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Kitabı oku: «Die Heirath im Omnibus», sayfa 21

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»Ja, aber –«

»Aber wie sollen wir Gewißheit erlangen? willst Du sagen – Wohl an, sei es heute oder sei es morgen, so werde ich wieder mit Mr. Sherwin sprechen und erfahren, ob er seine Tochter wieder in seine väterliche Gewalt bekommen hat. Ist dies nicht der Fall, so müssen wir in das Hospitai gehen und auf ein Mittel sinnen, Etwas durch Uns selbst zu entdecken. Sei nicht so bekümmert und niedergeschlagen, Sidney. Ich werde mit Dir gehen. Du brauchst sie nicht wiederzusehen und jenen Schurken auch nicht. Du mußt mich bloß begleiten, weil Deine Gegenwart mir nothwendig sein kann. Und nun will ich mich für heute beurlauben. Ich muß nun wieder zu Madame, denn sie ist unglücklicher Weise eine der empfindlichsten Frauen, die es geben kann, und wird über meine lange Abwesenheit schon in großer Unruhe sein. Wir wollen Dich schon dieser Verlegenheit ziehen, lieber Bruder, das sollst Du bald sehen. Apropos, kennst Du vielleicht in der Nähe von Brompton ein einzelnes, bescheiden aber dabei wohnlich und anständig eingerichtetes Haus? Die meisten meiner Clubfreunde wohnen in dieser Gegend. Ein allein stehendes Häuschen, hörst Du wohl? Ich habe mich nämlich in der neuesten Zeit aufs Violinspiel gelegt – wer weiß, auf was ich mich noch Alles lege. Madame begleitet mich auf dem Pianoforte und ich glaube, wir würden keine kleine Plage für unsre nächsten Nachbarn sein. Das ist die ganze Geschichte. Ah! Du hast also Nichts von einem solchen Hause gehört? Denken wir dann weiter nicht daran. Ich werde mich an eine Agentur oder so Etwas wenden. Clara soll noch, ehe es Abend wird, erfahren, daß wir schon ein gutes Stück vorwärts gekommen sind. – Das werde ich ihr zu wissen thun, dafern ich nämlich die Wachsamkeit meines Argus im Unterrocke täuschen kann. Sie ist ein wenig halsstarrig, aber dennoch – ich sage es Dir nochmals – eine Frau von den trefflichsten Eigenschaften. Denke nur, wie ich mich verändert habe, seitdem ich mit ihr bekannt bin. Ich spiele Violine, ich schnupfe, ich will in einem kleinen Landhaus der Vorstadt ruhig und solide leben und meine Steuern bezahlen. Also auf Wiedersehen, Sidney.«

Viertes Kapitel

Am nächstfolgenden Morgen kam Ralph nicht wieder zum Vorscheine Ich wartete den ganzen Tag auf ihn; endlich gegen Abend erhielt ich einen Brief.

Mein Bruder meldete mir darin, daß er an Mr. Sherwin geschrieben habe, einfach um ihn zu fragen, ob er seine Tochter wiedergefunden.

Die Antwort auf diese Frage war ihm erst im Laufe des Nachmittags zugegangen und war verneinend. Mr. Sherwin hatte seine Tochter nicht wiedergefunden. Sie hatte das Hospital verlassen, ehe er selbst dort ankam, und Niemand konnte ihm sagen, wohin sie gegangen sei.

Er gestand selbst, daß er in seinen Reden und Gebärden so heftig gewesen, daß man ihm den Zutritt in den Saal, wo Mannion lag, verweigern zu müssen geglaubt. Als er wieder nach Hause gekommen war, hatte er seine Frau in den letzten Zügen liegend angetroffen und am Abende war sie verschieden.

Ralph sagte mir ferner, Sherwins Brief sei der eines Mannes, welcher halb den Verstand verloren habe. Er spreche von seiner Tochter nur in wüthenden Ausdrücken und erkläre, er werde sie bei den noch lebenden Verwandten seiner Frau verklagen, daß sie Schuld an dem Tode ihrer Mutter sei, und rufe die schrecklichsten Verwünschungen auf sein eigenes Haupt herab, wenn er jemals ein Wort mit ihr spreche, selbst wenn er sie auf der Straße verhungern sähe. In einer Nachschrift theilte Ralph mir noch mit, daß; er mich den nächstfolgenden Tag früh besuchen würde, um mit mir die Maßregeln zu verabreden, welche nothwendig seien, um Sherwins Tochter in ihrem gegenwärtigen Schlupfwinkel aufzuspüren.

