Kitabı oku: «Zwischen Gras und Wolken»

Yazı tipi:

Wolfgang Krinninger

Zwischen Gras und Wolken

Geschichten vom täglichen Glück

Verlag am Eschbach

INHALT

1  COVER

2  HAUPTTITEL

3  Inhalt

4  Einführung

5  Erdiges Glück – Geschichten von Haus und Hof Was kommt jetzt? Von der Gastfreude Erdiges Glück Goldgräberstimmung Sagt mir, wo die Hühner sind – der Vogelgrippeblues Deutschland ohne Dackel Eine Lehre des Sommers Max geht Willst du Gottes Wunder sehen …

6  Vaterfreuden – Zum Glück hat Mann Familie Albtraum vom Glück Bruder Baum Opa cool Tanzend den nächsten Schritt tun Von der Weite des Meeres Zeit der Wunder

7  Aus der Schatzkiste des Lebens – Nur aufbrechen, das muss man Ein Mann sieht rot Freunde! Im Windschatten Das Meer sehen Reise in die Erinnerung Schatzkiste des Lebens

8  Hurra, ich lebe! – Geschichten vom täglichen Glück Träumst du noch? Eine Übung in Demut Kostbare Momente Das Leben spüren Lebensquell Entwurzelt Höhenrausch Frühlingsgefühle Ein neuer Tag

9  ÜBER DEN AUTOR

10  ÜBER DAS BUCH

11  IMPRESSUM

12  HINWEISE DES VERLAGS

Liebe Leserin, lieber Leser,

Das gusseiserne Gestell einer uralten Singer-Nähmaschine bildet das Gerüst. Darauf festgeschraubt ist eine einfache, drei Zentimeter dicke Fichtenholzplatte. Mein Schreibtisch. Rechterhand züngeln die Flammen im Fenster der Einheize des Kachelofens. Bis auf ein paar Wochen im Hochsommer geht das Feuer abends nie aus – die Nächte können kühl sein bei uns im Bayerischen Wald, hier oben auf 700 Meter Höhe, wo sich Hase und Fuchs Gute Nacht sagen. Wende ich den Kopf noch ein wenig weiter nach rechts, fällt der Blick auf Klavier, Harfe, Gitarre und meist wild verstreute Notenblätter – „Spielplatz“ für die Seelen unserer Kinder. In meinem Rücken: die stets offene Tür zur Küche. Kulinarischer Mittelpunkt, und der Ort, an dem Gespräche manchmal urplötzlich tiefgründeln.

Mein winziger Schreibtisch in der Mitte unseres Hauses. Hier komme ich abends zur Ruhe, lausche ich in mich selbst hinein: War da ein Ereignis, das dem Tag eine ungewöhnliche Wendung gab? Wem bin ich begegnet? Wer ließ mich lächeln? Wer half mir, die Welt ein wenig besser zu verstehen? Schenkte mir die kleine Flucht am Feierabend mit dem Mountainbike oder dem Motorrad noch ein Gipfel-erlebnis, bei dem die Seele einen Hüpfer machte? Nein, es muss nichts Großes sein. Aber jeder Tag ist für eine kleine Überraschung gut. Nur die Chance dazu, die muss man dem Tag schon geben.

Das Leben meinte es häufig verdammt gut mit mir. Ich durfte faszinierende Menschen kennenlernen, kenne Krieg nur aus Erzählungen der Alten, lebe auf einem herrlichen Flecken Erde, hörte den ersten Schrei unserer Kinder und heulte vor Freude. Das ist unfassbares Glück. Und daran möchte ich Sie auf den folgenden Seiten ein wenig teilhaben lassen. An wunderbaren, schönen und manchmal auch traurigen Augenblicken zwischen Gras und Wolken, wo man vor lauter Staunen ganz klein wird, weil man einen Blick in Höhen erhascht, wo nichts den Horizont begrenzt.

Ihr

Wolfgang Krinninger

Erdiges Glück

Was kommt jetzt?

Asta musste niemand etwas befehlen. Auch ein erhobener Zeigefinger war nicht notwendig.

Frauchen und Herrchen unterhielten sich einfach mit ihr. Und sie reagierte. Sie trippelte zur Tür der Stube, betätigte mit der Pfote die Klinke und ließ die Katze herein, wenn es notwendig war. Sie trug Einkaufstüten, beschützte die Hühner, weckte mit kleinen Stupsern das Frauchen, wenn es abends beim Lesen im bequemen Sessel eingeschlafen war. Asta war eine korpulente Mischlingshündin. Sie kam als Welpe zu dem älteren Ehepaar und wurde gemeinsam mit ihm alt und älter. Die drei bewohnten ein winziges Häuschen in der Einsamkeit des Bayerischen Waldes. Stube, Speisekammer, Schlafzimmer, Stall und Stadel.

