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Kitabı oku: «Maaß für Maaß», sayfa 6

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Neunte Scene

(Der Kerkermeister zu den Vorigen.)

Herzog.

Er ist ungeschikt zum Leben und zum Sterben: es ängstiget mein Herz!

aber es muß seyn – Geht ihm nach, ihr Leute, und führt ihn zu dem Blok.

Kerkermeister.

Nun, mein Ehrwürdiger Herr, wie findet ihr den Gefangnen?

Herzog. Unbereitet und untüchtig zum Sterben; ihn in der Gemüthsfassung worinn er ist, in die andre Welt zu schiken, wäre verdammlich.

Kerkermeister. Diesen Morgen, Vater, starb hier im Gefängniß an einem hizigen Fieber ein gewisser Ragozin, ein sehr berüchtigter Räuber, ein Mann von Claudios Jahren; Bart und Haar völlig von der nemlichen Farbe; wie wenn wir diesen Ruchlosen gehen liessen, bis er sich besser anläßt, und den Statthalter mit Ragozins Haupt befriedigten, der dem Claudio ähnlicher sieht?

Herzog. O, diß ist ein Zufall, den uns der Himmel geschikt hat; nur hurtig zur Ausführung geschritten; die von Angelo bestimmte Stunde rükt heran; sorget davor, daß alles seinem Befehl so gemäß eingerichtet werde, daß er den Tausch nicht merken könne; indessen daß ich mich bemühen werde, diesen rohen Unglükseligen zum Tode willig zu machen.

Kerkermeister. Es soll alles sogleich geschehen, mein guter Vater; aber Bernardin muß diesen Nachmittag sterben; und wie sollen wir den Claudio länger hier behalten, ohne daß ich in Gefahr komme, wenn es bekannt wird daß er noch lebt?

Herzog.

Bringet Claudio und Bernardin jeden in irgend einen geheimen Enthalt; eh die Sonne zweymal untergegangen seyn wird, sollt ihr von eurer Sicherheit durch den Augenschein überzeugt werden.

Kerkermeister.

Ich gehorche euch mit Vergnügen.

Herzog.

Schnell, beschleunigt euch, und schiket dem Angelo den Kopf.

(Kerkermeister geht ab.)

Nun will ich dem Angelo neue Briefe zufertigen, aus denen er ersehen soll, daß ich nahe bey der Stadt bin, und daß wichtige Ursachen mich verbinden, einen öffentlichen Einzug zu halten; ich will ihm darinn befehlen, mir eine halbe Stunde weit vor der Stadt bis zum heiligen Brunnen entgegen zu gehen: Von da soll sich dann, nach der geheimen Veranstaltung, die wir machen werden, ein Umstand nach dem andern entfalten; und Angelo, in die Unmöglichkeit gesezt, sich loßzuwinden, soll sich selbst das Urtheil sprechen. (Der Kerkermeister kommt.)

Kerkermeister.

Hier ist der Kopf; ich will ihn selbst hintragen.

Herzog. Es ist das sicherste; beschleunigt eure Rükkunft, denn ich habe euch Sachen zu eröffnen, die keine andre Ohren brauchen als die eurigen.

Kerkermeister.

Ich will so hurtig seyn als ich kan.

(Geht ab.)

(Isabella ruft hinter der Scene.)

Herzog. Das ist der Isabella Stimme – Sie kommt sich zu erkundigen, ob ihres Bruders Begnadigung angelangt sey. Aber ich will ihr das Beste noch verhalten, damit sie desto angenehmer davon überraschet werde, wenn sie es am wenigsten erwarten kan.

Zehnte Scene

Isabella.

Mit eurer Erlaubniß —

Herzog.

Guten Morgen, meine schöne und liebenswürdige Tochter.

Isabella. Von einem so heiligen Mann kan dieser Gruß nicht anders als werth seyn. Hat der Stadthalter Befehl für meines Bruders Begnadigung geschikt?