Jeder Satz seines Briefes enthielt eine Verkündung der herannahenden Krisis und dennoch fehlte es mir eben so an dem Triebe als an der Kraft, mich darauf vorzubereiten. Die abergläubische Ueberzeugung, daß meine Handlungen durch ein Verhängniß bestimmt würden, welches durch keine menschliche Voraussicht geändert werden könne, begann in mir Wurzel zu fassen.

Von diesem Augenblicke an erwartete ich die Ereignisse mit Geduld und in der passiven Haltung der Verzweiflung. Ein Gefühl lebte jedoch in mir, welches Nichts von seiner Stärke verloren hatte. Mit Schrecken und Furcht dachte ich an ein Wiederzusammentreffen mit Mannion Tag für Tag und Stunde für Stunde ward ich von der Angst gefoltert, ihn wieder zum Vorscheine kommen zu sehen.

Mein Bruder kam sehr pünktlich zu der von ihm bestimmten Stunde. Als er mich aufforderte, ihn nach dem Hospitale zu begleiten, entschloß ich mich ohne weiteres Zögern sofort dazu. Während Ralph sich dem Thore näherte, um seine ersten Fragen zu thun, blieb ich allein und schweigend vor diesem düsteren Palaste der Leiden stehen, wo Mannion lag und wohin ihm die schöne und reine Margarethe meiner ersten Liebesträume gefolgt war.

Mein Bruder sprach noch mit dem Portier, als er von einem Herrn erkannt ward, der aus dem Hospitale herauskam und ihn sofort anredete. Ich hörte, Wie Ralph ausrief:

»Bernhard! Jack Bernard! Du in England! – wer hätte das gedacht!«

»Warum nicht?« ward ihm geantwortet. »Vor sechs Wochen gab das Hotel de Dieu mir alle Zeugnisse über mein chirurgisches Wissen, die ich wünschen konnte, und bloß um meines Vergnügens willen wollte ich nicht in Paris bleiben. Erinnerst Du Dich noch Deiner Spöttereien?« – Es ist schon lange her. Das letzte Mal, wo wir uns begegneten, war ich für Dich ein sehr unbedeutendes Menschenkind. Wohl an, wir sind nun nach England gekommen, um unsern Aufschwung über den großen Haufen zunehmen und wo möglich unter den Lichtern der Wissenschaft zu glänzen.«

»Willst Du damit sagen, daß Du jetzt bei diesem Hospitale angestellt bist?«

»Wenigstens stehe ich auf der Liste der Chirurgen, die hier beschäftigt sind, und komme alle Tage, die Gott werden läßt, hierher.«

»Dann bist Du gerade der Mann, den wir brauchen, um uns Auskunft geben. He da, Sidney, komm’ doch her, damit ich Dich einem meiner alten Pariser Freunde vorstelle. Mr. Bernard – mein Bruder – Du hast mich oft von dem jüngsten Sohne von Sir William Bernard sprechen hören, welcher die Pflege des Körpers der des Geistes vorgezogen hat und gegenwärtig in einem Hospitale thätig ist, während er zu Hause ganz bequem faulenzen könnte. Dieser ist es, der achtungswertheste Arzt und gutmüthigste Kauz unter der Sonne.«

»Und bringst Du Deinen Bruder in das Hospital, damit er meinem gefährlichen Beispiele folge?« fragte Mr. Bernard, indem er mir die Hand drückte.

»Das gerade nicht, Jack. Wir haben aber auch eine Absicht, in der wir hierher gekommen. Kannst Du, zehn Minuten lang mit uns sprechen – gleich viel wo? Wir wünschen Auskunft in Bezug auf einen Eurer Patienten.«

Er führte uns in ein leeres Zimmer im Erdgeschosse des Gebäudes.

»Laß mich reden,« sagte mir Ralph ins Ohr, als wir uns setzten. »Ich werde Alles zu erfahren wissen. – Sage. mir, Bernhard,« fing er an, »habt Ihr, nicht einen Kranken Namens Turner hier?«

»Bist Du vielleicht der Freund dieses räthselhaften Menschen? Das ist seltsam! Die Studenten nennen ihn das große Geheimniß von London, und ich fange an zu glauben, daß die Studenten Recht haben, Willst Du ihn sprechen? Wenn er seinen großen grünen Schirm nicht aufhat, sieht er entsetzlich für Jeden aus, der nicht an dergleichen Erscheinungen gewöhnt ist.«

»Nein, nein – wenigstens mag ich ihn nicht sehen. Mein Bruder hier wünscht es jetzt eben so wenig als jemals. Du mußt wissen, daß gewisse Umstände uns nöthigen, uns nach diesem Manne zu erkundigen, und ich bin überzeugt, daß Du nicht darauf bestehen wirst, sie kennen zu lernen, wenn ich Dir sage, daß es in unserem Interesse liegt, sie geheim zu halten.»

