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Kitabı oku: «In der Dämmerstunde», sayfa 13

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Zweites Kapitel

Der Fischer tropfte vom Kopfe bis zu den Füßen, er war ganz durchnässt; sein Gesicht war bleich und ausdruckslos und die Gefahren der Nacht mussten ihm nicht viel Angst verursacht haben.

Er hatte seinen Sohn, den kleinen Pierre, in seinen Armen.

Perrine stieß einen Schrei aus, als sie ihn erblickte.

»Seht uns nur an,« begann der Fischer, und legte seine Bürde vor dem Herd nieder. »Ihr hättet uns nie wiedergesehen, denn wir hielten uns schon selbst für verloren; aber es rettete uns ein Wunder.«

Dann nahm er eine Flasche aus der Tasche und sagte:

»Hätte ich nur ein wenig Branntwein!«

Er stellte die Flasche neben sich und ging dann an das Bett des Vaters.

Perrine sah ihm nach und wunderte sich darüber, wie ernst Gabriel auf seinen Vater blickte. Er zog sich Iangsam von ihm zurück bis an die Wand der Hütte, – aber er sprach kein Wort zu dem Angekommenen.

Francois achtete nicht auf seinen Sohn; er legte seine Hand auf das Deckbett.

»Ist hier Etwas geschehen?« fragte er.

Gabriel vermochte nicht zu antworten;

Perrine sah es und sie sagte: »Der arme Gabriel ist so erschrocken, weil der Großvater stirbt.« —

»Todt!« rief Francois, ohne dass seine Stimme Trauer verriet. »Wie verlebte er denn die Nacht? Phantasierte er, wie Schwerkranke dies zu tun pflegen?«

»Er war sehr bewegt und sprach von Geistererscheinungen und anderen wunderlichen Dingen. Gabriel! Gabriels sieh nur, der Großvater lebt!« rief Perrine.

In diesem Moment richtete sich der Blick des Sterbenden auf Francois; die welken Lippen zitterten, als ob sie sprechen wollten. Francois trat entsetzt von dem Bette fort.

Gabriel sprang schnell herbei, nahm die Flasche von dem Tische und goss die letzten Tropfen in den geöffneten Mund des Sterbenden.

Die Augen des Greises öffneten sich wieder und blieben auf Francois haften, der bei dem Kamin stand. Gabriel wurde von Schreck ergriffen und er flüsterte Perrine schnell zu:

»Geh’ in das andere Zimmer und nimm die Kinder mit. Wir haben vielleicht noch Etwas zu sprechen, was Du nicht hören sollst.«

»Den Großvater friert.« begann Francois, »fasse an das Bett an, wir wollen es näher an das Feuer tragen.«

»Nein, nein! Berühre mich nicht,« rief der Alte. »Gabriel! Lass ihn mir nicht nahe kommen! Ist es sein Geist, oder ist es er selbst?«

Als Gabriel antworten wollte, ging die Tür auf und es kamen die Nachbarsleute herein und fragten neugierig, nicht etwa teilnahmsvoll, denn Francois war ja nicht beliebt, wie er sich mit seinem Sohne Pierre gerettet habe. Der Fischer stellte sich in die Tür seiner Hütte und antwortete kurz auf die verschiedenen Fragen.

Während er beschäftigt war, sagte der Großvater zu Gabriel:

»Mein Enkel, was habe ich Dir diese Nacht erzählt? Sagte ich, Dein Vater sei ertrunken? Ja, ja! Da steht er nun, und ich sagte Dir die Unwahrheit. Ach, ich armer, alter Mann bin so schwach in meinem Kopfe! Ich sagte doch weiter nichts Schreckliches, Gabriel? Ich sprach doch nicht von Verbrechen? Nicht von Blutschuld? Ich weiß nichts von solchen Dingen! Der Kaufmannstisch ist nichts als ein alter, schwerer Stein. Ich war durch den Sturm so erschreckt. Jetzt ist mein Kopf wieder leichter geworden. Lache über den Unsinn, den der Großvater Dir mitteilte, Gabriel! Höre nur, ich lache auch! Mir ist so hell und klar im Kopfe.«

Er hielt plötzlich mit dem Sprechen ein.

Sein Gesicht wurde noch fahler, er röchelte einige Mal, dann wurde er still. Der alte Mann war mit einer Lüge auf den Lippen gestorben.

Gabriel sah, dass sein Vater sich an die Tür der Hütte lehnte; wie lange er schon so da gestanden haben mochte, ob er die letzten Worte des Greises vernommen hatte, wusste er nicht; er sah nur, dass sein Vater ihn mit sonderbaren Blicken ansah, und er schauderte.

