Kitabı oku: «Historisches Lernen mit schriftlichen Quellen»
Wolfgang Buchberger
Historisches Lernen mit schriftlichen Quellen
Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik
Geschichte – Sozialkunde – Politische Bildung
Band 15
Herausgegeben von
Christoph Kühberger, Heinrich Ammerer und Wolfgang Buchberger
Wolfgang Buchberger
Historisches Lernen mit schriftlichen Quellen
Eine kategoriale Schulbuchanalyse österreichischer Lehrwerke der Primar- und Sekundarstufe
© 2020 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck
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ISBN 978-3-7065-6094-8
Buchgestaltung nach Entwürfen von himmel. Studio für Design und Kommunikation,
Innsbruck/Scheffau – www.himmel.co.at Satz: Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig Umschlag: Studienverlag/Maria Strobl
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Inhalt
Vorwort
I. Einleitung
I.1 Vom Anspruch, historisch denken zu lernen
I.2 Gliederung der Arbeit
II. Forschungsstand und Forschungsfragen
II.1 Untersuchungsleitende Forschungsfragen
II.2 Forschungsstand zu Textquellen in Schulbüchern
III. Dimensionen des Historischen Lernens
III.1 Historisches Lernen
III.2 Historisches Lernen in der Primarstufe
III.3 Historisches Lernen mit Textquellen
III.4 Historisches Lernen mit Schulbüchern
IV. Schriftliche Quellen und ihr Einsatz im historischen Lernen
IV.1 Was sind schriftliche Quellen?
IV.2 Warum mit schriftlichen Quellen arbeiten?
IV.2.1 Exkurs zur Primarstufe
IV.3 Wie mit schriftlichen Quellen umgehen?
V. Normative Vorgaben
V.1 Lehrplan der Primarstufe
V.2 Lehrplan der Sekundarstufe I
V.3 Lehrplan der Sekundarstufe II
V.4 Normative Vorgaben in Prüfungsordnung und Maturahandreichung
VI. Analyedimensionen und -kategorien
VI.1 Untersuchungskorpus und methodische Vorgehensweise
VI.1.1 Geschichtsschulbücher als Untersuchungsgegenstand
VI.1.2 Methodisches Vorgehen
VI.2 Analysedimensionen und -kategorien: Das Untersuchungsinstrument
VI.2.1 Analysekategorien im Bereich „Buch“
VI.2.2 Analysekategorien im Bereich „Quelle“
VI.2.3 Analysekategorien im Bereich „Aufgabe“
VI.3 Intercoder-Reliabilitätsprüfung
VI.3.1 Methodisches Vorgehen
VI.3.2 Interreliabilitätswerte für den Untersuchungsbereich „Quelle“
VI.3.3 Interreliabilitätswerte für den Untersuchungsbereich „Aufgabe“
VI.4 Elemente fachspezifischer Lernprogression
VII. Ergebnisse
VII.1 Ergebnisse der Primarstufe
VII.1.1 Analysebereich „Buch“
VII.1.2 Analysebereich „Quelle“
VII.1.3 Analysebereich „Aufgabe“
VII.1.4 Fazit
VII.2 Ergebnisse der Sekundarstufe I
VII.2.1 Analysebereich „Buch“
VII.2.1.1 Schulstufe, Anzahl der Textquellen und Seitenzahl
VII.2.1.2 Methodenseiten
VII.2.2 Analysebereich „Quelle“
VII.2.2.1 Gattung und Länge
VII.2.2.2 Form
VII.2.2.3 Informationen zur Quelle
VII.2.2.4 Hilfestellungen (Quelle)
VII.2.2.5. Lebensweltbezug (Quelle)
VII.2.2.6 Verhältnis zu anderen Schulbuchelementen/Kohärenzen
