Kitabı oku: «Karl Barth und der "Kommunismus"», sayfa 2

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|21| Karl Barth als theologischer Gesprächspartner

Persönlich akzentuierte Erfahrungen zwischen Ost und West mit einer herausfordernden Theologie

1. Mit dem Anfang anfangen

Der Schweizer Theologe Karl Barth hat im vorigen Jahrhundert wie kaum ein anderer den Weg der deutschen Kirchen geprägt und mit seinen Einsichten in der theologischen Landschaft sowohl der Universitäten wie der Kirche Markenzeichen gesetzt. Mit seinem Namen ist der theologische Aufbruch der sogenannten »dialektischen Theologie« nach dem Ersten Weltkrieg verbunden, der die theologischen Auseinandersetzungen der Zwanzigerjahre bestimmte. Sein Wirken in Deutschland als Professor für systematische Theologie in Göttingen, Münster und Bonn hat ihn zum führenden Kopf der »Bekennenden Kirche« werden lassen, die sich zu Beginn der Dreißigerjahre gegen das Eindringen der »Deutschen Christen« in die Evangelischen Kirchen formierte. Aus seiner Feder stammt im Wesentlichen der Text der »Barmer Theologischen Erklärung«, die heute zu den Bekenntnisgrundlagen der reformierten und unierten Landeskirchen in Deutschland gehört. Barth repräsentiert auch den ziemlich singulären politischen Widerstand gegen das Naziregime aus dem Raum der Theologie heraus, zu dem er, nachdem man ihm 1934 in Bonn die Professur entzogen |22| hatte, von Basel aus als eine »Schweizer Stimme«33 unermüdlich aufgerufen hat. Sein Name steht in den Auseinandersetzungen der Fünfzigerjahre um die Atombewaffnung Westdeutschlands für eine entschlossene Ablehnung dieser Rüstung gut. Er hat im politischen Feld nicht weniger für viel Aufregung gesorgt, als er sich weigerte, in die antikommunistische Propaganda des »Westens« gegen den »Osten« einzustimmen – eine Weigerung, die ihn in seinem Heimatland bei nicht wenigen in den Ruf eines »Kommunisten« (was immer das sein sollte) gebracht hat. Seine Auseinandersetzung mit Rudolf Bultmanns Programm der »Entmythologisierung neutestamentlicher Texte« bestimmte bis in die sechziger Jahre hinein die theologischen Fronten in Kirche und Theologie. Mit der Ablehnung der Kindertaufe als einer »tief unordentlichen Taufpraxis«34 hat er sich gegen Ende seines Lebens in den Kirchen noch einmal richtig unbeliebt gemacht.

Das alles und noch viel mehr ist heute – über vierzig Jahre nach Barths Tod – Historie. Das gilt auch von dem Monumentalwerk, das er uns hinterlassen hat: 13 Bände »Kirchliche Dogmatik« und eine noch längst nicht zum Abschluss gekommene Gesamtausgabe seiner Schriften, Predigten, Briefe, Gespräche, die unterdessen bei Band 48 angekommen ist. In meinem Bücherregal nimmt Barth nicht weniger als vier Meter ein. Einem Menschen, der sich heute dieses Werk erschließen will, wird also viel zugemutet. Er muss nicht nur die andere Zeit verstehen, |23| in der es entstand. Er muss sich an die Sprache und an den Denkstil gewöhnen, den Barth pflegte. Das ist eine sich vorwärts tastende Sprache und ein sich gewissermaßen in Spiralen bewegendes selbstreflexives Denken, das die eigenen Einsichten immer aufs Neue noch einmal aufnimmt, um sie in Nuancen zu präzisieren und zu entwickeln. Man kann diesen Denk- und Sprachstil sogar den Manuskripten ansehen. Sie zeigen uns eine Art Fließtext fast ohne Absätze, die dann erst später für den Druck eingefügt wurden. Das Geschriebene in der Ursprungsfassung sieht aus wie ein Strom, auch wenn der immer wieder durch Selbsteinwendungen und Umwege verlangsamt wird. »Wir müssen jetzt noch tiefer bohren«, lautet z.B. eine wiederkehrende Wendung in der »Kirchlichen Dogmatik«, mit der ein neuer Gedankenschritt eingeleitet wird. Weithin gewinnt diese Dogmatik darum eine fast epische Breite. Man muss sich Zeit nehmen, wenn man Barth liest. Für das heute in den schnellen Bachelor- und Masterstudiengängen so beliebte Verfahren, ein paar Seiten aus einem Buch in »Handouts« zugänglich zu machen, eigenen sich diese Texte überhaupt nicht. Es ist also für jüngere Menschen nicht ganz einfach, Karl Barth durch seine Texte heute zum »Gesprächspartner« zu gewinnen.