»Was sagte Dir der Großvater in dieser Nacht? fragte er den Sohn.

Gabriel antwortete nicht. Sein Geist schien durch die erlebten Schrecken vernichtet zu sein, er schien ohnmächtig werden zu wollen.

»Ist Deine Zunge verwundet wie Dein Arm?« fragte sein Vater mit Bitterkeit. »Ich komme hier zurück, durch ein Wunder von dem Tode errettet, und Du sprichst nicht ein Wort zu mir. Wolltest Du, dass ich statt des alten Mannes gestorben wäre?«

Er durchschritt das Zimmer und blieb wieder mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt stehen und sagte:

»Keiner von uns wird eher den Platz verlassen, bis ich weiß, was Du in dieser Nacht hörtest! Du weißt, dass ich jetzt zu dem Priester gehen muss, um ihm des Großvaters Tod anzuzeigen. Wenn ich diese Pflicht nun nicht erfülle, so wirst Du die Schuld daran tragen. Sprich, Dummkopf! oder Du sollst es in der Stunde Deines Absterbens bereuen! Sprich, was erzählte der Großvater in Geistesabwesenheit?«

»Er sprach von dem Verbrechen eines Andern!« erwiderte Gabriel langsam und ernst. »Diesen Morgen leugnete er, was er in der Nacht gesprochen; aber in der Nacht sprach er die Wahrheit!«

»Die Wahrheit?« wiederholte Francois. »Was, die Wahrheit?«

Er schwieg und seine Augen fielen auf den Toten, und es entstand eine unangenehme Stille in dem Zimmer. Francois betrachtete seinen Sohn wiederholt.

In wenigen Minuten veränderte er seine Stimme und sagte:

»Der Himmel vergib es mir; aber ich könnte in diesem Augenblick mich fast selbst auslachen, dass ich wie ein Narr handelte. Er leugnete seine Aussage? Der arme, alte Mann! Ja, manchmal kommt der Verstand kurz vor dem Tode wieder, ihm ging es auch so. Ich erlebte gerade solche Wunderdinge wie Du, Gabriel, in dieser Nacht. Wo ist Perrine? Warum hast Du sie fortgeschickt? Komm herein, Perrine, fürchte Dich nicht! Früher oder später müssen wir uns Alle mit dem Tode bekannt machen. Gib her die Hand, Gabriel, denken wir nicht mehr an die Vergangenheit! Du willst nicht? Du bist noch ärgerlich darüber, was ich Dir eben sagte? Doch Du wirst anders denken, wenn ich nun zurückkehre.« Mit diesen Worten ging Francois hinaus.

»Wohin gehst Du?« fragte Gabriel seinen Vater.

»Ich gehe zu dem Priester und zeige ihm an, dass eines seiner Pfarrkinder gestorben ist. Das ist meine Pflicht und ich vollziehe sie nun zunächst.«

Gabriel sah, wie sein Vater sich entfernte und wurde sehr traurig und still. Es tauchten Zweifel an der Wahrheit der Aussage des Sterbenden in ihm auf.

Er befand sich in einem bejammernswerten Zustande. Aber es gab ja einen Ausweg, die Wahrheit zu ergründen. Er wollte ihn gleich benutzen, wollte während der Abwesenheit seines Vaters zu dem »Kaufmannstisch« gehen und die bezeichnete Stelle untersuchen. —

Er rief Perrine zu, dass sie den Toten bewachen möge, er würde gleich zurückkehren; ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er davon.

Von der Fischerhütte aus führten zwei Wege zu dem »Kaufmannstisch«, der eine führte durch die Heide, der andere an den Klippen entlang. Der erstere führte aber auch zu dem Dorfe und zur Kirche, und da er seinem Vater nicht begegnen wollte, wählte er den Weg längs der Klippen an der Küste. Gabriel erblickte in einiger Entfernung vor sich plötzlich einen Mann, der der Küste den Rücken zukehrte.

Der Mann war nicht nahe genug, um erkennen zu lassen, ob es Francois Sarzeau sei. Wer es aber auch sein mochte, man sah, er war ungewiss, welchen Weg er nehmen sollte. Ging er weiter, so kam er zu dem »Kaufmannstisch«, ging er rückwärts, so gelangte er zu der Kirche. Endlich entschloss sich der Mann, den Weg zur Kirche einzuschlagen.

Gabriel verließ nun seinen Beobachtungsposten zwischen den Steinen und setzte seinen Weg fort.

