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Kitabı oku: «Die Heirath im Omnibus», sayfa 12

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Viertes Kapitel

Ungefähr zu der Zeit, wo ich Mr. Mannion's Bekanntschaft machte, oder, richtiger gesagt, eben so vor wie nach dieser Zeit verursachten gewisse Eigenthümlichkeiten in dem Charakter und in dem Benehmen Margarethens, die ich zufällig bemerkte, mir ein wenig Unruhe und erweckten in mir das Gefühl getäuschter Erwartung.

Weder die eine noch die andere dieser Empfindungen dauerte jedoch lange, denn die Vorfälle, welche sie hervorriefen, hatten im Grunde genommen an und für sich eine nur geringe Bedeutung.

So wie ich schreibe, tauchen diese kleinen häuslichen Episoden wieder lebhaft in meiner Erinnerung auf. Ich will bloß zwei davon erwähnen. Der weitere Verlauf meiner Erzählung wird beweisen, daß sie hier nicht am unrechten Orte sind.

An einem schönen Herbstmorgen kam ich einige Minuten vor der verabredeten Stunde in der Nordvilla an. In dem Augenblicke, wo der Diener mir die Gartenthür öffnete, fiel mir ein, Margarethen eine Ueberraschung zu bereiten, indem ich unversehens mit einem für sie auf Ihren eigenen Beeten gepflückten Blumenstrauße in den Salon träte. Indem ich daher dem Diener befahl, mich nicht anzumelden, machte ich einen Umweg und begab mich durch eine Seitenthür in den Hintergarten. Nur mit meinen Blumen beschäftigt, gelangte ich bis an einen Rasenplatz, der sich unter den Fenstern des Salons hinzog, von welchen eins ein wenig geöffnet war.

Meine junge Gattin und ihre Mutter waren in diesem Zimmer, denn ich hörte ihre Stimmen.

Ich gestehe, daß ich horchte, was sie sprächen, und Das, was ich hörte, war Folgendes:

»Ich sage Dir aber, Mama, ich muß dieses Kleid haben, und werde es haben, mag mein Vater wollen oder nicht.«

Dies ward in einem lauten und entschlossenen Tone gesagt, den Margarethe in meiner Gegenwart noch nie angenommen hatte.

»Aber ich bitte Dich, liebe Tochter!« antwortete Mistreß Sherwins schwache Stimme, »Du weißt, daß das für Dich bestimmte Jahrgeld schon ausgegeben ist – und Du verlangst noch mehr?«

»Aber ich will von diesem festbestimmten Jahrgelde Nichts mehr wissen. Seine Schwester bekommt auch mehr.«

»Aber, liebe Tochter, das ist ein großer Unterschied.«

»Nein, es ist keiner; wenigstens jetzt nicht, wo ich seine Frau bin. Es wird nicht lange dauern, so werde ich auch meine Equipage haben, eben so wie seine Schwester. Er läßt in allen Dingen meinen Willen entscheiden – Ihr müßt es auch so machen.«

»Aber gieb nur mir nicht die Schuld, Margarethe. Wenn ich Etwas vermöchte, so solltest Du sicherlich Alles bekommen; aber ich getraue mir in der That nicht, Deinen Vater um dieses Kleid- anzureden, nachdem Du dieses Jahr schon so Viel gekostet haßt.«

»Das ist so Deine gewöhnliche Ausrede, Mama. Ein Mal wagst Du nicht Das zu thun, ein Mal wagst Du nicht Jenes zu thun. Ach, Du bist manch’ Mal wirklich recht langweilig. Ich muß aber dieses Kleid bekommen – ich habe mir’s einmal vorgenommen. Er sagt, seine Schwester trage, wenn sie in Abendgesellschaft geht, ein hellblaues Kreppkleid, und Du sollst sehen, daß ich auch eins bekomme. Ich werde, wenn es nicht anders ist, Mittel und Wege»zu finden wissen, es mir selbst aus dem Kaufgewölbe mitzunehmen. Papa achtet nicht sehr darauf, was ich trage, und braucht gar nicht zu erfahren, ob ich mir aus dem Gewölbe Etwas mitnehme. Er erfährt es überhaupt auch nicht eher, als bis man ihm das Lagerbuch, oder wie es heißt, vorlegt, und wenn er dann vielleicht einen seiner Wuthanfälle bekommt, so –«

»Ach, liebes Kind, wie kannst Du Dir erlauben, so von Deinem Vater zu sprechen? Es ist das sehr unrecht von Dir, Margarethe sehr unrecht. Was würde Mr. Sidney sagen, wenn er Dich hört.«

»Ich beschloß, sofort hinein zu gehen und Margarethen zu sagen, was ich gehört hatte. Gleichzeitig nahm ich mir vor, Festigkeit zu zeigen und Margarethen um ihres eigenen Besten willen vorstellig zu machen, wie sehr ich durch beinahe Alles, was sie gesagt, überrascht und verletzt worden war.