Die andere Seite der Sache ist, dass diejenigen, die in jenen Strom eintauchen, in Gefahr geraten, einfach mit zu schwimmen und dabei das eigene »tiefer Bohren« zu vergessen. Das hängt auch damit zusammen, dass Karl Barths Sprache weithin einen kerygmatischen, verkündigenden Charakter hat und sogar bekenntnishafte Züge annimmt. Die »Kirchliche Dogmatik« will ja kritische Prüfung der Verkündigung und Praxis der Kirche sein |24| und zielt zugleich auf eine bestimmte Art dieser Verkündigung und Praxis. Zumal wenn es um Sein und Nichtsein der Kirche ging, wie es in der Zeit des Nationalsozialismus der Fall war, drängt sie auf die Verbindlichkeit der theologischen Einsichten, die der Kirche helfen, wahrhaft Kirche Jesu Christi zu sein. Das hat nach 1945 da und dort in den deutschen Landeskirchen dazu geführt, dass Barths Theologie eine Art Haus- und Hoftheologie wurde und das Phänomen des Barthianismus entstand. Barth war dann nicht mehr »Gesprächspartner«, sondern Haupt einer theologischen Schule, die seine Einsichten nur wiederholte.

Im Sinne unseres Baselers war das nicht. Gefragt, was er denn von »Barthianern« halte, hat er geantwortet: »[…] ich bin nie Barthianer gewesen.«35 Er wollte »Gesprächspartner« von Theologie und Kirche sein, der sie (wie Johannes mit seinem langen, ausgestreckten Zeigefinger auf dem Isenheimer Altar) immer aufs Neue auf ein Ereignis hinweist, an dem sie sich zu orientieren hat.36 Er wollte sie nicht auf noch so richtige theologische Prinzipien oder Systeme festlegen. Voraussetzung dabei war allerdings, dass in Theologie und Kirche Einigkeit darüber herrscht, dass jenes Ereignis ihr Lebensquell in jeder Hinsicht ist. Nicht die Religion als Praxis menschlicher Frömmigkeit, nicht der Kultus, nicht das Walten Gottes in der Geschichte, nicht die Ethik mit ihren Werten und erst recht nicht die Politik garantiert der Kirche ihr Leben |25| und erteilt ihr die Aufgaben. Das alles kann und muss an seiner Stelle zu seinem Recht kommen. Aber das Entscheidende ist das Ereignis des Kommens Gottes in die menschliche Geschichte, das sich im Menschen Jesus ereignete und das kraft des Wortes und Geistes Gottes Ereignis bleibt. Barth hat besonders gerne und häufig gesagt: Mit diesem »Anfang anzufangen«, ist der Kirche und der Theologie »zu jeder Stunde neu« aufgegeben.37 Sie haben sich nicht auf irgendeiner Kanalisierung dieses Anfangs auszuruhen oder jenen Anfang in allen möglichen »ismen«, zu denen dann auch der »Barthianismus« zu zählen wäre, abzutöten.

2. Theologie der Partnerschaft zwischen Gott und Mensch

Als ein Theologe, der auf die beschriebene Weise immer mit dem Anfang angefangen hat, verstand Karl Barth sich selbst. Nicht zuletzt darum ist seine Dogmatik so dick geworden. Er hat immer schon Gedachtes im Lichte jenes Ereignisses immer noch einmal neu bedacht, Unzureichendes korrigiert, Vernachlässigtes neu gewürdigt und Abgelehntes noch einmal geprüft und ihm das Beste abgewonnen. Anders denn als »Gesprächspartner«, der sich auf außergewöhnlich intensive Weise mit der Frage beschäftigt, was die Zentralstellung des Ereignisses Jesus Christus für die Kirche, für die Gesellschaft und nicht zuletzt für das eigene Leben bedeutet, konnte ich auch selbst Barth in seinem theologischen Denken gar nicht wahrnehmen, als ich – zunächst unbeleckt von allen |26| Kenntnissen über Barths kirchliche und politische Bedeutung – vor nun beinahe fünfzig Jahren begonnen habe, in der »Kirchlichen Dogmatik« zu lesen.