Herzog. Er hat ihn von der Welt abgeruffen, Isabella; sein Kopf ist abgeschlagen, und dem Angelo zugeschikt.

Isabella.

Nein, es ist nicht so, will ich hoffen.

Herzog. Es ist nicht anders. Gebt durch eure gedultigste Gelassenheit, meine Tochter, eine Probe eurer Weisheit.

Isabella.

O, ich will zu ihm, und ihm die Augen ausreissen.

Herzog.

Ihr würdet nicht vor ihn gelassen werden.

Isabella.

Unglüklicher Claudio! Arme Isabella! Ungerechte Welt! Verdammter Angelo!

Herzog. Diß schadet ihm nichts, und nüzt euch nicht ein Jot. Geduldet euch also, stellet eure Sache dem Himmel anheim; höret was ich euch sage; ihr werdet ganz gewiß erfahren, daß es von Sylbe zu Sylbe eine sichre Wahrheit ist. Morgen kommt der Herzog wieder heim; troknet eure Augen; ein Priester von eurem Orden, der sein Beichtvater ist, hat mir diese Nachricht gegeben: Er hat dieses dem Angelo und Escalus schon zuwissen gethan, welche sich rüsten, ihm vor die Stadt entgegen zu gehen, und ihre Gewalt zu übergeben. Wenn ihr soviel von euch selbst gewinnen könnet, meinem Rath zu folgen, so werdet ihr durch den Herzog alle Rache die euer Herz wünschen kan, an diesem Unglükseligen nehmen, und allgemeinen Ruhm davon tragen.

Isabella.

Ich überlasse mich eurer Führung.

Herzog. Uebergebet also dieses Schreiben dem Bruder Peter; es ist eben dasjenige, worinn er mir von des Herzogs Wiederkunft Nachricht giebt. Sagt ihm, es soll das Zeichen seyn, daß ich ihn heute Nachts in Marianens Hause sprechen wolle. Ich will ihm daselbst von eurer und Marianens Sache vollkommne Wissenschaft geben; er soll euch vor den Herzog stellen, und den Angelo ins Angesicht anklagen und überweisen. Denn ich selbst bin durch ein geheiligtes Gelübde genöthiget, um diese Zeit abwesend zu seyn. Geht izt mit diesem Briefe: Fasset guten Muth, und befehlet diese äzenden Thränen aus euern Augen. Bey der Ehre meines heiligen Ordens, eure Sache soll einen guten Ausgang gewinnen. Wer ist hier?

Eilfte Scene

(Lucio zu den Vorigen.)

Lucio.

Guten Abend; Frater, wo ist der Kerkermeister?

Herzog.

Nicht hier, mein Herr.

Lucio. O! meine artige Isabella, ich bin recht von Herzen blaß, deine schöne Augen so roth zu sehen; du must geduldig seyn; ich muß mich auch gedulden, statt der Mittags- und Abend-Mahlzeit mit Wasser und Brot vorlieb zu nehmen; ich darf mich für meinen Kopf nicht unterstehen, meinen Bauch zu füllen; eine einzige gute Mahlzeit würde mich liefern. Aber sie sagen, der Herzog werde morgen hier seyn. Bey meiner Treu, Isabell, ich liebte deinen Bruder; wäre der alte phantastische Herzog anstatt der finstern Winkel, bey Hause gewesen, so lebte er noch.

(Isabella geht ab.)

Herzog. Mein Herr, der Herzog ist euch für eure Discourse von ihm ausserordentlich wenig Dank schuldig; das beste ist indessen, daß sie nicht wahr sind.

Lucio.

Frater, du kennst den Herzog nicht sowol als ich; er ist ein beßrer Weidmann als du dir einbildest.

Herzog. Gut, ihr sollt zu seiner Zeit Red' und Antwort davor geben. Lebet wohl.

Lucio.

Nein, warte noch, ich will mit dir gehen; ich kan dir artige Histörchen von dem Herzog erzählen.