War dieser Mann wirklich sein Vater gewesen? – Warum zögerte aber Francois den Weg einzuschlagen, wohin ihn die Pflicht rief? Wollte Sarzeau vielleicht auch den Stein heben und das Andenken an die schreckliche Tat aus dem Wege bringen?

Unter diesen Gedanken erreichte Gabriel den alten Druidenstein, ohne einem Menschen weiter zu begegnen.

Die Sonne ging auf und die mächtigen Sturmwolken von der Nacht segelten noch immer wild an dem Horizont hin. Die Wogen tobten aber nicht mehr, sondern das Wasser glänzte wie ein glatter Spiegel. Alles in der Natur bereitete sich für einen angenehmen Tag vor.

Gabriel schauderte vor dem Gedanken, dass er jetzt eine so entsetzliche Nachforschung anstellen wollte; aber er fühlte auch gleichzeitig, dass es notwendig sei, sich von dem Zweifel zu befreien.

Der »Kaufmannstisch« bestand aus zwei riesigen Steinen, welche auf drei andern Steinen lagen, Zu jener Zeit wussten die Reisenden, welche durch die Bretagne kamen, noch nichts davon, dass diese Steinhaufen Druiden-Denkmäler seien, heute sind dieselben viel besucht, damals beachtete man sie kaum und Unkraut und Brombeeren umrankten dieselben.

Gabriels erster Blick auf den »Kaufmannstisch« belehrte ihn, dass derselbe seit Jahren nicht betreten sei; er bahnte sich jedoch entschlossen einen Pfad durch die dornigen Zweige und kniete nieder, die hohle Stelle unter den Steinen zu untersuchen.

Sein Herz schlug gewaltig und sein Atem stockte; aber er reichte einige Fuß weit mit seinen Armen links und rechts umher.

Er fühlte einen Gegenstand und ergriff ihn mit seinen zitternden Händen und brachte ihn an das helle Tageslicht. – War es vielleicht menschliches Gebein? – Nein, nein, glücklicher Weise erblickte er nur ein Stück 9e 132 trockenes Holz! Er wollte eben seinen Fund von sich schleudern als ihm eine neue Idee durch den Kopf fuhr.

Der hohle Raum unter den Steinen war dunkel, er konnte vielleicht einen darunter verborgenen Gegenstand nicht erkennen. —

Er trug, wie alle Fischer, stets Stahl, Stein und Schwamm bei sich, um sich die Pfeife in Brand zu setzen. Er machte Feuer und zündete das Stück Holz an, welches er eben gefunden hatte. Es brannte wie Papier, so trocken war es.

Gabriel beleuchtete nun jede Ecke in der Höhle, und zwar so lange, bis ihm die Flamme beinahe die Hand versengte, aber er erblickte zu seiner großen Freude nichts Verdächtiges.

Er verließ nun die Stätte, streifte sorglos durch die Heide zur Fischerhütte zurück und sagte freudig zu sich selbst: »Jetzt kann ich Perrine mit gutem Gewissen heiraten, denn ich bin der Sohn eines rechtschaffenen Mannes!«

Drittes Kapitel

»Jetzt kann ich Perrine mit gutem Gewissen heiraten!«

Nicht überall würde ein Sohn so großes Gewicht darauf gelegt haben, dass er einen braven Vater besitze, als wie hier in der Bretagne.

Das heilige Recht der Gastfreundschaft wurde in dem Distrikte, wo Gabriel und seine Familie lebten, noch mit so patriarchalischer Herzlichkeit ausgeübt, dass selbst die ärmste Familie ihr letztes Stück Brot mit einem Gast teilte, der Schutz und Obdach suchte. Das Eigentum und das Wohl des Gastes wurde bewacht und gefördert wie das eigene.

Wie glücklich musste Gabriel sich nun fühlen, da er die Überzeugung hatte, die Geschichte mit dem fremden Reisenden sei nur die Phantasie eines Sterbenden gewesen. Wie glücklich war er nun, seine Hand mit gutem Gewissen der Verlobten für immer reichen zu können.

Francois war noch nicht wieder zu Hause als Gabriel in die Hütte zurückkehrte.

Perrine und die Andern fanden Gabriel angenehm, verändert, und Pierre, der jüngere Bruder Gabriels, erzählte nun von den Gefahren der Nacht.

