Kitabı oku: «Lost in transformations», sayfa 2

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Der Alte, inzwischen außer Atem und wohl auch weitgehend befriedigt, ließ den Fotografen gewähren, schaute ihn aber böse an, und bellte ihn an, auch diese Phase des Happenings zu fotografieren. Dann ging er zurück auf seinen Platz und tat so, als sei nichts vorgefallen, er wischte sich den Schweiß von der Stirn und klatschte sogar fast lautlos in die Hände. Der bondage artist, der sich vornehm oder feige die ganze Zeit im Hintergrund aufgehalten hatte, trat nun wieder in Aktion. Er hielt das immer noch schwankende Paket endgültig an, stellte sich daneben und verneigte sich, erst vor dem Alten, dann vor der kunstvoll verpackten Hängefrau. Der Fotograf, irritiert durch die mehrfachen Anschisse des Alten, hielt auch diese Szene mit der Kamera fest und das Mädchen, immer noch bleich, aber wieder ein wenig gefasst, wartete sehnlichst darauf, dass sie endlich jemand aus ihrer prekären Lage befreien würde.

Das geschah dann auch. Auf ein erneutes Kopfnicken des Alten hin hängten der bondage artist und der Fotograf das Paket ab, durchschnitten die Seile und entfesselten das Opfer. Als die junge Frau wieder auf ihren Füssen stand, holte sie mehrfach tief Luft, betastete ihren Körper, um zu prüfen, ob noch alles in Ordnung war, massierte ihre abgeschnürten Gliedmaßen, bewegte ihre Gelenke, kreiste mit den Armen, drehte ihren Oberkörper und zum Abschluss der Wiederauferstehung absolvierte sie einige Kniebeugen. Dann war sie wieder genügend fit, um, immer noch steif und gestelzt und wohl auch immer noch schwindelig, in das Bad, zu gehen, sich ausgiebig zu duschen und damit die Angst und den Frust und das ertragene Leid abzuspülen. Dann zog sie sich an und erneuerte ihr Make-up. Als sie wieder in dem runden Raum erschien, gefasst und ein bisschen wie neu geboren, hatten der Fesselungskünstler und der Fotograf ihre Utensilien bereits zusammengepackt und der Fotograf hatte auch schon die letzten Dateien in das Internet eingespeist. Beide standen demütig vor dem Alten und warteten darauf, ihr Honorar zu erhalten. Das Mädchen gesellte sich zu ihnen und jeder erhielt ein verschlossenes, dickes Kuvert. Der Alte zeigte sich zufrieden und leutselig und fand sogar ein paar anerkennende Worte. Die beiden Männer nahmen den Brief mit mehrfachen, devoten Verbeugungen entgegen und auch das Mädchen versuchte es ihnen gleichzutun. Ihre Verbeugung missriet jedoch, es reichte nur zu einem unbeholfenen Vorrecken des Oberkörpers, vielleicht wegen der Malträtierung oder weil sie derartige Zeremonien nicht gewohnt war. Dann gingen die drei und ließen den Alten allein.

Beim digital artist hatte sich die Dropbox nach und nach mit den Dateien des korrekten Fotograf gefüllte. Er hatte die Bilder geöffnet, gesichtet, sortiert und einige wenige ausgewählt, die er am nächsten Tag weiter bearbeiten wollte. Er war mit diesen ersten Fotografien nicht so recht zufrieden. Er kannte Bilder von gefesselten Frauen aus dem Internet. Er hatte sich bei der Vorbereitung für seinen Auftrag Dutzend angesehen. Diese, die nun auf seinem Monitor erschienen, waren konventionell, nicht anders als die üblichen. Sie boten keine Abweichungen, keine Überraschungen, keine neuen Ansätze. Was er sah, war nicht viel mehr als abfotografiertes, verpacktes, hängendes Menschenfleisch, konventioneller Schrott. Er war vorsichtig mit seinem Urteil, weil er sich selbst mit diesem Thema noch nie auseinandergesetzt hatte, geschweige denn eigene Aufnahmen gemacht hätte. Für ihn war bonding art Neuland, eine Kunst, von der nicht einmal unbedingt behaupten würde, dass sie gefiele, aber er hatte sich nun einmal auf den Auftrag eingelassen und er musste das Beste daraus machte. Das war sein Job, das war die Herausforderung, er brauchte solche Jobs, er liebte Herausforderungen. Aber das was er erhalten hatte, sprach ihn auch als Künstler nicht an, die Bilder sagten ihm nichts und erregten ihn nicht, obwohl sie zweifelsohne erotisch waren und viele Details zeigten, die sexuell stimulierend wirken konnten. Das vielleicht Ungewöhnlichste waren die langen, blonden Haare der Frau und dass sie kein asiatischer Typ war. Aber diese beiden Fakten reichten nicht aus, um ihn zu begeistern, denn von der Kunst des Verschnürens, den variantenreichen Knoten, den ausgewogenen Verteilungen der Flächen mit nackter Haut, den kunstvollen Bahnen der dunklen Stricke, verstand er zu wenig. Letztlich machten ihn diese Bilder weder kirre noch ließen sie Emotionen aufkommen, sie versetzte ihn weder in Aufregung noch stachelten sie seine Arbeitswut an. Was er sah, als er sie rasch durchblätterte, schaffte nicht mehr, als ihm ein müdes Gähnen zu entlocken.