VII.2.3 Analysebereich „Aufgabe“
VII.2.3.1 Aufgabensequenzen
VII.2.3.2 Hilfestellungen (Aufgabe) und Differenzierungsmöglichkeiten
VII.2.3.3 Operatoren und Anforderungsbereiche
VII.2.3.4 Offenheit
VII.2.3.5 Komplexität
VII.2.3.6 Lebensweltbezug (Aufgabe)
VII.2.3.7 Wissenstypen/Arten fachspezifischen (Vor-)Wissens
VII.2.3.8 Kompetenzen historischen Denkens
VII.3 Ergebnisse der Sekundarstufe II
VII.3.1 Analysebereich „Buch“
VII.3.1.1 Schulstufe, Anzahl der Textquellen und Seitenzahl
VII.3.1.2 Methodenseiten
VII.3.2 Analysebereich „Quelle“
VII.3.2.1 Gattung und Länge
VII.3.2.2 Form
VII.3.2.3 Informationen zur Quelle
VII.3.2.4 Hilfestellungen (Quelle)
VII.3.2.5 Lebensweltbezug (Quelle)
VII.3.2.6 Verhältnis zu anderen Schulbuchelementen/Kohärenzen
VII.3.3 Analysebereich „Aufgabe“
VII.3.3.1 Aufgabensequenzen
VII.3.3.2 Hilfestellungen (Aufgabe) und Differenzierungsmöglichkeiten
VII.3.3.3 Operatoren und Anforderungsbereiche
VII.3.3.4 Offenheit
VII.3.3.5 Komplexität
VII.3.3.6 Lebensweltbezug (Aufgabe)
VII.3.3.7 Wissenstypen/Arten fachspezifischen (Vor-)Wissens
VII.3.3.8 Kompetenzen historischen Denkens
VII.4 Ergebnisse im Querschnitt und Vergleich
VII.4.1 Analysebereich „Buch“
VII.4.1.1 Schulstufe, Anzahl der Textquellen und Seitenzahl
VII.4.1.2 Methodenseiten
VII.4.2 Analysebereich „Quelle“
VII.4.2.1 Gattung und Länge
VII.4.2.2 Form
VII.4.2.3 Informationen zur Quelle
VII.4.2.4 Hilfestellungen (Quelle)
VII.4.2.5 Lebensweltbezug (Quelle)
VII.4.2.6 Verhältnis zu anderen Schulbuchelementen/Kohärenzen
VII.4.3 Analysebereich „Aufgabe“
VII.4.3.1 Aufgabensequenzen
VII.4.3.2 Hilfestellungen (Aufgabe) und Differenzierungsmöglichkeiten
VII.4.3.3 Operatoren und Anforderungsbereiche
VII.4.3.4 Offenheit
VII.4.3.5 Komplexität
VII.4.3.6 Lebensweltbezug (Aufgabe)
VII.4.3.7 Wissenstypen/Arten fachspezifischen (Vor-)Wissens
VII.4.3.8 Kompetenzen historischen Denkens
VII.4.4 Fazit zur Lernprogression
VIII. Diskussion
VIII.1 Limitationen der Studie
VIII.2 Zentrale Befunde und Implikationen der Studie
VIII.3 Anregungen für weitere Forschung
VIII.4 Ausblick
IX. Literaturverzeichnis
IX.1. Sekundärliteratur
IX.2. Schulbücher
IX.2.1. Primarstufe
IX.2.2. Sekundarstufe I
IX.2.3. Sekundarstufe II
Vorwort
Das Ziel historischen Lernens ist es, den Rahmen zu schaffen für die Entwicklung eines reflektierten und reflexiven Geschichtsbewusstseins. Für den schulischen Unterricht bedeutet dies, dass Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit bekommen, sich aus einer spezifisch fachlichen Perspektive in der Gegenwart zu orientieren, Geschichte als sinnbildende Verknüpfung der Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu begreifen, zu verstehen, dass Entscheidungen oder Urteile für Gegenwart und Zukunft eventuell anders getroffen werden, wenn vergangene Ereignisse und Entwicklungen in die Wahrnehmung und Bewältigung aktueller Herausforderungen mit einbezogen werden.