Herzog. Ihr habt mir bereits schon zuviel von ihm erzählt, wenn sie wahr sind; und sind sie es nicht, so wären gar keine schon genug.

Lucio. Ich bin einmal vor ihm gewesen, weil ich einem Menschen ein Kind gemacht hatte.

Herzog.

Thatet ihr das?

Lucio. Das denk ich, zum Henker, daß ich es that; aber ich schwur es sauber weg; mein Seel, wenn ichs nicht gethan hätte, sie hätten mich an die faule Mispel verheurathet.

Herzog. Mein Herr, eure Gesellschaft ist schöner als ehrenhaft: Bleibt ein wenig zurük oder geht voraus, wenn ich bitten darf.

Lucio. Mein Seel, ich gehe mit dir, bis die Gasse zu Ende ist; wenn dir H**jägers-Discourse ärgerlich sind, so wollen wir sparsam damit seyn; mein Seel, Frater, ich bin eine Art von Klette, ich hänge mich an.

(Sie gehen ab.)

Zwölfte Scene

(Der Palast.)

(Angelo. Escalus.)

Escalus.

Jeder Brief den er geschrieben hat, widerspricht dem vorhergehenden.

Angelo. Seine Handlungen sehen dem Wahnwiz nur allzu gleich. Der Himmel gebe, daß sein Verstand nicht angegriffen seyn möge! Und warum sollen wir ihm vor dem Thor entgegen kommen, und unsre Ämter dort niederlegen?

Escalus.

Das kan ich nicht errathen.

Angelo. Und warum sollen wir eine Stunde vor seinem Einzug ausruffen lassen, daß wofern irgendjemand sich durch einen ungerechten Spruch beschwert zu seyn glaube, er seine Bitte auf der Strasse übergeben solle?

Escalus.

Für dieses sagt er uns seine Ursache; seine Absicht ist, allen Klagen auf einmal abzuhelfen, und uns fürs künftige gegen Beschwerungen sicher zu stellen, die hernach keine Kraft mehr gegen uns haben sollen.

Angelo. Gut; ich bitte euch, laßt den Ausruf morgen bey Zeiten geschehen; ich will euch in euerm Hause abholen: Lasset es alle diejenige wissen, denen es zusteht, ihm mit uns entgegen zu gehen.

Escalus.

Ich werde nicht ermangeln, mein Herr; lebet wohl.

Angelo. Gute Nacht. Diese That entmannet mich gänzlich, macht mich unfähig zum Denken, und ungeschikt zu allem was ich thun soll? Eine geschändete Jungfrau! Und von wem? Von demjenigen, der das Gesez wider solche Verbrechen in seiner ganzen Strenge gelten machte. Allein, ausserdem daß ihre zärtliche Schaamhaftigkeit sich nicht wird überwinden können, den Verlust ihrer jungfräulichen Ehre selbst auszuruffen, was würde ihr Zeugniß gegen mich vermögen? Was ich auch sagen mag, so kan ich allemal ihrem Nein troz bieten. Mein Ansehen ist zu groß, zu befestigt, als daß irgend eine Beschuldigung von dieser Art an mir haften könnte, und nicht mit Schaam auf denjenigen zurückfiele, der meinen Ruhm anhauchen wollte – Ich hätte ihn leben lassen, wenn ich nicht besorgt hätte, seine hizige Jugend möchte dereinst seine beleidigte Ehre rächen, ohne sich mir für ein Leben verbunden zu halten, das er mit einer solchen Schande erkauffen mußte. Und doch wünschte ich, daß er noch lebte! Himmel! Wie unglüklich sind wir, wenn wir nur einmal unsrer Pflicht vergessen haben! Wie schnell reißt uns eine böse That zur andern fort! Und wie wenig bleiben wir Meister über das, was wir wollen oder nicht wollen!

(Geht ab.)

Dreyzehnte Scene

(Eine Gegend vor der Stadt.)

(Der Herzog in seiner eignen Kleidung, und Bruder Peter.)