Dann war Schluss, dann stockte die Flut der Bilder und er schaltete den Computer aus und ging ins Bett. Als er am frühen Vormittag seine Arbeit fortsetzte, staunte er. Nicht nur über die neuerliche Flut der Bilder in der Dropbox, sondern auch über die Art der Bilder. Auf einmal erregten sie sein Interesse, auf einmal entstand eine emotionale Bindung, auf einmal regten sie ihn auf und er konnte sich in die Situation hinein versetzen. Die Aufregung war angekommen, die letzte Serie war phantastisch, ungewöhnliche Bilder voller Leben, voller Pfiff, aber auch voller Abscheu. Ein alter Mann hatte seine Hände in die Arme der Paketfrau gekrallt. Er zerrte und drückte und versetzte sie in Schwingungen, schleuderte sie herum. Dann umkreiste er das Paket, zerrte an ihm mit ausgestreckten Händen, deren Finger den Krallen von Aasgeiern glichen, Teufelskrallen. Aber von wegen alter Mann. Einer, der mit solch wilden, geilen Augen das Objekt seiner Begierde anstarrte, einer, der sich am liebsten auf diese junge Frau gestürzt hätte, obwohl sie festgebunden, festgezurrt, unzugänglich an der Decke hing, einer der sie mit seinen Blicken vergewaltigte, ein solcher Typ konnte doch nicht alt sein, nur äußerlich alt, aber in ihm loderte ein Feuer. Oder war er gar pervers, ein perverser Sadist und Frauenschänder? Der digital artist bekam ob der Fülle der Bilder und der dargestellten Einzelheiten Mitleid mit der armen Frau. Sie war gefangen, gedemütigt und musste alles, was sich dieser Typ ausdachte, ertragen, musste alles mit sich geschehen lassen, konnte nur entsetzt und voller Angst zurück starren, musste ausharren bis zum bitteren Ende, bis sie sich schließlich erbrach, auskotzte, ausrotzte, ein hängendes Häufchen Elend. Bei allem Mitleid und aller Abscheu faszinierten ihn diese Bilder. Nun hatte er seine Motive. Nun war er selbst erregt. Nun konnte er beginnen, seine eigenen Werke zu schaffen und musste nicht nur einen Auftrag erledigen.

Er wählte die aus, die ihn am meisten berührten und die am besten in seine Pläne passten. Dann begann er, sie zu bearbeiten. Er stellte Ausschnitte her, optimierte Farben und Kontraste, nahm detaillierte Korrekturen vor, öffnete eine Vielzahl von Ebenen, stellte wichtige Partien mühevoll frei und fügte am Ende alles zu einem einzigen Bild zusammen. Er transformierte Farben in Grautöne, arbeitete Bewegungsunschärfen präzise heraus, verlieh seinen Bildern, die des Fotografen waren ja nur Vorlagen, nur Rohmaterial, Tiefe, Geheimnisse, Leben. Lange Protokolle in seiner Software zeigten die vielen Maßnahmen, die er durchgeführt hatte und dokumentierten seinen Eifer. Aber zählen würde nur das fertige Werk, nicht die Arbeit, die in ihm steckte. Es war wieder Nacht und er war erschöpft, aber Aufhören kam immer noch nicht in Frage. Er hörte erst auf, wenn er das Gefühl hatte, dass das Wesentlichste getan war und das war noch nicht der Fall. Nachdem er sich mit den Aktionsbildern in einen wahren Rausch gesteigert hatte, brauchte er noch eine Beruhigung zum Schluss. Nach all der Aufregung musste er noch ein ruhiges Bild schaffen, einen stillen Kontrast zu den entsetzlichen bewegten, bewegenden Motiven. Ein Schluck Whisky, dann noch einer und noch einer und dann war er in der Lage, auch sein letztes Bild zu gestalten. Es führte ihn wieder zurück, zum Anfang des Happenings, zu den langweiligen Bildern, die er noch in der Vornacht verachtet hatte. Die junge Frau hing ruhig in ihren Fesseln. Ihr Gesicht war entspannt, sie schien zu träumen. Sie wirkte verklärt, sinnlich, erotisch, anziehend und begehrlich. Sie war noch weit entfernt von der Angst und dem Ekel, der Pein und der Demütigung in den späteren Bildern. Der digital artist wunderte sich nicht, dass der Alte sich bei diesem Anblick aufgegeilt hatte. Als er merkte, dass die hängende Frau für ihn unerreichbar war, nicht nur weil sie hing, sondern weil diese schöne, blonde Frau für einen Alten wie ihn einfach unnahbar war, drehte er durch und demütigte sie und misshandelte sie. Zu viel Sinnlichkeit für einen alten Voyeur, dachte der digital artist, zu viel Reinheit. Diese Schale musste er erst zerstören, um sie gefügig zu machen, um sie ihm zu Willen zu machen, obwohl es keine Bilder gab, auf denen er sich ihr zu einem finalen Akt genähert hatte. Aber, so dachte der digital artist weiter, vielleicht hatte er ja nicht alle Bilder bekommen.