Bei meinem unerwarteten Eintritte erschrak Mistreß Sherwin ein wenig und schien noch schüchterner zu seien als jemals.

Margarethe kam mir mit ihrem gewohnten Lächeln entgegen und bot mir freundlich die Hand. Ich sagte nicht eher Etwas, als bis wir uns in unserm gewohnten Winkel niedergesetzt hatten, um wie gewöhnlich leise mit einander zu Plaudern. Dann begann ich meine Vorstellungen in sehr zärtlichem und möglichst gedämpftem Tone.

Sie ergriff das beste Mittel, um mich trotz all’ meiner Entschlossenheit zum Schweigen zu bringen, als ich gerade im besten Zuge war. Ihre Augen füllten sich mit Thränen, die ersten, die ich sie vergießen sah, und diese Thränen flossen durch meine Schuld.

Sie murmelte einige Worte über meine Unfreundlichkeit und sagte, daß ich gar keinen Grund hätte, mich gegen sie zu erzürnen, denn sie habe mir bloß gefallen wollen und deswegen sich eben so zu kleiden gewünscht wie meine Schwester.

Binnen wenigen Augenblicken schlug sie alle festen Entschlüsse, die ich erst den Augenblick vorher gefaßt, in die Flucht. Ohne es selbst zu wollen, war ich während der noch übrigen Stunden des Morgens bemüht, sie zu beruhigen und mich zu entschuldigen.«

Brauche ich erst zu sagen, wie dieser kleine Zwist endete? Ich ließ über diesen Gegenstand kein Wort mehr fallen und schenkte ihr das gewünschte Kleid.

Nach einigen Wochen vollkommener Ruhe machte mich der Zufall zum Zeugen einer anderweiten kleinen häuslichen Scene, bei welcher Margarethe die Hauptrolle spielte.

Bei dieser Gelegenheit fand ich, als ich an dem Hause ankam – es war abermals des Vormittags – die vordere Hausthür offen. Ein Besen stand auf den Stufen. Augenscheinlich war die Dienerin beschäftigt gewesen zu kehren, und hatte, bei ihrer Arbeit unterbrochen, vergessen, die Thür zu schließen.

Die Ursache dieser Unterbrechung entdeckte ich sofort bei meinem Eintritte in den Saal.

»Um Gottes willen!« rief aus dem Speisezimmer eine Stimme, in welcher ich die der Dienerin erkannte, »Um Gottes willen, lassen Sie das Thier doch gehen! Ihre Mutter wird sogleich hier sein, und Sie wissen, wie Viel sie auf diese Katze hält. Lassen Sie ab – Sie werden sie doch nicht tödten wollen!«

»Ja wohl will ich sie tödten, diese nichtswürdige Katze – mag sie gehören, wem sie will. Mein armer Vogel! mein armer Vogel!«

Die Stimme war die Margarethens. Anfangs war ihr Ton der des Zornes – später wurden ihre Worte durch krampfhaftes Schluchzen unterbrochen.

»Der arme Vogel!« fuhr die Dienerin fort, indem sie ihre junge Herrin immer noch zu beschwichtigen suchte. »Er thut mir sehr leid, und Sie thun mir auch leid, Miß Margarethe Aber Sie müssen bedenken, daß Sie gewissermaßen selbst schuld sind, weil Sie den Käfig auf dem Tische hatten stehen lassen, so daß die Katze ihn erreichen konnte.«

»Schweig’, unglückliche! Wie kannst Du Dich unterstehen, mir in den Arm fallen zu wollen –" gleich laß mich los, oder —«

»O nein, nein, das dürfen Sie nicht thun! Bedenken Sie, daß die Katze der Liebling Ihrer Mutter ist, die ja so keine andere Freude aus der Welt hat.«

»Was geht das mich an! Die Katze hat meinen Vogel erwürgt, und dafür muß sie sterben. Ich werde den ersten besten Gassenbuben herauf rufen, damit er sie mit fortnehme, um sie zu vergiften oder zu erdrosseln. Gleich laß mich gehen. – Wirst Du mich nicht gehen lassen?«

»Nicht eher, ais bis ich der Katze fortgeholfen habe,so wahr ich Susanne heiße!«

Einen Augenblick darauf öffnete sich plötzlich die Thür und die verbrecherische Katze rannte an mir vorüber, um das Weite zu suchen. Unmittelbar hinter ihr folgte die Magd, welche, als sie mich im Zimmer stehen sah, ganz außer Athen und wie von panischem Schrecken ergriffen stehen blieb. Ich trat sofort in das Speisezimmer.