Dafür braucht es mehr als inhaltsorientierte reproduktive Zugänge und mehr als kritische Auseinandersetzung mit Materialien und Informationen ohne jegliche Orientierungsfunktion historischen Denkens.1 Es ist dabei sicher nicht das Ziel des schulischen Unterrichts, „kleine“ Historiker*innen auszubilden, sondern vielmehr, dass die Lernenden fachspezifische Konzepte und Prozeduren verstehen,2 um befähigt zu sein, kritisch über historische Fragestellungen der Gegenwart nachzudenken, an Diskursen über solche verständig teilzuhaben und geschichtskulturellen Produkten reflektiert zu begegnen.
Die dabei erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten historischen Denkens werden stetig weiterentwickelt und sind auch als fachliche Bildungsbasis für ein lebenslanges Weiter-Lernen zu verstehen. Die in der Schule kennen gelernten fachspezifischen Werkzeuge können so weiter verbessert und im Transfer auf immer neue Situationen adaptiert werden, um durch Reflexion zu neuen Erkenntnissen zu kommen und den eigenen Horizont zu erweitern. So verstanden handelt es sich beim historischen Lernen um einen grundlegenden Beitrag zur reflektierten Welterschließung und selbstreflexiven Subjektbildung neben anderen fachlichen Zugängen – „Wissensarchitekturen menschlicher Weltzugänge“3 –, um kritisch und konstruktiv an der Gesellschaft partizipieren zu können. Dabei legitimiert sich der Geschichtsunterricht „nicht durch irgendwelche ‚Nützlichkeit‘ im Sinne ökonomisch verwertbaren Wissens. Historisches Denken ist vielmehr eine nicht substituierbare Weise der Welterfahrung und Subjektbildung“.4
Aus diesem domänenspezifischen historischen Zugang heraus werden aber auch überfachliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften angelegt, die in andere Wissensdomänen oder Lebensbereiche ohne deutlichen Bezug auf Historisches transferiert werden können. Dazu zählen etwa die Wahrnehmung bzw. Miteinbeziehung anderer (vergangener und gegenwärtiger) Perspektiven und Perspektivenreflexion oder das Konzept „Belegbarkeit“ im Zusammenhang mit allgemeinen Argumentationen bzw. in der kritischen Auseinandersetzung mit medialen Konstruktionen, die zusammen einen Beitrag zu aufgeklärter Emanzipation der Lernenden leisten.5
Lernende sollen auf diese Weise den Wert fachspezifischen Wissens als Möglichkeit erkennen, die Welt aus bestimmten, aber unterschiedlichen Erkenntnisperspektiven wahrzunehmen, Transfer- und Verknüpfungsmöglichkeiten herzustellen und somit das eigene Leben auf reflektierte Weise zu bewältigen. Wenn es gelingt, dass Lernende im historischen Lernen abstrakte Wissensbestände als persönlich bedeutsame und transferierbare zu erkennen, ist ein wesentlicher Schritt in Richtung reflektiertes (selbst-)reflexives Individuum gelungen.
Eingedenk der Bedeutsamkeit fachspezifischen historischen Lernens entstand die Idee zu meiner Promotionsarbeit, welche nun in dieser Form publiziert wird. Zum Gelingen derselben haben viele Menschen beigetragen, denen ich danken möchte:
Mein besonderer Dank gilt zuvorderst meiner Frau Daniela und meinen Kindern, die mich in den Jahren der beruflichen Mehrfachbelastungen durch die Arbeit an meiner Dissertation unterstützt und immer wieder motiviert haben, wenngleich sie auch oftmals auf mich verzichten mussten. Ich freue mich darauf, ihnen nach Abschluss der Arbeit wieder etwas von der „gestohlenen Zeit“ zurückzugeben.
Maßgeblich für das Gelingen der Arbeit waren auch die Rahmenbedingungen an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig, die für forschende Mitarbeiter*innen bestmögliche Voraussetzungen schafft, von denen auch ich profitieren konnte. Hier gilt mein Dank vor allem Rektorin Elfriede Windischbauer.