»Allerdings – Du weißt –«

»Wohl an, verlieren wir denn kein Wort mehr hierüber. Wir haben uns, indem wir hierher gekommen sind, vorgenommen, von Mr. Turner und den Leuten, die ihn besuchen, so viel als möglich zu erfahren. Ist vorgestern nicht eine Dame dagewesen.

»Ja. Und sie benahm sich, glaube ich, auf sehr seltsame Weise. Ich war nicht zugegen, als sie da war, aber man hat mir gesagt, daß sie mit sehr aufgeregter und unruhiger Miene nach Mr. Turner gefragt habe. Man wies sie in den Victoriasaal, wo er liegt, und als sie hier eintrat, ward sie außerordentlich verlegen, als sie den Saal so voll sah, denn sie ist natürlich an den Anblick eines solchen Hospitals nicht gewöhnt gewesen. Wie dem aber auch sei – vergebens hat die Krankenwärterin ihr das Bett gezeigt, auf welches sie zugehen sollte, sie hat sich geraden Wegs einem andern genähert.«

»Ich verstehe,« sagte Ralph, »ganz so, wie gewisse Frauen in den unrechten Omnibus stürzen, während der richtige sie fast über den Haufen fährt.«

»Ja wohl. Sie hat daher ihren Irrthum – es war ein wenig dunkel im Saale – nicht eher entdeckt, als nachdem sie sich schon über einen Unbekannten gebeugt, dessen Gesicht nach der entgegengesetzten Seite hingewendet war – aber schon war die Krankenwärterin ihr nachgeeilt und führte sie an das richtige Bette. Hier fand, wie man mir erzählt, ein zweiter Auftritt statt. Beim Anblicke des Gesichtes des Patienten war sie, wie die Krankenwärterin versichert, nahe daran, in Ohnmacht zu sinken, aber Turner beruhigte sie in seinem Augenblicke. Er legte seine Hand auf, ihren Arm, flüsterte ihr einige leise Worte zu und sofort ward sie bleich wie ein Leichentuch, ohne sich weiter zu rühren. Das Erste, was er hierauf that, war, daß er ihr ein Zettelchen gab, indem er ihr kaltblütig sagte, sie solle sich an den hier aufgeschriebenen Ort verfügen und, sobald sie ein wenig gefaßter sein würde, in daß Hospsital zurückkommen. Hierauf hat sie sich sofort wieder entfernt, Niemand weiß wohin.«

»Aber dann ist wohl noch Jemand gekommen, um sich nach ihr zu erkundigen, wie?«

»Ja, ein Mann, der sich für ihren Vater ausgegeben und sich benommen hat wie ein Unsinniger. Er kam ungefähr eine Stunde, nachdem die junge Dame sich entfernt, und wollte nicht glauben, daß wir ihm durchaus keine Auskunft über sie geben könnten, und wie zum Teufel sollten wir Etwas wissen? Er stieß gegen diesen Turner – den er, beiläufig gesagt, Manning oder ungefähr so nannte – so heftige Drohungen aus, daß wir uns genöthigt sahen, ihm den Zutritt zu verweigern. Turner selbst würde über diesen Gegenstand keine Aufklärung geben, aber ich vermuthe, daß die Wunden, welche er erhalten, das Resultat eines Streites mit dem Vater wegen der Tochter sind – ein niedlicher Streit muß es gewesen sein, wenn man nach den Folgen urtheilt, welche – Doch, ich bitte um Verzeihung, Dein Bruder scheint unwohl zu sein. Ich fürchte,« sagte er, sich zu mir wendend, »daß Ihnen die Luft in diesem Zimmer etwas zu dick und zu heiß ist.«

»Nein, durchaus nicht –.– ich bin aber erst vor Kurzem wieder von einer schweren Krankheit genesen – ich bitte Sie, fahren Sie fort.«

»Ich habe nur sehr wenig noch hinzuzufügen. Der Vater ging wüthend fort, gerade wie er gekommen war. Die Tochter ist noch nicht wieder zum Vorscheine gekommen. Nach Dem, was mir von der ersten Unterredung mitgetheilt worden, glaube ich jedoch, daß sie kommen wird. Sie muß auch, wenn sie Turner sprechen. will, denn dieser kann bei seinem dermaligen Zustande unter vierzehn Tagen noch nicht ausgehen. Er hat sich durch fortwährendes Briefschreiben geschadet – neulich befürchteten wir einen Ausbruch von Rothlauf, diese Gefahr ist aber glaube Ich, vorüber.«

