Kitabı oku: «Das Schatzhaus des Königs», sayfa 6
»Nun? Was? Sprich offen.« Ihre Augen hingen an seinen Zügen.
»Daß ich mir gestern abend,« sagte er lächelnd, »einen Becher voll Wein aus Byblos durch deinen Haushofmeister reichen ließ.«
Sie sah ihm verblüfft in das Gesicht.
Darauf begann sie sich zu beschweren, daß er sie vernachlässige, fragte, wo er sich seither aufgehalten, wie er die Zeit verbracht; sie erhielt jedoch zur Antwort auf ihre vielen Fragen stets nur dasselbe gleichgültige Lächeln oder kurz hingeworfene Wortsplitter, mit welchen sie nichts anzufangen wußte. Auf die Frage, wie es mit seinen Studien stehe, antwortete er: das Wetter sei heute sehr schön! Als sie ihn über seine Geistesabwesenheit zur Rede stellte, meinte er, er sei noch nie so sehr bei sich selbst gewesen, wie heute. Sein Gemüt ist völlig verändert, dachte sie bei sich, indem sie ihren aufsteigenden Groll unterdrückte. Wohin kam sein verschlossenes, mürrisches Wesen? Wohin seine Beklommenheit mir gegenüber? Er respektiert mich kaum! Ihr Argwohn stieg, als Menes plötzlich, ohne jegliche Veranlassung, begeistert die Schönheit des sich ihm durchs Fenster zeigenden Gartens pries. Seine Mutter wollte seinem poetischen Ergusse Einhalt tun, er aber überhörte gänzlich ihre scharfen Dazwischenwürfe. Schließlich verlor sie gänzlich die Fassung; nach Worten ringend, ließ sie es geschehen, daß er – was bis dahin noch nie vorgekommen – einen Kuß auf ihre Hand drückte. Erstaunt sah sie, wie er hierauf langsam den Rückweg antrat, ihr beständig glückselig zunickend. Sie wollte ihn zurückrufen, aber ihre Verblüfftheit war zu groß, sie beschränkte sich darauf, den Kopf zu schütteln und zu schweigen. Kaum hatte Menes das Zimmer verlassen, so schlüpfte Rebekka aus ihrem Versteck hervor.
»Nun, hohe Herrin,« begann sie lachend, »wer benimmt sich in dieser Weise? Habt Ihr ihn beobachtet? So benehmen sich nur Narren oder Verliebte! Und da Menes kein Narr ist – ich brauche die Folgerung nicht auszusprechen. Ihr habt Euch davon überzeugt, daß er vor Seligkeit kaum mehr weiß, ob er in Ägypten oder bereits in den Gefilden der Verstorbenen wandelt. Zeigt ihm eine häßliche Kröte, wie sie die Baalspriester in Phönizien verehren, und er wird sie für einen vom Himmel gefallenen Stern halten; haltet ihm übelriechenden Nilschlamm vor und er wird erklären, er röche Lilienöl, wie Ihr es in Euren Salbenschalen aufbewahrt. Die Welt ist ihm eine Rose, die er, wenn sie es verlangt, seiner Myrrah vor die Füße blättert. Ich kenne dergleichen Schwärmer, mein Gewerbe hat mich die Macht der Liebesgöttin ergründen lassen. Ja! man sollte es kaum glauben, daß ein schöner Arm, ein wohlgeformter Fuß einen Mann von Vernunft und Überlegung so völlig zum trunkenen Kind zu machen vermögen.«
Asso warf sich in die Kissen ihres Lagers zurück, drückte stöhnend die geballten Fäuste vor die Stirne und rief unaufhörlich: »Es muß an den Tag, ich will es ergründen, und wenn es Wahrheit ist, was du vermutest, Jüdin, dann wehe ihm!«
Die vornehme Dame hatte schon lange den Plan gehegt, sich, wenn ihr Sohn einst bei Hofe sein Glück mache, in den Strahlen seines Ranges zu sonnen. Er sollte der Schlüssel sein, der ihr die Prunkgemächer des königlichen Palastes öffnete, welche ihr seit dem Tode ihres Gatten verschlossen blieben. Ihr Herz schwoll auf beim Gedanken, daß ihr dereinst wieder, wie in ihren Jugendtagen, an der Tafel der Majestät zu speisen erlaubt sein sollte, daß sie es wieder hören könne, das Rauschen der Purpurvorhänge in den Vorsälen, daß sie ihn wieder einatme, den Duft der köstlichen Rauchwerke, die ihre veilchenblauen Wolken wälzten durch die schimmernden Säulen des Palastes. Ihre Phantasie bewegte sich nur in Bildern der Größe, der Macht, sie sah nur sich verbeugende Höflinge, wehende Priestermäntel, goldgestickte Tapeten und smaragdüberrieselte Frauengewänder. Und dies alles! diese entzückenden Aussichten, sollten nun von einer armen, hergelaufenen Jüdin vernichtet werden? Menes wollte sich durch eine solche Ehe am Hofe unmöglich machen? Unerhört! Mit freudig leuchtenden Blicken hörte die Jüdin den Drohungen, den Verwünschungen zu, welche die Wütende gegen ihren Sohn hervorstieß, denn Rebekka dürstete danach, Rache an Menes zu nehmen, der ihre Liebe zurückgewiesen und sein Herz einer anderen dargebracht.