Der Käfig stand mit dem armen todten Canarienvogel auf der Diele. Es war derselbe Vogel, mit welchem ich Margarethen an jenem Tage, an welchem ich sie zum ersten Male gesehen, so fröhlich scherzen sah. Der Kopf des Vogels war durch die mörderischen Klauen der Katze beinahe ganz zwischen dem Drahtgitter hindurchgezogen.

Margarethe stand neben dem Herd, Und das Schüreisen, mit dem sie die Katze hatte erschlagen wollen, lag neben ihr aus der Diele. Noch nie vorher war sie mir so strahlend schön erschienen wie in diesem Augenblicke unter der Einwirkung des Zornes, der in ihr tobte.

Ihre großen schwarzen Augen schossen durch die Thränen hindurch Blitze, welche sie noch größer erscheinen ließen; das Blut glühte durch die dunkelrothen Wangen; ihre halb geöffneten Lippen schienen nach Luft zu keuchen, Mit der einen Hand hielt sie sich an den Kaminsims, während sie die andere krampfhaft auf die Brust drückte.

Schmerzlich berührt durch die Kundgebung dieses heftigen Zornes, bei welcher sie sich durch mich hatte überraschen lassen, konnte ich nichtsdestoweniger ein unfreiwilliges Gefühl von Bewunderung nicht unterdrücken, und mein Blick heftete sich mit vielsagendem Ausdrücke auf sie. Selbst der Zorn war bezaubernd auf diesem bezaubernden Antlitze.

Zwei oder drei Minuten lang betrachtete sie mich, ohne sich zu rühren. Dann, als ich mich ihr näherte, sank sie neben dem Käfig auf die Kniee nieder, schluchzte mit äußerster Heftigkeit, und während ein förmlicher Strom von Verwünschungen über die unglückliche Katze sich aus ihrem Munde ergoß, trat Mistreß Sherwin ein und machte durch ihren gänzlichen Mangel an Tact und Geistesgegenwart die Sache noch weit schlimmer. Kurz, der Auftritt endete mit Nervenkrämpfen.

An diesem Tage so mit Margarethen zu sprechen, wie ich gern mit ihr gesprochen hätte, war unmöglich, und selbst in der Folge gewann ich Nichts, wenn ich das Gespräch auf den Tod des Kanarienvogels brachte. Wenn ich auf die sanfteste und für den Vogel mitleidigste Weise nur anzudeuten wagte, daß ich ein wenig erstaunt gewesen sei, gesehen zu haben, daß sie sich von einem solchen Zorne habe hinreißen lassen, so bekam ich weiter keine Antwort, als daß sie in Thränen ausbrach, und von allen Entgegnungen war dies gerade die, welche am Besten geeignet war, mir den Mund zu verschließen.

Wenn ich eben so so de facto, wie ich es dem Namen nach war, ihr Gatte oder ihr Bruder oder ihr Freund gewesen wäre, so hätte ich erst ihrer Gemüthsbewegung freien Spielraum gelassen, um dann ernsthaft mit ihr zu sprechen. Aber ich war ja noch ihr Geliebter, und in meinen Augen wurden selbst Margarethens Fehler durch ihre Thränen in Tugenden umgewandelt.

Abenteuer wie diese, die sich aber in weit getrennten Zwischenräumen ereigneten, waren die einzige Abwechselung in dem friedlichen und größtentheils sehr glücklichen Einerlei unseres Umganges. Die Wochen vergingen eine nach der andern, ohne daß ein heftiges oder unfreundliches Wort unsere Harmonie gestört hätte.

Seitdem der vorhin erwähnte kleine Zwist beigelegt worden, hatte keine weitere Veruneinigung zwischen Mr. Sherwin und mir stattgefunden.

Was jedoch dieses letzte Element der häuslichen Ruhe in der Nordvilla betraf, so war dasselbe weniger Mr. Sherwins Besonnenheit oder meiner persönlichen Klugheit, als vielmehr der geschickten Vermittelung Mr. Mannion's zuzuschreiben.