»Es liegt uns aber,« sagte Ralph, »sehr viel daran, zu wissen, wo jene Dame jetzt ist oder wo sie wohnt. Wäre es nicht möglich – wir werden gut bezahlen – irgend einen gewandten Spion zu bestimmen, ihr von hier bis an ihre Wohnung nachzuschleichen, sobald sie wiederkommt?«

Bernard zögerte einen Augenblick und dachte nach, dann sagte er:

»Ich werde mit dem Portier darüber sprechen, sobald Ihr wieder fortseid – vorausgesetzt, daß Du mir in Bezug auf das Geldgeschenk welches ich für nothwendig halten werde, freie Hand lässt.«

»In dieser Beziehung gebe ich Dir unbeschränkte Vollmacht, lieber Freund. Kannst Du mir Schreibmaterialien geben? Ich will Dir die Adresse meines Bruders aufschreiben, damit Du ihm die Resultate, sobald Du sie erlangt haben wirst, mittheilst.«

Während Mr. Bernard nach dem andern Ende des Zimmers ging, um die gewünschten Schreibmaterialien zu holen, sagte Ralph leise zu mir:

»Wenn er mir unter meiner Adresse schriebe, so würde Madame *** den Brief sehen. Sie ist die liebenswürdigste Person ihres Geschlechts, aber wenn die schriftliche Anzeige der Wohnung einer Dame an mich adressiert in ihre Hände fiele – ha! Du verstehst, Sidney! – Uebrigens wird es Dir leicht sein, mir die Nachrichten, welche Jack Dir schicken wird, sobald Du sie empfangen hast, zu wissen zu thun. Also Muth gefaßt, Alles geht gut.«

Mr. Bernard brachte uns Tinte und Feder. Während Ralph die Adresse aufschrieb, sagte sein Freund zu mir:

»Ich hoffe, Sie werden mich nicht in dem Verdachte haben, mich in Ihre Geheimnisse mischen zu wollen, wenn ich – in der Voraussetzung, daß es kein rein freundschaftliches Interesse ist, welches Sie veranlaßt, sich mit Turner zu beschäftigen – Sie auffordere, ihn sehr genau zu überwachen, wenn er das Hospital verlassen wird. Entweder sind in seiner Familie Fälle von Wahnsinn vorgekommen oder die äußerlichen Verletzungen haben nachtheilig auf sein Gehirn eingewirkt. Streng genommen hat er ein Recht darauf, daß man ihn vollkommen frei lasse, weil er im Stande ist, die Aeußerlichkeiten einer vollkommenen Selbstbeherrschung in den gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens zu bewahren. Moralisch aber bin ich fest überzeugt, daß er ein gefährlicher Monomane ist; seine Manie knüpft sich an irgend eine fixe Idee, von welcher er augenscheinlich Tag und Nacht nicht abläßt.«

»Ich wollte etwas Erkleckliches wetten, daß, wenn sein Wahnsinn so weit geht, uns quälen oder schikanieren zu wollen, wir gerade die rechten Leute sind, um ihn einsperren zu lassen,« sagte Ralph »Hier ist die Adresse und nun wollen wir Deine Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Ich habe eine kleine Wohnung in Brompton gemiethet, Jack. Du mußt mit Sidney bei mir speisen, sobald wir mit unserer häuslichen Einrichtung in Stande sein werden.»

Wir verließen das Zimmer. Als wir durch die Hausflur schritten, kam ein Herr auf uns zu und redete Mr. Bernard an.

»Das Fieber jenes Mannes im Victoriazimmer hat sich endlich declarirt,« sagte er. »Heute Morgen sind die unverkennbarsten Symptome zu Tage getreten.«

»Und was zeigen sie an?«

»Einen Typhus von der schlimmsten Art – daran ist nun nicht länger zu zweifeln. Kommen Sie und sehen Sie ihn an.«

Ich sah Mr. Bernard zusammenzucken und einen raschen Blick auf meinen Bruder werfen. Ralph heftete einen forschenden Blick auf das Gesicht seines Freundes und rief:

»Im Victoriasaal – sagtest Du nicht so eben –«

Und er stockte. Der Ausdruck seines Gesichtes änderte sich plötzlich aus seltsame Weise und einen Augenblick später nahm er Mr. Bernard bei Seite und sagte:

»Ich muß Dich fragen, ob das Bett dieses Mannes, dessen Fieber in Typhus übergegangen, dasselbe Bett ist, welches –«

Die übrigen Worte konnte ich nicht verstehen, denn sie entfernten sich Beide einige Schritte Nachdem sie einige Minuten lang leise mit einander gesprochen, kamen sie wieder auf mich zu.