Ich erinnere mich noch ziemlich genau an die Umstände, unter denen das geschah. Das war im Herbst 1961 und zu Beginn des Jahres 1962. Ich wohnte damals als Student in einem Zimmerchen im vierten Stock des Berliner »Sprachenkonvikts«, der halb illegalen Kirchlichen Hochschule der Berlin-Brandenburgischen Landeskirche-Ost in der Borsigstraße.38 Durch das Fenster konnte ich direkt auf die gerade errichtete Berliner Mauer quer über die Gartenstraße sehen. Abends wurde sie angestrahlt und der Osten donnerte anfangs mit sogenannten »Schallkanonen« den Freiheitschor aus Verdis Nabucco in den Westen, worauf der Westen mit dem Freiheitschor aus Beethovens Fidelio antwortete. Vielleicht war’s auch umgekehrt. Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich aber las im Scheine einer trüben Lampe, die mir die Augen verdorben hat, in der »Kirchlichen Dogmatik« III/2, der Theologischen Anthropologie. Denn mein Lehrer, der fast so jung war wie ich, Eberhard Jüngel, hatte gerade einen Aufsatz verfasst, der noch heute als das Gescheiteste gelten kann, was zu Barths Anthropologie geschrieben wurde,39 aber den ich Anfänger in der Theologie trotzdem nicht recht verstanden hatte. Darum habe ich |27| zum »Urtext« gegriffen und bin in jenen Strom des Nachsinnens bis der Morgen graute und die Schallkanonen schwiegen, eingestiegen. Er erschloss mir Sichtweisen auf uns Menschen, die mir vorher noch niemals in den Sinn gekommen waren und er machte mir das Herz leicht. Denn mich faszinierte mit Blick auf die Mauer die Grundgestimmtheit dieser Lehre vom Menschen auf die Freiheit von uns Menschen vor Gott und der von einem feinen Humor unterfangene Realitätssinn, mit dem beschrieben wird, was wir Menschen aus dieser Freiheit machen.

Seitdem ist Karl Barth ein »Gesprächspartner« auf meinem theologischen Wege geblieben. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt. Ein Stipendium für ein Studium in Basel, das er mir an seinem 80. Geburtstag zugedacht hatte, durfte ich nicht annehmen, weil mir die DDR-Behörden die Ausreise verweigerten. Denn ich war zu Beginn meines Studiums in Leipzig wegen »Hetze und staatsgefährdender Propaganda« zu fast zwei Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Von der sozialistischen Universität wurde ich in Folge dessen relegiert und kam für einen Studienaufenthalt im »kapitalistischen Ausland« für die Mächtigen der DDR schlechterdings nicht in Frage. So ist es bei einem Gespräch geblieben, wie es auch heute Jeder und Jede führen können, die sich einen Menschen durch die Texte begegnen lassen, in denen ausgedrückt ist, was er dachte und wollte und vielleicht sogar, was er war.

Ich selbst hege, das kann ich nicht verhehlen, so etwas wie Hochachtung vor dem Lebenswerk dieses Theologen. Denn was eigentlich auf den ersten Blick so selbstverständlich klingt, nämlich dass die christliche Theologie |28| in jeder Hinsicht dem Zentralereignis des christlichen Glaubens, Jesus Christus, verpflichtet ist, erweist sich im Horizont der Theologie- und Kirchengeschichte und erst recht der Theologie, die heute nicht nur an den Universitäten getrieben wird, sicherlich nicht als selbstverständlich. Karl Barth hat die Entscheidung zu einer christozentrischen Theologie, die er zu Beginn der Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts getroffen hat, mit den Worten beschrieben: »Ich hatte [...] zu lernen, daß die christliche Lehre ausschließlich und folgerichtig und in allen ihren Aussagen direkt oder indirekt Lehre von Jesus Christus als von dem uns gesagten lebendigen Wort Gottes sein muß, um ihren Namen zu verdienen und um die christliche Kirche in der Welt zu erbauen, wie sie als christliche Kirche erbaut sein will.«40