Seit meiner Unterredung mit ihm in seiner Wohnung waren mehrere Tage vergangen, während welcher ich mich enthalten hatte, die mir so freundlich angebotenen Dienste in Anspruch zu nehmen, und ich wußte, indem ich dies that, selbst nicht recht, von welchem Beweggrund ich geleitet ward. Es war ein starker, obschon unklarer Eindruck in mir von Dem zurückgeblieben, was an jenem Abende des Gewittersturmes gesprochen worden.

So seltsam es auch scheinen mag, so wußte ich doch nicht recht, ob die kurze, aber außerordentliche Studie, die ich über meinen neuen Freund gemacht, mir Zuneigung zu ihm eingeflößt hatte oder nicht.

Es widerstrebte mir – dies fühlte ich wohl – ihm für einen mir geleisteten Dienst verpflichtet zu sein. Es war das nicht eine Folge von Stolz oder von falschem Zartgefühl oder von Mißtrauen, sondern vielmehr ein unerklärlicher Widerwille, der seinen Grund in der Furcht hatte, mir irgend eine Verantwortlichkeit aufzubürden, obschon ich nicht wußte, von welcher Art dieselbe sein würde. Instinctartig suchte ich Zeit zu gewinnen. Ich fürchtete, einen Schritt vorwärts zu thun, und Mr. Mannion that seinerseits eben so wenig einen. Er bewahrte fortwährend dieselbe Haltung, und sein Benehmen in der Familie richtete sich unausgesetzt nach denselben Prinzipien oder denselben Gewohnheiten, die ich vor jenem Abende des Gewittersturmes an ihm bemerkt hatte.

Seitdem wir uns wiedergesehen, hatte er nicht die mindeste Anspielung auf unsere damalige Unterredung fallen lassen.

Margarethens Benehmen, als ich ihr den von Mr. Mannion zu erkennen gegebenen Wunsch mittheilte, uns Beiden nützlich zu sein, war eher geeignet, meine Ungewißheit zu steigern als zu mindern. Ich konnte sie nicht bewegen, zu zeigen, daß sie an irgend Etwas, was ihn betraf, auch nur das mindeste Interesse nähme. Weder seine Wohnung, noch sein Aeußeres, noch seine eigenthümlichen Gewohnheiten, noch die Verschwiegenheit, weiche er im Bezug auf sein früheres Leben beobachtete, schienen im Stande zu sein, ihre Aufmerksamkeit oder ihre Neugier auch nur im Mindesten zu erwecken.

Am Abende seiner Rückkehr vom Continente hatte sie allerdings eine gewisse Aufmerksamkeit für ihn an den Tag gelegt. jetzt jedoch schienen ihre Gedanken über diesen Punct eine vollständige und unbegreifliche Umwandlung erlitten zu haben. Sie ward, so oft ich in unserem Gespräche nur ein wenig bei Mr. Mannion verweilte, sofort zerstreut und sprach von anderen Dingen. Es war, als ob es sie unangenehm berühre, zu sehen, daß er sich mit ihr in meine Gedanken theilte.

Was die schwierige Frage betraf, ob wir ihn für unser Interesse gewinnen sollten oder nicht, so schien sie so wenig Gewicht darauf zu legen, daß sie es verschmähte, sich darüber auszusprechen.

Wie dem jedoch auch sein mochte, so traten bald Umstände ein, welche mich bestimmten, Mr. Mannion gegenüber einen Entschluß zu fassen.

Ein reicher Kaufmann und Freund von Mr. Sherwin gab einen Ball, auf welchen er auch Margarethen mitnehmen wollte. Ich ward eifersüchtig darüber, und meine Eifersucht war eine ganz natürliche, wenn man die eigenthümliche Situation erwog, in welcher ich mich befand.

Wie konnte ich meine junge Gattin unter dem Namen Miß Sherwin sich in Gesellschaft produciren lassen, um hier wie eine unverheirathete junge Dame mit den jungen Herren zu tanzen, die ihr vorgestellt werden würden!

Zweitens lag mir auch unendlich Viel daran, Margarethen noch vor Ablauf des Prüfungsjahres von dem Umgange mit ihren eigenen Standesgenossen zu entfernen, weil ich hoffte, sie in der Folge in die Gesellschaft meines Standes einzuführen. Ich hatte ihr meine Ideen hierüber unter vier Augen mitgetheilt und sie vollkommen geneigt gefunden, meinen Absichten zu entsprechen. Der Ehrgeiz, sich auf die höchsten Staffeln der socialen Stufenleiter zu erheben, äußerte seine Macht über sie, und schon hatte sie begonnen, die Gesellschaft, die ihr durch die Personen ihres Standes geboten ward, mit Gleichgültigkeit zu betrachten.