Herzog. Vor allen Dingen gebt diese Briefe ab, wohin sie gehören. Der Kerkermeister weiß bereits von unserm Vorhaben und von der Veranstaltung desselben. Wenn die Sache einmal anhängig gemacht ist, so spielet eure Rolle wohl, und haltet euch immer an eure besondere Instruction, ob ihr gleich zuweilen einen kleinen Absprung machen könnt, wenn es die Gelegenheit erfordert: Geht, suchet den Flavius auf, und sagt ihm, wo ich anzutreffen bin; eben diese Nachricht gebt auch dem Valentius, Roland und Crassus, und befehlet ihnen, die Trompeten vor das Thor bringen zu lassen. Aber schiket vorher zu dem Flavius.

Peter.

Es soll aufs schleunigste geschehen.

(Peter geht ab.)

(Varrius.)

Herzog. Ich danke dir, Varrius; du bist sehr hurtig gewesen; Komm, wir wollen auf und abgehen; Es sind noch andre gute Freunde, die uns hier grüssen werden, mein werther Varrius.

(Sie gehen ab.)

Vierzehnte Scene

(Isabella und Mariane treten auf.)

Isabella. Ich verstehe mich ungern dazu, so viele Umschweife zu gebrauchen; ich möchte die Wahrheit sagen; aber ihn so geradezu anzuklagen, ist eure Rolle; die meinige ist mir so vorgeschrieben; er sagt, daß es zu Erreichung unsrer Absicht nöthig sey.

Mariane.

Ueberlaßt es ihm, euch zu sagen, was ihr thun sollt.

Isabella. Er sagt mir auch, ich soll' es mir nicht seltsam vorkommen lassen, wenn er allenfalls auch auf die andre Seite, und wider mich reden sollte —

Mariane.

Ich wünschte, der Bruder Peter —

Isabella.

Stille, da kommt er ja.

(Peter zu den Vorigen.)

Peter. Kommt, ich habe einen Ort für euch ausfündig gemacht, wo ihr ganz bequem warten könnet, und wo euch der Herzog nicht entgehen kan. Die Trompeten haben schon zweymal getönt; die angesehensten Bürger haben sich schon bey dem Stadt-Thor versammelt; der Herzog ist im Anzug; wir müssen eilen.

(Sie gehen ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Scene

(Ein öffentlicher Plaz nahe bey der Stadt.)

(Der Herzog, Varrius, etliche andre Edelleute, Angelo, Escalus,

Lucio und einige Bürger, treten auf verschiednen Seiten auf.)

Herzog. Mein würdiger Vetter, ich danke euch für diesen Willkomm; unser alter und getreuer Freund, wir sind erfreut euch zusehen.

Angelo und Escalus.

Beglükt sey Euer Durchlaucht Wiederkunft!

Herzog.

Wir danken euch beyden von Herzen.

(Zu Angelo.)

Wir haben uns nach euch erkundiget, und wir hören so viel Gutes von der Gerechtigkeit eurer Staatsverwaltung, daß wir nicht umhin können, euch deßwegen öffentlichen Dank zu erstatten, bis wir Gelegenheit haben, es auf eine vollständigere Art zu thun.

Angelo.

Euer Durchlaucht macht meine Verpflichtungen immer grösser.

Herzog. O! euer Verdienst redet laut, und ich würde ungerecht gegen dasselbe seyn, wenn ich es in den Kerker meines eignen Busens einschliessen wollte; da es würdig ist, mit Buchstaben von Erzt gegen den Zahn der Zeit und den Rost der Vergessenheit gesichert zu werden. Gebt mir eure Hand, und laßt die Unterthanen sehen, wie begierig wir sind, unsre innerliche Achtung für euch durch äusserliche Merkmale öffentlich bekannt zu machen. Kommt, Escalus; ihr sollt auf der andern Seite mit uns gehen, ihr habt euch unsers Zutrauens würdig bewiesen.

(Der Herzog macht einige Schritte, als ob er weiter gehen wollte.)

Zweyte Scene

(Peter und Isabella zu den Vorigen.)

