Kitabı oku: «Männerphantasien - Fotomanien»

Yazı tipi:

Männerphantasien - Fotomanien

Acht Erzählungen

von

Yupag Chinasky

Impressum

Yupag Chinasky

Männerphantasien - Fotomanien

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Copyright 2016 Yupag Chinasky

Inhaltsverzeichnis

Männerphantasien - Fotomanien

Übersicht

Nur gegen Bezahlung

Auf dem Spielplatz

In der Wohnung

Die Kunst des Entblätterns

Nah an der Realität

Ein Brief

Das Wiedersehen

Das Blumenmädchen

Eine Begegnung in den Bergen

Die Villa

Missverständnisse

Bahnhofsmilieu

Das Labyrinth

Das Fenster

Testosteron

Tango

Geschenk für eine Krankenschwester

Maghrebinische Erleuchtungen

Enthüllung in der Kasbah

Im Gedränge

Albtraum

Die letzte Nacht

Übersicht

In diesen Geschichten geht es um Verwicklungen die entstehen, weil jemand fotografiert. Der eine will foto­grafieren, doch genau dies stört einen anderen und selbst wenn der Akt des Ablichtens einvernehmlich erfolgt, kann es Probleme geben. Um seiner Leidenschaft frönen zu können, muss ein Fotograf vieles in Kauf nehmen.

NUR GEGEN BEZAHLUNG: Ein Mann trifft auf einem Spielplatz eine junge, attraktive Frau. Sie gefällt ihm, er will Fotos von ihr machen. Sie willigt ein, wenn auch nur gegen Bezahlung. Das Shooting ist für beide sehr erfolgreich und sie kommen sich sehr nahe, aber leider mischt sich noch jemand ein und da wird es kompliziert.

DAS BLUMENMÄDCHEN: Das Blumenmädchen lehnte an einer grauen Hauswand und bot einen Strauß Gladiolen zum Verkauf an. Der Mann lächelte das Kind an, machte ein Foto, gab ihm zum Dank ein Päckchen Kaugummi und machte noch ein Abschlussbild. Da tauchte plötzlich eine grüne Minna auf, nahm ihn mit und danach wurde die Reise sehr unerfreulich.

EINE BEGEGNUNG IN DEN BERGEN Voller Angst schaute sie immer wieder in den Rückspiegel. Der Radfahrer war ihr dicht auf den Fersen, nein, er klebte an ihrer Stoßstange. In jeder Kurve, in der sie abbremsen musste, war er ganz nahe. Sie sah ganz deutlich seine gelben Wolfsaugen und sein verbissenes Gesicht.

DIE VILLA: Unter einem Vorwand war er in das Haus gelockt und allein gelassen worden. Doch nicht lange und ein junges Mädchen trat in den Raum. Es war fast noch ein Kind, mit großen Augen, und einem irgendwie einfältigen Gesichtsausdruck. Das Mädchen begann unaufgefordert zu posieren und er machte Aufnahmen, die er besser nicht gemacht hätte.

MISSVERSTÄNDNISSE: Das erste Missverständnis war eine simple Verarschung, deswegen kam das zweite zustande. Das dritte wäre vermeidbar gewesen, aber zum Glück war die Liebe zwischen den beiden stark genug.

BAHNHOFSMILIEU: Er streifte immer wieder durch das Labyrinth, das sich um den Bahnhof herum ausbreitete, durch die Straßen mit den bunten Neonlichtern und den Frauen in den Schaufenstern, auf der Suche nach Motiven, nach Erfahrungen und einer Möglichkeit, seine Angst vor diesen Frauen zu überwinden.

ENTHÜLLUNGEN IN DER KASHBA: Als Tourist im Maghreb fand er Fotomotive in Hülle und Fülle, auch eine kurze, einmalige, enthüllende Situation.

IM GEDRÄNGE: Er fotografierte die Menschenmasse bei einem nächtlichen Popkonzert und erlebte bei einen Moment lang eine Überraschungen, die er sich hier niemals hätte vorstellen können.