Was Mr. Sherwin betraf, so konnte ich ihm hiervon Nichts anvertrauen. Ich machte ihm bloß Vorwürfe über seine Manie, Margarethen fortwährend in Gesellschaft führen zu wollen, während dies doch weder ihrem Geschmack, noch dem meinigen entsprach. Er erklärte, sie liebe solche Gesellschaften, alle junge Mädchen liebten dergleichen; sie heuchele bloß Abneigung dagegen, um mir damit einen Gefallen zu thun, und er habe durchaus nicht die Verpflichtung auf sich genommen, sie ein ganzes Jahr lang zu Hause schmachten zu lassen, bloß um meinen Eigensinn zu befriedigen.

Bei Gelegenheit des Balles, von dem ich so eben gesprochen, erhob sich wieder derselbe Streit. Dies Mal war Mr. Sherwin entschlossen, seinem Kopfe zu folgen, und wagte, mir dies ohne Umschweife zu erklären. »

Erbittert durch seine Hartnäckigkeit und den Mangel an Rücksicht, den er für meine Gefühle und meinen wehrlosen Zustand an den Tag legte, vergaß ich alle meine Zweifel und Bedenklichkeiten, und wendete mich insgeheim an Mr. Mannion, damit er den Einfluß aufböte, den er mir, wenn ich es wünschte, versprochen hatte, zu meinen Gunsten geltend zu machen.

Das Resultat war ein eben so schnelles als bündiges.

Am nächstfolgenden Abende erschien Mr. Sherwin vor uns mit einem zusammengefalteten Papier in der Hand und theilte uns mit, es sei dies ein Brief, durch welchen er anzeige, daß er die Einladung seines Freundes für seine Tochter nicht annehmen könne. Mr. Mannion's Name kam dabei nicht über seine Lippen, sondern er sagte bloß in schmollendem und ziemlich kurzem Tone, er habe sich die Sache nochmals überlegt und sei aus gewissen Gründen von seinem anfänglichen Entschlusse zurückgekommen.

Nachdem ich in dieser neuen Richtung einmal einen ersten Schritt gethan, ging ich ohne zu zögern weiter und that noch viele ähnliche.

Jedes Mal, wo ich die Nordvilla öfter zu besuchen wünschte, brauchte ich es bloß Mr. Mannion zu sagen, und den nächstfolgenden Morgen ward mir von der regierenden Gewalt die gewünschte Erlaubniß unverlangt ertheilt.

Mit Hilfe desselben geheimen Mechanismus konnte ich Mr. Sherwins Kommen und Gehen, wenn Margarethe und ich beisammen waren, nach meinem Belieben regeln. Ich war jetzt so ziemlich sicher, außer Mistreß Sherwin Niemanden weiter in unserer Nähe zu finden, wenn ich es nämlich so wünschte, und man kann sich leicht denken daß dies meistentheils der Fall war.

Die günstige Vermittlung meines neuen Freundes war stets bereit, ruhig und in aller Stille für mich thätig zu sein.

Niemals erfuhr ich, wann oder wie er seinem Chef seine Anschauungsweise aufzwang, und Mr. Sherwin ließ seinerseits niemals ein Wort über diesen Einfluß fallen, dem er sich unterwarf. Er gewährte mir alle ausnahmsweisen Vergünstigungen, die ich von ihm verlangte, als ob es sich einzig und allein um seinen freien Entschluß handelte, ohne, wie es schien, auch nur zu ahnen, daß ich den Beweggrund seines Entschlusses so gut kannte.

Ich gewöhnte mich an diese vermittelnde Thätigkeit Mr. Mannion’s um so eher, als dieser dabei das größte Zartgefühl an den Tag legte.

Er selbst schien nicht zu denken, daß er mir dadurch nur die mindeste Verbindlichkeit auflege. Er affectirte nicht eine plötzliche Vertrautheit mit mir, und in seinen Manieren war nicht die mindeste Aenderung wahrzunehmen. Er bestand darauf, unsere Gesellschaft des Abends nur dann aufzusuchen, wenn ich ihn ausdrücklich dazu aufforderte, und wenn ich ihm nur zu verstehen gab, daß ich mir zu seinem Eifer für mein Interesse Glück wünschte, antwortete er stets in demselben kurzen Tone und mit seiner männlichen Festigkeit, daß er vielmehr sich als den begünstigten Theil betrachte, weil er dadurch Gelegenheit erhalte, Personen gefällig zu sein, an welchen er ein so aufrichtiges und so natürliches Interesse nähme.

