr Vaterland."

"Gerade darauf traue ich nicht", sprach Lichtenstein, "ja, wenn der Herzog sich anders hätte huldigen lassen, so aber—hat er das Landvolk nicht für sich; sie streiten, weil sie müssen, und ich fürchte, sie halten nicht lange aus."

"Das wäre freilich schlimm", erwiderte Georg, "doch die Schwaben sind ein biederes, ehrliches Volk, sie werden den Herzog nicht in der Not verlassen. Wo glaubt Ihr, daß wir dem Feind begegnen? Wo werden wir uns stellen?"

"Zwischen Eßlingen und Cannstatt; bei Untertürkheim haben die Landsknechte einige Schanzen aufgeworfen und stehen dort zu dritthalbtausend Mann; wir werden uns noch in dieser Nacht an sie anschließen."

Der Alte schwieg, und sie ritten wieder eine geraume Zeit still nebeneinander hin "Höre, Georg!" hub er nach einer Weile an, "ich habe schon oft dem Tod Auge in Auge gesehen und bin alt genug, mich nicht vor ihm zu fürchten, es kann jedem etwas Menschliches begegnen —tröste dann mein liebes Kind, Marie."

"Vater!" rief Georg, und reichte ihm die Hand hinüber, "denkt nicht solches! Ihr werdet noch lange und glücklich mit uns leben."

"Vielleicht", entgegnete der alte Mann mit fester Stimme, "vielleicht auch nicht. Es wäre töricht von mir, Dich aufzufordern Du sollst Dich im Gefecht schonen. Du würdest es doch nicht tun. Doch bitte ich, denk an Dein junges Weib, und begib Dich nicht blindlings und unüberlegt in Gefahr. Versprich mir dies."

"Gut, hier habt Ihr meine Hand; was ich tun muß, werde ich nicht ablehnen, leichtsinnig will ich mich nicht aussetzen; aber auch Ihr, Vater, könntet dies geloben."

"Schon gut, laß das jetzt. Wenn ich etwa morgen totgeschossen werden sollte, so gilt mein letzter Wille, den ich beim Herzog niedergelegt habe; Lichtenstein geht auf Dich über, Du wirst damit belehnt werden. Mein Name stirbt hierzulande mit mir, möge der Deinige desto länger tönen."

Der junge Mann war von diese Reden schmerzlich bewegt; er wollte antworten, als eine bekannte Stimme seinen Namen rief. Es war der Herzog, der nach ihm verlangte. Er drückte Mariens Vater die Hand und ritt dann schnell zu Ulrich von Württemberg.

"Guten Morgen, Sturmfeder!" sprach dieser, indem seine Stirn sich etwas aufheiterte. "Ich sag' guten Morgen, denn die Hähne krähen dort unten im Dorf. Was macht Dein Weib? Hat sie gejammert, als Du wegrittst?"

"Sie hat geweint", antwortete Georg, "aber sie hat nicht mit einem Wort geklagt."

"Das sieht ihr gleich, bei Sankt Hubertus, Wir haben selten eine mutigere Frau gesehen. Wenn nur die Nacht nicht so finster wäre, daß ich recht in Deine Augen sehen könnte, ob Du zum Kampf gestimmt bist und Lust hast, mit den Bündlern anzubinden?"

"Sprecht, wohin ich reiten soll; mitten drauf soll es gehen im Galopp. Glauben Euer Durchlaucht, ich habe in meinem kurzen Ehestand so ganz vergessen, was ich von Euch erlernte, daß man im Glück und Unglück den Mut nicht sinken lassen dürfe?"

"Hast recht: Impavidum ferient ruinae." Wir haben es auch gar nicht anders von Unserem getreuen Bannerträger erwartet. Heute trägt meine Fahne ein anderer, denn Dich habe ich zu etwas Wichtigerem bestimmt. Du nimmst diese hundertundsechzig Reiter, die hier zunächst ziehen, läßt Dir von einem den Weg zeigen und reitest Trab gerade auf Untertürkheim zu. Es ist möglich, daß der Weg nicht ganz frei ist, daß vielleicht die von Eßlingen schon herabgezogen sind, um den Paß zu versperren; was willst Du tun, wenn es sich so verhält?"