Er begann jedes Detail des Bildes zu prüfen, zoomte Einzelheiten heran, führte kleine Korrekturen durch, verstärkte hier die Kontur eines Seils, entfernte dort einen hässlichen Fleck auf der Haut. Um die richtige Farbe und Tönung der Haut zu finden, um ihre Struktur nicht aufdringlich, aber auch nicht zu flach erscheinen zu lassen, musste er lange herumprobieren und viele Entwürfe verwerfen. Lange überlegte er auch, ob er das Fenster im Hintergrund, nein, den Blick durch dieses Fenster, ein wenig aufhellen und klarer machen sollte, unterließ es aber, denn so war das Bild geheimnisvoller, ungewisser. Er steckte auch in die weniger wichtigen Bildteile viel akribische Arbeit. Alles musste stimmen, das Ganze musste stimmig sein. Das war sein Geheimnis, das hatte ihm Erfolg gebracht. Perfekt war natürlich auch der wichtigste Teil des Bildes, nicht nur der dunkle, glitzernde Hintergrund, perfekt war am Ende der Arbeit auch der nackte, verschnürte Körper der hängenden Frau und ihr stilles, verklärtes Gesicht.

Als er mit der Bearbeitung fertig war, druckte er das Bild aus, verlagerte das virtuelle Stadium in eine greifbar, anfaßbare Form, transformierte die visuellen Eindrücke aus der digitalen Welt des Monitors auf edles, handgeschöpftes Bambuspapier. Das waren die Endprodukte, klassische Kunstwerke, die er seinen Auftraggebern guten Gewissens übergeben konnte. Er musste den Druck wiederholen und einige Verbesserungen vornehmen, bevor er zufrieden war, aber das war normal, der Eindruck, den Papierbild hinterlässt ist anders, als ein Monitorbild. Dann hängte er das fertige Werk an die Wand, neben die anderen Bilder aus der Serie, neben die aufgeregten, ekeligen action pictures. Es war genau dier Kontrast, der ihm gefiel. Dieses schöne, ruhige Bild war die perfekte Gegenposition zu all den faszinierenden Scheußlichkeiten. Er atmete tief durch und genehmigte sich einen letzten Schluck aus der fast leeren Whiskyflasche, dann gähnte er und schaltete, zufrieden mit sich und seinem Werk, den Computer aus.