Ich hatte Mr. Mannion, als ich an jenem Gewitterabende von ihm Abschied nahm, gesagt, daß ich seine Anerbietungen wie die eines Freundes aufnehmen würde, und jetzt fand sich, daß ich mein Wort viel früher und mit weit weniger Zurückhaltung gelöst als ich ohne Zweifel in dem Augenblicke beabsichtigte, wo wir uns an der Schwelle seiner Thür trennten.

Fünftes Kapitel

Wir standen »in den letzten Tagen des Herbstes, und schon hatte der Winter, ein rauher, düsterer und trauriger Winter, sich zu zeigen begonnen.

Beinahe fünf Monate waren verflossen, seitdem Clara und mein Vater auf das Land gegangen waren. Welche Mittheilung hatte ich mit ihnen während dieses Zeitraums unterhalten? Ich hatte keins von Beiden wieder gesehen und an meine Schwester bloß geschrieben. Sie vermied sorgfältig, mir auch nur einen Schatten von Vorwurf im Bezug auf meine lange Abwesenheit zu machen, und unterhielt mich bloß von allerlei Einzelheiten im Bezug auf das Landleben, von welchen sie glaubte, daß sie mich interessiren könnten.

Der Ton ihrer, Briefe war liebreich; ja, er schien mir sogar noch liebreicher zu sein als gewöhnlich; die Heiterkeit und süße angeborene Ruhe meiner Schwester waren aber in ihren Briefen nicht zu finden.

Es war leicht zu sehen, daß sie sich oft viel Mühe gab, den lebhaften pikanten Ton wieder zu treffen, der früher ihren Briefen einen so eigenthümlichen Reiz zu geben pflegte; aber das Streben war zu sichtlich, als daß eine Täuschung hierüber möglich gewesen wäre.

Mein Gewissen sagte mir nur zu deutlich, was an dieser Veränderung schuld war. Mein Gewissen sagte mir, was diese Umgestaltung in dem Tone der Briefe Clara's herbeigeführt, weil dadurch alle ihre Lieblingspläne gehemmt und die süßesten Freuden ihres Aufenthalts auf dem Lande vernichtet worden.

Mein Gewissen ermahnte mich, zu bedenken, daß meine Schwester mich erwartete und nach meiner Rückkehr seufzte, und daß Sie Wochen auf Wochen, Monate auf Monate in dieser fortwährend getäuschten Erwartung verfließen sah.

Ich war jetzt Egoist genug, um an meinen eigenen Leidenschaften, an meinen eigenen Interessen, an meiner eigenen Bequemlichkeit zu hängen. Dennoch aber war ich für die Einflüsse, welche mich seit meiner Kindheit geleitet und geführt, noch nicht so todt und unempfindlich, daß ich weder an Clara noch an meinen Vater, noch an das alte Landschloß gedacht hätte, welches so viele reine und glückliche Erinnerungen in mir wach rief.

Zuweilen sogar, in der geliebten Nähe Margarethens, dachte ich an irgend eine Stelle in den Briefen meiner Schwester, welche ihr in meinem Herzen das Uebergewicht wiederzugeben schien, welches sie bis vor Kurzem noch besessen.

Zuweilen verbannte der Gedanke an meine Schwester alle anderen Gedanken, und in dem einsamen Hause in London nahmen meine Betrachtungen oft einen seltsamen Gang. Ich sah mich auf dem Lande an der Seite meiner Schwester reitend, oder wir plauderten ruhig in der alten gothischen Bibliothek des Schlosses, als ob meine neue Liebe und meine Vermählung mit all' ihrem Gefolge von Hoffnungen und Befürchtungen Ereignisse wären, welche nicht stattgefunden, und Interessen, die mich niemals anders bewegt hätten als in meiner Phantasie oder in einem entschwundenen Traume der Nacht.

Mit diesen Gedanken beschäftigt, faßte ich zwei Mal den Entschluß, mir Verzeihung für meine lange Abwesenheit dadurch zu erwerben, daß ich meinen Vater und meine Schwester auf dem Lande. besuchte, wenn auch nur auf einige Tage – aber jedes Mal ward mein Entschluß wieder wankend.

Das zweite Mal blieb ich standhaft bei meinem Vorhaben bis an den Bahnhof, wo ich auch wirklich ankam, aber bloß, um mich wieder anders zu besinnen und wieder umzukehren.

Ich hatte endlich über den Schmerz triumphiert, den ich schon bei dem Gedanken empfand, mich auf einige Zeit von Margarethen zu trennen; die eben so lebhafte als unklare Furcht aber, daß ihr, ich weiß nicht was, in meiner Abwesenheit zustoßen könne, bewog mich, meinen Entschluß wieder aufzugeben.