Nachdem sich die Entrüstung der Dame ein wenig beruhigt, begann Rebekka ihr vorzustellen, wie leicht es sein müsse, eines Abends die beiden Liebenden zu überraschen. Man müsse zuvor genau auskundschaften, in welchem der vielen Gartentempel er Myrrah versteckt hielt; alsdann wollten beide zusammen, sobald die Nacht hereingebrochen, den Gang nach diesem Tempel wagen, um die gewünschte Aufklärung zu erhalten und die Schuldigen zu strafen. Als hierauf Rebekka unter vielen Verbeugungen gegangen war, fiel es Asso plötzlich ein, daß sich gestern der Gärtner beschwert hatte, viele seiner Ländereien seien von unvorsichtigen Füßen zertreten worden. Sie ließ den Gärtner rufen. Dieser bestätigte: am äußersten Gartenhause, da, wo der Garten an den Nilkanal stieße, also sehr weit entfernt vom Wohnhause, seien mehrere Blumenbeete völlig verwüstet. Dieses Gartenhäuschen stand auf einer kleinen Anhöhe; er habe gestern einige Wachen um diese Anhöhe gestellt, den frechen Eindringling, wenn er etwa wieder hierher seinen Weg nehmen sollte, zu fassen.
»Nun,« frug Asso lebhaft, »er kam nicht wieder?«
»Nein,« entgegnete der Gärtner Petefi, »aber meine Jungen wollen durch den Fensterspalt des Tempels – Licht blinken gesehen haben – und –«
»Nun? Was stockst du? Sprich!«
»Ich weiß nicht, ob ich es sagen soll –«
»Ich will es, rede –«
»Verzeiht mir, Gebieterin – es wäre vielleicht besser, ich schwiege – erlaubt, daß ich gehe – ich habe zu viel gesagt –«
»Das ist sonst nicht deine Art, lieber Petefi – rede, rede weiter – ich bitte dich –«
»Je nun, wenn Ihr es denn wollt – hem! seht! Die Jungen behaupten, es sei ihnen der junge Herr dort in der Nähe des Tempels begegnet.«
»Was? Menes?«
»Eben derselbe.«
»Bei Nacht?«
»Bei Nacht! Eingehüllt in einen Mantel.«
»Wirklich? Wirklich? Und was trieb er dort?«
»Einige behaupten,« fuhr der Gärtner geheimnisvoll fort, als er sah, wie Asso erblaßte, »einige behaupten, er sei in eben diesem Tempel verschwunden!«
»Verschwunden?«
»Und im Inneren des Tempels hätte man Beten und Flüstern hören können.«
»So! so! Nun, es ist gut.«
Der alte Diener schüttelte bedenklich den Kopf.
»Die Anzeigen häufen sich,« sagte Asso zu sich selbst, als der Gärtner gegangen war. »Ich wollte anfangs an die abenteuerliche Geschichte nicht glauben – jetzt aber –« sie hielt inne – »nein! nein! so sehr kann er sich ja nicht vergessen! Unmöglich! Vielleicht liegt er in diesem Tempel seinen Studien ob.« Dies schien ihr nun das Wahrscheinlichste. Da das Häuschen auf einer Anhöhe lag, mochte er von dort aus die Sterne beobachten; hatten ihm doch seine priesterlichen Lehrer öfter die Gestirne von dem Dache der Villa aus erklärt. Dies stimmte auch mit dem überein, was ihr am nächsten Tage der Gärtner von neuem berichtete. Er wollte nämlich gesehen haben, wie Menes sonderbare, in Tücher eingehüllte Gegenstände hinaus in den Garten trug. Wie, wenn dies astronomische Instrumente gewesen wären? Ja! sicherlich! denn sie wußte ja, daß die Astronomie nebst ihren Schlußfolgerungen dem Uneingeweihten ein Geheimnis bleiben mußte; aus diesem Grunde hatte also ihr Sohn das Studium der Himmelskörper vor ihr verborgen. Und konnte sein feierliches Benehmen, das er auf einmal an den Tag legte, nicht seinen Grund darin finden, daß er große Wahrheiten, glückliche Vorbedeutungen am Himmel entdeckt? Daß die Sterne ihm und seinem Leben günstig standen? Am folgenden Tage frug sie Menes geradezu, wie es mit seinen astronomischen Studien stehe. Er schien erstaunt und wollte ausweichen. Sie gab ihm zu verstehen, sie wünschte seinen nächtlichen Studien wenigstens einmal beizuwohnen. Menes erschrak darüber so heftig, daß er die ihm vom Sklaven gereichte Schale zu Boden fallen ließ und seiner Mutter erbleichend in die Augen sah.