Mr. Bernard erklärte Ralph verschiedene Theorien über die Ansteckung.

»Nach meiner Ansicht,« sagte er, »oder vielmehr nach der Ansicht derer, deren Meinung ich angenommen, wird die Ansteckung durch die Lunge aufgenommen. Es genügt, die infizierte Atmosphäre, welche sich sofort um den angegriffenen Gegenstand verbreitet, geathmet zu haben, daß die Krankheit sich einer Person mittheile. Vorausgesetzt, daß diese Person dazu im Voraus disponiert ist. Wir wissen, daß diese Prädisposition sich durch moralische Aufregung oder organische Schwäche besonders steigert, in dem Falle aber, von welchem wir so eben sprachen« – und er sah mich an – »wiegen sich die Möglichkeiten der Ansteckung und der Nichtansteckung gegenseitig auf. Etwas ganz Bestimmtes läßt sich indessen bei dem Stadium, in welchem der Kranke sich jetzt befindet, noch nicht sagen.«

»Du wirst mir schreiben, sobald Du Etwas erfährst, nicht wahr?« sagte Ralph, indem er ihm die Hand drückte.

»Sofort – das verspreche ich Dir. Ich habe die Adresse Deines Bruders in der Tasche.«

Wir trennten uns.

Ralph war auf dem Rückwege außerordentlich träumerisch und nachdenklich. An der Thür meiner Wohnung nahm er rasch von mir Abschied, ohne weiter über unsern Besuch in dem Hospitale mit mir zu sprechen. Eine Woche verging und ich erhielt keine Nachricht von Mr. Bernard. Während dieser Zeit sah ich meinen Bruder sehr wenig, denn er war mit der Einrichtung seiner neuen Wohnung beschäftigt.

Gegen das Ende der Woche kam er und meldete mir, daß er London« auf einige Tage verlassen würde. Mein Vater hatte ihn ersucht, auf sein Landgut in der Grafschaft *** zu gehen, um sich mit mehreren Angelegenheiten in Bezug auf die Bewirthschaftung dieses Gutes zu beschäftigen, wovon er in seiner Eigenschaft als künftiger Erbe pflichtmäßig Kenntniß nehmen mußte.

Ralph besaß noch ganz seinen früheren Widerwillen gegen Alles, was Wirthschaftsführung oder Berathung mit Juristen hieß; aus Dankbarkeit für die Güte aber, die mein Vater seit seiner Rückkehr nach England ganz speciell gegen ihn an den Tag legte, hielt er sich verpflichtet, seinen Geschmacksrichtungen ein wenig Gewalt anzuthun. Er glaubte, nicht länger als zwei oder drei Tage abwesend zu sein, empfahl mir aber dringend, ihm zuschreiben, wenn ich während seiner Abwesenheit Nachrichten aus dem Hospitale erhielte.

Im Laufe der Woche besuchte Clara mich zwei Mal. Sie hatte sich wie das erste Mal heimlich von Hause fort geschlichen. Bei jeder Gelegenheit bewies sie mir dieselbe liebreiche Sorgfalt, dasselbe einfache, natürliche Wesen, indem sie sich zugleich bemühte, mir mit dem Beispiele der Heiterkeit voranzugehen und mich zur Hoffnung zu ermuthigen. Mit tiefem Kummer und Befürchtungen, die es mir nicht ganz gelang, ihr zu verbergen, sah ich, daß derselbe Ausdruck von Niedergeschlagenheit und Melancholie, trotz aller ihrer Bemühungen zum Gegentheile, sich in ihren Zügen aussprach. Er hatte sich weder verändert noch vermindert.

Aus Zartgefühl hatte Ralph vermieden, die geheimen Befürchtungen zu vermehren, welche augenscheinlich ihre Gesundheit untergraben, und ihr von unserm Besuche in dem Hospitale, sowie von den von uns seit seiner Rückkehr sonst gethanen Schritten durchaus Nichts mitgetheilt. Ich trug Sorge, während meiner Zusammenkünfte mit ihr dieselbe Discretion zu beobachten. Als sie das dritte Mal kam, sagte sie mir mit einer Traurigkeit, welche sie sich vergebens zu verhehlen bemühte, Lebewohl. Ich war aber weit entfernt, zu glauben, daß der Ton ihrer sanften, lieblichen Stimme zum letzten Male an mein Ohr schlüge, ehe ich mich nach dem Westen Englands begäbe, wo ich jetzt schreibe.