Food art

Die solide Grundlage der nächsten Performance, das Fundament, die Basis, der Mittelpunkt des entstehenden Kunstwerks war erneut eine junge Frau. Sie war ziemlich klein und kompakt, mit heller Haut, tiefschwarzen Haaren, schmalen Mandelaugen, einer kurzen Nase und einem Mund, der meist ein wenig offen stand und ihre großen Schneidezähne nur unzureichend verbarg. Sie war unverkennbar eine Tochter des Landes, ein unschuldiges, kindliches, fast sogar hübsches Mädchen, mit einem recht kleinen, richtig süßen Gesicht, aber mit einem Körper, der alles andere als süß und kindlich aussah. Um ihn zu beschreiben, waren Worte wie drall, umfangreich, voluminös oder gar fett eher angebracht, als wohlgeformt oder elegant. Sie besaß, auf einen Punkt gebracht, den Körper einer Sumoringerin, nur dass die Kraft, die Schnelligkeit und die Eleganz der Bewegungen einer echten Ringerin völlig fehlten. Diese Eigenschaften waren aber auch nicht gefragt, denn diesmal musste die Maid weder leicht und gelenkig noch gut durchtrainiert sein, diesmal waren gänzlich andere Eigenschaften gefragt. Diesmal kam es auf ausladende, üppige Flächen an, auf sanfte Rundungen, viel Fleisch, viel Haut und dazu auf viel Geduld und eine gewisse Leidensfähigkeit. Das kindliche Mädchen hatte den Job bekommen, weil sie genau das alles bot. Sie war breit, flächig, ausladend, fett, schwabbelig, geduldig, gelassen, ruhig, phlegmatisch und nun schon seit Stunden dabei, ihre Beschaffenheit und ihre Talente unter Beweis zu stellen. Sie lag völlig nackt und bloß auf einer Matte aus dünnen Bambusstäben, an die ihre Arme und Beine mit dünnen, kaum sichtbaren Schnüren festgebunden waren, um sicher zu stellen, dass sie sich möglichst nicht bewegte und ihre Lage auf keinen Fall veränderte. Die Matte mit dem Sumomädchen war wieder vor einem der großen Fenster platziert worden, diesmal aber nicht in der Nähe der weißen Vase, diesmal schweifte der Blick nach Süden. Da sie aber flach auf dem Boden lag und nur an die Decke schauen konnte, selbst ihr Kopf sollte seine Lage möglichst nicht verändern, entging ihr dieser Ausblick. Es entging ihr aber nicht viel, denn die Sicht war an diesem Abend nicht gut. Es war diesig und wolkig, das Lichtermeer leuchtete nur sehr schwach und der Horizont war nicht zu erkennen. Es war ein durchaus üblicher Anblick und für den Alten auf seinem Sofa schon gar kein Grund, hinaus zu schauen und den Übergang der blauen Stunde in die Schwärze der Nacht zu genießen.

Der Alte genoss dafür das, was sich ihm vor dem Fenster darbot. Er genoss nicht nur den Anblick der jungfräulichen Fleischmasse, sondern vor allem die Vorfreude auf das, was noch kommen würde, auf das was die Nacktheit verhüllen und ihm noch mehr Vergnügen und letztendlich Labung bereiten würde. Das Mädchen war nicht allein mit dem Alten. Ein drahtiger, kleiner Mann mit weißer Schürze und weißem Käppi wieselte um sie herum und dirigierte zwei Gehilfen mit Gesten und Worten. Er gab ihnen ständig Anweisungen, die sie prompt ausführten. Für manche Feinheiten legte er selbst Hand an und perfektionierte das entstehende Kunstwerk, das nun fast fertig war. Die minutiöse, intensive Arbeit war so gut wie beendet, Dank der eingespielten, kompetenten Gemeinschaftsarbeit und Dank dem geduldigen Beharrungsvermögen des fetten Mädchens. Der Käppimann schaute sich sein Werk noch einmal von allen Seiten kritisch an, ging ein paar Schritte zurück, umrundete es mehrfach und war offensichtlich zufrieden, denn am Ende seiner Inspektion stellte er sich vor den alten Mann und verbeugte sich wortlos. Dieser regte sich nicht, griff sich nur an das Kinn, strich Gedanken verloren darüber, schien sich nur schwer aufraffen zu wollen. Schließlich stand er aber doch auf und schlurfte zu dem Mädchen auf der Matte. Er stellte sich vor sie hin und betrachtete sie lange, dann beugte er sich über sie und setzte seine Inspektion aus größerer Nähe fort. Er schaute nicht nur, sondern roch hier, schnupperte dort und man merkte, dass er das Werkt am liebsten auch abgetastet hätte, was er jedoch unterließ. Dann richtete er sich wieder auf und umrundete die Bambusmatte, genauso wie der Käppimann, ging ein paar Schritt zurück und schaute sich das Ensemble wieder sehr lange und sehr aufmerksam an. Am Ende seiner Inspektion bellte er ein paar kurze, knappe Worte in Richtung des drahtigen Mannes, ohne diesen anzusehen und dann schlurfte er wieder zu seinem Sofa zurück. Der Drahtige hatte gespannt auf die Reaktion des Alten gewartet. Was er zu hören bekam, war jedenfalls kein Lob. Er erbleichte sichtlich, verbeugte sich erneut mehrmals hintereinander, sehr devot, sehr untertänig,, murmelte ein paar unverständliche Worte und herrschte nun seinerseits die beiden Gehilfen an, die sich dezent zurückgezogen hatten. Diese eilten sofort zu dem großen Servierwagen, den sie bei ihrem Rückzug mitgenommen hatten.

Der food artist, so bezeichnete sich der Drahtige, ließ die geöffneten Austern vom Schoß der Frau entfernen und durch Abalonen ersetzen. Diese wunderschönen, perlmuttschaligen Muscheln mit ihrem orangeroten Fleisch erinnern in ihrem Aussehen und ihrer Konsistenz an sanft geöffnete Vulven. Kurz darauf lagen nicht mehr aphrodisiatische Austern, sondern Vulven auf einer Vulva. Diese punktuelle Veränderung verbessere das Gesamtkunstwerk ganz eindeutig, ließ der food artist den Alten wissen. Es erhielte dadurch mehr Sexappeal, die Wirkung auf den Betrachter sei bedeutend intensiver, die geheime Botschaft, die in seinem Kunstwerk läge, sei nun viel suggestiver und nach weiterem Blabla auch das Eingeständnis, dass ihm selbst die Verbesserung nicht eingefallen wäre und dass er sehr dankbar sei, dass dem geschätzten Mäzen und Auftraggeber dieses Versehen, für das er sich zutiefst entschuldigen müsse, gleich aufgefallen sei. Vor lauter Aufregung und Scham über sein Versagen stotterte er und stammelte diese Worte nur und verbeugte sich dabei mehrfach. Der Angesprochene nickte mürrisch und befahl mit einer schlaffen Handbewegung, fortzufahren. Als endlich alles perfekt war, das Kunstwerk vollendet, die Mahlzeit zubereitet und das Mädchen angerichtet, schickte der food artist seine Gehilfen hinaus. Sie gingen lautlos und nahmen den fast leeren Servierwagen mit. Das Feld war nun frei für den Alten. Jetzt lag es an ihm, das zu genießen, was opulent vor ihm ausgebreitet war. Doch bevor er damit begann, bevor er mit seinem Genuss auch die Zerstörung einleitete, musste der Fotograf das lebende Kunstwerk im Bild festhalten.

Es war ein anderer Fotograf als beim letzten Mal. Der korrekte Fotograf hatte den neuen Auftrag nicht erhalten. Zwischen ihm und dem Alten herrschte Missstimmung, seit er das arme Bondagemädchen vor weiteren Schäden bewahrt hatte. Der Korrekte wollte nicht noch einmal für diesen perversen Irren arbeiten und der Alte hatte ihm die unangebrachte Einmischung nicht verziehen. Derartige Bedenken, wie sie der korrekte Fotograf hegte, kamen dem Neue nicht in den Sinn. Er gehörte einer andern Generation an: jung, dynamisch, skrupellos, einer der mehr an Erfolg, an Ruhm und Geld orientiert war als der Korrekte, der Vertreter einer aussterbenden Generation, dessen Lebensinhalt die künstlerische Entfaltung war. Der junge Fotograf demonstrierte sein Anderssein schon durch sein schrilles Outfit: bunte patch-work Jacke, weite, lila Schlabberhose, rosa Ballonmütze und eine affige, perlmuttbesetzte Sonnenbrille, die er stets und ständig aufbehielt. Er war ein angesagter shooting star, meist ausgebucht oder auf Reisen, einer, zu dem die Arbeit kam, die er sich dann aussuchen konnte. Ein reichliches Honorar, die Aussicht auf einen ungewöhnlichen Auftrag und die Ehre für einen in Kunstkreisen renommierten Händler arbeiten zu dürfen, hatten ihn bewogen, andere Termine abzusagen. Er war sogar pünktlich erschienen, bei ihm durchaus keine Selbstverständlichkeit und hatte interessiert zugeschaut, wie der food art seine Kunst aufbaute. Der Schrille war ein Mensch, der sich rücksichtslos vordrängte, wenn er sich davon etwas versprach, der immer vorne mit dabei war, der aber auch durchaus geduldig auf den entscheidenden Moment warten konnte. An diesem Nachmittag drängelte er. Er hatte spontan angefangen Bilder zu machen, obwohl das gar nicht zu seinem Auftrag gehörte. Er hatte sich mit der Kamera dicht den fragilen Details genähert und mit seinem Gedrängel und Gezappel den Meister und seine Gehilfen genervt und gestört. Als er durch ein Ungeschick sogar eines dieser Details zerstörte, hatte sich der food artist aufgeregt und ihn angeherrscht, er solle mit seinem andauernden Geknipse aufhören und abwarten, bis alles fertig sei, dann könne er seine Bildchen machen. Beleidigt, weil man ihn nicht gewähren ließ und weil der Lebensmittelfritze seine Kunst herablassend als „Geknipse“ bezeichnet hatte, zog er sich zurück, naschte ein paar Köstlichkeiten vom Servierwagen und trollte sich dann zu dem Laptop, um die Verbindung in das Internet zu überprüfen.

Jetzt war das Kunstwerk vollendet, jetzt hatte das Warten ein Ende, jetzt war der Fotograf gefragt. Er machte ein paar Testaufnahmen, suchte den besten Abstand, wählte ein geeignetes Objektiv, prüfte Blende und Belichtung, dann dann begann er, das objet d'art systematisch abzufotografiern, das Gebilde aus Mensch und Nahrung im Überblick und im Detail festzuhalten und zu verewigen, was schon bald vergammeln, verderben, verwesen, zerfallen, verschwinden würde. Er sollte das Sterbliche unsterblich, das Vergängliche unvergänglich machen, die Kunst der food art in die Kunst der light art überführen und insbesondere sollte er dem fernen digital artist die Vorlagen liefern, damit der wiederum all diese Eindrücke kombinieren und addieren, subtrahieren und multiplizieren könnte, um die finalen Komposition, die ultimativen Kunstwerke anzufertigen, die der Alte in Auftrag gegeben hatte. Der Schrille verzichtete auf ein Stativ, er baute nur seine Leuchten auf, denn für die Details, die Ausschnitte, die ungewöhnlichen Perspektiven musste er die Kamera ohnehin in die Hand nehmen. Er näherte sich dem appetitlichen Berg aus Mädchen und Speise, aus nacktem, wabbeligem Menschenfleisch und raffinierter Dekoration auf unterschiedlichste Weise, aus verschiedenen Perspektiven, wechselnden Höhen, differenzierten Entfernungen und begann seinen Auftrag konzentriert, gewissenhaft und mit durchaus zunehmendem Interesse zu erfüllen.

Das, was sich vor dem Fotografen ausbreitete, war in der Tat höchst sehenswert und ungemein appetitlich, ja geradezu begehrenswert. Nicht nur der nackte, dralle, fette, helle Körper, der mit dem Rücken auf der Bambusmatte lag, die Arme flach an den Leib und die Beine eng zusammengepresst. Die nackte Haut konnte man kaum sehen und auch die Bambusmatte nur erahnen. Letztere war voller Blumen und Pflanzen, voller loser Blüten, kunstvoller Gestecke, grüner Zweige und bunter Blätter, die den Leib umgaben und in allen Farben leuchteten, wie eine Frühlingswiese, wie ein farbenfroher Blumenteppich, wie ein barockes Gemälde. Die nackte Haut des voluminösen Fleischbergs blieb dem Auge des Betrachters weitgehend verborgen, weil fast jeder Quadratzentimeter des Fleischbergs, jede belegbare Stelle mit Speisen drapiert und mit Köstlichkeiten verziert war, die sich ein Gourmet selbst in seinen schönsten Träumen kaum vorstellen konnte. Das größte Begehren erweckte jedoch die raffinierte Kombination aus jungem, lebendigem Fleisch und höchst appetitlicher Nahrung, eine Kombination die auch den anspruchsvollsten Gaumen verzückte und verwöhntesten Genießer in Wallung brachte. Nahrung türmte sich auf Genährtem, frische Speise auf bereits verwerteter und das alles inmitten einer blühenden Bergwiese, ein meisterhaftes Gesamtkunstwerk der Appetitanregung.

Die Anordnung der Speisen folgte einer gewissen Logik, die Landkarte der Kulinaria war in Bezirke und Provinzen aufgeteilt. Ganz oben, wenn man auch bei einem liegenden Menschen mit „oben“ den Kopf bezeichnet, befand sich die Region des Süßen, der Nachspeise. Vielleicht hatte der food artist diese Anordnung gewählt, um dem Gesicht des Mädchens eine doppelte Süße zu verleihen. Es war vom Aussehen her süß, ein süßes, kleines Gesicht, das einen anderen, als diesen massigen Körper verdient hätte. Zu der natürlichen Süße gesellte sich nun der süße Belag. Die Stirn, die Wangen, die Nase, das Kinn, alle Flächen waren von einer hellen, gelblichen, cremigen Sauce bedeckt und mit Schokoloadenkrümel bestreut. Die braunen Flocken, Streusel und Kügelchen bildeten eine Art Tattoo, eine Zeichnung, ein ausgeklügeltes Muster, die der Kriegsbemalung eines Maorihäuptlings glich oder den rätselhaften Mustern eines Feuerländers. Die Lippen leuchteten in hellem Rot, eine spezielle Paste aus Kirschcreme und Schildlausextrakt gab ihnen die intensive Neonfarbe. Die Augen waren von dunkelbraunen, konzentrischen Ringen umgeben, die dem Gesicht ein irritierendes, punkhaftes Aussehen verliehen. Ein Teil der Irritation bestand darin, dass diese Augen den Betrachter ständig anblickten, auch wenn die Lider geschlossen waren. Der food artist hatte mit seiner Schokopaste Iris und Pupille sehr sorgsam und detailliert auf die Lider gemalt. Eingerahmt wurde dieses seltsame Gesicht von den ausgebreiteten, schwarzen, losen Haaren, die von zahlreichen gelben Blüten durchwoben waren und so einen überdimensionalen Heiligenschein bildeten.

Auf dem Weg nach unten, also dem Körper abwärts folgend, traf der Blick des Fotografen auf den Gemüsegarten. Die Schultern und der Halsbereich waren mit Gurken, Tomaten, Möhren, Auberginen, Petersilie, Schnittlauch, Fenchel und Kürbisstückchen bedeckt. Das Gemüse war stilvoll zurecht geschnitten, mit Verzierungen versehen und höchst kunstvoll angeordnet. Es war eine vegetarische Augenweide, ein kleiner Lustgarten, jedoch von begrenzter Ausdehnung, denn noch oberhalb der Brüste begann der Rotfleisch-Rotfisch-Bereich. Auf dem breiten Brustkorb, auf den dicken, wegen der Rückenlage sehr platten, flächigen Brüsten, lagen dünne, rohe Filets vom Koberind, dunkelrotes Fleisch marmoriert mit hellem Fett. Um das Primat des schönsten Rots konkurrierten dünne Thunfischfilets, die sich mit dem Fleisch abwechselten und dazwischen, als heller Kontrast zu Thun und Beef, rosarote Lachsstreifen. Aus diesem Fisch-Fleisch-Gestade ragten zwei giftgrüne Inselchen und deren Mitte steil aufgerichtete, bräunliche Pfähle der Sinnlichkeit. Der food artist hatte die Höfe um die Brustwarzen mit Wasabipaste in Eilande der Schärfe und des sensorischen Schreckens verwandelt und zugleich erreicht, dass die Brustwarzen, dank der errigierenden Wirkung lange Zeit steif und fest blieben und so den höchsten Punkt des Fleischberges, den Gipfel des Mount Everst bildeten.

Unterhalb der Brüste, auf dem schwabbeligen Bauch, wurde es wieder vegetarisch. Der wandernde, geschulte Blick des Fotografen betrat nun den Obstgarten. Hier türmten sich kleine, kunstvolle Pyramiden aus gelb-grünen Weintrauben, stacheligen, rötlichen Lychies, dunkelgrünen Avocadoscheiben, lila Pflaumen und Erdbeeren, die aussahen, als seien sie aus Plastik, so perfekt, so künstlich. Die kitschige Kulmination der Plantage war jedoch ein geschälter, blutroter Granatapfel, der auf dem Bauchnabel des Mädchens lag, genauer gesagt in der deutlich ausgeprägten Senke, die der Nabel in der fetten Umgebung des Bauchs bildete. In diesen Liebesapfel hatte der food artist kleine LED-Leuchten gesteckt, die ihr magisches Licht durch die transparenten Körner schickten und so im Reich der Mitte einen zweiten, roten Fixpunkt bildeten, neben dem neongrellen Mund, der die Provinz der süßen Verführung dominierte,