Sie waren von morgens bis abends beisammen. Sie aßen gemeinsam, schliefen in einem Zimmer, gingen miteinander spazieren. Wenn es etwas zu feiern gab, freute sich auch der Hund, wenn einer traurig war, lag sein Kopf auf dessen Knie, und in seinen Augen lag der Trost von tausend Jahren. Ich weiß nicht mehr, wer von den dreien als erster gestorben ist, aber ich bin sicher, dass sie kurz hintereinander gingen, weil keiner ohne den anderen auf Dauer hätte sein können.

30 Jahre später. Wir sind selber wieder auf den Hund gekommen. Dackeldame Rocca lebt seit sechs Jahren bei uns. Ähnlich wie bei Asta verheißt auch ihr Blick Nibelungentreue bis ans Ende der Tage. Sie beherrscht das gesamte Einmaleins des Gehorsams perfekt, hat die Jägerprüfung mit Bravour bestanden. Schön und reizend wie sie ist, füllt sie allein mehrere Fotoalben. Und wenn sie sich auf den Rücken fallen lässt und alle vier Beinchen von sich streckt, kann kein gewöhnlicher Mensch dem Kraulreflex widerstehen und schließt sie sofort ins Herz. Nur: Wenn es der Dackeldame gerade nicht passt, verschlingt sie die Hand, die sich ihr entgegenstreckt. Wenn im Umkreis von 300 Kilometern auch nur ein einziges Wildtier versteckt ist, schert sie sich nicht die Bohne um irgendwelche Anweisungen von Frauchen oder Herrchen. Und die Zeiten sind noch nicht lange vorbei, als sie im Übereifer das gesamte Mobiliar in erreichbarer Höhe zerlegte. Und dann kam jener Nachmittag um Weihnachten.

Der Hund und ich waren allein zu Hause. Ich beschloss, meine Schwester zu besuchen.

Hundehalter kennen diesen Blick: Eine Mischung aus Verbitterung und purer Verachtung. Aber ich ließ mich nicht erweichen. Der Dackel blieb daheim. Meine Schwester und ich ratschten, lachten, tranken Kaffee. Irgendwann klingelte das Telefon bei ihr. Sie ging ran, Stille. Sie wirkte verwirrt, als sie mir den Hörer in die Hand drückte: „Das ist eure Nummer auf dem Display.“ Jetzt war ich es, der mit einem fragilen Gesichtsausdruck „Hallo!“ sagte.

Die Reaktion am anderen Ende der Leitung war keineswegs dazu angetan, die Situation in eine plausible Bahn zu lenken: „Wuff, wuff, wuff!“ Mir fiel nichts Besseres ein, als erneut „Hallo“ zu sagen, mit einem sehr langem „o“ und ganz vielen Fragezeichen im Hirn. Die Reaktion blieb dieselbe: „Wuff, wuff, wuff!“ Ich legte auf und schaute vermutlich in dem Moment drein, als hätte mich im selben Moment ein Blitz getroffen und mir ein Außerirdischer eine Watschen verpasst.

Und wissen Sie was? Ich habe noch immer keinen Schimmer, wie es dem Hund gelungen war, mit mir zu telefonieren. Geschweige denn, was er eigentlich von mir wollte. Meine Nachforschungen verliefen im Sande. Es bleibt ein Geheimnis. Aber ich gehe nun davon aus, dass dieser völlig unberechenbare Dackel sogar noch fähiger als die selige Asta ist. Bleibt die bange Frage: Was kommt als nächstes?

Von der Gastfreude

Als die „Fremden“ kamen, räumten meine Eltern manchmal sogar ihr Schlafzimmer. Das war nicht so ungewöhnlich damals in den 70er-Jahren, als der Tourismus noch Fremdenverkehr hieß. Ein zartes Nebenerwerbspflänzchen mehr für die knappen Haushaltskassen einiger Höfe im Unteren Bayerischen Wald. „Urlaub auf dem Bauernhof“ lautete das Zauberwort. Familienanschluss und Vollpension inklusive. Vor allem in den Sommermonaten und um Weihnachten war unsere Stube voll mit unterschiedlichsten Leuten: von der Keramiker-Auszubildenden bis zum Theologiestudenten, vom trinkfesten Skatspieler bis zum asketischen Wandersmann, von der Ärztin, die die größte Freude daran hatte, bei der Heuernte zu schwitzen, bis zum Rentner, der noch einmal die alte Heimat sehen wollte. Und mittendrin meine Mutter, die von morgens bis abends rackerte und nichts unversucht ließ, allen ein offenes Ohr und für die Dauer des Aufenthalts ein Stück Heimat zu schenken. Den meisten hat es gefallen, sie kamen immer wieder; manche wurden zu Freunden.