Am Ende der Woche – es war Sonnabends – – verließ ich meine Wohnung frühzeitig am Morgen, um einen Spaziergang zu machen, von welchem ich erst Abends zurückzukehren gedachte.

Die Ahnung anderweitiger Prüfungen und noch tieferer Gemüthsbewegungen hatte mich niemals verlassen. Von dem Tage an, wo ich Ralph nach dem Hospitale begleitet, hatten unbestimmte Gedanken und Vermuthungen, die ich mit Entsetzen wieder zu bannen suchte, nicht aufgehört, mein Gemüth zu belästigen.

Dieser geistige Kampf, diese hartnäckigen Befürchtungen wirkten so nachtheilig auf mich ein, daß meine Gesundheit dadurch in immer ernsterer Weise angegriffen ward. An dem Morgen, von welchem ich spreche, empfand ich, indem ich aufstand, ein Gefühl von unerträglichem Druck. Der Schweiß perlte mir auf der Stirn, obschon der Tag durchaus nicht außerordentlich warm war. Es war mir, als würde die Luft von London mit jeder Minute schwerer zu athmen. Ich hatte starkes Herzklopfen und das Pulsieren meiner Schläfe war förmlich fieberhaft. Es war, als wäre mein Leben in Gefahr, wenn ich nicht sofort ins Freie an irgend einen Ort zu kommen suchte, wo es Schatten und Grün und frisches, fließendes Wasser gab, worauf ich meine Blicke ausruhen lassen konnte« Ich ging daher fort, ohne mir eine bestimmte Richtung vorzuzeichnen, und blieb den ganzen Tag im Freien.

Die Nacht brach ein, als ich die Stadt wieder erreichte. Als die Magd mir die Hausthür meiner Wohnung öffnete, fragte ich sie, ob sie keine Briefe für mich erhalten hätte.

Sie antwortete, es sei am Morgen, gleich nachdem ich das Haus verlassen, einer abgegeben worden, und sie habe ihn auf meinen Tisch gelegt. Auf den ersten Blick, den ich auf diesen Brief warf, sah ich Mr. Bernard’s Namen in der Ecke des Couverts. Ich öffnete es begierig und las Folgendes:

»Freitag, am . . . .
»Mein werther Herr!

»Auf dem hier beiliegenden kleinen Zettel finden Sie die Adresse der jungen Dame, von welcher Ihr Bruder mit mir sprach, als ich das Vergnügen hatte, Sie im Hospitale zu treffen. Ich bedauere, Ihnen sagen zu müssen, daß die Umstände, unter welchen es mir möglich gewesen ist, mir die gewünschten Aufschlüsse zu verschaffen, von der schmerzlichsten Art gewesen sind. Der Plan, den ich im Voraus entworfen, um nach der Andeutung Ihres Bruders die Wohnung der jungen Dame zu ermitteln, erwies sich als fruchtlos. Sie ist nicht wieder in das Hospital gekommen. Ihre Adresse ward mir diesen Morgen durch Turner selbst gegeben, indem er mich bat, sie in meiner Eigenschaft als Arzt zu besuchen, weil er zu dem, der sie bis jetzt behandelt, nicht genug Vertrauen hat. Verschiedene Ursachen vereinigten sich, um meine Einwilligung in sein Verlangen schwierig und unangenehm zu machen. Da ich aber wußte, daß diese junge Dame bei Ihnen, oder ich sollte wohl vielmehr sagen, bei Ihrem Bruder ein gewisses Interesse erweckt hat, so beschloß ich, keine Zeit zu verlieren, sie zu besuchen und mich mit ihrem ersten Arzte zu besprechen.«

»Ich fand sie von einem der heftigsten Typhusanfälle niedergeworfen, welche mir bis jetzt vorgekommen sind, und ich halte es für meine Pflicht, ohne Umschweife zu gestehen, daß ihr Leben mir in drohender Gefahr zu schweben scheint. Gleichzeitig verlangt die Gerechtigkeit, zu sagen, daß mein College, der sie zuerst in Behandlung gehabt, diese meine Meinung nicht theilt – nach seiner Ansicht sind noch gegründete Aussichten vorhanden, sie zu retten.

»Daß sie sich den Typhus in dem Hospitale geholt hat, daran ist nicht zu zweifeln. Vielleicht entsinnen Sie sich, daß, wie ich Ihnen erzählte, beim Eintritt in den Krankensaal ihre Aufregung sie aller Herrschaft über sich selbst beraubt zu haben schien und daß sie auf ein Bett zugeeilt war, dem sie sich nicht nähern sollte, ehe die Krankenwärterin Zeit hatte, sie zurückzuhalten. Der Kranke, welcher Gegenstand ihres Irrthums gewesen, als sie Turner vor sich zu sehen glaubte, litt an einem Fieber, dessen Art uns heute allerdings wohl bekannt ist, aber welches sich als Typhus erst am Morgen des Tages deklarierte, wo Sie und Ihr Bruder in dem Hospitale waren. Ohne Zweifel ist die junge Dame, indem sie sich in der Ueberzeugung, daß der Kranke der sei, den sie suche, über ihn neigte, von seinem Dunstkreise sofort angesteckt worden.

»Seitdem die ersten Symptome ihrer Krankheit sich am vergangenen Sonnabende gezeigt haben, ist die Behandlung, welche ihr mein College angedeihen lassen, nach meiner Ansicht eine vollkommen angemessene gewesen. Ich bin heute eine Zeit lang an ihrem Bette geblieben, um sie zu beobachten. Das Delirium, welches mehr oder weniger ein unabänderliches Resultat des Typhus ist, tritt in ihrem Falle ganz besonders zu Tage und giebt sich sowohl in Gebärden als auch in Worten kund. Es ist mir unmöglich gewesen, sie durch eins der Mittel, welche man jetzt in Anwendung bringt, zu beruhigen. So oft ich sie aufgeweckt habe, hat sie nicht aufgehört, Ihren Namen zu nennen und inständig bittend nach Ihnen zu verlangen. Mein College sagt mir, daß sie es schon seit den letzten vierundzwanzig Stunden so getrieben habe. Dann und wann mischt sie auch andere Namen mit dem Ihrigen, nennt aber diese nur mit Entsetzen. Die Hartnäckigkeit, mit welcher sie nach Ihrer Gegenwart verlangt, ist so auffällig, daß ich mich versucht fühle, Sie zu bitten, sich zu ihr zu begeben. Wenn ich dies thue, folge ich nur meinem eigenen Triebe, denn es scheint mir sehr möglich, daß es Ihrer Gegenwart gelingen werde, sie zu beschwichtigen. Wenn Sie jedoch die Ansteckung fürchten, oder wenn Sie aus besonderen Gründen, welche ich weder das Recht, noch den Wunsch habe, zu erfahren, diesem Gesuche nicht willfahren wollen, so bitte ich Sie, ausschließlich Ihr eigenes Gutdünken zur Richtschnur zu nehmen. Nach meiner Meinung vermag keine menschliche Hilfe mehr sie zu retten. Die Aerzte klammern sich aber zuweilen wie Ertrinkende an Strohhalme, und der Strohhalm, den ich erfasse, ist Ihre Gegenwart am Lager der Kranken. Ich habe zuweilen das moralische Mittel anschlagen sehen, wo das medicinische Nichts auszurichten vermochte. deshalb sage ich nochmals: Glauben Sie ja nicht, daß es Ihre Pflicht sei, meiner Aufforderung zu folgen. Ich kann Ihnen mit gutem Gewissen versichern, daß die Pflicht hiermit Nichts zu schaffen hat. Auf jeden Fall ist es nothwendig daß ihre Eltern, oder wenn diese nicht mehr leben, einige ihrer nächsten Verwandten von ihrer Lage in Kenntniß gesetzt werden. Vielleicht kennen Sie ihre Verwandten und sind im Stande, uns diesen guten Dienst zu leisten. Sie stirbt an einem fremden Orte, unter Leuten, welche sie meiden wie die Pest. Ich bin an traurige Scenen dieser Art gewöhnt, aber in der Verlassenheit dieses armen Wesens. liegt etwas wirklich Herzzerreißendes. Auch wenn es sich um weiter Nichts handelte als um ihr Begräbniß, so müßte Jemand von ihrer Bekanntschaft unverweilt zu ihr gerufen werden.

»Morgen werde ich sie zwei Mal besuchen, früh und Abends. Wenn Sie nicht selbst sie besuchen wollen – und ich sage Ihnen nochmals, daß ich Sie durchaus nicht bereden will, sich in dieser Beziehung Zwang anzuthun – so haben Sie mir vielleicht in meiner Wohnung irgend eine Mittheilung zu machen.