»Beruhige dich, teurer Sohn,« sagte sie, »ich will nicht in die göttlichen Geheimnisse eindringen, du wirst mich nicht für so verworfen halten, daß ich dein Gewissen dadurch belaste, von dir Aufklärungen über hohe Mysterien zu verlangen, nein! nur einen Blick möchte ich in jenen Tempel werfen, in welchem du ohne Zweifel deine Apparate aufbewahrst und deine Studien betreibst.«
»Mutter, was verlangst du?« stotterte der Verwirrte, »du weißt, der ist des Todes, der uneingeweiht –«
»Ich weiß, ich weiß, mein Teurer,« sagte sie, »aber trotzdem bitte ich dich, führe mich heute abend in den kleinen Gartentempel –«
»Unmöglich,« stammelte er, »du weißt nicht, was du verlangst.«
»Ich weiß genau, was ich verlange!«
»Mutter –«
»Deine Weigerung ist seltsam – Menes! Scheut dein Werk so sehr das Licht? Treibst du Unerlaubtes in dem Tempel?«
Ihre Stimme ward scharf, drohend.
»Unerlaubtes? Nein!« sagte er mit Festigkeit.
»Nun, so will ich deinem Werke beiwohnen.«
Nach einer Pause der peinlichsten Verlegenheit sagte er errötend:
»Wohlan! Du magst einen Blick in den Tempel werfen, doch zuvor muß ich dem Oberpriester Kunde von diesem deinem Vorsatz geben. Ohne seine Erlaubnis könnte dir dieser Besuch falsch gedeutet werden.«
»Wirklich?« frug die Witwe. »Wenn es sich so verhält, so will ich von meinem Wunsche abstehen. Ich möchte den strengen Oberpriester nicht erzürnen, möchte weder dich, noch mich in Unannehmlichkeiten bringen. Was du auch in dem Gartentempel nächtlicher Weile treiben magst, lasse dich nicht stören. Ich werde tun, als wüßte ich nichts von deinen Studien.«
Menes atmete erleichtert auf. Asso aber nahm sich um so fester vor, in einer der folgenden Nächte den Tempel zu besuchen. Sie hoffte in ihrem Innern daselbst keine verborgen gehaltene Geliebte ihres Sohnes zu finden, sondern lebte der festen Überzeugung, er diene in diesem Tempel vielleicht irgendeinem ausländischen Gotte, etwa dem assyrischen Baal oder der Astarte, deren verrufene Kulte zwar in Ägypten gerade nicht verboten waren, die man aber doch gerne dem Auge der Offentlichkeit entziehen mochte.
»Lieber,« sagte dies selbstsüchtige Weib, »will ich ihn vor dem Bildnis der phönizischen Mylitta die Weihrauchpfanne schwingen sehen, als vor einer lebendigen Jüdin.«
Fünftes Kapitel
»Hast du die Laterne?« frug Rebekka.
»Ja!«
»Und den Dolch?«
»Ja.«
»So schließe die Türe und folge mir hinaus auf die Straße. Oder gib mir lieber die Laterne, damit ich sie unter meinem Mantel verberge.«
Isaak klappte den Metallschieber vor das Licht der Laterne. Beide Geschwister schlichen sich leise die Treppen des Hauses herab, öffneten das Tor und traten hinaus auf die dunkle Straße, um ihr gefahrvolles aber auch lohnendes Werk, das Auffinden des ihnen verheißenen, glückbringenden Schatzes zu unternehmen. Beiden mochte es nicht gerade behaglich zumute sein, als sie, prüfende Blicke um sich werfend, im Schatten der Häuser hinhuschten; jedenfalls aber war Rebekka um ein gut Teil gefaßter als Isaak, welcher seiner inneren Erregung durch fast pfeifendes Atemholen Luft machte. Lange sprachen sie kein Wort miteinander; Vorübergehenden wichen sie scheu aus dem Wege. Sie hatten den ebräischen Stadtteil durchwandert; es war nun ihre erste Aufgabe, die Kette der Schildwachen zu passieren, welche dieses Viertel umgab, denn noch immer war den Juden verboten, ihre Häuser zu verlassen. Zwar einer Tänzerin gegenüber, das wußte Rebekka, nahm man es mit diesem Gesetz nicht so genau, nur für die Sicherheit ihres Bruders war es ihr bange.