Alle lauschten noch auf die Erzählung des Knaben, als Francois zurückkam. Gabriel streckte dem Vater freudig die Hand entgegen. – Dieser schien sehr verändert geworden, seitdem er die Hütte verlassen hatte. – Er nahm die dargebotene Hand nicht und sagte:

»Ich reiche Niemand die Hand, der mich einmal verdächtigte, der Zweifel gegen mich hegte. – Ich würde ihn ebenfalls stets verdächtigen. Du bist ein schlechter Sohn! Du hast Deinen Vater eines Verbrechens beschuldigt, ohne jeden andern Beweis dafür zu haben, als die verworrenen Aussprüche eines sterbenden Greises. Ich werde nie wieder mit Dir sprechen, denn ein ehrlicher Mann und ein Spion taugen nicht für einander! Gehe hin und klage mich an, Du falscher Judas! Ich frage eben sowenig nach Dir, wie nach Deinem Geheimnis! Was tut das Mädchen noch hier? Was soll die Fremde hier? Sie soll nach Hause gehen! Du kannst gleich mit ihr gehen und brauchst nicht wieder zu kommen! Hier wünscht Dich Niemand mehr!«

Der Vater sprach so sonderbar, so eigentümlich und grausam, dass Gabriel fürchtete, er habe ihn doch vielleicht an dem Druidendenkmal bemerkt.

Der arme junge Mann hätte es auch so nicht mehr länger in der Hütte ertragen.

Die schrecklichem wechselvollen Ereignisse, die ihn seit gestern bestürmt hatten, erdrückten ihn fast. —

Als er sah, wie seine Braut, vor Schreck und Überraschung bleich geworden, sich zum Fortgehen rüstete folgte er ihr hastig nach.

In der frischen Luft fand der Arme erst seine Besinnung wieder.

Er suchte seine Braut zu überreden, dass der Tod des Großvaters und die schreckliche Nacht den Vater so sehr verstimmt haben müssten, dass er so rau und unfreundlich sei. Sein furchtbares Geheimnis konnte er ja dem jungen Mädchen nicht mitteilen.

Als er den kleinen Pachthof von Perrine’s Vater von fern erblickte, blieb er stehen und nahm Abschied von der Braut, denn er fühlte, dass er nicht auf die Scherze seines zukünftigen Schwiegervaters eingehen konnte, der ihn stets mit der nahen Hochzeit neckte. Er versprach seiner Braut, bald wiederzukommen und so trennten sich die Liebenden. —

Gabriel gab seinen Schritten keine bestimmte Richtung; er wusste eigentlich nicht, was er nun tun sollte. Er war nun überzeugt, dass der Vater ihn heute Morgen gesehen haben müsse, und fand dessen Unwillen über ihn gerecht. Er war überzeugt, der alte Greis hatte nur unter den Schrecken der Nacht und des Todes so gesprochen. Sein Vater war unschuldig! Und doch! —

Unter diesen Gedanken fand er sich bald wieder seiner Hütte gegenüber.

Er zögerte einzutreten. Da gewahrte er, dass die Tür vorsichtig geöffnet wurde. Sein Bruder Pierre sah heraus und kam auf ihn zugelaufen.

»Komm herein, Gabriel!« rief der Knabe. »Wir mögen nicht mit dem Vater allein sein, wir fürchten uns, denn er hat uns geschlagen, weil wir von Dir gesprochen haben.«

Gabriel trat ein. Sein Vater blickte von dem Kamine auf auf und murmelte: »Spion!« Er machte eine Bewegung mit den Händen, sprach aber kein Wort weiter zu seinem Sohne.

Die Stunden vergingen, es wurde Nachmittag, Abend, die Nacht kam und der Mann sprach keine Silbe zu einem seiner Kinder.

Als es ganz finster war, nahm er sein Netz und ging hinaus, indem er noch die Worte im Zimmer ausstieß:

»Besser allein auf der See, als mit einem Spion im Hause.«

Am Morgen kam er unverändert zurück. So vergingen Tage, Wochen, Monate. Gegen die andern Kinder war er wieder freundlich geworden, nur gegen den ältesten Sohn blieb er nach wie vor stumm. Er aß nicht in seiner Gesellschaft, fuhr nicht mit ihm auf den Fischfang, blieb nie allein mit ihm im Hause, duldete nicht, dass die Kinder zu ihm von ihrem Bruder sprachen und wollte auch nichts über die stürmische Nacht hören, in welcher der alte Mann gestorben war.

Gabriel litt und duldete ruhig weiter. Er trug den Zweifel aufs Neue in sich, ob sein Vater schuldig sei oder nicht. Dann litt er furchtbar unter der Behandlung, die ihm von Seiten des Vaters zu Teil ward.

Der junge Mann war so verändert, dass selbst das Glück der Liebe ihn nicht für seinen Kummer zu entschädigen vermochte.