In meinem Herzen schämte ich mich meiner Schwäche, gab ihr aber nichtsdestoweniger nach.

Endlich erhielt ich von Clara einen Brief, der einen Ruf an mich enthielt, welchem ich nicht widerstehen konnte.

»Niemals,« schrieb sie, »habe ich von Dir im Namen Deiner Liebe zu mir verlangt, uns zu besuchen; denn nimmermehr könnte es mir einfallen, mich Deinen Interessen oder Deinen Plänen in den Weg zu stellen. Heute aber bitte ich Dich um Deiner selbst willen, zu uns zu kommen und eine Woche, nicht länger, zu bleiben, dafern du nicht selbst Lust hast, uns Deine Gegenwart länger zu schenken.

»Du erinnerst Dich, daß unser Vater Dir in seinem Zimmer zu London sagte, er glaube, Du habest ein Geheimnis« vor ihm. Ich fürchte, daß dieser Gedanke in seinem Gemüthe Wurzel faßt. Deine lange Abwesenheit bringt ihn auf mancherlei Gedanken. Er sagt Nichts darüber; aber wenn ich Dir schreibe, trägt er mir niemals eine Botschaft an Dich auf, und wenn ich Dich erwähne, so bringt er sofort das Gespräch auf etwas Anderes. Ich bitte Dich daher, komme zu uns und zeige Dich einige Tage lang. Es wird keine Frage an Dich gestellt werden – in dieser Beziehung sei unbesorgt.«

»Deine Anwesenheit wird eine vortrefflicher Wirkung hervorbringen und das verhindern, was ich, um jeden Preis vermieden zu sehen wünschte – ein ernstes Zerwürfnis zwischen unserem Vater und Dir. Bedenke lieber Sidney, daß wir in vier bis sechs Wochen in die Stadt zurückkehren werden, und dann würde die Gelegenheit vorbei sein.«

Sobald ich diese Zeilen gelesen hatte, beschloß ich sofort, aufs Land zu reisen, so lange der Eindruck noch frisch in meinem Gemüthe war.

Margarethe sagte, als ich Abschied von ihr nahm, bloß, daß sie mich sehr gern begleiten würde.

Es würde, meinte sie, für sie ein großes Vergnügen sein, ein großes Landschloß zu sehen wie das unsere.

Mr. Sherwin lächelte seiner Gewohnheit gemäß verschmitzt über die vielen Schwierigkeiten, die ich machte, um seine Tochter nur auf eine Woche zu verlassen .

Mistreß Sherwin nahm mich bei Seite, um mir mit einer damals unerklärlich scheinenden Dringlichkeit zu empfehlen, nicht länger abwesend zu bleiben, als ich jetzt meiner Erklärung zufolge beabsichtigte, und Mr. Mannion versicherte mir unter vier Augen, daß ich in meiner Abwesenheit ebenso auf ihn rechnen könne, wie ich bis jetzt gethan, und daß er meine Interessen in der Nordvilla stets auf das Genaueste im Auge behalten würde.

Es war seltsam, daß seine Worte die einzigen waren, welche mich bei dem Abschiede von London beruhigten und befriedigten.

Die Annäherung des Abends verdunkelte schon den kurzen Winternachmittag, als mein Wagen die Grenze unseres Landgutes passierte.

Ich habe stets gern das Land gesehen, wenn der weiße Schnee die Fläche des Bodens deckt. Gern hätte ich dieses Schauspiel am Tage meiner Ankunft auf unserem Landgut genossen; aber in der vergangenen Woche war Thauwetter gewesen. Ueberall um mich her sah ich Nichts als Schmutz, Wassertümpel und Nebel.

Die Luft ging scharf und feucht – der Schatten des Abends ward dichter und die alten entlaubten Ulmen der Parkallee seufzten im Winde und knarrten über mir, während ich mich dem Hause näherte.

Mein Vater empfing mich auf ceremoniösere Weise als mir lieb war. Ich wußte schon von meiner Kindheit an, was diese Höflichkeit zu bedeuten hatte,– die er gegen seinen eigenen Sohn an den Tag legte. Welche Schlüsse hatte er wohl aus meiner langen Abwesenheit und der Hartnäckigkeit gezogen, mit der ich mein Geheimniß vor ihm bewahrte? Ich konnte es nicht wissen; aber es war klar, daß ich meinen gewohnten Platz in seiner Achtung verloren, und daß ich nicht hoffen konnte, ihn durch einen einwöchentlichen Besuch wieder zu erobern. Das Zerwürfniß, welches meine Schwester fürchtete, hatte zwischen uns schon begonnen.

