Kitabı oku: «Die Heirath im Omnibus», sayfa 25
Es ist mir, als hätte ich ihn von der Nothwendigkeit, meine Freunde zu benachrichtigen, sprechen hören, doch weiß ich es nicht gewiß.
Am 31. October. Ich werde immer schwächer. Gestern versuchte ich in meiner Verzweiflung an Ralph zu schreiben, aber ich wußte nicht, welche Wendung ich dem Briefe geben sollte. Die gewöhlichsten, alltäglichen Ausdrücke flohen mich in dem Chaos meines Geistes. Ich sah mich genöthigt, meinem Vorhaben zu entsagen. Ich wundere mich, daß ich heute im Stande bin, wieder die Feder zu ergreifen und meinem Tagebuches einige Zeilen Zuzufügen. Wenn ich nicht mehr im Stande sein werde, die Beschäftigung fortzusetzen welche seit einigen Wochen gewissermaßen meine einzige Gewohnheit geworden ist, was wird dann aus mir werden? Werde ich dann die einzige Schutzwehr meines gesunden Verstandes verloren haben?
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Immer schlimmer wird es mit mir! Ich weis nicht mehr, welches Datum wir heute haben. Eben erst hat man mir es gesagt, aber ich kann es mir nicht merken. Ich weiß nicht einmal, wie viele Tage ich schon bettlägerig bin. Es ist mir, als bräche mein Herz und löste sich von Allem ab. O wenn ich Clara wiedersehen könnte, wenn ich sie nur sprechen hörte!
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Der Arzt und ich weiß nicht was für ein Unbekannter, der mit ihm kam, haben meine Papiere geprüft. Ich versuchte dagegen Einspruch zu thun, aber –
Mein Gott, sterbe ich denn? Sterbe ich in dem Augenblicke, wo Ruhe und Glück wieder für meine Zukunft erwachen?
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Clara, so fern, so fern von ihr! ich besitze Nichts von ihr als das kleine Buchzeichen, Welches sie mir gestickt hat und –
Ich kann mich nicht mehr bewegen, ich vermag kaum»noch zu, athmen oder zu denken»! Wenn ich in diesem Zustande in mein Vaterhaus gebracht werden könnte, wenn mein Vater mich so wiedersähe, wie ich jetzt bin! Wieder bricht die Nacht ein, dieselben Visionen tauchen wieder auf. Sie versetzen meinen Geist stets wieder in die Mitte der Meinigen, zuweilen in das unbekannte Vaterland des Himmels.
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Clara! Ich sterbe noch vor Verzweiflung und Wahnsinn, wenn sie nicht zu mir kommt. O, man bringe ihr die Nachricht vorsichtig und behutsam bei. Man könnte sie tödten.
Ich sehe ihr reines, ruhiges Antlitz. Ihre thränenfeuchten Augen ruhen liebend auf mir – aber ich bemerke einen Glanz, der durch die Thränen hindurch leuchtet. So lange dieser Glanz leuchtet, werde ich leben – aber wenn er zu erlöschen beginnt –
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Schluß in Briefen
Erster Brief
William Penhale, Bergman zu B..... in Cornwallis, an seine Frau in London
Liebe Marie,
Deinen Brief hab’ ich gestern erhalten und mich mehr gefreut als ich sagen kann, zu hören, daß unsere Tochter Susanne in London ein so gutes Unterkommen gefunden hat und daß sie ihre Herrin so sehr liebt. Grüße Deine Schwester und deren Mann, und sage ihnen, daß das Geld, welches zu dieser Reise nöthig gewesen ist, mich durchaus nicht dauert. Unsere arme Susanne ist noch zu jung, als daß wir sie hätten allein reisen lassen können, und was mich betraf, so mußte ich natürlich hier bleiben, um unsere andern Kinder zu versorgen und zu arbeiten, damit wir die für die Reise geliehene Summe bald wieder bezahlen können. deshalb mußtest Du Susannen begleiten und es versteht sich, daß das Wohlergehen unseres Kindes uns weit mehr Werth sein muß als Geld.
Uebrigens, als ich Dich heirathete, um Dich mit mir nach Cornwallis zu nehmen, versprach ich Dir, Dich eine Reise nach London machen zu lassen, damit Du Deine Freunde besuchen könntest, und nun habe ich mein Versprechen gehalten. Ich sage Dir also nochmals, Du brauchst Dir wegen jenes geborgten Geldes keine Sorge zu machen – ich werde die Schuld bald wieder abtragen.