Für uns Kinder – zumindest diejenigen, die noch zu klein waren, um mithelfen zu müssen – war es das Paradies: Wir machten mit gleichaltrigen Spielkameraden die Gegend unsicher, prahlten mit unseren Bulldog-Fahrkünsten, lauschten interessanten Geschichten und hatten relativ schnell auch heraus, wie man unangenehmen Zeitgenossen aus dem Weg geht. Von ersten zarten Banden, die im Teeniealter zwischen Urlaubermädchen und Bayerwaldbuben geknüpft wurden, ganz zu schweigen. Vermutlich lag es an der Abhärtung durch den Gästebetrieb, dass meine Eltern später klaglos ertrugen, dass sich in unserem Haus oft die Jugend der ganzen Region traf. Reden, lachen, am Lagerfeuer träumen, an Motorrädern basteln, Musik hören, Bier trinken, in die Sterne schauen. Bis zum Morgengrauen, wenn schließlich die Melkmaschine und der Gesang der Vögel den Beginn eines neuen Tages ankündigten. Schön war das.

Von den einstigen Urlauberhöfen sind nicht viele übriggeblieben. Die Vorstellungen der Gäste haben sich grundlegend verändert. Von jungen, unbekümmerten Couchsurfern abgesehen, würde heute kein Mensch mehr in einem umfunktionierten Elternschlafzimmer übernachten wollen. Auch wir haben die Gästezimmer längst aufgegeben. Geblieben sind die offenen Türen, das offene Haus. Es vergeht fast kein Wochenende, an dem nicht eines der Kinder mit Freunden am Lagerfeuer sitzt. Gastschüler aus vielen Ecken der Welt lernen bei uns das Landleben kennen. Der Tisch im Esszimmer kann oft nicht groß genug sein. „Die Gastfreundschaft vergesst nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt“ (Hebr 13,2), heißt es in der Bibel. Und selbst wenn es nicht immer Engel sind, die man beherbergt, ist die Gastfreundschaft vor allem auch für den Gastgeber ein Geschenk. Gäste bringen Frische, bringen Leben ins Haus. Sie helfen, damit wir nicht in Gewohnheit erschlaffen und mit neuen Sichtweisen weiter wachsen. Und sie ermöglichen uns, sie zu überraschen, ihnen eine Freude zu machen. Kurz: Gäste machen den Alltag reicher. Nur mein Schlafzimmer, das möchte ich nicht hergeben.

Erdiges Glück

Meistens wusste ich nicht einmal, wie sie heißen. Sieglinde, Linda, Selma, Satina – völlig egal. Ich hasste sie. Da konnten andere noch so sehr von ihrer Form, ihrer Haut, ihren inneren Werten schwärmen. Ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich mir vorstellte, ich müsste sie anfassen. Tat ich es dann doch, weil ich musste, trug ich Handschuhe und wusch mir alle halbe Stunde angeekelt die Hände. Selbst als sie am Ende im Keller lagen, hatte ich kein Mitleid. Sollten sie in diesem Loch ruhig verschrumpeln und Wurzeln schlagen, ich fasste sie nicht mehr an. Meine Mutter war da anders. Sie mochte sie alle. Sie holte aus Sieglinde und ihren Freundinnen alles heraus. Seitdem weiß ich: Nur eine gare Kartoffel ist eine gute Kartoffel.

Vergangenheitsschwärmer werden jetzt mahnend mit dem Zeigefinger fuchteln. Es war doch so schön: Der Zusammenhalt unter den Nachbarn beim Erdäpfel setzen und ernten, der Ratsch auf dem Acker, die Zufriedenheit nach vollendetem Tagwerk, die Freude, wenn sich die Kisten auf dem Anhänger mit riesigen Knollen füllten. Verklärung, nichts als Verklärung! In Wirklichkeit trippelte man, verfolgt von Mäusen, mit schreienden Bandscheiben und Dreck unter den Nägeln durch nimmer enden wollende Ackerfurchen. Vom händischen Massenmord an den Kartoffelkäfern will ich gar nicht erst reden. Nicht mit mir: Es lebe der Fortschritt, ein Hoch auf Vollernter, Insektizid und Tiefkühl-Pommes. Meine Hände gehören mir – und sie bleiben sauber. Alles klar?

Und dann passierte es. Keine Ahnung, was in mich gefahren war. Auf jeden Fall stehe ich eines schönen Nachmittags barfuß in unserem zwei Quadratmeter großen Kartoffelbeet. Selbst unsere Hühner können den Anblick nicht fassen und recken aufmerksam die Hälse. Ob sie es erkennen? Ich stehe in diesem Augenblick wie der Landlord persönlich inmitten von zwei Quadratmetern erdiger Glückseligkeit. Mit Sonne im Gesicht, Schweiß auf der Haut und krummem Rücken. Es ist nichts mehr da von der alten Feindschaft. Ich weiß immer noch nicht, ob sie nun Sieglinde heißen oder Agria, Aula oder Sante. Aber ich kann sie anfassen, ganz ohne Groll und Grausen. Als nächstes würde ich die Erdäpfel im Granitbrunnen auswaschen. Und dann sofort ein paar von ihnen in hauchdünne Scheiben schneiden und in einem feinen Öl braten. Eine ganz einfache Sache. Ein Fest. Und im Winter nehm’ ich mir den Pflug vor. Der Rost muss runter. Kein Beet, ein Acker muss es künftig sein.

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