"Nun, ich werfe mich in Gottes Namen mit meinen hundertundsechzig Pferden auf sie und hau mich durch, wenn es kein Heer ist. Sind sie zu stark, so decke ich den Weg, bis Ihr mit dem Zug heran seid."

"Recht gut gesagt, gesprochen wie ein tapferer Degen, und haust Du so gut auf sie, wie auf mich bei Lichtenstein, so schlägst Du Dich durch sechshundert Bündler durch. Die Leute, die ich Dir gebe, sind gut. Es sind die Fleischer, Sattler und Waffenschmiede von Stuttgart und den andern Städten. Ich kenne sie aus manchem Kampf, sie sind wacker und hauen einen Schädel bis aufs Brustbein durch. Das Schwert in der Faust, reiten sie Dir in die Hölle, wenn sie Dir einmal zugetan sind; und wen sie einmal ans Hirn getroffen haben, der braucht keinen Arzt mehr auf dieser Welt. Das sind die echten Schwabenstreiche."

"Und bei Untertürkheim soll ich mich aufstellen?"

"Dort triffst Du auf einer Anhöhe die Landsknechte unter Georg von Hewen und Schweinsberg. Die Losung ist, Ulricus für immer. Den beiden Herren sagst Du, sie sollen sich halten bis fünf Uhr; ehe der Tag aufgeht, sei ich mit sechstausend Mann bei ihnen, und dann wollen wir den Bund erwarten. Gehab Dich wohl, Georg."

Der junge Mann erwiderte den Gruß, indem er sich ehrerbietig neigte; er ritt an die Spitze der tapferen Reiter und trabte mit ihnen das Tal hinauf. Es waren kräftige Gestalten, mit breiten Schultern und starken Armen; unter den Sturmhauben hervor blickten ihn mutige Augen und breite ehrliche Gesichter freundlich an; er fühlte sich ehrvoll ausgezeichnet, eine solche Schar zu führen. Man näherte sich dem Fuß des Rothenberges, auf dessen Gipfel das Stammschloß von Württemberg weit über das schöne Neckartal hinsah. Es war vom Sternenschimmer matt erhellt, und Georg konnte seine Formen nicht deutlich unterscheiden, aber dennoch blickte er immer wieder nach diesen Türmen und Mauern hinauf; er erinnerte sich jener Nacht, wo Ulrich in der Höhle mit Wehmut von der Burg seiner Väter sprach, von welcher er sonst auf ein schönes Land voll Obst, Wein und Frucht hinabgeschaut und dies alles sein genannt hatte. Er versank in Gedanken über das unglückliche Schicksal dieses Fürsten das ihm aufs neue den Besitz des schönen Landes streitig zu machen schien; er dachte nach über die sonderbare Mischung seines Charakters, wie hier wahrhafte Größe oft durch Zorn, Trotz und unbeugsamen Stolz entweiht sei.

"Was Ihr dort unten unterscheiden könnt zwischen den beiden Bäumen", unterbrach ihn der Reiter, welcher ihm den Weg zeigte, "ist die Turmspitze von Untertürkheim. Es geht jetzt wieder etwas ebener, und wenn wir Trab reiten, können wir bald dort sein."

Der junge Mann trieb sein Pferd an, der ganze Zug folgte seinem Beispiel, und bald waren sie im Angesicht dieses Dorfes. Hier war eine doppelte Linie von Landsknechten aufgestellt, welche ihnen drohend die Hellebarden entgegenstreckten. An vielen Punkten sah man den rötlichen Schimmer glühender Lunten, die wie Scheinwürmchen durch die Nacht funkelten.