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch herzlich bei meinen beiden Betreuern Christoph Kühberger und Thomas Hellmuth, die von Beginn an die Arbeit konstruktiv unterstützt haben. Vor allem Christoph Kühberger stand zu jeder Zeit für Diskussionen, konstruktive Kritik, pragmatische Lösungsvorschläge und aufmunternde Worte bereit und unterstützte auf diese Weise – nicht zuletzt durch seine Begleitung ausgewählter Untersuchungsteile im Expertenrating – ganz maßgeblich das Vorankommen der vorliegenden Arbeit. Zu danken gilt es außerdem Holger Thünemann, der sich als Gutachter zur Verfügung stellte und mit wertvollen Kommentaren und detaillierten, konstruktiven Anregungen diese Arbeit bereicherte.
Sehr fruchtbar und inspirierend waren auch der fachliche Austausch, die vielen Gespräche und Diskussionen in der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Mitarbeiter*innen in ähnlich gelagerten Forschungsprojekten am Standort Salzburg. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle Christoph Bramann, der mit seiner Forschung zu fachspezifischen Lernaufgaben nicht nur als wertvoller Gesprächspartner, sondern auch als kompetenter Codierer in der Interraterreliabiliätsüberprüfung zur Verfügung stand.
Hilfreich waren auch Gespräche und Diskussionen in der FUER-Community. Stellvertretend möchte ich hier für die Anregungen im FUER-Nachwuchskolloquium Waltraud Schreiber, Wolfgang Hasberg, Andreas Körber, Johannes Meyer-Hamme und Bodo von Borries danken.
Meinen Dank aussprechen möchte ich ebenso Christof Sander, der das Datenmanagement begleitete und mir in der entscheidenden Phase der Auswertung der Ergebnisse tatkräftig zur Seite stand.
Salzburg, am 4.3.2020
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1 Vgl. Meyer-Hamme 2018, 78.
2 Vgl. Greiner et al. 2019.
3 Greiner 2019.
4 Günther-Arndt 2014, 26.
5 Vgl. Bergmann 1985, 236–240.
„Wenn man einmal von der Erkenntnis der ‚Konstruktion, Perspektivität und Narrativität‘ getrunken hat, kann man nicht zurück. Denn man kann keine ‚richtige Geschichte‘ ohne Perspektivenwechsel, Konstruktionsprinzipien und Deutungsmuster mehr beibringen.“6 (Bodo von Borries)
I. Einleitung
I.1 Vom Anspruch, historisch denken zu lernen
Mit neuen, konstruktivistischen Ansätzen in der Geschichtswissenschaft vollzieht sich spätestens seit den 1970er-Jahren ein Wechsel im Geschichtsunterricht, in dem die Erzählung durch die Lehrperson zusehends ihren Status als Grundform schulischer Geschichtsvermittlung einbüßt und das didaktisch-methodische Paradigma der Quellenorientierung in den Vordergrund tritt.7 Dabei handelt es sich um eine Entwicklung, welche jedoch erst ab der Jahrtausendwende in Österreich verstärkt rezipiert wird.