Peter (zu Isabella.)

Izt ist eure Zeit: Redet laut, und kniet vor ihm.

Isabella. Gerechtigkeit, Gnädigster Herr; werfet euern Blik auf eine unglükliche, mißhandelte – Schier hätte ich gesagt, Jungfrau: O, würdiger Fürst, entehret euer Auge nicht, es auf einen andern Gegenstand zu richten, bevor ihr meine gerechten Klagen angehört, und mir Recht verschaft habt.

Herzog. Was für Unrecht ist euch dann geschehen, worinn? von wem? macht es kurz; hier ist der Freyherr Angelo, der euch Recht schaffen wird; eröffnet euch ihm.

Isabella. O mein Gnädigster Herr! Ihr befehlet mir, Erlösung bey dem Teufel zu suchen. Höret mich selbst an, denn das was ich zu sagen habe, muß entweder mich straffen, wenn ich keinen Glauben finde, oder euch Rache abnöthigen; o, höret mich, höret mich.

Angelo. Gnädigster Herr, ich besorge, sie ist nicht recht bey Vernunft; sie hat eine vergebliche Fürbitte für ihren Bruder bey mir eingelegt, der nach dem Lauf der Gerechtigkeit den Kopf verlohren hat.

Isabella.

Lauf der Gerechtigkeit!

Angelo.

Und izt wird sie in ihrer Verbitterung seltsame Reden ausstossen.

Isabella. Höchst seltsame; aber nur allzuwahr ist es, was ich sagen werde; daß Angelo ein meyneydiger Mann ist, ist das nicht seltsam? daß Angelo ein Mörder ist, ist das nicht seltsam? daß Angelo ein ehebrechrischer Räuber, ein Heuchler, ein Jungfrauen-Schänder ist? ist das nicht seltsam, und abermal seltsam?

Herzog.

In der That, es ist zehenmal seltsam.

Isabella. Und doch ist es nicht wahrer, daß er Angelo ist, als daß alles dieses so wahr ist, als es seltsam ist; ja, es ist zehenmal wahrer; denn Wahrheit ist am Schluß allemal Wahrheit.

Herzog. Schaft sie hinweg, die arme Seele; sie sagt das in der Verrükung ihres Gehirns.

Isabella. O Fürst ich beschwöhre dich, wenn du anders glaubest daß noch ein andrer Trost ist als diese Welt, verachte mich nicht, in der Meynung, daß ich nicht bey gesunder Vernunft sey. Mache nicht unmöglich, was nur unbegreiflich scheint; es ist nicht unmöglich, daß der ärgste Bube im Herzen von aussen so spröde, so ernsthaft, so gerecht, so unsträflich scheinen kan, als Angelo; gleichergestalt kan Angelo, mit allen seinen Masken, Charactern, Titeln und Anscheinungen, doch nur ein Erz-Bösewicht seyn; Glaubet mir, gnädigster Herr, er ist es; wenn er weniger ist, so ist er gar nichts; aber er ist mehr, wenn ich Namen für seine Boßheit hätte.

Herzog. Bey meiner Ehre, wenn sie unsinnig ist, wie ich nicht anders glaube, so hat doch ihr Unsinn die seltsamste Gestalt von Vernunft; so viel Zusammenhang in allem was sie spricht, als ich jemals in den Reden eines Wahnwizigen gehört habe.

Isabella. Gnädigster Herr, bleibet doch nicht immer auf dieser Einbildung; verwerfet die Vernunft nicht, weil sie unwahrscheinliche Dinge sagt; sondern bedient euch der eurigen, die Wahrheit ans Licht zu ziehen, wo sie verborgen scheint, anstatt den Irrthum zu verbergen, weil er Wahrheit scheint.

Herzog.

Manche, die nicht wahnwizig sind, haben, wahrhaftig, weniger Vernunft – Was wollt ihr dann sagen?