»Ich verbleibe, mein werther Herr, Ihr ganz gehorsamster Diener

»James Bernard.«

»N. S. Ich öffne meinen Brief wieder, um Ihnen zu melden, daß Turner trotz aller Mahnungen zum Gegentheile das Hospital heute verlassen hat. Schon am vergangenen Dienstage hatte er, wahrscheinlich auf die erste Nachricht von der ernsthaften Erkrankung der jungen Dame, auszugehen versucht, war aber von einem heftigen Schwindel befallen worden und an der Schwelle des Krankensaales zusammengesunken. Dieses zweite Mal jedoch ist es ihm gelungen, das Weite zu gewinnen, nämlich so viel die im Hospitale angestellten Personen im Stande gewesen sind, sich davon zu überzeugen.«

Dieser Brief entsank meinen zitternden Händen. Ich hatte geschaudert vor Entsetzen bei dem Lesen desselben und stellte mir sofort die entsetzliche Frage: »Werde ich, der ich schon den Gedanken, diese Person jemals wiederzusehen, wie eine Besudelung von mir verbannte, die Kraft haben, an ihrem Sterbebette zu stehen, und den Märtyrermuth, welchen es bedürfen wird, sie sterben zu sehen?«

In diesem einzigen Augenblicke furchtbaren Zweifels, wo ich die innere feierliche Stimme hörte, aber nur in diesem Augenblicke, erkannte ich, wie dasselbe Leiden, welches mich niedergebeugt, mich auch zugleich gekräftigt hatte, und ich fühlte, wie der Kummer die Kraft hat, Das, was er zerreißt, auch gleichzeitig zu läutern.

Zurück, weit zurück trat der erste kleinliche und irdische Gedanke an das Uebel, welches sie mir zugefügt, an die Bitterkeit, welche sie über mein Leben ausgegossen An die Stelle dieses Gedankens trat in meinem Herzen eine plötzliche Ruhe ein, welche die Erinnerung an ihre sterbende Mutter zurückführte, und es war mir, als wenn sie mich um Erbarmen für ihre sterbende Tochter anflehte. Noch ein Mal gedachte ich der letzten Klage der armen Mutter hienieden.

Sie lag im Sterben unter Fremdlingen in wahnsinniger Fieberhitze, und von allen Wesen, welche sie gekannt, war das einzige, dessen Anwesenheit an ihrem Lager ihren letzten Augenblicken ein wenig Ruhe bringen und sie sanft und mild auf den Tod vorbereiten konnte, der Mann, den sie ohne Erbarmen betrogen und entehrt, dessen Jugend sie vernichtet, dessen Hoffnungen sie vereitelt hatte. Das Schicksal, welches uns auf seltsame Weise zusammengeführt um uns fürchterlich zu trennen, bereitete uns zuletzt ein noch furchtbareres Wiedersehen.

Mr. Bernard’s Brief war auf die Diele nieder gefallen. Ich hob ihn auf und steckte ihn in ein an meinen Bruder adressiertes Couvert, nachdem ich darunter geschrieben:

»Ich bin hingegangen, um ihre letzten Augenblicke zu versüßen.«

« Mein Entschluß war gefaßt. Sie verlangte nach meiner Nähe, und obschon mein Herz zu brechen drohte, so mußte ich doch diesem Rufe gehorchen.

Ehe ich jedoch meine Wohnung verließ, schrieb ich an ihren Vater, um ihn aufzufordern, sich ebenfalls an ihrem Sterbebette einzufinden. Wenn sein gefühlloses, verstocktes Gemüth nicht erweicht ward, wenn er die gegen sie ausgestoßenen Drohungen und Verwünschungen nicht bereute, dann konnte die Schuld seines Ausbleibens nur ihm allein, aber nicht mir beigemessen werden. Ich wagte nicht, mich allzu genau in Bezug auf die Antwort zu befragen, die er auf meinen Brief geben würde, denn ich erinnerte mich, daß er in dem Briefe an meinen Bruder den Entschluß ausgesprochen, seine Tochter als Ursache des Todes ihrer Mutter zu verstoßen, und selbst jetzt noch glaubte ich ihn wohl im Stande, daß er die Schande seiner eigenen Handlungsweise gegen sein unglückliches Weib auf sein Kind zu wälzen suchen würde.

Nachdem dieser zweite Brief geschrieben war, machte ich mich sofort auf den Weg nach dem Hause, welches Mr. Bernard mir bezeichnet. Zum ersten Male seit den Tagen meines Unglücks fühlte ich Geduld, Ergebung und Festigkeit genug in mir, um allen Prüfungen die Stirn zu bieten. Kein Gedanke an mich selbst, sogar kein Gedanke an die Gefahr, welche Mannion’s warnendes Postscript mich fürchten ließ, erwachte jetzt in mir. Ich fühlte bloß eine süße, heitere, vollständige, wie vom Himmel eingegebene Ruhe, welche durch irdische Gefühle nicht weiter beeinträchtigt werden zu können schien.

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06 aralık 2019
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