»Halte dich dicht an meiner Seite,« sagte das Mädchen auf einmal erschrocken, »dort sehe ich zwei Krieger stehen.«
Sie wichen in eine kleine Seitengasse aus; aber auch hier war der Durchgang erschwert, denn ein etwas größeres Fenster ebener Erde warf vor ihnen einen breiten Lichtstrom auf das Pflaster und hinter diesen Scheiben sahen sie mehrere, vielleicht acht wildaussehende, ägyptische Diener der öffentlichen Sicherheit um einen Tisch zechend versammelt. Wüstes Gelächter erscholl aus der Türe dieses Hauses.
»Wäre es nicht vielleicht besser,« begann Isaak zögernd, »wir kehrten für diesmal wieder um? Morgen ist eine Nacht so gut wie heute, – es war ohnehin tollkühn, daß ich deinem Rate folgte.«
»Rede nicht so furchtsam, Bruder!« entgegnete Rebekka, »du machst mich lachen. Wie oft soll ich dir sagen, daß heute die beste Nacht für unser Unternehmen ist, die wir finden können. Gestern zog der große Ramses durch unsere Stadt nach Theben, heute ist Nachfeier des Festes, d. h. jeder ehrliche Bürger und jeder tapfere Krieger hat heute sein wohlverdientes Kopfweh zu verschlafen, das ihm der feurige Wein von Kakem zugezogen. Wenn wir heute den Schatz nicht finden, finden wir ihn nie mehr.«
»Wer weiß, ob dieser Schatz,« flüsterte Isaak, »nicht schon längst nach Theben gebracht wurde. Mich sollte es wundern, wenn er noch im alten Schatzhause liegt. Unser Vater war jung, als er das Gewölbe bauen half; lange Zeit ist indes verflossen.«
»Einerlei, wir versuchen unser Glück,« riet die Dirne, »ich gebe die Schlacht noch lange nicht verloren.«
Nun schoben sich beide in gebückter Stellung unter dem hellen Fenster des Schenkhauses vorbei. Sei es, daß einer der trinkenden Krieger den Schatten der beiden am gegenüberstehenden Hause gewahrte, oder daß vielleicht Isaak nicht vorsichtig genug unter dem Fenster hinschlich, kurz, kaum hatten sich die Geschwister etwa zehn Schritte von der gefährlichen Stelle entfernt, als sie hinter sich lautes Rufen vernahmen.
»Dort hinaus flohen sie.«
»Nein, hierher!«
»Ich sehe sie am Ende der Straße! Ah! ein Weib dabei.«
»Laßt sie uns anhalten. Gewiß sind es Juden.« So tönte es hinter den Fliehenden nach, die ihre Schritte zu verdoppeln suchten. Vergebens suchten sie zu entkommen, ihr Davoneilen mehrte nur den Argwohn der Verfolger; Rebekka blieb deshalb stehen und erwartete, gewaltsam sich fassend, die Näherkommenden.
»Was wünscht ihr von uns?« sagte sie keck.
»Hört die trotzige Dirne,« schrie ein stämmiger Wagenlenker, »sie tut, als seien wir die Schuldigen. Doch hübsch scheinst du zu sein, du Kecke.«
Damit zog er ihr das Kopftuch zurück.
»Wohin!« riefen andere, »wohinaus! Was habt Ihr bei Nacht in den Straßen zu tun? Ah! eine Laterne, ein Seil, gewiß gehen sie auf Diebereien aus.«
»Ich bin Tänzerin,« sagte Rebekka furchtlos, während Isaak sich über die angstscheue Stirne fuhr, »wenn ich euch mit Tanz oder Harfenspiel aufwarten kann? Des Verdienstes halber seht ihr mich noch so spät durch die Straßen wandeln.«
»Tänzerin, Tänzerin!« jubelte der Haufen.
»Doch dein Geselle daneben an,« frug der Stämmige, »der da steht, als wolle er sich zur Mumie einwickeln lassen, was tut der bei dir?«
»Mein Bruder,« warf die Dirne hin, »er beschützt mich gegen rohe Angriffe.«
Alle lachten.
Rebekka ward nun im Triumph in die Schenke geführt, während Isaak ohne weitere Umstände in ein kleines Waschhaus, das im Hofe lag, gesperrt wurde. Vor die Türe des Hauses stellte man eine Wache, da dieselbe nur mittels eines Holzriegels von außen verschlossen werden konnte. Rebekka trat in die Wirtsstube ein. Ihr Geist weilte sorgenvoll bei dem eingeschlossenen Bruder, sie strengte ihre ganze Erfindungskraft an, um einen Weg ausfindig zu machen, der sie und ihren Bruder aus dieser mißlichen Lage zu befreien imstande wäre; doch durfte sie davon natürlich nichts merken lassen; sie lachte und schrie so ausgelassen fröhlich, daß selbst schärfere Beobachter, wie diese weinerhitzten Krieger nicht erraten haben würden, was in ihrem ruhelosen, beklommenen Busen vorging. Man gruppierte sich um die Tänzerin, welche, nachdem sie die Kleider abgelegt, in die Mitte des Saales trat. Allgemeiner Beifall wurde ihrem Tanze gezollt; als er zu Ende war, hörte sie, wie eine Harfenspielerin, die sie zuvor nicht bemerkt, laut sagte: »Tanzen könne die Jüdin wohl, aber so geschickt die Harfe schlagen wie sie, das müsse sie wohl unterlassen.«
Rebekka drehte sich um und gewahrte eine frech aussehende, nackte Dirne, die sich auf den Knien eines jungen Bogenschützen üppig wiegte. Der junge Bogenschütze küßte seine Schöne und bestätigte: »Ja! so trefflich die Harfe schlagen wie Rodopis könne niemand in Ägypten.«
Da blitzte es durch Rebekkas erfinderisches Haupt! Ihr Plan war gemacht – gleichgültig warf sie hin: »Das käme doch noch sehr darauf an, sie erlaube sich zu behaupten, daß auch sie die Harfe nicht übel schlüge.«
So bildeten sich zwei Parteien; die einen erklärten Rodopis für unübertrefflich, die anderen nahmen Rebekka in Schutz. Rebekka schürte diesen Wortwechsel durch geschickt hineingeschleuderte Witzworte, die wie Brandfackeln in die Herzen der Weinerhitzten zischten. Sie spielte schließlich geschickt die Beleidigte und brach sofort in einen Strom erheuchelter Tränen aus, der natürlich das Mitleid und die Entrüstung ihrer Partei mächtig erregte. Der junge Bogenschütze lachte und küßte seine Dirne, indem er rief, wer Rebekka beschütze, verstände nichts von der Kunst des Harfenspiels, seine Ohren seien taub, wie die der stummen Kolosse. Man solle doch Rebekkas Finger vergleichen mit denen der zarten Rodopis; hieße das nicht Nilpferdfüße vergleichen mit Lotosblumen? Sei Rodopis nicht schlank wie eine Papyrusstaude, wenn sie sich im Winde wiegt?
Die Gegner bestritten das heftig.
»Weine nicht,« sagte der stämmige Wagenlenker, »wer dich schmäht, hat es mit mir zu tun. Diesem jungen Hunde werfe ich meinen Weinbecher an den Schädel, wenn er noch einmal wagt, dich mit Nilpferdefüßen zu vergleichen. Hier, nimm die Harfe und spiele uns ein Lied.« Kaum hatte Rebekka einen Akkord gegriffen, so erhob ihre feindliche Partei einen solchen Lärm, pfiff und schrie dermaßen, daß von ihrem Trinklied nichts mehr zu hören war. Ihre Partei rief nun: »Ruhe! Stille! Spielen lassen! Zuhören!«
Vergebens! Als nun schließlich, da das Mädchen unbekümmert weiter sang, ein Becher in die Saiten der Harfe geschleudert wurde, erreichte der Grimm des stämmigen Wagenlenkers den höchsten Grad, er riß die Harfe aus den Händen seiner Freundin und drückte sie so gewaltsam über den Kopf des Bogenschützen, daß diesem der Rahmen des Instruments auf den Schultern saß und die zersprungenen Saiten um den Kopf rauschten. Das war das Signal zum Kampf. In einem Augenblicke hatte sich ein dichter Knäuel von Armen, Beinen, Stühlen und Tischen gebildet. Die Weingefäße flogen, geschleudert von nackten Armen, wie Bälle durch das Gemach, die Glasbecher zersplitterten an den kahlen Köpfen der Kämpfenden, Schwerter und Beile wurden herbeigeholt; der Fußboden färbte seine bunten Ornamente bereits mit Blut. Diesen Zeitpunkt benutzte die Jüdin. Sie schlich unbemerkt zur Türe hinaus, öffnete den Riegel zu Isaaks Kerker und gab diesem durch Winke zu verstehen, was vorgefallen war. Ihr Bruder, der den Lärm des Streites vernahm, begriff sofort; der Mann, der ihn bewachen sollte, hatte längst dem anziehenden Reiz eines Handgemenges nicht widerstehen können, so daß die beiden Geschwister unbeeinträchtigt auf die Straße gelangten, von wo sie schleunigst den Hafen der Stadt zu erreichen suchten, um allen Nachstellungen zu entgehen.
»Bist du unbeschädigt?« frug die Schwester.
»Völlig,« gab er zur Antwort.
Weiter ward zwischen ihnen dieser aufhaltende Zwischenfall nicht erwähnt, denn der Gedanke, ihrem großen Ziele immer näher zu kommen, verschlang jede Empfindung. Sie hatten den Hafen erreicht, in dessen stiller Flut die gewaltige Riesin Memphis ihre granitenen Füße wäscht. Die Schiffe hoben ihre Maste in die Nacht empor, die steinerne Treppe erhob sich majestätisch vor ihren Blicken, aber nur der Nachtwind und das Mondlicht huschten über ihre enormen Stufen; weit hinter ihnen verloren sich die zahllosen, wirr durcheinander geworfenen Dächer im Dunkel, von welchen einige sich in den Abgründen des Himmels zu verlieren schienen. Das eintönige Plätschern der Wellen an den Holzbäuchen der Schiffe unterbrach zuweilen melancholisch die tiefe, menschenleere Stille. Leise löste Isaak einen kleinen Kahn vom Ufer, schweigend bestiegen sie denselben. Da die Pforte des Schatzhauses, wie der Vater beschrieben hatte, über dem Spiegel des Nil lag, konnten sie nur auf diese Weise in das Innere dringen. Isaak führte behutsam die Ruder und so rauschten sie, ohne Worte zu wechseln, den Nil hinauf an den ungeheuren Tempeln, Palästen, Privatwohnungen und öffentlichen Gebäuden von Memphis vorbei, die sich mit stummer, finsterer Feierlichkeit in den mondbeglänzten Wellen beschauten. Gleich schlafenden Riesen saßen sie da, diese Säulenhallen, gleich versteinerten Göttern, die das Ende der Welt abwarten, um sich dann drohend zu erheben, die Menschheit zu vernichten. Bald hatten sie die Stadt hinter sich. Auf der einen Seite des Flusses traten die gelben Kalkberge, im Mondlicht gespenstisch schimmernd, hervor, mit ihren Zinken drohend in den Himmel greifend; auf der anderen Seite rauschte ein Akazienwald. Fernher aus dem Gebirge tönte heiseres Gebell der Schakale oder der einsame Schrei eines Raubvogels. Papyrusstauden drängten sich dicht in den Fluß herein; der Ruderschlag schreckte die Vögel, die sich darinnen niedergelassen, empor. Da legte Rebekka ihrem Bruder leise die Hand auf die Schulter und deutete, als dieser fragend empor sah, nach dem Süden. Dort über dem Palmenhain erhoben sich zwei dicke, schwarze, schief ansteigende Klumpen nebeneinander in den mattblauen Nachthimmel – es waren die Pylonen eines Palastes.
»Wir sind zur Stelle,« flüsterte Isaak, »eines dieser Ungetüme ist unser Schatzhaus.«
Der Kahn näherte sich dem ersten Palast, der zweite tauchte aus dichtem Gestrüpp auf und nun, nach wenigen Ruderschlägen, lag, umgeben von breitästigen Sykomoren, das Schatzhaus, ein finsterer Koloß, vor den beiden hocherregten Schiffern. Klopfenden Herzens betrachtete der arme Jude das Gebäude. Das also war der Ort, von wo ihm sein Glück kommen sollte? Diese schweigenden, geheimnisvollen Mauern bargen die Schätze, die sein Elend in ein blühendes Paradies verwandeln sollten? Er ließ das Ruder sinken, ein Gefühl wie Ehrfurcht und Schrecken hielt ihm die Sinne gefesselt. Auch Rebekka hielt den Atem an; dies massig aufragende Steinungeheuer, vom Mondlicht phantastisch überrieselt, machte selbst auf ihr im ganzen unempfindliches Gemüt einen Eindruck finsterer Erhabenheit. Eine Zeitlang sah sie, von Schauern überlaufen, empor, bis wo das breite, flache Dach scharf in den nachtblauen Himmel einschnitt. Doch nun galt es handeln. Ihr scharfer Blick suchte bereits ängstlich an der schief vor ihr aufgerollten Riesenwand, die mit bunten Gestalten und Hieroglyphen übersät war, das Bild des Gottes Sebek mit dem Krokodilhaupt. Isaak wachte nach und nach ebenfalls aus seinem Erstaunen auf; das Gebäude, das ihm anfangs wie ein großer Sarg erschienen war, betrachtete er allmählich mit nüchternen Blicken; er sah schließlich nur eine große Geldkiste in ihm. Sorgsam, die Papyrusstauden zurückdrängend mit dem Ruder, legte er an der Wand des Gebäudes an.