"Halt, wer da?" rief eine Stimme aus ihren Reihen. "Gebt die Losung!"

"Ulricus für immer", rief Georg. "Wer seid Ihr?"

"Gut Freund!" rief Marx Stumpf von Schweinsberg, indem er aus den Reihen der Landsknechte heraus und auf den jungen Mann zuritt. "Guten Morgen, Georg, Ihr habt lange auf Euch warten lassen, schon die ganze Nacht sind wir auf den Beinen und harren sehnlich auf Verstärkung, denn dort drüben im Wald sieht es nicht geheuer aus, und wenn Frondsberg den Vorteil verstanden hätte, wären wir schon längst übermannt."

"Der Herzog zieht mit sechstausend Mann heran", erwiderte Sturmfeder, "längstens in zwei Stunden muß er da sein."

"Sechstausend, sagst Du? Bei Sankt Nepomuk, das ist nicht genug, wir sind zu dritthalbtausend, das macht zusammen gegen neuntausend. Weißt Du, daß sie über zwanzigtausend stark sind, die Bündischen? Wieviel Geschütz bringt er mit?"

"Ich weiß nicht; es wurde erst nachgeführt, als wir ausritten".

"Komm, laß die Reiter absitzen und ruhen", sagte Marx Stumpf. "Sie werden heute Arbeit genug bekommen."

Die Reiter saßen ab und lagerten sich; auch die Landsknechte lösten ihre Reihen auf und stellten nur starke Posten auf den Anhöhen und am Neckar auf. Marx Stumpf besichtigte alle Anstalten, und Georg legte sich, in seinen Mantel gehüllt, nieder, um noch einige Stunden zu ruhen. Die Stille der Nacht, nur durch den eintönigen Ruf der Wachen unterbrochen, senkte ihn bald in einen Schlummer, der seine Seele weit hinweg über Krieg und Schlachten, in die Arme seines Weibes entführte.

Kapitel 34

Georg erwachte durch das Wirbeln der Trommeln, die das kleine Heer unter die Waffen riefen. Ein schmaler Saum war am Horizont hell, der Morgen kam, die Truppen des Herzogs sah man in der Ferne daherziehen. Der junge Mann setzte den Helm auf, ließ sich den Brustharnisch wieder anlegen und stieg zu Pferd, den Herzog an der Spitze seiner Mannschaft zu empfangen. Aus Ulrichs Zügen war zwar nicht der Ernst, wohl aber alle Düsterkeit verschwunden. Sein Auge sprühte von einem kriegerischen Feuer, und aus seinen Mienen sprach Mut und Entschlossenheit. Er war ganz in Stahl gekleidet und trug über seinem schweren Eisenkleid einen grünen Mantel mit Gold verbrämt. Die Farben seines Hauses wehten in seinem großen wallenden Helmbusch. Sonst unterschied er sich in nichts von den übrigen Rittern und Edlen, die ebenfalls in blankes Eisen "bis an die Zähne" gekleidet, den Herzog in einem großen Kreis umgaben. Er begrüßte freundlich Hewen, Schweinsberg und Georg von Sturmfeder und ließ sich von ihnen über die Stellung des Feindes berichten.

Noch war von diesem nichts zu sehen; nur am Saum des Waldes gegen Eßlingen hin sah man hin und wieder seine Posten stehen. Der Herzog beschloß, den Hügel, den die Landsknechte besetzt gehalten hatten, zu verlassen und sich in die Ebene hinabzuziehen. Er hatte wenig Reiterei, der Bund aber, so berichteten Kundschafter, zählte dreitausend Pferde. Im Tal hatte er auf einer Seite den Neckar, auf der andern einen Wald, und so war er wenigstens auf den Flanken vor einem Reiterangriff sicher.

Lichtenstein und mehrere andere widerrieten zwar diese Stellung im Tal, weil man vom Hügel zu nahe beschossen werden könne; doch Ulrich folgte seinem Sinn und ließ das Heer hinabsteigen. Er stellte zunächst vor Türkheim die Schlachtordnung auf und erwartete seinen Feind. Georg von Sturmfeder wurde beordert, in seiner Nähe mit den Reitern, die er ihm anvertraut hatte, zu halten; sie sollten gleichsam seine Leibwache bilden; zu diesen berittenen Bürgern gesellten sich noch Lichtenstein und vierundzwanzig andere Ritter, um bei einem Reiterangriff den Stoß zu verstärken. In jenen Tagen war ein Treffen oft in viele kleine Zweikämpfe zerstreut, die Ritter, die einem Heer folgten, fochten selten in geschlossenen Waffen, sondern suchten mit schnellem Blick einen Gegner unter den Reihen des Feindes, den sie dann mit Schwert und Lanze bekämpften. Eine solche Schar war es, die bei Georgs Reiterhaufen stand, und den Herzog selbst gelüstete es, seine ungeheure Kraft, seine weit berühmte Fertigkeit in einem solchen Zweikampf zu erproben, und nur die inständigen Bitten der Ritter hielten ihn ab, diese romantische Idee auszuführen. Neben dem Herzog hielt eine sonderbare Figur, beinahe wie eine Schildkröte, die zu Pferd sitzt, anzusehen. Ein Helm mit großen Federn saß auf einem kleinen Körper, der auf dem Rücken mit einem gewölbten Panzer versehen war; der kleine Reiter hatte die Knie weit heraufgezogen und hielt sich am Sattelknopf fest. Das herabgeschlagene Visier hinderte Georg, zu erkennen, wer dieser lächerliche Kämpfer sei; er ritt daher näher an den Herzog heran, und sagte:

"Wahrhaftig, Euer Durchlaucht haben sich da einen überaus mächtigen Kämpen zum Begleiter ausersehen. Seht nur die dürren Beine, die zitternden Arme, den mächtigen Helm zwischen den kleinen Schultern— wer ist denn dieser Riese?"

"Kennst Du den Höcker so schlecht?" fragte der Herzog lachend. "Sieh nur, er hat einen ganz absonderlichen Panzer an, der wie eine große Nußschale anzusehen, um seinen teuern Rücken zu verwahren, wenn es etwa zur Flucht käme. Es ist mein getreuer Kanzler, Ambrosius Volland."

"Bei der heiligen Jungfrau! Dem habe ich bitter Unrecht getan", entgegnete Georg, "ich dachte, er werde nie ein Schwert ziehen und ein Roß besteigen, und da sitzt er auf einem Tier, so hoch wie ein Elefant, und trägt ein Schwert, so groß als er selbst ist; diesen kriegerischen Geist hätte ich ihm nimmer zugetraut."

"Meinst Du, er reite aus eigenem Entschluß zu Feld? Nein, ich habe ihn mit Gewalt dazu genötigt. Er hat mir zu manchem geraten, was mir nicht frommte, und ich fürchte, er hat mich mit böslicher Absicht aufs Eis geführt; drum mag er auch die Suppe mitverzehren, die er eingebrockt hat. Er hat geweint, wie ich ihn dazu zwang; er sprach viel vom Zipperlein und von seiner Natur, die nicht kriegerisch sei; aber ich ließ ihn in seinen Harnisch schnüren und zu Pferd heben, er reitet den feurigsten Renner aus meinem Stall."

Während dies der Herzog sprach, schlug der Ritter vom Höcker das Visier auf und zeigte ein bleiches, kummervolles Gesicht. Das ewig stehende Lächeln war verschwunden, seine stechenden Äuglein waren groß und starr geworden und drehten sich langsam und schüchtern nach der Seite; der Angstschweiß stand ihm auf der Stirn, und seine Stimme war zum zitternden Flüstern geworden. "Um Gottes Barmherzigkeit willen, wertgeschätzter Herr von Sturmfeder, vielgeliebter Freund und Gönner, legt ein gutes Wort ein beim gestrengen Herrn, daß er mich aus diesem Fastnachtsspiel entläßt. Es ist des allerhöchsten Scherzes jetzt genug. Der Ritt in den schweren Waffen hat mich grausam angegriffen, der Helm drückt mich aufs Hirn, daß meine Gedanken im Kreis tanzen, und meine Knie sind vom Zipperlein gekrümmt, bitte, bitte! Legt ein gutes Wort ein für Euren demütigen Knecht, Ambrosius Volland; will's gewißlich vergelten."

Der junge Mann wandte sich mit Abscheu von dem grauen feigen Sünder. "Herr Herzog", sagte er, indem ein edler Zorn seine Wangen rötete, "vergönnt ihm, daß er sich entferne. Die Ritter haben ihre Schwerter gelüftet und die Helme fester in die Stirn gedrückt, das Volk schüttelt die Speere und erwartet mutig das Zeichen zum Angriff, warum soll ein Feigling in den Reihen von Männern streiten?"

"Er bleibt, sage ich", entgegnete der Herzog mit fester Stimme, "beim ersten Schritt rückwärts hau ich ihn selbst vom Gaul herunter. Der Teufel saß auf Deinen blauen Lippen, Ambrosius Volland, als Du Uns geraten, Unser Volk zu verachten und das Alte umzustoßen. Heute, wenn die Kugeln sausen und die Schwerter rasseln, magst Du schauen, ob Dein Rat Uns frommte."

Des Kanzlers Augen glühten vor Wut, seine Lippen zitterten und seine Mienen verzerrten sich grauenerregend. "Ich habe Euch nur geraten; warum habt Ihr es getan?" sagte er. "Ihr seid Herzog; Ihr habt befohlen und Euch huldigen lassen; was kann denn ich dafür?"

Der Herzog riß sein Pferd so schnell um, daß der Kanzler bis auf die Mähnen seines Elefanten niedertauchte, als erwarte er den Todesstreich. "Bei Unserer fürstlichen Ehre", rief er mit schrecklicher Stimme, indem seine Augen blitzten, "Wir bewundern unsere eigene Langmut. Du hast Unsren ersten Zorn benützt, Du hast Dich in Unser Vertrauen einzuschwatzen gewußt; wären Wir Dir nicht gefolgt, Du Schlange, so stünden heute zwanzigtausend Württemberger hier, und ihre Herzen wären eine feste Mauer für ihren Fürsten. Oh, mein Württemberg! Mein Württemberg! Daß ich Deinem Rat gefolgt wäre, alter Freund; ja, es heißt was, von seinem Volk geliebt zu sein!"

"Entfernt diese Gedanken vor einer Schlacht", sagte der alte Herr von Lichtenstein, "noch ist es Zeit, das Versäumte einzuholen. Noch stehen sechstausend Württemberger um Euch, und bei Gott, sie werden mit Euch siegen, wenn Ihr sie mit Vertrauen gegen den Feind führt. Oh Herr! Hier sind lauter Freunde, vergebt Euren Feinden, entlaßt den Kanzler, der nicht fechten kann!"

"Nein! Her zu mir, Schildkröte! An meine Seite her, Hund von einem Schreiber! Wie er zu Rosse sitzt, als hätte ihn unser Herr Gott hinaufgeschneit, den Schneemann! Du hast mein Volk verachtet in Deiner Kanzlei und ihnen Gesetze gegeben mit Deiner Schwanenfeder, jetzt sollst Du sehen, wie sie streiten, jetzt sollst Du sehen, wie Württemberg siegt oder untergeht. Ha! Seht Ihr sie dort auf dem Hügel? Seht Ihr die Fahnen mit dem roten Kreuz? Seht Ihr das Banner von Bayern? Wie ihre Waffen blitzen im Morgenrot, wie ihre Glieder von tausend Lanzen starren, wie der Wind in ihren Helmbüschen spielt. —Guten Tag; ihr Herren vom Schwabenbund! Jetzt geht mir das Herz auf; das ist ein Anblick für einen Württemberg!"

"Schaut, sie richten schon die Geschütze", unterbrach ihn Lichtenstein, "zurück von diesem Platz, Herr! Hier steht Euer Leben in augenscheinlicher Gefahr; zurück, zurück, wir halten hier; schickt uns Eure Befehle von dort zu, wo Ihr sicher seid!"

Der Herzog sah ihn groß an. "Wo hast Du gehört", sagte er, "daß ein Württemberg gewichen sei, wenn der Feind zum Angriff blasen ließ? Meine Ahnen kannten keine Furcht, und meine Enkel werden noch aushalten wie sie, furchtlos und treu! Sieh, wie der Berg sich dunkler und dunkler füllt von ihren Scharen. Siehst Du jene weißen Wolken am Berg, Schildkröte? Hörst Du sie lachen? Das ist der Donner der Geschütze, der in unsere Reihen schlägt. Jetzt, wenn Du ein gutes Gewissen hast, wirst Du leichter Atem holen, denn um Dein Leben gibt Dir keiner einen Pfennig."

"Lasset uns beten", sagte Marx von Schweinsberg, "und dann drauf in Gottes Namen."

Der Herzog faltete andächtig die Hände, seine Begleiter folgten seinem Beispiel und beteten zum Anfang der Schlacht, wie es Sitte war in den alten Tagen. Der Donner der feindlichen Geschütze tönte schauerlich in diese tiefe Stille, in welcher man jeden Atemzug; jedes leise Flüstern der Betenden hörte. Auch der Kanzler faltete die Hände, aber seine Augen richteten sich nicht gläubig auf zum Himmel, sie irrten zagend an den Bergen umher, und das Beben seines Körpers, sooft Blitz und Rauch aus den Feldstücken des Feindes fuhr, zeigte, daß seine Seele nicht zu Dem sich aufzuschwingen vermöge, der aus den Strahlen seiner Morgensonne über Freunde und Feinde herabblickte.

Ulrich von Württemberg hatte gebetet und zog sein Schwert aus der Scheide. Die Ritter und Reisigen folgten ihm, und in einem Augenblick blitzten tausend Schwerter um ihn her. "Die Landsknechte sind schon im Gefecht", sagte er, indem sein Adlerauge schnell das Tal überschaute. "Georg von Hewen, Ihr rückt ihnen mit tausend zu Fuß nach. Schweinsberg lehne sich mit achthundert an den Wald und warte bis auf weiteres. Reinhardt von Gemmingen, wollt mit den Eurigen geradeaus ziehen und den mittleren Raum zwischen dem Wald und dem Neckar einnehmen. Sturmfeder, Du bleibst mit Deiner Abteilung Reiter, doch bist Du jeden Augenblick bereit, vorzubrechen. Gott befohlen, Ihr Herren. Sollten wir uns hier unten nicht mehr sehen, so grüßen wir uns desto freudiger oben." Er grüßte sie, indem er sein großes Schwert gegen sie neigte. Die Ritter erwiderten den Gruß und zogen mit ihren Scharen dem Feind zu, und ein tausendstimmiges "Ulrich für immer!" ertönte aus ihren Reihen.

Das bündische Heer, das auf dem Hügel, den die Herzoglichen früher gehalten hatten, angekommen war, begrüßte seinen Feind aus vielen Feldschlangen und Kartaunen; dann zogen sie sich allmählich herab ins Tal. Sie schienen durch ihre ungeheure Anzahl das kleine Heer des Herzogs erdrücken zu wollen. In dem Augenblick, als die letzten Glieder den Hügel verlassen wollten, wandte sich der Herzog zu Georg von Sturmfeder.

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21 mayıs 2019
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