Neben der Quellennutzung rückt entlang der Entwicklung der fachspezifischen Kompetenzorientierung das reflektierte und selbstreflexive Geschichtsbewusstsein der Schülerinnen und Schüler in den Brennpunkt des Geschichtsunterrichts. Das Motto lautet dabei „Geschichte denken, statt Geschichte auswendig zu lernen“8. Dem liegt ein dem gemäßigten Konstruktivismus zuzuordnendes narrativistisches Geschichtsverständnis zugrunde, das grundsätzlich zwischen der abgeschlossenen Vergangenheit und ihrer Re-Konstruktion durch historische Narrationen, z. B. fachwissenschaftliche Publikationen, aber auch Dokumentarfilme, unterscheidet.9 An die Stelle der reinen Aneignung von vorhandenem historischen Gegenstands- und Erkenntniswissens oder der bloßen Reproduktion von vorhandenen Erzählungen über die Vergangenheit tritt also die Grundlegung und Ausdifferenzierung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften des historischen Denkens, um sich kritisch mit Fragen über die Vergangenheit, mit der Re-Konstruktion von Vergangenheit durch historische Quellen, der De-Konstruktion von Darstellungen der Vergangenheit, mit inhalts- und theoriebezogenen Begriffen, Konzepten, Prinzipien, Kategorien und mit Orientierungsmöglichkeiten für die Gegenwart und Zukunft zu beschäftigen.10
Auszug aus dem Lehrplan für „Sachunterricht“ der Primarstufe:
„Im Sachunterricht sind Lernprozesse so zu organisieren, dass Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Kenntnisse, Einsichten und Einstellungen grundgelegt werden. (…) Die Kinder lernen dabei schrittweise, sich Informationen zu beschaffen, zu interpretieren und kritisch zu bewerten.“ Im Abschnitt „Erfahrungs- und Lernbereich Zeit“ der Grundstufe II heißt es u. a.: „Erste Einsichten für Veränderungen durch fachspezifische Arbeitstechniken gewinnen“ durch „Begegnung mit Zeitzeugen; anderen Quellen der Vergangenheit“. (BGBl. II Nr. 402/2010)
Auszug aus dem Lehrplan für die Sekundarstufe I:
„Der Unterricht in Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung ist so zu gestalten, dass es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht wird, historische und politische Kompetenzen zu erwerben. Dabei sind folgende Kompetenzbereiche zu berücksichtigen“. Erwähnt werden hier im folgenden Abschnitt die „Historische Fragekompetenz“, die „Historische Methodenkompetenz“, die „Historische Methodenkompetenz“ und die „Historische Orientierungskompetenz“. (BGBl. II Nr. 290/2008)
Auszug aus dem Lehrplan für die Sekundarstufe II:
„Historisches und politisches Lernen soll mehr sein als eine rein intellektuelle Aneignung von Sach- und Fachwissen“. (BGBl. II Nr. 277/2004)
Auszug aus der Prüfungsordnung für die Reifeprüfung in allgemeinbildenden höheren Schulen:
„Im Rahmen der mündlichen Teilprüfung ist jeder Prüfungskandidatin und jedem Prüfungskandidaten im gewählten Themenbereich eine kompetenzorientierte Aufgabenstellung, welche in voneinander unabhängige Aufgaben mit Anforderungen in den Bereichen der Reproduktions- und Transferleistungen sowie der Reflexion und Problemlösung gegliedert sein kann, schriftlich vorzulegen.“ (BGBl. II Nr. 174/2012)
Auszug aus der ministeriellen Handreichung zur kompetenzorientierten Reifeprüfung:
„Für die neue kompetenzorientierte mündliche Reifeprüfung sind die historischen und politischen Kompetenzen, die speziell für das Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung erarbeitet wurden, von größter Bedeutung.“ Und weiter: „Da sich kompetenzorientierte Aufgabenstellungen auf ein fachspezifisches Kompetenzmodell beziehen sollten, greift die vorliegende Handreichung auf die gesetzlich normierten historischen und politischen Kompetenzen zurück, die im Unterstufenlehrplan der AHS von 2008 verordnet wurden.“ (BMUKK 2011)
Abb. 1: Curriculare Hinweise auf einen reflektierten und reflexiven Umgang mit Vergangenheit und Geschichte in allen Schulstufen