»Siehst du den Gott Sebek?« frug er leise.
»Nein, noch nicht.«
»Halt, jetzt tritt der Mond hinter dem Gipfel der Kalkberge hervor – jetzt werden wir genauer prüfen können. Aber wie stille es hier ist. Kein Lüftchen regt sich, keine Welle. Doch! eben streifte mich ein kühler Wind. Sieh doch, wie uns die Berge zuschauen, mir scheint, sie nicken uns zu! Mir schaudert.«
»Sei nicht so töricht,« ermahnte Rebekka, »betrachte die Dinge, wie sie sind, nicht, wie sie dir scheinen.«
Fernherüber säuselte das Schilf; dicht neben ihnen ließ sich ein leises Schlürfen, ein eigenes Rollen vernehmen.
»Was ist das?« frug Isaak.
Das Schilf knickte, Wogen rauschten auf.
»Halt!« flüsterte das Mädchen, »vielleicht nähert sich ein Boot, verbirg dich im Papyrus.«
Das Rauschen der Wogen kam näher, die beiden Abenteuerer drückten ihren Kahn in das Gestrüpp, jeden Augenblick gewärtig, von einem vorüberfahrenden Segler entdeckt zu werden. Nun erfüllte ein Pusten die Luft, wie es Isaak noch nicht vernommen, gleich darauf schwamm eine schwarze Masse träg auf den Wellen heran.
»Beruhige dich,« lachte Rebekka, »ein Nilpferd hat uns in Schrecken versetzt. Sieh, es hat uns bemerkt, es ändert seinen Weg.«
Isaak hob, erleichtert aufatmend, seine Augen zu dem Palast empor; der Mond beleuchtete nun mit grünlichem, wehmütigem Glanze die schiefe Wand desselben. Beide ließen die Blicke über das Gewirr von bunten Gestalten schweifen, das da vor ihnen in die Höhe tanzte. Sie suchten lange!
»Halt! Dort!« rief Rebekka endlich.
»Wo?«
»Gib mir das Ruder, ich geleite den Kahn bis vor das Bild.«
Der Papyrus krachte unter dem Bug des Kahnes, bald schmiegte sich derselbe fest an die Riesenwand des Hauses. Richtig! da saß der Gott auf dem Thron, in der Hand die Lotosblume, das Krokodilhaupt starr emporgerichtet. Ein unheimliches, lebloses Bild, das aber in diesem Augenblick unserem Freunde zu leben schien. Ihm war, als könne es ihn mit der rotbraunen Faust erwürgen, er schauderte davor zurück, wie vor einer lebendigen Leiche.
»Soll ich durch den Druck öffnen?« frug Isaak.
»Ja, nur zu!«
»Ich fürchte mich!«
»Dummheit! So laß mich aufdrücken.«
Aber selbst die Hand Rebekkas zitterte sichtbar, wie sie sich der Lotosblume näherte. Isaak beleuchtete nun mit seiner Laterne das Bild, und selbst Rebekka zuckte davor zurück, denn es schien ihr, als schaue es ihr drohend ins Auge. Ärgerlich über diese Schwäche legte sie endlich ihre Hand auf die weiße Lotosblume. Ein leises Knacken ward hörbar, diesem folgte ein metallenes Klingen, wie wenn zwei Schwerter aneinander hingleiten und nun sahen die beiden überrascht, wie sich unter dumpfem Dröhnen, das unheimlich in dem Gewölbe des Gebäudes nachhallte, das Bild des Gottes in die Mauer langsam zurückschob. Das Tor war also von Erz, nicht von Stein, seine Rollen und Federn waren trotz der langen Jahre, in welchen sie unbenutzt lagen, dennoch frisch, elastisch, wie am Tag ihres erstmaligen Gebrauchs – oder, frug sich der Schatzfinder besorgt: sollten zuweilen Beamte des Königs das Innere dieses Gebäudes betreten, die Kostbarkeiten zu überwachen? Hatte die Tadellosigkeit des Mechanismus hierin seinen Grund? – Vor den Blicken der beiden Schatzgräber lag nun ein völlig dunkler Gang. Als wolle er in die Unterwelt führen, als sähe der, der sich ihm anvertraut, nie wieder die Sonne, starrte sein schwarzer Rachen die beiden an; ein trockener, eisigkalter Hauch, der sie schaudern machte, wehte ihnen aus diesem Abgrund entgegen, wie der Atem aus dem Hals eines Pestkranken. Zögernd trat Isaak mit seiner Laterne, die glatten, regelmäßigen Wände beleuchtend, in diesen Gang ein, während seine Schwester den Kahn an einer Wurzel befestigte, die aus dem Gestein sprang, um dann ihrem Bruder zu folgen.
»Vergiß nicht, das Tor wieder zu schließen,« sagte sie.
»Ich rate, wir lassen es offen,« meinte Isaak, »wer weiß, mit welcher Schwierigkeit sein Öffnen verknüpft ist, wenn wir wieder zurück wollen.«
»Nein, es muß geschlossen werden,« bestimmte Rebekka, »wie leicht könnte uns das offene Tor einem vorüberfahrenden Boot verraten.«
Sie sah noch einmal scheuprüfenden Blickes den Nil ab- und aufwärts, ob sich kein menschliches Wesen blicken ließ; da aber die Wasserfläche still im Glanze des Mondes schlief, die Ruhe nur zuweilen vom säuselnden Schilfgestade unterbrochen wurde, zog sie die eiserne Türe aus der Mauer und drückte sie sorgfältig in das Schloß. Nun standen sie allein in dem ungeheuren Gemäuer; Nacht, Geheimnis ringsum, weit entfernt von jeder Hilfe, entrückt dem menschlichen Leben, in einer Welt, in welcher die Finsternis Königin ist, und das Schweigen sich mit dem Tod vermählt. Ein fröstelndes Grausen überlief beide, als sie nun weiter schritten, von einem Gang in den anderen, erst geradeaus, dann eine Treppe hinab, dann wieder auf ebener Erde, dann wieder hinauf, dann durch einen großen, mit wild dämonischen Gestalten ausgemalten Saal, dann durch eine Kammer.
Nach einer viertelstündigen Wanderung hielten sie in einem größeren Saale an, der von Säulen getragen, an den Wänden Jagden, Kriegszüge, Opfer in grellbunten Bildern zeigte. Sie mochten bereits tief unter der Erde angekommen sein, und noch immer kein Zeichen, daß sie sich dem ersehnten Schatze näherten. Die Laterne des jungen Mannes zeigte nur, wenn ihr Schimmer durch die dicke, schwere Finsternis, an den Riesenwänden ohnmächtig dahinhuschte, Säulen, Wandgemälde, ein paar Urnen oder auch eine einsame Steinbank, auf die sich noch nie jemand gesetzt. Die Ruhe des Grabes, die hier unten weilte, die schwarze Luft, die sich bleiern auf die Brust legte, die trostlose Einsamkeit, der groteske Totentanz der Bilder an den Wänden, versetzte die beiden Wanderer in einen Zustand von unheimlich fröstelnder Aufregung.
»Wir müssen weiter, Bruder,« flüsterte die Schwester, vor ihren eigenen Worten erschreckend, die ihr hohl, tonlos von der kaum erhellten Decke herabfielen, »dort sehe ich den Ausgang aus diesem Saal – sieh! eine kleine Türe, die in einen Gang führt! Rasch, daß wir zu Ende kommen. Nun, was stehst du? Ist dir bange?«
»Gar nicht!«
»Nun, so gehe voran!«
»Ja, was ist denn das für ein dunkler Flecken, der mich da umschwirrt?«
»Es wird eine Fledermaus sein, was kümmert's uns. Nur Mut, Isaak, bedenke, daß wir dicht vor dem unermeßlichsten Glück stehen.«
»Wenn er nur noch vorhanden ist, der Schatz? Ich fürchte, wir haben uns umsonst hierher bemüht; das geht so weiter, Schwester – Säle, Gänge, Hallen, Kammern – sieh nur! wie riesig unser Schatten da an der Wand hinschwebt.«
»Was geht dich dein Schatten an. Sieh dich nicht um.«
»Mich friert, daß mir die Zähne aneinanderschlagen. Es ist gar zu tot hier unten.«
»Sprich nicht soviel, du steckst mich an mit deiner Furcht. Nun, was stehst du plötzlich erbleichend still? Laß doch die Laterne nicht fallen, dann können wir bis zum Untergang der Welt hier hausen.«
Isaak war, die Haare zu Berge, atemlos, schlotternd an Arm und Bein, mit allen Anzeichen des Entsetzens stehen geblieben, als er eben einen Pfeilervorsprung umschritten.
»Sieh doch,« hauchte er, »sieh doch – –«
»Siehst du Gespenster?«