Barth hat damals sicherlich selber noch nicht abgesehen, was diese Einsicht für den Problembestand der christlichen Theologie und für Zumutungen an die Kirche bedeutete. Denn alle christliche Theologie, angefangen von der Alten Kirche bis zu den Kirchen der Reformation und erst recht zu den Kirchen und Theologien unter dem Eindruck der europäischen Aufklärung und der Neuzeit haben sich der Geltung des christlichen Glaubens auch ohne Jesus Christus mit Argumenten aus Vernunft und Wissenschaft, aus religiöser Erfahrung und Welterfahrung vergewissert und sie so abgesichert. Barths Theologie arbeitet ohne ein derartiges Netz. Sie atmet das Zutrauen dazu, dass alles, was Menschen zwischen |29| Himmel und Erde bewegt und umtreibt, vom Kommen Gottes in unsere Welt gehalten und orientiert ist.

Das führt in der »Kirchlichen Dogmatik« zu einem Umbau und zu einer Neufassung fast aller dogmatischen Lehrstücke, der in der Theologiegeschichte ohne Zweifel einzigartig ist. Gott im ewigen Anfang aller seiner Wege und Werke, der Kosmos und die Menschheit auf ihren Wegen, das Ende der irdischen Welt und der Tod werden in das Licht des in Jesus Christus begegnenden Gottes gestellt und in diesem Lichte der Geschichte der Gnade Gottes mit der Menschheit zugeordnet. Die Darstellung des Zentrums dieser Geschichte in der Versöhnungslehre (KD IV/1–IV/4) ist schon rein architektonisch ein Meisterwerk. In der Sache entfaltet sie, dass das Verhältnis zwischen Gott und der Menschheit als Geschichte einer Partnerschaft zu verstehen ist, für die der menschenfreundliche Gott unter uns Menschen eintritt und uns befähigt, selbst als freie Partnerinnen und Partner Gottes ein Leben zu führen, das wahrhaft menschlich zu heißen verdient.41

Barth hatte seinen theologischen Weg mit der Auslegung des Römerbriefes des Apostels einmal begonnen, indem er angesichts der religiösen Verweltlichung Gottes in der Kirche scharf und streng den »unendlichen qualitativen Unterschied zwischen Gott und Mensch« einzuüben |30| trachtete.42 In der »Kirchlichen Dogmatik« dagegen ist er unermüdlich dabei, dem unendlichen Reichtum nachzudenken, der für die Kirche und die Menschheit im Zusammensein von Gott und Mensch, für das der Name Jesu Christi gut steht, beschlossen ist. Seine Theologie der Partnerschaft zwischen Gott und Mensch lässt ihn darum Gesprächspartner für alle bleiben, die es als Aufgabe von Theologie und Kirche erkannt haben, inmitten der Fragen und Herausforderungen ihrer Zeit von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die Gott als Partner und Freund der Menschen aller Welt und jedem Menschen erschlossen hat.

Es gäbe nun viele Möglichkeiten, das anhand engerer theologischer Fragen zu illustrieren. Barth hat z.B. große Verdienste um die Neubelebung des trinitarischen Denkens im vorigen Jahrhundert, um die Begründung und Entfaltung des Schöpfungsglaubens, um die Verbindung dogmatischer Reflexion und Ethik. Zur Eschatologie, also zur Entfaltung des Wesens der christlichen Hoffnung ist er nicht mehr gekommen. Das, was davon in der »Kirchlichen Dogmatik« schon erkennbar ist, reizt aber dazu, weiterentwickelt zu werden. Seine Kritik an der Kindertaufe dürfte immer noch aktuell sein. Es gäbe also viele theologische Bereiche, in denen Barth auch heute ein äußerst inspirierender Gesprächspartner ist. Ich begnüge mich hier damit, an die Bedeutung zu erinnern, die er für den Weg der Kirchen Deutschlands nach 1945 und besonders für den Weg der Kirchen in der DDR hatte, um |31| von dort aus die Notwendigkeit zu unterstreichen, mit seiner Theologie auch heute im Gespräch zu bleiben.

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