Dieser fachspezifisch kompetenzorientierte Zugang ist in Österreich seit 2008 im Lehrplan für die Sekundarstufe I verankert11 und für die Sekundarstufe II zumindest seit 2011 – vier Jahre vor der ersten kompetenzorientierten mündlichen Reifeprüfung aus „Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“ im Sommersemester 2015 – grundlegend geworden, da die Reifeprüfungsverordnung ebenfalls einen derartigen Zugang erwartet. Es finden sich auch bereits in der Primarstufe im Lehrplan für „Sachunterricht“ Hinweise auf einen reflektierten und reflexiven Umgang mit Vergangenheit und Geschichte.12
Zudem wird der kompetenzorientierte Ansatz in den mittlerweile neu verordneten Lehrplänen für die Sekundarstufen I und II noch stärker akzentuiert. Seit 2016 gilt in Österreich ein neuer Lehrplan für den Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“ in der Sekundarstufe I, in welchem die Aspekte fachspezifischer Kompetenzorientierung noch deutlicher ausformuliert sind, da historische und politische Teilkompetenzen in einzelnen Modulen explizit ausgewiesen werden und zusammen mit sogenannten „thematischen Konkretisierungen“ behandelt werden müssen. Im Modul 3 der 6. Schulstufe zum Thema „Mittelalter“, in dem sich drei sogenannte Kompetenzkonkretisierungen (i. e. Teil- bzw. Einzelkompetenzen) und drei „Thematische Konkretisierungen“ finden, könnte beispielsweise die „Kompetenzkonkretisierung“ „Schriftliche und bildliche Quellen beschreiben, analysieren und interpretieren“ mit der Angabe „Lebensweisen in Stadt und Land, wirtschaftlicher und technischer Wandel re-konstruieren“ aus der „Thematischen Konkretisierung“ des Moduls kombiniert werden.13
Gleiches gilt für den seit 2016 verordneten semestrierten14 Lehrplan für „Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“ für die Sekundarstufe II. Hier kann beispielhaft die 9. Schulstufe herangezogen werden, in der die zu behandelnde Teilkompetenz „Die unumgängliche Perspektivität und Intention von historischen Quellen feststellen“ mit der thematischen Verknüpfung „Ausbreitung von Kultur, Religion und Herrschaftsgebieten in europäischen und außereuropäischen Machtzentren sowie damit verbundenen Vernetzungen und Wechselwirkungen“ bearbeitet werden könnte, wobei dem Lehrplan entsprechend die thematische Eingrenzung für diese Schulstufe, „Von der griechisch-römischen Antike bis zum Ende des Mittelalters unter Berücksichtigung von Gegenwartsphänomenen“, zu berücksichtigen ist.15
Doch wie genau ist es um die domänenspezifische Kompetenzorientierung in Österreichs Schulbüchern nach deren Implementierung in den normativen Vorgaben (Lehrplan 2008/Maturaleitfaden 2011) bestellt? Dazu gibt es bisher nur punktuelle empirische Einblicke,16 weshalb sich das in diesem Beitrag vorgestellte Promotionsprojekt dieser Frage annimmt. Verständlicherweise kann dies auch in der vorliegenden Arbeit nur in Teilaspekten geschehen, weswegen schriftliche Quellen und deren Einsatz im Geschichtsschulbuch untersucht werden.17 Die Einschränkung auf diese Quellenart begründet sich zum einen auf der zentralen Bedeutung von schriftlichen Quellen „für jede Beschäftigung mit Geschichte“,18 zum anderen darauf, dass eine Ausweitung der Untersuchung den Rahmen dieses Projekts und die dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen überstiegen hätte. Zum Begriff „Einsatz“ muss erläuternd hinzugefügt werden, dass nicht der tatsächliche Einsatz im Unterricht in Form von Unterrichtsbeobachtungen untersucht wird, sondern die entlang der Analyse von schriftlichen Quellen und Aufgaben im Schulbuch herausgearbeiteten bzw. in den konkreten Formulierungen der Arbeitsaufgaben zu den schriftlichen Quellen grundgelegten Möglichkeiten von Schulbüchern, fachspezifische Kompetenzen anzubahnen. Letztlich handelt es sich beim Begriff „Einsatz“ also um die durch die Schulbuchautor*innen grundgelegte bzw. angeregte Verwendung schriftlicher Quellen im Schulgeschichtsbuch, welche sich anhand bestimmter Untersuchungsdimensionen und -kategorien beschreiben, analysieren und interpretieren lässt.19
„Wenn die auf Lernen und Lehren bezogene Strukturierung untersucht werden soll, kommt den Arbeitsaufträgen eine besondere Bedeutung zu. Das Grundproblem, dessen man sich bewusst sein muss, ist, dass Schulbuchanalysen nicht erheben können, wie im Geschichtsunterricht mit den Büchern gearbeitet wird, sondern nur, welche Möglichkeiten im Buch liegen.“20