Isabella. Ich bin die Schwester eines gewissen Claudio, der wegen der Sünde der Hurerey verurtheilt wurde, den Kopf zu verliehren; Angelo war es, der ihn verurtheilte: Ich, die im Begriff bin meine Probzeit in einem Kloster zu vollenden, wurde von meinem Bruder zu ihm geschikt; ein gewisser Lucio, von dem ich die Nachricht hatte —

Lucio. Das bin ich, mit Euer Durchlaucht Erlaubniß; Claudio hatte mich zu ihr geschikt, um sie zu bewegen, daß sie versuchen sollte, durch ihre rührende Fürbitte die Begnadigung ihres Bruders auszuwürken.

Isabella.

Er ist es, in der That.

Herzog (zu Lucio.)

Man hat euch nicht befohlen zu reden.

Lucio.

Nein, Gnädigster Herr, noch gewünscht daß ich schweigen möchte.

Herzog. Ich wünsch euch's also izt; seyd so gut und merkt euch das; und wenn ihr Gelegenheit bekommt für euch selbst zu sprechen, so bittet den Himmel, daß ihr alsdenn nicht verstummen möget.

Lucio.

Dafür steh' ich Euer Gnaden.

Herzog.

Es wird sich zeigen.

Isabella.

Dieser Edelmann erzählte etwas von meiner Geschichte.

Lucio.

So ists.

Herzog. Es mag so seyn, aber ihr sollt nicht eher reden bis die Reyhe an euch kommt. Weiter!

Isabella.

Ich gieng also zu diesem verderblichen gottlosen Stadthalter.

Herzog.

Das ist ein wenig wahnwizig gesprochen.

Isabella.

Vergebet mir, der Ausdruk ist der Materie gemäß.

Herzog.

Wieder verbessert – der Materie – Nur weiter.

Isabella. Kurz, um die unnöthigen Umstände zu übergehen, wie viel Vorstellungen ich ihm gemacht, wie sehr ich gebeten, wie ich ihm zu Fusse gefallen, was er mir entgegengesezt, und wie ich ihm geantwortet, denn dieses daurte sehr lang – ich will den Anfang damit machen, womit dieser Auftritt sich beschloß, wenn ich es anders vor Schmerz und Schaam heraussagen kan. Er beharrte darauf, daß er meinen Bruder unter keiner andern Bedingung losgeben wollte, als wenn ich meinen jungfräulichen Leib seiner unkeuschen Begierde überlassen würde; und nach vielem Wortwechsel übertäubte endlich das schwesterliche Mitleiden die Stimme der Ehre, und ich gab nach: Aber den folgenden Morgen früh, nachdem er seinen Zwek erhalten hatte, schikt' er Befehl, daß meinem Bruder der Kopf abgeschlagen werden sollte.

Herzog (spöttisch.)

Das ist sehr wahrscheinlich!

Isabella.

O möcht es so scheinbar10 seyn, als es wahr ist.

Herzog. Beym Himmel, du wahnwiziger Tropf, du weist nicht was du sprichst, oder du bist durch boshafte Künste gegen seine Ehre aufgestiftet worden. Fürs erste, so ist er ein Mann, dessen Tugend ausser Zweifel ist. Zweytens ist es wider alle Vernunft, daß er eine Vergehung, deren er sich selbst schuldig gemacht, so hart an einem andern gestraft haben sollte; hätte er sich so vergangen, so würde er deinen Bruder nach sich selbst gemessen, und ihm seinen Kopf gelassen haben. Ihr seyd von jemand aufgestiftet worden; Gesteht die Wahrheit, und sagt, auf wessen Anrathen habt ihr diese Anklage hier vorgebracht?

Isabella. Und ist das alles? O dann, so verleihet mir Geduld, ihr Heiligen dort oben! und entdeket zu seiner Zeit die Uebelthat, die hier in partheyische Gunst eingehüllet wird! Der Himmel bewahre Euer Durchlaucht so gewiß vor Unfall, als es wahr ist, daß ich das Unrecht erlitten habe, ob ich gleich keinen Glauben finde.

Herzog. Das glaube ich, daß ihr gerne davon gehen möchtet. Einen Stadtbedienten, ins Gefängnis mit ihr. Sollten wir gestatten, daß eine Person die uns so nahe ist, ungestraft so ärgerlich angeschmizt werden dürfte? Das muß nothwendig eine angestellte Sache seyn. Wer weiß mit von euerm Vorhaben und Hieherkommen?

Isabella.

Einer den ich gerne hieher wünschen möchte, der Pater Ludewig.

Herzog.

Ein Ordensmann, wie es scheint; wer kennt diesen Ludewig?

Lucio. Gnädigster Herr, ich kenn' ihn; es ist ein Mönch, der seine Nase in alles stekt, ich kan ihn nicht leiden; wär er ein Lay gewesen, Gnädigster Herr, ich wollte ihn wegen einiger Reden, die er wider Euer Durchlaucht, in Dero Abwesenheit ausgestossen hat, abgeschmiert haben, daß er es gefühlt hätte.

Herzog. Reden wider mich? Das ist ein feiner Ordensmann, dem Ansehen nach; und dieses unglükliche Weibsbild wider unsern Stadthalter aufzustiften! Laßt diesen Mönchen aufsuchen.

Lucio.

Erst noch in verwichner Nacht, traf ich sie und diesen Mönch im Gefängniß bey einander an; eine unverschämte Kutte, wie gesagt, ein recht boshafter Geselle.

Peter. Mit Euer Durchlaucht gnädigster Erlaubniß, ich stand dabey, und ich hörte genug um zu sehen, wie sehr euer königliches Ohr mißbraucht wird. Fürs erste; so hat dieses Weibsbild euern Stadthalter höchst frefelhafter Weise angeklagt; er ist so rein von einiger Besudlung mit ihr, als sie von einem, der noch nicht gebohren ist.

Herzog. Ich glaube auch nichts anders. Kennt ihr diesen Pater Ludewig, von dem sie spricht?

Peter. Ich kenn ihn als einen heiligen Mann; nicht boshaft, nicht fürwizig sich in zeitliche Dinge einzumischen, wie dieser Edelmann gesagt hat; und ein Mann, bey meiner Treue, der niemals, wie er vorgiebt, von Euer Durchlaucht ungebührlich gesprochen hat.

Lucio.

Gnädigster Herr, auf eine ganz infame Art; glaubet mir.

Peter. Gut; er kan noch zeitig genug kommen sich zu rechtfertigen; aber in diesem Augenblik, Gnädigster Herr, ist er an einem wunderbaren Fieber krank. Bloß auf sein Bitten (da es bekannt wurde, daß hier eine Klage wieder den Freyherrn Angelo angestellt werden sollte) bin ich hieher gekommen, um aus seinem Munde zu sagen, was er von der Sache weiß, und was er, wenn er vorgeladen werden sollte, mit seinem Eyde zu bekräftigen im Stand ist. Was anforderst dieses Weibsbild betrift, so sollt ihr, zur Rechtfertigung dieses würdigen Herrn, der auf eine so öffentliche und persönliche Art von ihr beschimpft wird, hören wie sie vor euern Augen dergestalt wird überwiesen werden, daß sie es selbst wird eingestehen müssen.

Herzog.

Mein guter Pater; laßt's uns hören. Lächelt ihr nicht über diese Begebenheiten, Angelo? Himmel! Was für eine Unbesonnenheit von diesen unglüklichen Thoren! – Gebt uns Size; kommt, mein Vetter Angelo; ich will an dieser Sache keinen Theil nehmen; seyd ihr Richter in eurer eignen Sache.

(Isabella wird mit einer Wache weggeführt, und Mariane tritt mit einem Schleyer bedekt auf.)

10.Der Sinn dieser Rede besteht in einem Spiel mit dem Wort (like), welches der Herzog für wahrscheinlich, und Isabella für artig oder anständig gebraucht; denn es hat beyde Bedeutungen.