Viertes Kapitel

Während Gabriel an Geist und Körper litt, wurde die Bretagne von einem großen öffentlichen Übel heimgesucht, welches den Schmerz des Einzelnen weit überragte.

Die französische Revolution hatte eben ihren Höhepunkt erreicht. Die Männer, welche an der Spitze der Republik standen, hatten mit kühner Hand die alte beglückende Religion auslöschen wollen. Sie hatten die Symbole des Glaubens zerstört oder zerstören lassen. Die Soldaten der Republik waren schon auf dem Weg zu der Bretagne; die Befehlshaber hatten den Auftrag, Alles zu zerstören, was an das Christentum erinnere.

Die rauen Männer führten die Befehle ihrer Vorgesetzten nur zu pünktlich aus. Kirchen wurden zerstört, Altäre umgestürzt und Kapellen entweiht. Überall aber wurden die Kreuze total vernichtet. Die entsetzliche Guillotine tötete sowohl in den Dörfern der Bretagne wie in Paris. Frauen, Kinder und Priester, die im Gebet betroffen wurden, wurden hingerichtet. Die Zügellosigkeit waltete in ihrer furchtbarsten Gestalt überall verheerend, vernichtend, Unglück bringend.

Aber trotzdem, dass rohe Menschenkinder das Christentum mit Füßen traten, sprießte es wie frisches Grün unter diesen grausamen Füßen wieder hervor, die Menschen neu stärkend und kräftigend.

Die Beorderten der Republik waren gekommen, die Bretagne zu einer Abtrünnigen der Kirche zu machen und sie verließen sie – als eine Märtyrin. Die Bretagne blieb der Mutter Kirche treu bis in den Tod.

Während dieser entsetzlichen Zeit blieb Gabriel eines Abends außergewöhnlich lange bei Perrine in dem Häuschen ihres Vaters. Er war jetzt oft bei seiner Braut. Der Aufenthalt bei dem Pächter entschädigte ihn allein für die raue Behandlung, die er in der väterlichen Hütte erlitt.

Gerade als er sich entfernen wollte, winkte ihm der Vater seiner Braut und bedeutete ihn, dass er noch mit ihm zu sprechen habe.

Die Männer setzten sich an den Kamin und der alte Mann sagte zu seiner Tochter:

»Mein Kind, lass uns jetzt allein. Ich habe mit Gabriel zu sprechen. Gehe zu Deiner Mutter in das andere Zimmer!«

Vater Bonan fragte Gabriel, ob er seine Braut noch immer so zärtlich liebe wie früher, da eine seltsame Veränderung in seinem ganzen Wesen sich kundgebe.

Gabriel antwortete treu und offen, dass seine Liebe dieselbe geblieben sei.

Vater Bonan glaubte ihm dies auch, forschte aber weiter. – Endlich erklärte er dem jungen Manne, dass er schon seit einiger Zeit die begründete Furcht hege, auch ein Opfer der religiösen Verfolgung zu werden, denn er habe gehört, dass sein Name mit auf der Liste derjenigen verzeichnet stehe, die dem alten christlichen Glauben treu geblieben seien und deshalb sterben müssten. »Mein Kind fuhr Vater Bonan fort, »würde ohne Stütze bleiben, wenn ich in dieser Zeit urplötzlich von ihr gerissen würde; darum gedenke ich Euch nun schleunigst zu verbinden. – Komme morgen wieder, ich werde dann bereits den Hochzeitstag festsetzen können,« schloss Bonan.

Auf dem Wege zu seiner Behausung drückte Gabriel sein Geheimnis mehr als je. Er ging mit sich zu Rate, ob es nicht besser sei, dem alten Bonan das Ganze zu entdecken, damit dieser nicht zu spät bereuen möge, ihm die Tochter gegeben zu haben. Doch, durfte er seinem Vater dies auch antun? —

Als er die Fischerhütte erreicht hatte, fand er Francois nicht mehr zu Hause. Er hatte seinen Kindern gesagt, dass er erst am nächsten Morgen nach neun Uhr zurückkommen würde.

Gabriel ging des Morgens wieder zu dem Pächterhause und er war nun fest entschlossen, dem Vater Perrine’s nichts zu sagen, weil dieser Zweifel hegen würde für das zukünftige Glück seines Kindes.

Gabriel reichte dem Alten die Hand und harrte ängstlich darauf, welcher Tag für seine Vermählung mit Perrine festgestellt werden würde.