Uebrigens habe ich Dir merkwürdige Dinge mitzutheilen, Marie. Du wirst Dich erinnern, daß vor Deiner Abreise die Arbeit in den Kohlenwerken sehr schlecht ging, so daß ich mir die Sache überlegte und bei mir sagte: »Wäre es nicht vielleicht gut, wenn ich einmal nach T*** ginge, um zu sehen, ob ich vielleicht mit dem Fischfange mehr Glück hätte?« Ich ging demzufolge hin und habe bis jetzt alle Ursache, mit meinem Entschlusse zufrieden zu sein, denn ich mache ganz leidliche Geschäfte. Wie Du siehst, bin ich ein Kerl, der sich in Alles zu schicken weiß, und der Fischfang ist dieses Jahr sehr ergiebig deshalb bleibe ich vor der Hand in T***.
Doch nun komme ich auf meine Neuigkeiten zurück.
Die Frau des Schenkenwirths in diesem Dorfe ist, wie Du Dich erinnern wirst, eine weitläufige Verwandte von mir. Es war am dritten Nachmittage, nach Deiner Abreise, und ich stand an ihrer Hausthür und plauderte mit ihr als wir plötzlich einen uns völlig unbekannten jungen Herrn auf uns zukommen sahen. Er schien sehr bleich zu sein und sah aus wie Einer, der seinen Verstand nicht recht beisammen hat. Er redete uns an und fragte, ob er hier übernachten könne; plötzlich aber sank er wie ohnmächtig nieder und ich mußte noch ein paar Leute zu Hilfe rufen, um ihn die Treppe hinaufzuschaffen. Am andern Morgen hörte ich, daß es noch schlimmer mit ihm geworden sei, und den Tag dar auf hatte sich sein Zustand ebenfalls noch nicht gebessert. Die Wirthin, meine Verwandte, war in keiner kleinen Angst, denn der junge Herr war in höchstem Grade, aufgeregt und sprach in ganz seltsamen Worten mit sich selbst – besonders in der Nacht. Es ist nicht möglich gewesen, ihn zu bewegen, zu sagen, wodurch er in diesen Zustand versetzt worden, oder wer er ist. Wir haben bis jetzt weiter Nichts von ihm erfahren, als daß er von Westen her gekommen ist und unter Fischern gewohnt hat, die sich, wie er sagt, nicht sehr gut gegen ihn benommen haben, was ihnen durchaus nicht zur Ehre gereicht. Ich wollte wetten, daß dieser arme kranke junge Mann ihnen nichts Uebles zugefügt hat.
Das Ende vom Lied war, daß ich selbst den Arzt holte. Als wir in sein Zimmer kamen, fanden wir ihn ganz bleich und zitternd, und er sah uns so schüchtern und furchtsam an, als ob er uns für Mörder hielte. Der Doctor gab seinem Uebel einen Namen, den ich mir nicht habe merken können, äußerte aber dabei, das Gemüth des Kranken sei leidender als sein Körper, und er habe höchstwahrscheinlich einen Schrecken gehabt, der alle seine Nerven erschüttert habe. Das einzige Mitte! zu seiner Wiederherstellung wäre, wie der Doctor meint, die sorgfältige Pflege und Abwartung von Freunden und Verwandten, und der Kranke sagt auch selbst, daß er nicht eher ruhig werden könne als bis er sich unter Bekannten sähe, denn die ihn hier umgebenden fremden Gesichter, steigerten sein Mißbefinden nur noch mehr.
Er schien sich, wie Du Dir denken kannst, sehr nach Hause zu sehnen. Der Doktor fragte ihn, wo seine Bekannten wohnten, aber er wollte es nicht sagen und in den letztvergangenen Tagen ist er noch kränker geworden, so daß er gar nicht verständlich mit uns sprechen kann.
Gestern Abend jagte er uns Allen einen großen Schrecken ein. Der Doctor, welcher hörte, daß ich unten wäre, rief mich hinauf und ersuchte mich, den Kranken zu stützen, während man ihm das Bett machte. Sobald er auf die Füße trat – ich bin überzeugt, daß ich ihn so behutsam als möglich anrührte – ward er ohnmächtig und ich glaubte anfangs, er sei todt. Als wir ihn wieder auf das Bett legten, ging ein kleiner Gegenstand von Pappe, hübsch mit Perlen und Seide gestickt, von der Schnur los, mittelst welcher er an seinem Halse hing, und fiel auf die Diele. Ich hob das Ding auf, denn ich gedachte der Zeit, Marie, wo wir Brautleute waren und wo der geringste Gegenstand, der Dir gehörte, mir lieber war als Geld. Ich hob daher das Dingelchen sorgfältig, auf, weil ich glaubte, es sei ohne Zweifel ein Andenken von seiner Geliebten. Und in der That, als ich es ihm zurückgab, hing er es mit seinen kleinen zarten Händen sofort wieder um den Hals und sah mich mit dankbarem Blicke an, als ich es ihm wieder an die Schnur befestigen half.
Gerade als ich damit fertig war, winkte mir der Doktor, daß ich zu ihm an das andere Ende des Zimmers kommen sollte.
»Wenn das so fortgeht,« sagte er leise zu mir, »so verliert der Kranke den Verstand, wo nicht das Leben. Ich muß in seinen Papieren nachsehen, wer seine Freunde sind, und Ihr müßt dabei Zeuge sein.«
Mit diesen Worten öffnete der Doctor den kleinen Koffer des unbekannten jungen Mannes und nahm ein viereckiges versiegeltes Packet und dann zwei oder drei zusammengeheftete Briefe heraus.
Der arme Kranke sah uns mittlerweile zu, als ob er große Lust hätte, uns in dieser Beschäftigung zu unterbrechen. Der Arzt sagte hierauf, er glaube nicht, daß es nöthig sei, das versiegelte Packet zu öffnen, denn die Adresse sei auf allen Briefen dieselbe und entspreche den in die Wäsche eingezeichneten Anfangsbuchstaben.
»Nun,« sagte der Doctor, »weiß ich auch den Ort, wo er wohnt oder vielmehr wo er gewohnt hat, und dorthin werde ich daher zunächst schreiben.«
»Wollen Sie, daß meine Frau den Brief besorge?« sagte ich zu ihm; »sie ist jetzt in London bei unserer Tochter Susanne, und wenn die Freunde des jungen Mannes nicht mehr an dem Orte sein sollten, wohin Sie schreiben, so wird sie weitere Erkundigungen einziehen.«
»Das ist ein guter Gedanke, Penhale,« sagte der Doctor, »so wollen wir es machen. Schreibt an Eure Frau und legt meinen Brief in den Eurigen.«
Ich that wie er mir sagte, und sein Brief liegt hier mit der Angabe des Hauses und der Straße.
Nun aber; liebe Marie verliere keine Zeit, um zu sehen, ob Du etwas entdecken kannst. Die Adresse, welche der Doctor auf seinen Brief geschrieben, ist vielleicht die der Wohnung des jungen Mannes, oder Du findest in diesem Hause wahrscheinlich Leute, die Dir eine andere Adresse geben werden. Gehe sogleich hin und thue uns dann zu wissen, welchen Erfolg Deine Bemühungen gehabt haben denn es gilt, keine Zeit zu verlieren, und wenn Du diesen jungen Herrn sähest, so würde er Dir, eben so wie uns, das innigste Mitleid einflößen.
Mein Brief ist so lang geworden daß das Papier alle ist. Gott nehme Dich und unsere gute Susanne in seinen Schutz. Ich bin wie immer
Dein Dich liebender Gatte
William Penhale.
Zweiter Brief
Marie Penhale an ihren Gatten
Lieber William,
Susanne läßt Dich und ihre Geschwister tausend Mal grüßen. Sie hat wirklich hier ein sehr gutes Unterkommen gefunden und ihre Herrin ist sehr freundlich gegen sie. Meine Schwester Martha und deren Mann lassen Dich ebenfalls grüßen. Und nun, nachdem ich mich dieser Aufträge entledigt, will ich Dir einige gute Nachrichten für den armen jungen Herren geben, der so krank in T*** liegt.
Gleich nachdem ich bei Susannen gewesen und ihr Deinen Brief vorgelesen, begab ich mich in das Haus, dessen Adresse der Doctor auf seinen Brief geschrieben. Ach, was war das für ein vornehmes Hau! Ich getraute, mir erst kaum die Klingel zu ziehen. Endlich jedoch faßte ich Muth und sofort öffnete mir ein großer dicker Herr mit weißgepudertem Haar die Thür.
»Ich wollte fragen,« sagte ich, indem ich auf dem Briefe des Doktors stehenden stehenden Namen zeigte, »ob Freunde dieses Herrn hier wohnen.«
»Das will ich meinen!« sagte er. »Sein Vater und seine Tochter wohnen hier. Was wollt Ihr von ihnen?«
»Ich möchte sie diesen Brief lesen lassen,« antwortete ich. »Sie werden daraus erfahren, daß der junge Herr in unserer Gegend sehr gefährlich krank liegt.«
»Meinen Herrn könnt Ihr nicht sprechen« antwortete der gepuderte dicke Mann, »denn er ist so unwohl, daß er das Bett hütet, und mit Miß Clara geht es auch nicht besser. Ihr werdet daher wohl thun, wenn Ihr mir den Brief dalaßt.«
Während er dies sagte, schritt eine ziemlich bejahrte Dame – später habe ich erfahren, daß es die Haushälterin war – durch die Hausflur und fragte mich, was ich wolle. Nachdem sie mich angehört, verrieth ihre Miene plötzlich große Aufregung.
»Komm mit, liebe Frau,« sagte sie zu mir. »Ihr werdet Miß Clara mehr nützen als alle Aerzte zusammengenommen thun könnten. Aber es muß ihr dies Alles mit großer Vorsicht beigebracht werden und ehe sie den Brief sieht, denn ihre Gesundheit ist eine höchst schwache.«
Wir gingen die Treppe hinauf, die mit einem so schönen Teppiche belegt war, daß ich mir kaum getraute, mit meinen schmutzigen Schuhen darauf zu treten. Die Haushälterin öffnete eine Thür sprach einige Worte hinein, die ich nicht verstehen konnte, und ließ mich dann in das Zimmer treten, in welchem sich die junge Dame befand.
O William! ihr Gesicht war das sanfteste und freundlichste welches ich je in meinem Leben gesehen. Dabei aber war sie so bleich, und es lag ein so trauriger Blick in ihren Augen, als sie mich ersuchte, Platz zu nehmen, daß es mir ganz weich ums Herz ward, als ich an die Nachrichten dachte, die ich ihr brachte. Ich konnte anfangs gar nicht reden und ohne Zweifel wird sie gedacht haben, daß irgend Etwas mich verlegen mache, denn sie faßte mich bei der Hand und bat mich, nicht eher zu sprechen, als bis ich mich erholt und gefaßt haben würde. Dies sagte sie aber in so freundlichem Tone und sah mich dabei auf eine Weise an, daß ich einfältiges Weib anfing zu weinen, anstatt ihr zu antworten, wie ich doch hätte thun sollen.
Dies war aber dennoch wohlthätig für mich und ich konnte ihr erzählen, wie es mit ihrem Bruder ginge, ehe ich ihr den Brief des Doctors übergab. Sie öffnete ihn nicht, sondern blieb steif und unbeweglich wie eine steinerne Bildsäule vor mir stehen, und es war, als könne sie weder weinen noch sprechen noch sich rühren. Ich erschrak so sehr, sie in einem so beunruhigenden Zustande zu sehen, daß ich ganz vergaß, in was für einem vornehmen Hause ich mich befand und was für eine vornehme Person ich hier vor mir hatte. Ich faßte sie daher ohne Weiteres in die Arme, um sie neben mich auf das Sopha zu sehen, gerade so wie ich mit unserer Susanne zu thun pflegte, wenn sie bekümmert war und ich sie trösten wollte. Es gelang mir auch, sie ein wenig wieder zu beruhigen, und sie legte ihr schönes Haupt auf meine Schulter und dann fing sie an zu weinen. Dadurch ward ihr Herz erleichtert und sie stammelte nun ein Dankgebet zu Gott, daß ihr Bruder wieder gefunden worden und daß gute Menschen sich seiner angenommen.
Sie hatte nicht den Muth, den Brief des Arztes selbst zulesen, und ich las ihr ihn daher vor. Der Doctor sprach darin über die Gesundheit des jungen Herrn gerade nicht auf sehr beruhigende Weise, sagte aber, wenn man ihm sorgfältige Pflege angedeihen ließe und ihn wieder in befreundete Umgebung brächte, so würde dies sehr viel thun.
Hierauf fragte sie mich, wann ich die Rückreise nach Cornwallis anträte und ich antwortete: »So bald als möglich« – denn es ist auch wirklich die höchste Zeit, daß ich wieder nach Hause komme, William. »Wartet,« sagte hierauf die junge Dame Zu mir, »wartet, bis ich diesen Brief meinem Vater gezeigt habe.«
Und damit eilte sie aus dem Zimmer. Nach einigen Minuten kam sie mit ganz verklärtem Gesichte wieder. Sie war mit einem Male. wie umgewandelt und sagte, ich hätte durch das Ueberbringen dieses Briefes die Familie so glücklich gemacht, daß sie mir nie genug dafür danken könne. Es dauerte nicht lange, so trat hinter ihrein Herr ins Zimmer – ihr älterer Bruder, wie sie mir sagte, und liebenswürdigste Herr, den ich jemals gesehen. Er drückte mir die Hand wie einer alten Bekannten, und sagte, sei die erste Person, die einer Familie dadurch Wohlthaten erzeigt, daß sie ihr schlimme Nachrichten überbracht. Hierauf fragte er mich, ob, ich bereit wäre, den nächsten Morgen früh mit ihm, der jungen Dame und einem ihm befreundeten Arzte nach Cornwallis zurückzureisen Ich hatte mir ohnedies schon vorgenommen, heute von unserer guten Susanne Abschied zu nehmen, und antwortete daher: »Ja.« – Die guten Leute ließen mich nicht eher fort, als bis sie mir Etwas zu essen und zu trinken vorgesetzt, und die gute junge Dame ließ sich von Susannen erzählen und in welchem Hause sie diene, und that dann allerhand Fragen über Dich, unsere Kinder, gerade so, wie man sich nach Freunden und Nachbarn erkundigt. Das arme gute Herz! Sie sagte, daß sie den morgenden Tag kaum erwarten könne!
Endlich ließ man mich fort und ich ging wieder zu Susannen, um noch so lange als möglich bei ihr zu bleiben, ehe ich Abschied von ihr nähme. Sie ertrug die Trennung jedoch ganz muthig und standhaft, der Himmel nehme sie in seinen Schutz, und ich bin überzeugt, daß; er es thun wird, denn nie hat eine Mutter eine bessere Tochter gehabt.
Mein lieber William, ich fürchte, daß dieser Brief sehr schlecht geschrieben ist, aber die Thränen stehen mir in den Augen, wenn ich an Susannen denke, und ich fühle mich von Allem, was ich gesehen habe, so aufgeregt und ermüdet! Morgen früh werden wir in einem Wagen abreisen, den wir auch auf der Eisenbahn mitnehmen. Ihr werdet große Augen machen, wenn Ihr mich mit so vornehmen Leuten in einer so schönen Equipage kommen seht. Wahrscheinlich geschieht dies gleich nach meinem Briefe; aber ich wollte doch nicht unterlassen, an Dich zu schreiben, damit Du dem armen jungen Herrn die guten Nachrichten, die ich Dir melde, zuvor mittheilen kannst. Ich glaube, er wird gleich um Vieles besser werden, sobald er nur hört, daß sein Bruder und seine Schwester ihn abholen wollen, um ihn wieder in das Vaterhaus zurückzuführen. Ich kann Dir Nichts weiter schreiben, lieber William Ich bin zu müde. Ich sage Dir bloß, daß ich mich sehr freue, Dich und die Kinder wiederzusehen.
Deine Dich liebende
Marie Penhale.
Dritter Brief
Der Verfasser der vorstehenden Selbstbiographie an
Mr. J. Bernard
(Das Datum dieses Briefes ist beinahe neun Jahr älter
als das der beiden ersten Briefe.)
Lanzeath Cottage, den. –.
Lieber Freund,
Wenn ich Ihrem letzten Briefe glauben darf, so zweifeln Sie, daß ich mich noch der Umstände erinnere, unter welchen ich Ihnen vor länger als acht Jahren ein gewisses Versprechen gegeben. Sie irren sich aber, denn keiner jener Umstände ist meinem Gedächtnisse entfallen. Um Sie davon zu überzeugen, will ich sie Ihnen kurz recapituliren und Sie werden daraus ersehen, daß ich Nichts vergessen habe.
Nach meiner Rückkehr aus Cornwallis – könnte ich wohl jemals den Augenblick vergessen, wo ich Clara und Ralph an mein Bett treten sah! – als die schwere Nervenkrankheit, an welcher ich so lange gelitten, der liebreichen durch Ihren Eifer und Ihre Geschicklichkeit unterstüzten sorgsamen Pflege meiner Familie, gewichen war, war einer meiner lebhaftesten Wünsche, Ihnen die ganze Dankbarkeit, mit welcher ich die vortrefflichen Freundschaftsdienste, die Sie mir geleistet, würdige, dadurch zu beweisen, daß ich in Sie dasselbe Vertrauen setze, welches ich, den theuersten und nächsten Verwandten schenken würde. Von dem Augenblicke an, wo wir uns in dem Hospitale kennen lernten, habe ich bei den so schweren physischen und moralischen Anfechtungen, denen ich unterworfen gewesen, stets auf Ihre Hingebung rechnen können, und durch Sie Beweise von dem, Zartgefühle und der persönlichen Selbstverleugnung eines ächten Freundes erhalten.
Ich glaubte, ich sei Ihnen vor allen Dingen schuldig, Ihnen mitzutheilen, durch welche Verhältnisse ich in die Situation versetzt worden, in welcher Sie mich fanden, als Sie meinen Bruder und meine Schwester nach Cornwallis begleiteten. deshalb habe ich als ein theures Vermächtniß und als einen Ihnen allein gegebenen Beweis von Vertrauen die Erzählung, die ich über meinen Fehltritt und dessen furchtbare Folgen niedergeschrieben, in Ihre Hände gelegt. Ich wäre damals nicht im Stande gewesen, Ihnen mündlich zu erzählen, was mir begegnet ist, und selbst nach diesem Zwischenraume von mehreren Jahren wäre die Aufgabe noch eine zu schwere für mich.
Nachdem Sie diese Geschichte der der verhängnisvollsten Epoche meines Lebens gelesen, haben Sie mich bei der Rückgabe des Manuscripts dringend aufgefordert, die die Veröffentlichung desselben noch bei meinen Lebzeiten zu gestatten. Ich habe die Richtigkeit der Beweggründe gewürdigt, welche Sie veranlaßt haben, mir diesen Rath zu geben. Ich habe zugegeben, daß Veränderung der Namen, der Oertlichkeiten und der Daten, uns gegen die Gefahr der Entdeckung der Persönlichkeit einer Person dieser Geschichte schützen würde; gleichzeitig aber habe ich Ihnen auch gesagt, daß ein anderes Hinderniß, welches seinen Grund in einer sehr natürlichen Rücksicht hatte, mich verhinderte, Ihrem Rathe zu folgen.
So lange mein, Vater lebte, konnte ich ein Manuscript, in welchem er als sich auf die feindseligste Weise von seinem Sohne trennend geschildert ist, nicht der Oeffentlichkeit preisgeben. Wir trugen selbst in unserem engeren Zirkel Bedenken, wieder von diesen traurigen Ereignissen, zu sprechen, und wären sie in, der Gestalt einer gedruckten Erzählung einmal dem Bereiche der Oeffentlichkeit anheimgefallen, so hätte ein schlimmer Zufall die Augen und die Erinnerung meines Vaters auf' Neue dadurch betrüben können.
Sie ließen diesen meinen Gegengründen Gerechtigkeit widerfahren und versprachen mir; im Falle ich vor meinem Vater sterben sollte, dieses Manuscript nicht zu veröffentlichen, so lange er lebe.
Indem Sie auf diese Bedingungen eingingen, stellten Sie zugleich mir ebenfalls eine, nämlich die, daß, wenn ich meinen Vater überlebte, ich dann, weil das von mir geltend gemachte Hinderniß beseitigt sei, Ihren Wunsch erfüllen sollte. Dies versprach ich und dies waren die Umstände, unter welchen ich Ihnen dieses Versprechen gab.
Ich glaube, mein Gedächtniß wird Ihnen treuer erscheinen als Sie glaubten.
Mit Ihrem gewohnten Zartgefühle haben Sie seit dem Tode meines Vaters sechs Monate verstreichen lassen, ehe Sie mich daran erinnert haben. Und Sie haben wohl daran gethan. Ich habe Zeit gehabt, zu fühlen, wie tröstlich es für mich sei, mich zu erinnern, daß ich im Laufe dieser letzten Jahre meinem Vater das Leben versüßt unangenehm gemacht habe. Ich habe die Gewißheit, daß nur der Lauf der Natur seinen Tod herbeigeführt und daß ich ihm niemals Anlaß gegeben habe, die vollständige und vertrauensvolle Versöhnung zu bereuen, welche gleich nach unserer ersten freien Unterredung bei meiner Rückkehr in meine Familie stattfand.
Noch aber habe ich nicht Ihre Frage beantwortet, welche dahin lautet, ob ich jetzt geneigt sei, die Veröffentlichung meiner Erzählung unter der Bedingung zu gestatten, daß alle Namen und Orte, welche darin erwähnt werden, verborgen bleiben und daß nur Sie nebst Ralph und Clara in mir den Verfasser meiner eigenen Geschichte kennen.
Ich antworte Ihnen hierauf, daß ich damit einverstanden bin. Binnen einigen Tagen wird eine sichere Hand Ihnen dieses Manuscript wieder zustellen. Mein Bruder und meine Schwester haben gegen die Veröffentlichung Nichts zu erinnern, sobald sie unter den eben angedeuteten Vorbehalten erfolgt, und ich zögere daher nicht länger, von der mir gegebenen Erlaubniß Gebrauch zu machen. Ich habe den leichtsinnigen Charakter meines Bruders Ralph nicht beschönigt, aber die brüderliche Herzensgüte und die männliche Großmut, welche diesen Leichtsinn doppelt aufwiegt, werden, hoffe ich, in meiner Erzählung eben so zu Tage treten wie in der Wirklichkeit.
Was Clara, meine geliebte Schwester, betrifft, so habe ich nur das Bedauern auszusprechen, daß es mir höchstwahrscheinlich nicht gelungen ist, ihren herrlichen Charakter so zu schildern, wie er es verdient.
Dennoch aber bleibt noch Eine Schwierigkeit.
Welchen Schluß werden wir den Blättern geben, die ich im Begriffe stehe, Ihnen zu schicken? Im Vergleiche mit gewöhnlichen Romanen hat meine Geschichte gar keinen wirklichen Schluß, wenn man nicht als einen solchen die Ruhe betrachten will, welche auf die Leiden gefolgt ist, die wir Jeder zu ertragen gehabt haben. Für mich ist es eine Ruhe im Leben gewesen, für Andere die Ruhe im Grabe, die einzige, welche so vielen Menschen beschieden ist. Es ist eine ruhige, natürliche, allerdings sehr einfache Lösung, die aber dennoch vielleicht nicht ohne Lehre und Werth ist.
Wäre es wohl gerathen, daß ich bloß, um Effekt zu erzielen, einen erdichteten Schluß machte und durch die Phantasie beendete, was von Anfang an bis jetzt nur Wahrheit gewesen ist? Ganz gewiß nicht, denn auf diese Weise würde dem Interesse der Kunst eben so wenig gedient sein als dem der Wahrheit.
Alles, was ich nach den letzten Zeilen, die ich meinem Tagebuche hinzugefügt, noch zu erzählen hätte, ist auf die einfachste, wahrste und folglich beste Weise in den Briefen von William und Marie Penhale ausgedrückt, die ich Ihnen mit meinem Manuscripte zusendete. Als ich wieder nach Cornwallis kam, um den guten Bergmann und seine Frau zu besuchen und ihnen mündlich meinen Dank für ihre so vortreffliche Handlungsweise gegen mich zu erkennen zu geben, entdeckte ich, indem ich allerhand Fragen in Bezug auf die Vergangenheit an sie that; daß sie noch die Briefe besaßen, welche sie während meiner Krankheit in T*** meinetwegen an einander geschrieben. Ich bat sie um die Erlaubniß, eine Abschrift von diesen beiden Documenten zu nehmen, die besser als das, was ich selbst hinzufügen könnte, eine Lücke in meiner Geschichte ausfüllen werden.
Diese wackern Leute waren damit einverstanden und fühlten sich stolz, mir zu beweisen, daß sie nach wie vor ihrer Verheirathung ihre ganze Correspondenz gewissenhaft aufbewahrt hatten, zum Zeugnis, daß ihre gegenseitige Liebe unverändert geblieben. Dennoch bestanden sie mit rührender Einfachheit darauf, daß ich ihre schlichte Ausdrucksweise ein wenig glätten und polieren möchte, damit diese Briefe sich besser läsen, wie sie meinten.
Sie werden aber ganz wie ich der Ansicht sein, daß meine Idee die bessere war und daß die beiden Briefe so buchstäblich gedruckt werden müssen, wie sie von meiner Hand abgeschrieben worden. Die Sprache der Herzensgüte besitzt eine Beredsamkeit, welche die Kunst zuweilen nachahmen, aber nicht verbessern kann. Nun, nachdem ich auf diese Weise für die Fortsetzung meiner Geschichte bis zur Rückkehr in mein väterliches Haus gesorgt, habe ich nur einige Worte in Bezug auf die Art und Weise hinzuzufügen, wie das Manuscript druckfertig gemacht werden soll.
Selbst gegenwärtig kann ich es nicht über mich gewinnen, es nochmals durchzulesen, und ich überlasse daher Andern die Sorge, die nothwendigen Verbesserungen zu bewirken, jedoch unter Einer Bedingung, nämlich der, daß in den Stellen, wo ich ein Ereigniß erzählt oder einen Charakter beschrieben, Nichts geändert werden darf, weder um sie auszuschmücken, noch um Etwas darin zu streichen.
Ich weiß recht wohl, daß gewisse Leser geneigt sind, sogar die Wahrheit für unwahrscheinlich zu halten, so lange sie nicht das Zeugniß der persönlichen Erfahrung für sich hat, und eben aus diesem Grunde bleibe ich fest bei meinem Entschlusse, Nichts weiter hinzuzufügen. Alles, was ich geschrieben habe, ist die Wahrheit und muß so bleiben. An meinem Styhle mögen Sie alle Verbesserungen vornehmen, die Sie für angemessen erachten mögen, die Charaktere und Ereignisse aber müssen so bleiben wie sie sind.
Was die noch lebenden Personen meiner Geschichte betrifft, so habe ich über sie sehr wenig zu, sagen, was die Mehrzahl der Leser interessieren könnte.
Der Mann, den ich unter dem Namen Sherwin vorgeführt, lebt, glaube ich, noch und wohnt in Frankreich, wohin er sich kurz nach den in meiner Geschichte erwähnten letzten Ereignissen zurückgezogen hat. Sein Geschäftsführer hatte in seinem Geschäfte ein neues System eingeführt, welches er, nachdem er diesen verloren, dennoch auf eigne Faust und auf demselben Fuße fortführen wollte. Dies war sein Verderben. Seine Geschäfte geriethen in Unordnung und Verwirrung, eine Handelskrisis kam dazu, welcher er nicht gewachsen war, und er erklärte sich insolvent, nachdem er trotz des Schiffbruches seines Vermögens aus unredliche Weise so viel beiseite gebracht, daß er die Mittel zu seinem ferneren Lebensunterhalte hatte. Vor einigen Jahren hörte ich von ihm als von einem Manne sprechen, der, wie er den englischen Bewohnern der Stadt, die er zu seinem Aufenthalte gewählt, erzählt hat, unverdienter Weise von schweren häuslichen Unfällen betroffen worden ist und seinen Kummer mit exemplarischer Frömmigkeit und Ergebung zu tragen weiß.
Was die andern Personen betrifft, an welche meine Geschichte erinnert und die jetzt nicht mehr sind, so kann und mag ich nicht mehr davon sprechen. Ich kann nicht, ohne vor Entsetzen zu schaudern, an jenen Theil der düsteren Vergangenheit denken, wo ihr Leben sich mit den meinigen verflocht.
Zwei Namen giebt es, welche meine Lippen seit Jahren nicht ausgesprochen haben und auch bis an das Ende meiner Tage nicht wieder aussprechen werden. Die Nacht des Todes hat sich über sie herabgesenkt und wie könnte ich wagen, diesen Vorhang wieder lüften zu wollen!
Was meine Zukunft betrifft, so ruhet sie noch in Ungewißheit und meine Gedanken weilen daher bei der Gegenwart mit einer Zufriedenheit, welche keine Veränderung begehrt. Seit fünf Monaten haben Clara und ich unsern Wohnsitz auf dem kleinen Landgute genommen welches früher Eigenthum ihrer Mutter war und jetzt ihr gehört. Schon lange vor dem Tode unseres Vaters sprachen wir schon unter uns von den schönen Tagen, welche wir hier zu verleben wünschten, wie wir sie jetzt verleben. Dann und wann verlassen wir allerdings Lanzeath Cottage, kehren aber immer bald wie in unsere wahre Heimath hierher zurück.
Die Jahre der Zurückgezogenheit welche ich nach meiner Wiederherstellung in unserm alten Familienschlosse zugebracht, haben in mir nicht einmal den Wunsch erweckt, wieder in der Welt zu erscheinen.
Ralph der jetzt das Haupt unserer Familie ist, der sich durch das Bewußtsein seiner neuen Pflichten zur Höhe seiner neuen Stellung erhoben hat, Ralph, der schon viele Gewohnheiten abgelegt, welches früher wesentliche Schattenseiten von ihm waren, hat mir geschrieben, daß er alle Hilfsquellen, die ihm jetzt zu Gebote stehen, benutzen würde, wenn ich mich entschließen wollte, mich dem öffentlichen Leben zu widmen.
Diese Absicht aber liegt mir noch fern. Jetzt will ich noch in Dunkel, in Frieden und Zurückgezogenheit leben. Ich habe zu viel gelitten, ich bin zu grausam verwundet worden, als daß ich darnach trachten könnte, einen Plan unter den Helden des Ehrgeizes einzunehmen und mir durch Kampf einen Weg zu bahnen. Mögen Andere muthig den steilen Pfad der Thätigkeit erklimmen, für mich birgt das schattige Thal der Ruhe künftige Hoffnungen und gegenwärtiges Glück.