Eine Handbreit von dem Leuchtturm entfernt, ging die Obstplantage in das Salzmeer über. Kunstvoll arrangierte Sushi- und Sashimihäppchen, rosa Garnelen, stachelige Seeigel, geöffnete Muscheln und kleine, bunte Meeresschnecken bedeckten den Unterleib und den Ansatz der Oberschenkel. In der Tiefe dieses Meeres, dem Schoß des Mädchens, wuchs ein spärlicher Wald aus dünnen, schwarzen Borsten. Doch diese geheimnisvoll Welt sah man nicht, man würde erst später bis zu ihr vordringen, denn der Marianengraben war völlig durch den dritte Leuchtpunkt verborgen. Hier lagen die besagten Muscheln, die erst auf Anregung oder war es eine Anweisung des Mäzens ihren Platz gefunden hatten, die rot-orangen Abalonen, ovale Symbole der Fruchtbarkeit, Vulven über einer Vulva, die sich noch den begehrlichen Blicken entzog. Dann, im weiteren Verlauf der Lustreise, traf der Blick auf Schwärme silberner Fischlein in Aspik, auf pikante Anchovis, marinierte Sardellen und bläuliche Krabben, die sich auf den massigen, eng aneinander gepressten Oberschenkeln tummelten und erreichte sodann den vierten, roten Signalpunkt, einen großen, grellroten Hummer, der mit seinen mächtigen, geöffneten Zangen die leicht angehobenen, gut gepolsterten Kniescheiben umklammerte. Und weiter ging die Reise durch eine etwas eintönige Wüste, querte die mit schwarzem Tang und grünen Algen drapierten Unterschenkel und gelangte schließlich zu den kleinen Füßen der Maid. Auch sie waren mit diesem veganen Geflecht umwoben, aber die Zehen, der Endpunkt der Blickreise, bot wieder eine wahre Farbenpracht, einen Rausch an Farben und Formen, denn jeder einzelne Zeh wurde von einem bunten, kunstvollen, in seiner Größe exakt angepassten Gehäuse einer exotischen Meeresschnecke gekrönt. Die sowohl optische als auch kulinarische Wüste, das schwarz-grüne Muster aus Tang und Algen, wiederholte sich auch auf den Armen der jungen Frau, die flach ausgestreckt und dicht an den Körper gepresst und zur Sicherheit sogar geschnürt, als zusätzlich Ablagefläche der jeweiligen regionalen Köstlichkeiten dienten. Einzig die Hände waren noch bemerkenswert. Sie hielten halbierte Melonen mit rosa Fruchtfleisch, deren blasse Kerne durch krümeligen, tintenschwarzen Kaviar ersetzt worden waren.

Der Fotografen konnte sich nicht satt sehen an dem bioerotischen Kunstwerk, an dieser lebendig belebten Skulptur aus Mensch, Tieren, Blüten, Pflanzen und Nahrung, an dieser Landschaft des puren Genusses, an diesem Fleischberg voller kulinarischer Köstlichkeiten - Arcimboldo à la Fernost. Er zögerte, auch nur das Objektiv auf dieses Mädchenwunder zu richten, das über und über beladen war, auf dem die aufgetürmten Massen die natürliche Körperfülle beträchtlich vergrößerten, so dass selbst der erfahrene Aktfotograf kaum noch das menschliche Wesen erkannte, das unter dieser gnadenlosen Fülle begraben war. So üppig hatte der food artist mit seinen schier unerschöpflichen Ressourcen geschwelgt, so großzügig hatte er drapiert und verteilt, aufgehäuft und aufgeschichtet. Die Last der schönen Dinge schmälerte jedoch für den Fotografen die erotische Anziehungskraft der Basis keineswegs, die der Fotograf ja noch im Urzustand kennen gelernt hatte, der Sexappeal des Gesamtkunstwerks war sogar noch gesteigert worden. Die dralle Schönheit des Mädchens, die bezaubernden Farben der Blumen, die exotischen Formen der Meerestiere, die Frische der Nahrung und der Duft der vielfältigen Aromen, all das erregten in dem verzückten Betrachter einen gewaltigen Appetit. Dieser fröhliche Wein- und Lustberg, dieser Hungererwecker und potentielle Hungerstiller, dieses kulinarisch erotische Kunstwerk wirkte wie ein mächtiger Magnet, der alle Sinne des betäubten Mannes auf sich zog. Ein Berg der Sinnesfreuden, der geschaffen worden war, um alle Sinne zu reizen, der errichtet worden war, damit Mann/man sich auf ihn stürze, der angerichtet worden war, dass Mann/man alles verkoste, der kreirt worden war, dass Mann/man alles probiere, vernasche, verschlinge, verputze, der dazu einlud, dass Mann/man alles, was da war, aber auch wirklich alles, wegnähme, einnähme, aufnähme und in alle verborgenen Orte eindränge, bis nichts mehr zu erkunden und nichts mehr wegzunehmen war und Mann/man am bittersüßen Ende alles entblößt und zerstört sich angeeignet hätte. Dann, so träumte der Fotograf, während er nun doch eine Aufnahme nach der anderen machte, seine Kamera unentwegt über den Garten der Lüste schwenkte, heranzoomte, hinein vergrößerte, dann war der Zeitpunkt erreicht, wo die kulinarische Orgie in die sexuelle überging. Wenn die aufreizende, aber doch störende Bedeckung entfernt wäre, wenn nur noch das sinnliche Fleisch, die nackte Basis, das entblößte Mädchen vorhanden wäre, könnte dieses selbst erobert und eingenommen werden, der ultimative Nachtisch genossen werden, nachdem alles was da noch ablenken konnte, beseitigt war.

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