»Es bleibt uns nur eine kurze Frist zur Wahl,« sagte Vater Bonan, »denn ich habe heute erfahren, dass die Zerstörer unserer heiligen Stätten und Symbole dieser Gegend jetzt nahen. Da mein Name den Schrecklichen schon bekannt ist, so werden sie nicht zögern, mich zu töten, darum will ich mein Kind schnell versorgen. Diesen Abend soll des Priesters Segenshand Euch verbinden. Ihr sollt getraut werden nach allen Vorschriften unserer heiligen Religion, bevor die Umsturzmänner unsere friedliche Gegend betreten. Höre jetzt aufmerksam zu, Gabriel, ich will Dir sagen, wo die Trauung stattfinden soll. Doch ich muss vorher noch Etwas berichten. Nicht lange vor der Zeit der Kirchenzerstörung in der Bretagne, wurde ein sehr würdiger und frommer Priester, gewöhnlich Vater Paulus genannt, in einem der nördlichen Distrikte der Bretagne angestellt. Er erwarb sich das Vertrauen und die Verehrung s einer Pfarrkinder in einem so hohen Grade, dass er weit über seinen Kirchensprengel hinaus rühmlich bekannt war. Seitdem jedoch die religiösen Verfolgungen ausgebrochen waren, wurde der Name noch berühmten denn er scheute weder Gefahren noch den Tod und stand den Menschen, die nach den Tröstungen der Kirche Verlangen hegten, mit der größten Uneigennützigkeit bei. Wo Not und Gefahr am ärgsten waren, fand man den unerschrockenen gottesfürchtigen Mann. Da er bisher den Gefahren so glücklich entronnen war, fing das abergläubische Volk an, ihn als ein etwas überirdisches Wesen zu betrachten. Es gab auch wirklich nichts Ehrwürdigeres als den Vater Paulus mit seinem freundlich milden, ruhigen Gesicht, seinem schwarzen Priesterkleid und dem weißen Kruzifix von Elfenbein in seiner Hand.

»Nachdem der Priester eines Morgens noch in einer zertrümmerten Kirche eine Messe gelesen hatte und kaum durch schnelle Flucht dem Tode entgangen war, da die Männer der Republik nach ihm fahndeten, war er verschwunden, seine Freunde forschten weit und breit nach ihm, aber sie hörten nichts mehr von dem frommen Mann.

»Schwere Tage waren über die Bretagne gekommen und der Priester wurde als tot betrauert.

»Eines Tages erblickten Fischer an der nördlichen Küste ein leichtes Fahrzeug; es gab ein Zeichen, dass es landen wolle. Sie kamen dem Schiff zu Hilfe und entdeckten zu ihrer freudigsten Überraschung den Vater Paulus auf dem Verdeck.

»Der Priester war zu seinen Pfarrkindern zurückgekehrt, da er aber nicht auf dem Lande predigen durfte, hatte er ihnen auf dem Schiffe einen neuen Altar aufgerichtet. Vater Paulus und noch ein Priester hatten ihrer Gemeinde auf der See eine neue Kirche erbaut; dort konnten die Kinder getauft, die Ehen gesegnet und die Toten ihre Weihe erhalten. Das heilige Schiff unterhielt sich durch Zeichen mit der frommen Gemeinde auf dem Lande und trieb Segen spendend von Distrikt zu Distrikt.«

An dem Morgen, als Gabriel zu dem Pächterhause ging, hatte das Schiff eben sein Zeichen aufgesteckt – Die Bewohner wussten, dass sie der Abend auf dem Schiffe zu einem Gottesdienste vereinigen werde.

Vater Bonan wünschte deshalb, dass die Trauung nun auch heute auf dem Schiffe stattfinden sollte.

Am Abend setzten sich Vater Bonan, seine Frau, das Brautpaar, alle Geschwister Gabriels und alle Bekannte, mit Ausnahme von Francois Sarzeau, zu dem Schiffe in Bewegung.

Es war seit langer Zeit der schönste Abend.

Der Himmel war blau und die See ruhig wie ein Spiegel, die Leute warteten sehnsüchtig auf das Nahen des Schiffes; man sah es langsam kommen. – Die großen Wellen schienen unten auf dem Sande zu schlafen und ihre kleinen Schwestern schaukelten das Schiff sanft herüber. – Der Mond stand hoch am Himmel, die wunderbare Ruhe beleuchtend, als das Schiff die Anker auswarf.

Auf dem Schiffe riefen leise Glockenklänge die Gläubigen herbei. Die Boote der Gemeinde nahten sich dem Schiffe, die Leute stiegen hinauf.

Die Lampe am Altar vermischte ihren roten Schein mit dem gelben Mondlicht.

Zwei Priester im Ornate erwarteten die kleine Gemeinde. Ein dritter Priester empfing die Ankommenden. Wer ihn auch nicht früher gekannt hatte, musste an seinem unzertrennlichen Begleiter, dem elfenbeinernen Kruzifix, sogleich in ihm den Chef der Christen in der Bretagne erkennen, den guten, unermüdlichen Vater Paulus.

Gabriel hatte sich den viel geliebten Mann gewiss bejahrter vorgestellt und wunderte sich, dass er nur ein wenig älter als er selbst war.

Das milde Gesicht des Priesters war so vertrauenerweckend, dass die kleinen Kinder sich gleich zu ihm begaben und Jung und Alt strömte ihm freudig zu.

Niemand sah es diesem ruhigen, zufriedenen Gesicht an, welch großen Gefahren Vater Paulus schon ausgesetzt gewesen war.

An seiner Stirn hatte er eine kaum geheilte Säbel-wunde. Er hatte diese Wunde vor dem Altar erhalten und man würde ihn getötet haben, wenn ihn nicht einige Bauern aus den Händen der Soldaten der Republik errettet hätten.

Der Gottesdienst begann. Seit der Zeit, wo die ersten christlichen Gemeinden sich in Höhlen und Katakomben verstecken mussten, ihrem Gott zu dienen, seit der Zeit der Heidenverfolgungen gegen die Christen war wohl nie feierlicher und gläubiger gebetet worden, als auf dem Schiffe.

Es war weder Pracht noch Herrlichkeit durch Menschen hier hergebracht, nur die Natur schien in ihrer erhabenen Schönheit den Tempel zu umgeben, wo Gott angebetet. Sein Dach war der weite Himmel, der glänzende Mond und die zahllosen Sterne seine Leuchte. Die heilige Ruhe der Nacht allein bildete die Mauern dieser Stätte.

Alle die hier zusammengekommen waren, gaben sich ruhig und glücklich dieser Andachtsstunde hin; nur Gabriels Herz blieb nicht frei von Unruhe, er blickte bald auf seine Braut, bald auf ihren Vater, dann wieder auf Vater Paulus. Oft seufzte er tief und schwer. Als er niederkniete um mit der Gemeinde zu beten, fühlte er tief und schwer, dass er seine unruhigen Gedanken durch die heilige Beichte hätte mildern können. – Er weinte still vor sich hin, obgleich er sich bemühte den Tränenstrom aufzuhalten, floss er reich und voll über seine bleichen Wangen. Perrine sah ihn ängstlich an, aber es war unmöglich jetzt zu ihm zu sprechen.

Plötzlich fühlte Gabriel wie eine Hand leicht seine Schulter berührte. Er blickte auf, Vater Paulus stand neben ihm. Er bat ihn, ihm zu folgen und führte ihn dann zu einer Kabine des Schiffes und verschloss die Tür sorgfältig.

»Sie haben Etwas auf dem Herzen,« sagte der Priester ruhig. »Ich möchte Sie davon befreien. Wollen Sie mir es mitteilen?«

Als Gabriel die freundlichen Worte vernahm und das einnehmende Gesicht des Priesters beobachtete, schien es, als bewege sich schon die Last von seiner Seele.

Er beichtete dem Priester Wort für Wort, was er an dem Todtenbette des Großvaters vernommen hatte.

Kaum hatte er ausgesprochen, da fragte ihn der Priester nach Namen und Wohnung.

Während Gabriel noch sprach, legte Paulus seine Hände über das Kreuz und schien selbst inbrünstig zu beten.

Als Gabriel den »Kaufmannstisch« beschrieben und von seines Vaters Benehmen nach dem Tode des Großvaters gesprochen hatte, fragte er den Priester, ob er glaube, dass es keine große Sünde sei, dass er doch immer aufs Neue Zweifel an der Rechtschaffenheit seines Vaters hege.

»Blicken Sie mich jetzt an und hören Sie!« sagte der Priester. »Ich kann alle Ihre Zweifel lösen: Ihr Vater ist des Verbrechens wirklich schuldig, aber der Mann, der getötet werden sollte, lebt! Ich kann es beweisen.«

Gabriels Herz schlug laut und eine erstarrende Kälte kam über ihn als er sah, wie Vater Paulus seinen Hals entblößte.