Der öde Anblick der Natur hatte mich, während ich mich unserer Wohnung näherte, schon kalt angeweht. Der Empfang, den ich von meinem Vater erfuhr, vermehrte meinen Hang zur Melancholie. Ich bedurfte der ganzen liebevollen Wärme, mit der Clara mich bewillkommnete, und des Vergnügens mit dem ich sie mir leise danken hörte, daß ich ihre Bitte so rasch erfüllt, um mich nicht gänzlicher Mutlosigkeit hinzugeben.

In der ersten freudigen Erregung und während ich meine Schwester in meine Arme schloß, bemerkte ich nicht, daß trotz ihrer sanften Worte und ihrer zärtlichen Blicke ihr Gesicht eine Veränderung erfahren hatte, die mir später immer auffälliger ward. Sie schien magerer geworden zu sein, und ihre natürliche Blässe war größer als gewöhnlich. Augenscheinlich hatte sie mit Sorgen und Unruhe zu kämpfen gehabt. War ich die Veranlassung dazu gewesen?

Beim dem Diner herrschte an diesem Abende ein drückender, beengender Zwang. Mein Vater sprach bloß von allgemeinen und alltäglichen Dingen; als ob er es mit einem einfachen, Bekannten zu thun hätte. Als meine Schwester sich entfernte, verließ er ebenfalls das Speisezimmer, um Jemanden zu empfangen, der in Geschäften mit ihm sprechen wollte. Die Gesellschaft der Weinflaschen hatte für mich keinen Reiz, und ich suchte daher Claras in ihrem« Zimmer auf.

Anfangs sprachen wir bloß von den verschiedenen Beschäftigungen, mit denen sie sich seit ihrer Rückehr aufs Land befaßt. Sie scheuete sich ebenso wie ich, den Gegenstand meines langen Verweilens in London zur Sprache zu bringen, und eben so viel Ueberwindung kostete es ihr, mit mir von dem Mißfallen zu sprechen, welches meine lange Abwesenheit in meinem Vater augenscheinlich erweckt hatte. Es bestand deshalb ein gewisser Zwang zwischen und, den Keins von Beiden abzuschütteln wagte.

Ein Zufall indessen, obschon ein an und für sich ganz unbedeutender, nöthigte mich bald, ein wenig mehr Offenheit zu zeigen, indem er mir Gelegenheit gab, mich frei über den Gegenstand auszusprechen, welcher ihre Gedanken vorzugsweise beschäftigte.

Ich saß Clara gegenüber in dem Winkel des Kamins und spielte mit einem Lieblingshunde der mir in das Zimmer gefolgt war. Als ich mich zu dem Thiere herabneigte, machte ein Medaillon, welches Haar von Margarethen enthielt, sich von der Stelle meiner Weste, an der ich es befestigt hatte, los und hing nur noch an dem Schnürchen, welches ich um den Hals geschlungen. Ich beeilte mich, es wieder zu verbergen, aber nicht so schnell, daß nicht Clara mit jener Schnelligkeit des weiblichen Blickes Zeit gehabt hätte, ihre Augen auf diesen Gegenstand als auf etwas Neues zu heften und im Bezug auf den Gebrauch, zu dem es diente, die wahrscheinlichsten Schlüsse zu ziehen.

Ein Ausdruck der Ueberraschung und Freude verklärte ihre Züge. Sie stand auf legte ihre Hand auf meine Schulter, wie um mich zu bewegen, ruhig auf meinem Platze sitzen zu bleiben und sah mich aufmerksam an.

»Sidney, Sidney,« sagte sie, »wenn dies das ganze Geheimniß ist, welches Du uns nicht hast mittheilen wollen, wie freue ich mich dann! Wenn ich aus der Weste meines Bruders ein Medaillon fallen sehe, von dem ich nicht wußte, daß er es trägt.« fuhr sie fort, als sie bemerkte, daß ich zu verworren war, um zu sprechen, und wenn ich diesen Bruder erröthen sehe während er sich beeilt, diesen Gegenstand wieder zu verstecken, so müßte ich nicht Weib sein, wenn ich nicht darüber sofort meine Betrachtungen und Vermuthungen anstellte.«

Sie schwieg. Ich machte einen neuen obschon sehr unglücklichen Versuch, die Sache von der scherzhaften Seite aufzufassen. Ihr Gesicht ward plötzlich nachdenklich und ernst, während sie immer noch die Augen auf mich geheftet hielt. Sie faßte mich sanft bei der Hand und murmelte mir ins Ohr:

Türler ve etiketler

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Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
Hacim:
450 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain