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Kitabı oku: «Das Schatzhaus des Königs», sayfa 11

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»Du siehst es,« sagte sie, ihn scharf beobachtend.

Beide schritten nebeneinander der Sänfte entgegen, sie ungewiß, ob er Verdacht schöpfe, er liebestrunken, vor Sehnsucht kaum mehr seiner mächtig.

»Du mußt dich wärmer kleiden,« lispelte er weich, ihr seinen Mantel umhüllend, »die Nacht ist kühl.«

Als das Mädchen in der Sänfte Platz genommen, beugte er sich noch einmal zu ihr.

»Verzeihe mir, Myrrah,« flüsterte er bebend, »verzeihe mir . . .«

»Was soll ich dir verzeihen?«

»Daß – daß ich dich liebe,« kam es verlegen über seine Lippen.

* * *

Das Haus, welches Asso Isaak geschenkt, lag im Westen der Stadt inmitten eines Gartens. Der Jude hatte klugerweise dem Mädchen mehrere Tage Zeit gegeben, sich von dem Unerwarteten zu erholen, ihre Geister zu sammeln. Er hatte es mit ihr gemacht wie derjenige, der einen anfangs unbändig sich zeigenden Papageien zähmen will, er hatte sie sich selbst überlassen, hatte sie kaum einmal des Tages gesehen und wenig mit ihr geredet. An diesem Abend wollte er es wagen, zum ersten Male sein eheliches Recht von ihr mit aller Entschiedenheit zu fordern, denn mehrere Anspielungen auf dieses Recht hatte sie bisher unwillig zurückgewiesen; jetzt, nach dem Verlauf einer Woche, hoffte der sehnsüchtige Ehemann auf günstigere Ergebnisse, denn nun mußte sich die Widerspenstige an ihn gewöhnt haben. Und konnte denn überhaupt ein weibliches Herz lange dem innigen Drängen eines glühenden Mannes widerstehen? Ihr entfernter Geliebter mußte allmählich dem gegenwärtigen Liebhaber weichen; das stille Bild des Entfernten mußte verblassen vor dem Andrang des Gegenwärtigen; und war nur einmal ihre Phantasie genugsam erhitzt von reellen Liebkosungen, wie konnten die nur eingebildeten eines Abwesenden noch Anziehungskraft auf ihr Herz ausüben. Es kam alles auf die günstige Stunde an, und diese glaubte Isaak an einem lauen, träumerischen Abend, der sich wie der Mund eines Liebenden auf das Niltal senkte, gefunden zu haben. Er kleidete sich in feines Gewebe und betrat das flache Dach seines Hauses mit klopfendem Herzen, mit unsicherem Schritt. Dort saß sie, kaum bekleidet, in der Ecke auf den schwellenden Kissen; ringsum blähten sich wollüstig die dunkelroten, assyrischen Vorhänge, die dem Dach, welches sie einschlossen, ganz das Ansehen eines behaglichen Zimmers verliehen, durch dessen Decke neugierig der Mond schielte. Dort saß sie abgewandten Blickes. Isaak stand nun neben ihr, seine Lampe auf den kleinen Tisch stellend, auf welchen sein Weib den Arm stützte. Welch ein Arm! wie bogen sich seine Wellenlinien weich nach dem Haupte empor; er zitterte leise, dieser weiße Arm, und als ihn der Erwartungsvolle berührte, kehrte sie ihm ihr von der Lampe geheimnisvoll umspieltes Antlitz zu. Noch zögerte er.

»Wie glücklich könnten wir beide miteinander sein,« begann er endlich mit unsicherer Stimme.

»Glücklich?« hauchte sie schaudernd, »glücklich?«

»Wenn du diesen Menes vergessen wolltest. Reichtum und Ansehen ward mir zuteil, mir fehlt nichts mehr zu meinem Glück als deine Liebe. Was hängst du dein Herz an diesen Menes, der nicht deines Stammes ist? O Myrrah, wenn du mich nur mit der Hälfte der Liebe lieben könntest, die du diesem Fremden widmest, – ich wollte dir ein getreuer, zärtlicher Gatte werden, ein Gatte, wie du ihn vielleicht in Menes nicht findest, von dem du jetzt kaum weißt, ob er dein ihm ergebenes Herz nicht verlacht.«

Beide schwiegen. Die Nachtluft spielte mit den Teppichen, ein Nachtfalter umschwirrte die Lampe, tiefe Stille überall; weit draußen in der Dunkelheit zeigten einzelne glühende Punkte die Stelle, wo Memphis lag, auf dessen flachen Hausdächern die Bewohner der kühlen Ruhe genossen. Isaak legte seinen Arm um den Nacken des Mädchens, sie rückte hinweg, von Grauen geschüttelt.

»Isaak, ich flehe dich an,« sagte sie, »gib mir Wahrheit. Hat mich Menes vergessen? Du weißt es, o täusche mich nicht! Dir hat es Asso anvertraut.«

»Was fragst du mich nach Menes,« entgegnete er düster.

»War jene Botschaft erlogen? Liebt er mich noch? Isaak, bei allem, was dir heilig ist – rede!«

»Ich bin nicht hierhergekommen, mit dir über Menes zu reden,« gab er barsch zur Antwort, »ich wollte, die Schakale nagten an seinem Gebein, die Sandkörner der Wüste tränken sein Blut. Du weißt, was ich von dir fordere, zögere nicht länger, denn mit meiner Geduld ist es zu Ende.«

»Rufe deine Schwester,« preßte die Bebende hervor.

»Meine Schwester?«

»Sie nahm mich gestern in Schutz dir gegenüber, sie wird auch diesmal dich überreden, mich zu schonen –« Er starrte sie an.

»Jehova, welche Blicke – Isaak! töte mich! Komm, töte mich und ich will dich preisen!«

»Närrin, dich töten? Meine Schwester ist von hier weggereist,« entgegnete Isaak immer rauher.

»Weggereist? So habe ich niemand, der mir beisteht?« rief die Verlassene aus. »Weh mir! sie war in letzter Zeit gut gegen mich, deine Schwester. Wohin reiste sie?«

»Ziehe unser Gespräch nicht auf andere Gegenstände,« erwiderte der Jude hastig, »dies Mittel, das du auch gestern angewendet, habe ich jetzt durchschaut. Ich bin dein Gatte und will es nicht nur dem Namen nach sein.«

Noch zögerte das Mädchen mit ihrem ganzen Stolze, dem Verlangenden gegenüber zu treten, noch dachte sie sein ungestümes Herz durch Klagen zu rühren.

»Hab' Erbarmen, lieber Isaak,« bat sie, seine Hand ergreifend, »Gewalt hat dich mir zum Gatten gegeben, aber meine Liebe kann dir Gewalt nie und nimmer erringen – du kannst mich nie zu deiner Geliebten machen, höchstens zu deiner Sklavin, und ich hoffe, du bist zu edel, mich so tief zu erniedrigen. Wenn Menes zurückkehrt und mich so findet, wie er mich verlassen – o wie wird er dich belohnen, wie wird er dir danken. Nahe mir weiter nicht; laß mich deine Schwester sein, sei du mein Bruder; du sollst an mir eine aufopferungsvolle, unendlich dankbare Schwester finden, ein Wesen, das dich anbetet, deine Selbstüberwindung bewundert und dich wahrhaft liebt, – weil du entsagst! Wenn du mehr verlangst als ich geben will, muß ich dich hassen, aber zeigst du dich mir als großer Charakter, dann will ich die Deine sein – dem Geiste nach!«

Isaak sah nach diesen Worten schweigend zu Boden. Hätte seine Schwester neben ihm gestanden, so würde er, gewohnt den Winken der Scharfklugen zu gehorchen, abgelassen haben, diese Unschuldige zu verfolgen; er hätte sich seiner Rechte begeben; heute aber, da er sich als alleiniger Besitzer des Hauses fühlte, dämpfte nichts seine Begierden; die Bitten der Unglücklichen schienen sogar anfachend auf dieselben zu wirken. Sein innerer Kampf war bald entschieden. Mit einem tigerartigen Griff faßte er nach Myrrahs Arm; umschlang die sich Abwendende und war eben nahe daran, einen glühenden Kuß auf ihre Lippen zu pressen, als er einen kalten Gegenstand auf der Brust fühlte, der ihm einen Schrei entlockte und ihn zurücktaumeln ließ.

»Komm nur näher,« hörte er Myrrah ausrufen. Sie stand, tiefatmend, hoch aufgerichtet ihm gegenüber, die Augen von einem fast wilden Lichte erfüllt, ins Leere geheftet, einen Dolch in der zarten Faust. Nichts bewegte sich an ihr, als der Busen; die Locken hatten die Perlschnur zerrissen und hingen bis in ihren Nacken hinab; Isaak mochte, als er sie so stehen sah, nicht mehr an der Wahrheit jenes Dokumentes zweifeln, das Myrrah eine Königstochter sein ließ.

»Ich bin zu allem fähig,« stieß sie, mit Schmerz und Zorn ringend, hervor, »zu allem bin ich fähig, wenn du wagst, mich zu berühren. Ich war sanft, ich bin es nicht mehr, der Gewalt setze ich Gewalt gegenüber. Entweder du oder ich! Wenn ich dich nicht töten kann, so sollst du mich blutend zu deinen Füßen sehen! Wähle, wer von uns beiden aus dem Leben scheiden soll.«

Sie trat zurück, die Dolchspitze in ihren weichschwellenden Busen drückend. Ihr Gebieter starrte sie sprachlos an, – verbieten, sich zu töten, konnte er ihr nicht, hier war er machtlos.

»Ich gehöre Menes,« sagte sie dann mit leidenschaftlicher Entschlossenheit, »keinem sonst. Und kann er mich nicht umarmen, so soll keiner mich umarmen. Dieser Mund, diese Brust ist sein Eigentum, das ich ihm bewahren werde, jedem gegenüber. Dieser Leib ist sein Tempel, er ist sein Gott; eher zerstöre ich diesen Leib, als daß ich ihn entweihen ließe.«

Ihre gehobene Redeweise, der kühne Aufschwung, den ihr ganzes Wesen genommen, übten eine so niederschlagende Wirkung auf Isaak aus, daß er, einen scheuen Blick um sich werfend, das Dach sogleich verließ. Wohl mochte er seiner feigen Natur zürnen, aber was hätte er in diesem Augenblick anderes tun sollen, als sich fügen? Ihren Tod wollte er um keinen Preis herbeiführen, und das fühlte er, er hätte ihn herbeigeführt, wenn er auf seinem Wunsch beharrt; ihre Drohung bestand nicht in leeren Worten. Hätte er, nachdem er gegangen, die Unglückliche zusammensinken sehen, hätte er ihre unterdrückten mutlosen Seufzer vernehmen können, wohl wäre ihm seine verlorene Entschlossenheit wiedergekehrt. So aber verbiß er seinen Groll und gab einstweilen den Befehl, daß mehrere seiner Sklaven Tag und Nacht um das Haus schleichen sollten. So war er wenigstens sicher, Myrrah jede Flucht unmöglich gemacht zu haben; im übrigen stand ihm immer noch als letztes Mittel die Gewalt zur Seite, für heute begnügte er sich damit, seiner Gönnerin Asso von der zähen Widerspenstigkeit Myrrahs Kunde zu geben, um den Rat dieser entschlossenen Frau einzuholen.

* * *

Am Abend des folgenden Tages besuchte er das Schatzhaus. Nichts Störendes war ihm bis dahin begegnet, so oft er den geheimnisvollen Ort betreten. Diesmal aber fiel ihm auf, daß mehrere Gegenstände von Wert, deren Platz er genau kannte, weggestellt waren, andere sogar gänzlich fehlten. Sollte ein zweiter Dieb, gleich ihm, diesen Schatz bestehlen? Das war nicht anzunehmen. Als er genauer zusah, gewahrte er zu seinem unaussprechlichen Schrecken, daß man kleine Stäbe vor den verschiedenen Kisten errichtet hatte, an welchen Täfelchen mit Nummern gebunden hingen. Sollten königliche Beamte den Schatz durchsucht und die Entwendung der Kostbarkeiten bemerkt haben? Es überlief ihn heiß bei dieser Vermutung! Er nahm von den Ringen und Edelsteinen immer bloß die unterste Lage weg, ordnete die oberste wieder so, wie sie gelegen und war behutsam darauf bedacht, auch nicht das kleinste Stäubchen von seiner Stelle zu rücken, das ihn hätte verraten können. Auf diese Weise dachte er sich geborgen.

Drittes Kapitel

In den Hallen des Königspalastes zu Theben, dessen Säulen auf einer steinernen Plattform parallel mit dem Nil aufgereiht stehen, schritt am frühen Morgen ein junger Mann träumerischen Angesichts auf und nieder. Er trug ein buntes Kopftuch, auch war sein Lendentuch reichverziert; sein übriger Körper blieb nackt, schlanke, glatte Glieder zeigend. Man sah ihm an, daß er nichts oder wenig zu tun hatte, denn die Hände auf dem Rücken, die Augen an der ihn umgebenden Pracht weidend, wandelte er von Zimmer zu Zimmer, von einer Säulenreihe in die andere. Und doch schien ihn zuweilen ein banges Gefühl zu überschleichen; manchmal blieb er stehen; dann fiel sein Kinn auf seine schön gewölbte Brust langsam herab, das Auge umflorte sich oder sah mit schmerzlichem Ausdruck ins Weite. Der Säulenwald, den er durchirrte, trug majestätisch die wuchtige Decke; ein gelblich violettes, schwermütiges Licht, welches die Phantasie eigentümlich aufregte, quoll gedämpft von oben zwischen den Kapitälen herab oder gab den Schatten der ferneren Hallen dunkelpurpurne Farben. Die Luft, die man einatmete, schien von tiefrosigem Hauch durchweht; ein feiner Duft ließ darauf schließen, daß man hier zuweilen kostbares Rauchwerk verbrannte. Endlos reihten sich die Säulen aneinander. Das ermüdete Auge berauschte sich bald an teppichbelegten Gemächern, von deren Decken schwere Vorhänge geheimnisvoll herabflossen, bald bebte es vor langgestreckten, endlosen Gängen zurück, die in größere Säle führten, die wieder in Hallen mündeten und so weiter, immer weiter, bis sich schließlich Hallen, Wände, Säulen und Türen im Grenzenlosen zu verlieren schienen. Unheimliche, erdrückende Pracht prangte allenthalben von den Wänden dieser riesigen Gemächer herab, in derem leeren Umkreis sich der Mensch so verlassen vorkam, als läge er einsam mitten im Meere. Man wagte kaum zu atmen. Alles hier schien Ehrfurcht zu begehren. Stille ringsum; keines Höflings schleichender Fuß war zu hören, keines Soldaten Waffengerassel, keiner Sklavin rauschendes Gewand. Menes (denn das war der junge Mann, der diese Zimmer durchirrte), Menes fuhr sich mit der Hand an die Stirne.

»Wo bin ich da hingeraten?« murmelte er, welches Murmeln sogleich die Echos gespenstisch wachrief.

Gleich am folgenden Tag nach seiner Ankunft in Theben hatte er durch den obersten Kämmerer, der seine Empfehlungsschreiben geprüft und ihn als Sohn seines verstorbenen Freundes wiedererkannte, die Erlaubnis erhalten, dem Könige sich vorzustellen. Dieser Morgen war dazu ausersehen. Er übernachtete im Hause des Kämmerers, der ihm einige Vorschriftsmaßregeln gab, und die Sonne hatte sich kaum erhoben, so stand Menes schon klopfenden Herzens vor dem hohen Portal des Gebäudes, in welchem der Sohn der Sonne über Leben und Tod seiner Untertanen entschied. Als er eintrat, kümmerte sich keine Seele um seine Person. In den sonnigen Höfen würfelten oder kämpften die Soldaten; die Treppen der Hallen hinauf schlüpften, ohne ihn zu beachten, geschäftige Diener mit Goldplatten in den Händen, lautlos wie Eidechsen; Priester, Leopardenfelle um die Hüften, hohe Beamte in vollem Ornat, Papyrusrollen unterm Arm, schritten gravitätisch, aber schweigsam über die bunten Steinfliesen. Wachen standen regungslos, Beil oder Schwert im Arm, vor teppichverhüllten Türen.

»Die Königin verlangt ihr Backwerk« – »der Prinz sein Bad« – »die Sänfte soll bereitstehen« – »der Zug der Musikanten soll sich ordnen« – solche und ähnliche Befehle zischelten sich vorübereilende Hofschranzen in die Ohren. Menes sah diesem Treiben verwirrt zu; seine angeborene Bescheidenheit, um nicht zu sagen Schüchternheit, verstärkt durch die Heiligkeit des Ortes, verbot ihm zu fragen, wo er sich hinzuwenden habe; auch fürchtete er diese, wie es schien, mit Geschäften überladenen Diener in ihrem Berufe zu unterbrechen; er wußte nicht, daß ein Höfling ein geschäftiger Müßiggänger ist. Das Empfehlungsschreiben nebst der Vorladung zur Audienz fest unter dem Arm haltend, schritt er endlich auf eine Wache zu.

»Guter Freund, könnt Ihr mir nicht sagen,« frug er schüchtern, »wo ich den Audienzsaal des Königs zu suchen habe?«

Die Wache gab, einen strengen Blick auf ihn schleudernd, keine Antwort.

Er schritt beklommen weiter, eine Treppe hinauf, einen schmalen Gang hinab. Als er dort hinter einer Türe sprechen hörte, wollte er sich nähern, um anzuklopfen, jedoch ein hinter einem Vorhang hervorgeschlüpfter Sklave winkte mit beiden Händen ab. Auf sein verwundertes Befragen flüsterte ihm der Sklave zu, es dürfe diesen Gang kein Mensch betreten; hier befänden sich die Gemächer der Königstochter Asa-Termutis; diese studiere mit dem jungen Ebräer Mesu Moses. , dem sie einst das Leben gerettet und welchen sie beschütze, die heiligen Rollen. Menes frug nach dem Audienzsaal des Königs, worauf ihm der Sklave eine umständliche Beschreibung des Weges lieferte. Unser Freund gab sich vergeblich Mühe, die Weisung des Sklaven zu befolgen, nach einer halbstündigen Wanderung, die ihn durch ein Labyrinth von Gängen, Hallen und Sälen führte, mußte er sich das Geständnis machen, daß er sich gänzlich verirrt und daß er sich immer mehr verirren werde, wenn ihm nicht irgendein Gott einen, der Auskunft erteilen könne, in den Weg schicke. Dies Gewirr von Sälen verlängerte sich vor den entmutigten Blicken immer mehr; immer geheimnisvoller umschloß ihn die phantastisch bunte Dämmerung dieser Wohnungen, immer beängstigender wirbelten die Säle vor seinen eilenden Blicken, immer drohender rückten Decke und Wände auf ihn herein, immer wilder tanzten die grell gemalten Figuren ringsum. Endlich, er war gewiß durch drei- bis vierhundert Säle geeilt, zwang ihn die Müdigkeit, sich auf einer Bank niederzulassen. Ihm gegenüber war eine Szene gemalt, die das häusliche Glück der Ehe in lebhaften Farben schilderte. Es war ihm, als sei das Weib, welches dort ihren Gatten anlächelte, Myrrah. Dieser Anblick des liebenden Weibes, des zärtlichen Gatten verwischte ihm die Gegenwart vollständig; Audienz, Müdigkeit und Verirrtsein waren vergessen. Was mochte sie, seine Myrrah, jetzt in Memphis fühlen, welches Geschäft mochte sie in diesem Augenblick verrichten? Dachte sie an ihn? Ohne Zweifel! Leibhaftig stand sie vor ihm da; es war ihm, als hörte er ihre sanfte Stimme. Mit Wonne malte er sich jede ihrer Bewegungen aus, erinnerte sich an manchen ihrer tiefgefühlten Blicke, wiederholte sich leise, was sie ihm bei dieser oder jener Gelegenheit zugeflüstert. Manche Situationen traten mit solcher Lebhaftigkeit vor ihn hin, daß sie aufregend auf ihn zu wirken begannen. Er hatte ihr einige Tage vor seiner Abreise einen goldenen Ring zum Geschenk gemacht; als er diesen Reif an ihren zarten Finger schieben wollte, zeigte er sich zu enge; er schürfte ihr die Haut dabei und nahm in der Bestürzung darüber den blutenden Finger zwischen die Lippen, das Blut zu stillen. Sie hatte das nicht zugeben wollen. Jetzt erinnerte er sich dieser Szene so lebhaft, daß er unwillkürlich die Lippen wölbte und ein süßer Schwindel an seiner Stirne vorüberzog. Er sah sie erröten; die angenehme Verlegenheit, die ihn damals ergriff, erfaßte ihn jetzt wieder; er schwelgte in diesen Empfindungen, sie schlugen ihm über dem Haupte zusammen, er ging in diesen süßen Phantasien unter. Auch seine Mutter tauchte aus dieser Flut von Bildern vor ihm empor. Er pries sich glücklich, Myrrah in ihre Hände gegeben zu haben. So war sie doch vor Mangel geschützt, hatte ihr stilles Heim und reifte langsam für ihn heran, wie die Rose, die des Brechens harrt. Mit schauerndem Entzücken dachte er an die Stunde des Wiedersehens, jedoch fast mit Vorwurf rief er sich zu, wie er nur an Wiedersehen denken könne, da er kaum Abschied genommen. Viele Tage, viele Monate lagen noch zwischen dieser Stunde und der jetzigen. Ein unendliches Gefühl von Sehnsucht, von Heimweh beschlich ihn. Wie war er doch verlassen, verlassener wie sie. Sie durfte in der Heimat leben, hatte angenehme gute Menschen um sich; er war in der Fremde; Teilnahmlose umgaben ihn kaltherzig. Wer verstand ihn von allen diesen Tausenden! Glichen diese Menschen nicht lebendigen Mumien! Das also nannte man die Welt, dies Hasten und Jagen nach nichts, nach Genüssen, deren sich der Edle schämen muß? Die Götter werfen uns mittellos in diese Welt, sprach er zu sich selbst, und rufen uns zu: nun sieh, wie du dir hindurchhilfst. Selbst die Mittel, uns dieses zweifelhafte Geschenk, das Leben, zu erhalten, müssen wir uns mühsam erringen. Also, um nur überhaupt dies flüchtige Dasein uns zu bewahren, bedarf es schon qualvoller Anstrengung. Und ist dieses Dasein es wert, es sich durch endlose Kämpfe zu erhalten? Dies Dasein, besteht es doch bei Tausenden meist aus weiter nichts, als einem unklaren Traum mit wenig lichten Momenten? Ist dies Dasein der meisten nicht ein ewiger Kampf mit der Not, der der Kämpfer, und sei er der mutigste, endlich doch unterliegt? Und selbst dem besseren Teil der Menschheit dient diesem sein hellerer Überblick, seine tiefere Einsicht doch nur dazu, sich nach der kühlen Stille des Felsengrabes zu sehnen. Menes fühlte, daß ihm diese Reise mannigfache Eindrücke gegeben, daß sich sein Erkennen geschärft, seine Auffassung vertieft hatte; er sah mit anderen Augen in die Welt; auch mochte wohl die Trennung von der, die er liebte, seinen Gedanken höheren Flug verleihen, denn er fühlte, daß der Schmerz veredelt, indes die Freude verflacht.

Eben versenkte sich seine Erinnerung in die Genüsse, die ihm diese Reise von Memphis nach Theben gewährt, er sah des Nil blühendes Ufer vor sich, an welchem reichbemalte Schiffe vorüberschwebten, er hörte das entfernte Rauschen der Palmenwälder, aus welchen rötliche oder blendendweiße Landhäuser schimmerten, eben tauchte das Bild der Wüste vor ihm auf, nach welcher er von seinem Schiffe aus einmal eine kleine Reise unternommen, als ihn plötzlich ein aus der Ferne kommendes Geräusch aus seinem Traume weckte. Was war das? Träumte er noch? Vernahm er so deutlich das Rauschen der Nilwellen? Nein, das Echo sandte ihm Musik; feierlich schwollen aus ziemlicher Entfernung melodische Töne an sein Ohr. Hastig sprang er empor, sich wieder seiner hilfsbedürftigen Lage erinnernd. Vergeude ich hier die Zeit mit nutzlosem Grübeln, rief er sich zu, aufmerksam nach der Richtung spähend, woher die Töne drangen.

»Das ist Rettung,« sprach er dann, »dort muß ich Menschen antreffen.«

Näher, immer näher kam er den Klängen; er hatte kaum drei Säle durchwandert, so befand er sich zwischen Säulen, die ihm den Durchblick auf ein schönes, großartiges Schauspiel, ein Morgenopfer, wie es ihm schien, des Königs gestattete. Mit starrer, plumper Erhabenheit saß der Gott Osiris auf seinem goldenen Throne, die Arme an den Leib gedrückt, die Hände auf den Knien, geradeaus blickend, von so dichten, blauen Weihrauchwolken umwogt, daß seine massigen Glieder wie aus einem Mantel hervorlugten. Vor ihm stand ein stattlicher, nicht mehr ganz junger Mann, dessen hohe, rotweiße Krone ihn sofort als den König kennzeichnete, wenn ihn nicht seine Würde, die angeborene Majestät seiner Bewegungen als solchen verraten hätte. Der König hob beide Arme zu dem Gotte empor; seine stolzen, freien Gesichtszüge zwang er zur Demut; allen Schmuck hatte er abgelegt; ein künstlicher Bart verlängerte das stark ausgeprägte, Herrscherwillen ausdrückende Kinn. Zu beiden Seiten des Bildes standen, mit erhabenen Mienen, Priester, silberne Gefäße voll Wein in den Händen oder die Weihrauchpfanne schüttelnd. Hinter diesen knieten Harfenspielerinnen, andere schwangen Handtrommeln im beweglich schönen Arm, während andere das Kem-kem schlugen und wieder andere einen Gesang zu der finster herabdräuenden Decke emporschickten. Der übrige Teil des halbdunklen Saales war mit betenden Kriegern erfüllt, die ihre Arme zum Zeichen der Demut vor sich niederhängen ließen. Der Gott schien gnädig lächelnd die Huldigungen hinzunehmen; manchmal schien es, als würfe er durch den Weihrauchschleier einen freundlichen Blick auf den Monarchen. Der scharf aromatische Geruch der Weihrauchmischung, die gellend betäubende Musik, die feierlichen Priester, von denen einige Federn auf dem Haupte trugen, die halbnackten Priesterinnen, die steinerne Ruhe des Gottes und das magische Licht, welches von oben durch die Säulen sickerte, die Szene in ein rätselhaftes Düster hüllend, dies alles wirkte auf Menes eigentümlich berauschend.

»Heil dir, Osiris, Hochheiliger, Ewigstrahlender,« sangen die Priester, sich verbeugend, ihre Instrumente schwingend, »siehe gnädig auf den Sohn der Sonne; er naht demütig vor deiner Lichtheit. Hat er dir nicht wohlriechende Hölzer gegeben? Dir nicht verbrannt köstliches Rauchwerk? Hat er dir nicht dargebracht Miriaden Rinder im Lande deiner Heiligtümer? Ließ er dir nicht herbeibringen das dauernde Gestein für deine Tempel? Ja, du hast ihn umgürtet mit Gnade; deine Lichtheit umschwebte ihn im Kampf; seine Feinde warfen sich in den Strom, wie Krokodile in den Nil; er stürzte unter sie, gleich wie der Sperber niederstößt, gleich dem Gotte Baal im Momente seines Schreckens!«

So brauste es feierlich durch die Hallen, bald wie knatternder Donner, wenn die Trompeten sich mit den Trommeln mischten, bald sanft hinsterbend, wie der Nachtwind, der den Papyrusstauden von den Geheimnissen der alten Pyramiden erzählt, oder von den Schrecken des glühenden Sandmeeres, wenn die Saiten der Harfe schwollen, hinüber in das Geflüster der Flöten. Menes stand hinten einer Säule, von wo aus er das Ganze übersehen konnte. Jetzt trat der König näher, um auf den Altar eine Goldschale voll Wein zu gießen. In diesem Augenblick hörte unser Freund neben sich ein Geräusch, wie das Schwirren einer Sehne, wenn sie gespannt wird; er drehte sich um – dicht neben ihm zu seiner Rechten kniete ein Bogenschütze am Boden, der eben im Begriffe war, einen Pfeil auf die Sehne zu legen. Was hatte ein Bogenschütze in solcher Stellung hier zu verrichten? Wollte er schießen? Und welches war sein Ziel? Der erstaunte Menes sah wie eine beringte Hand, die hinter einer Säule hervorkam, dem Knienden auf die Schulter tippte; ein leises: »Warte noch!« schlug an sein Ohr. Unserem Freund erregten die beiden Personen Verdacht; er beobachtete sie mit gespannter Aufmerksamkeit; das Blut strömte ihm vom Kopf nach dem Herzen zurück; krampfhaft preßte er seinen zitternden Leib an die Säule. Der Schütze neigte sich nun vor, setzte das Knie auf den Boden und zielte mit erhobenem, straffem Bogen nach dem König hinüber, der soeben, während alle niedersanken, den goldenen Wein aus der Schale langsam über den Marmor des Altars träufeln ließ. Nun erst wurde unserem Freunde klar, um was es sich hier handelte! Königsmord –! Eine fieberhafte Aufregung bemächtigte sich seiner, die ihn fast gänzlich um den Gebrauch seiner Kräfte brachte. War er nach Theben gekommen, um ein solches Schauspiel mit anzusehen? Sein reines Herz konnte es noch nicht fassen, das Unerhörte; auf den König schießen, hieß ihm auf einen Gott schießen. Was sollte er tun? Sollte er rufen? Er rief ein lautes »Halt!« In diesem betäubenden Stimmgemisch verlor es sich wie ein Tropfen im Meer. Die Gefahr wuchs; er zürnte seiner Tatlosigkeit; schon sank die Pfeilspitze drohend nieder; ohne zu wissen, was er tat, wie im Traume schritt er auf den Altar zu, dabei unaufhörlich mit den Armen abwehrende Bewegungen machend. Seine Beklommenheit ward vermehrt, als er zu bemerken glaubte, daß der links vom Altar stehende Oberpriester mit dem mörderischen Schützen Blicke wechselte; der Priester winkte mit dem Auge; Menes stürzte, die Arme hoch erhoben, auf den Altar zu, aber er hatte ihn noch nicht erreicht, als aus der Papyrusrolle, die er im Arm trug, mit ziemlicher Heftigkeit ein Pfeil zu Ramses' Füßen niederklirrte. Dem König entsank die Schale; ein Gemisch von Hilferufen, Wutgeschrei, abgebrochenen Akkorden des Gesanges erfüllte mit einemmal die Halle. Einige umringten den König, andere zogen die Waffen; Menes deutete nach der Stelle, woher der Schuß gekommen, hob den Pfeil vom Boden auf und überreichte ihn dem erblaßten König. Das Vorgefallene verbreitete sich mit Blitzesschnelle unter der Menge. »Mord! Königsmord!« brauste es von einem Winkel des Saales bis zum anderen; die kahlköpfigen Priester standen regungsloser als ihr Gott; wie ein immer steigender Sturm wogte die Masse auf und ab, Fragen, Antwortgeben, Verwünschungen durchbebten die dicke, weihrauchgeschwängerte Luft, bis sich schließlich, nachdem das Gerücht genugsam verbreitet, alle die vielen Stimmen in einem Schrei der Entrüstung auflösten. Am lebhaftesten war die Verwirrung an dem Ort, von dem der Pfeil geflogen kam, dort hatten die Nächststehenden einen Schützen aufgegriffen, der sich, ohne sich zu verteidigen, ruhig fesseln ließ, seinen Feinden trotzig in die Augen sehend. Während dieser Zeit stand der König mit sinnenden, träumerischen Mienen am Altar, ohne auf das Lärmen um ihn her zu achten. Der Oberpriester war ihm näher getreten, sein Beileid auszudrücken, aber der König warf ihm, als ihm jener die Hand reichen wollte, einen so wildverstörten Blick zu, daß sich der Priester sogleich zurückzog. Der Pfeil ging von Hand zu Hand; der König machte eine abwehrende Bewegung, als man ihm denselben noch einmal zeigen wollte. Als er seine hohe, schwermutumdunkelte Stirne hob, sah er zu seinen Füßen den von seinen Kriegern mittlerweile herbeigeschleppten mutmaßlichen Verbrecher, auf dessen augenblickliche Verurteilung die Umgebung harrte. Gewaltsam hatten sie dem Schützen den Nacken gebeugt, der König jedoch würdigte ihn keines Blickes, sondern reichte, den Ernst seiner Züge mit Anstrengung aufheiternd, dem neben ihm stehenden Menes die Hand.

»Dir verdanke ich mein Leben,« sprach er sanft, »ich danke dir, wer du auch seiest; du sollst von nun an in meiner Nahe bleiben; du darfst dir den Namen ›Freund des Königs‹ beilegen.«

Menes trat bescheiden zurück, aber Ramses ließ seine Zurückweisungen nicht gelten.

»Wessen Leib dem König zum Schilde gedient,« sagte er, »der hat Anspruch auf die höchsten Gnaden, denn ein Gott hat ihn in die Nähe des bedrohten Königs geleitet. Dieser Pfeil würde mich hinweggerafft haben, wenn du ihn nicht aufgehalten, und ich betrachte dich als einen von meinem Vater, dem strahlenden Râ, dem Hochheiligen, Gesandten. Ich lege vertrauungsvoll meine Hand in die deine. Wen ich belohne, der nimmt den Lohn so willig hin, wie der die Strafe, den ich strafe, und dich belohne ich, um meinem Volke zu zeigen, wie sein Herr treue Dienste zu ehren weiß. Achtung und Ehrerbietung diesem Manne,« rief er dann seinem Gefolge zu, »er steht mir von diesem Tage ab an Rang kaum nach.«

Menes mochte fühlen, wie klug der König handelte, ihn vor allem Volk so auszuzeichnen; das mußte den Eifer, ihm zu dienen, aufs äußerste schüren.

Mit einem Blick auf den vor ihm knienden Bogenschützen fragte der Herrscher:

»Erkennst du diesen als meinen Mörder?«

»Er ist es,« sagte Menes, »er stand hinter jener Säule.«

»Man suche aus ihm herauszubringen,« wandte sich Ramses an seine Umgebung, »wer ihn zu dieser Tat verleitet, und ertränke ihn sodann.«

Das Morgenopfer wurde hierauf als beendet betrachtet. An Menes' Arm schritt der König durch die Reihen seiner ihn umjubelnden Krieger, gnädige, heitere Blicke um sich werfend, die nichts von innerer Unruhe verrieten. Den Eingang des königlichen Gemaches umdrängte eine solche Menge von herbeigeeilten Einwohnern Thebens, daß dem Herrscher kaum eine schmale, von Soldaten mühsam gebildete Gasse blieb, aus welcher sich ihm tausend Hände huldigend entgegenstreckten. Selbst vor ihm nieder warfen sich Frauen, ihm Blumensträuße überreichend, oder seine Füße zu küssen suchend. Ramses verteilte viele herzliche Worte unter die ihn Umdrängenden, bis er hinter dem Teppich des Einganges verschwand, welchen die Volksmenge noch so lange umstand, bis ein Kämmerer hinter denselben auftauchte, die Hand gegen die tosende Menge erhebend. Als allgemeine Stille eingetreten war, sprach der Kämmerer: »Der Sohn der Sonne dankt euch für die Beweise eurer Zärtlichkeit und Teilnahme. Nun aber bittet er sein Volk, ihn allein zu lassen. Dieser Vorfall hat sein Herz tief erschüttert. Er bedarf der Ruhe und Schonung.«

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04 aralık 2019
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