In diesem Augenblick verstummte der Gesang der Gemeinde. Es betete ein Einzelner. – Der Priester löste die Halsbedeckung und zeigte dem jungen Mann eine kaum noch sichtbare Stichwunde. Er wollte sprechen, aber drinnen ertönte das Glöcklein; die heilige Messe hatte ihren Höhepunkt erreicht. Der Priester hob eben das hochwürdige Gut in die Höhe. Die heilige Hostie glänzte über der demütig knienden Gemeinde. Der Priester legte seinen Arm um den Jüngling und beide knieten nieder.

Weiter empfand Gabriel nichts. – Er kam erst wieder zur Besinnung als der Mann, den sein Vater hatte töten wollen, ihm kaltes Wasser ins Gesicht sprengte, um ihn wieder zum Leben zu erwecken.

Drinnen sang die Gemeinde das Agnus Dei: »O Du Lamm Gottes, das Du hinweg nimmst die Sünden der Welt, schenke uns den Frieden.

»Sehen Sie mich an, ohne Furcht, Gabriel!« sagte der Priester. »Ich wünsche nicht Unrecht zu rächen. Ich übertrage die Sünden der Väter nicht auf die Kinder. Hören Sie was ich Ihnen Seltsames mitzuteilen habe. Ich habe hier eine heilige Mission zu erfüllen, in welcher Sie mich unterstützen sollen.«

Gabriel wollte kniend die Hände des Priesters küssen, aber dieser wies ihn zu dem Kreuz und sagte! »Kniet dort nieder, nicht aber vor mir, dem schwachen Sterblichen! Nicht vor mir Eurem Freunde! Ja, Gabriel, ich will Ihr Freund sein, weil ich glaube, dass Gott es so gefügt hat.«

»Der Gottesdienst naht seinem Ende, ich muss schnell sein. Der Verirrte den Sie mir zuführen sollen, muss noch vor dem Grauen des Tages benachrichtigt werden. Jetzt hören Sie:

»Das Geständnis Ihres Großvaters ist wahr, Wort für Wort! Ich nahte mich an jenem Abend Ihrer Hütte und suchte dort ein Nachtlager. Ich bereitete mich in jener Zeit zu meinem Stande vor; nachdem meine Studien vollendet waren, machte ich eine Fußreise durch die Bretagne Als ich Ihren Vater vor seiner Tür erblickte, hatte ich mich vom rechten Wege verirrt und war sehr müde geworden.

»Jetzt nehmen Sie Ihren Mut zusammen, Gabriel, aber ich muss Ihnen Alles sagen. Ich erinnere mich an Nichts was von der Zeit meines Einschlafens geschehen ist, bis ich unter dem Stein, den Sie den Kaufmannstisch nennen, erwachte. Als ich meine Augen öffnete, sah ich den mächtigen Stein über mir und an jeder Seite von mir Männer, die meine Taschen durchsuchten. Da sie nichts Wertvolles fanden, wollten sie mich liegen lassen, wo ich lag. Ich nahm meine Kraft zusammen und bat sie, mich gegen künftigen guten Lohn an einen Ort zu bringen, wo ich geheilt werde könnte. Sie prüften meine Kleider und die Wäsche, die ich trug und sprachen dann heimlich mit einander. Endlich sagte der Eine: Nun, wir werden es wagen! Dann trugen sie mich in ein kleines Boot und brachten mich nach Paimboeuf, wo ich dann auch ärztliche Hilfe fand.

»Ich erfuhr von den Männern, dass sie Schmuggler seien und dass sie ihre geschmuggelten Waren stets unter dem Druiden-Stein verbargen. Sie sagten mir, dass sie mich mit der Schnittwunde ohnmächtig gefunden hätten und dass nur die Kühle der Nacht mich vor dem sicheren Tode bewahrt habe.

»Noch langer Krankheit kam ich nach Paris und trat mein Priesteramt dort an; aber ich hegte den Wunsch, hier in der Bretagne angesiedelt zu werden. Wissen Sie warum, Gabriel?«

Gabriel antwortete zwar nicht, aber er wusste wohl warum.

»Ich wusste sehr wohl, durch wen mein Leben in Gefahr gekommen war, aber ich teilte den Vorfall Niemandem mit, selbst nicht meinen Freunden, denn ich wünschte nicht, dass irdische Justiz den Mann richten sollte, der mich hatte töten wollen. Ich trachtete allein darnach, ihn einst zur Reue und zur Buße zu bewegen, sobald ich Gelegenheit dazu finden würde.

»Mein Wille war jedoch von meiner Pflicht abhängig; es brach diese schwere Zeit auf die Kirche und ihre Gemeinde ein. Ich ging zwar in die Bretagne, doch musste ich zunächst an andern Orten wirken.

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06 aralık 2019
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