ALBTRAUM: Die ganze Reise war von Anfang an ein Albtraum und am Ende geriet sie zu einem Megaalbtraum. Als ihn der Stein traf. Hätte es für einen Fotografen nicht schlimmer kommen können.

DIE LETZTE NACHT: Die Reise wäre am nächsten Tag zu Ende gewesen. Der Rückflug stand fest. Die letzte Nacht wollte er in Ruhe verbringen. Doch dann sah er diese Frau auf der Terrasse des Restaurants und dann kam alles ganz anders und am Ende war er froh, nur im Straßenmatsch zu liegen.

Nur gegen Bezahlung
Auf dem Spielplatz

„Nur gegen Bezahlung“, antwortete sie auf die Frage, ob er ein paar Fotos von ihr machen dürfe, blieb aber mit dem quengelnden Kind im Sportwagen direkt neben ihm stehen. Nein, bezahlen würde er nicht, war seine Antwort, aber in diesem Moment beugte sich die junge Frau tief hinab zu dem kleinen Kind und er blickte voll in ihren Ausschnitt, auf ein paar höchst wohlgeformte Brüste.

Er war lange durch die Stadt gelaufen, die Augen offen, den Fotoapparat schussbereit, auf der rastlosen Suche nach interessanten Motiven und Eindrücken. Doch leider war die Ausbeute an diesem Tag gering. Die Speicherkarten waren noch weitgehend leer, die Akkus der Kamera dagegen voll, mit anderen Worten, er hatte kaum Motive gefunden, die sich gelohnt hätten, aufgenommen zu werden. Müde und frustriert hatte er eine Bank gesucht, um sich auszuruhen, um nachzudenken und zu überlegen, was er nun tun sollte. Die Bank stand direkt an einem kleinen Spielplatz. Erstaunlicherweise war dieser fast leer und das an diesem schönen, sonnigen Spätnachmittag, keine lärmenden Kinder, keine genervten Mütter. Ein einziges Kleinkind werkelte im Sandkasten. Der Heftigkeit seiner Bewegungen nach zu urteilen vermutlich ein kleiner Junge, jedenfalls ein Kind, das noch einen Kinderwagen brauchte. Dieser, ein altes, völlig aus der Mode gekommenes Modell, stand auf der gegenüberliegenden Seite und auf der Bank daneben saß eine junge Frau. Sie rauchte, blätterte in einer Illustrierten und rief dem Kind ab und zu ein paar laute Worte zu. Vermutlich handelte es sich um die Mutter, dem Aussehen nach hätte es aber auch die große Schwester sein können, stellte er anerkennend fest.

Aus den paar Minuten war bereits eine halbe Stunde geworden und er verspürte Hunger. Aus seinem Rucksack, einem hässlichen, pinkfarbenen Ding mit der großen Aufschrift „titanic-bag“, den er auf seinen Fototouren immer dabei hatte, sein Markenzeichen sozusagen, holte er einen Marsriegel. Sorgfältig entfernte er die Hülle und biss Stückchen für Stückchen ab. Dann entsorgte er das Papier in dem verschmutzten, grauen Papierkorb neben der Bank, auf dem ein gelber Aufkleber prangte: "Gleiches Recht für alle – gegen die Diskriminierung von Frauen". Er war ein ordentlicher Mensch, fast schon ein Pendant. Es war nicht das spielende Kind, das ihn die Zeit hatte vergessen lassen, Kleinkinder interessierten ihn nicht gerade. Nein, es war die junge Frau auf der Parkbank, die seine Blicke magisch anzog. Sie war schlank und grazil, trug enge Jeans mit aufgestickten bunten Applikationen und eine hübsche, rote Bluse. Doch das hätte nicht gereicht, ihn so lange auf einer Spielplatzbank zu fesseln. Anziehend und auffällig waren ihre dunklen Haare, die in üppigen Locken bis auf die Schulter fielen und ihr Gesicht, vor allem ihr Gesicht, das er wegen der geringen Entfernung deutlich und in Ruhe betrachten konnte. Obwohl, nein, weil dieses Gesicht nicht ausgesprochen hübsch war, faszinierte es ihn. Ein ausdrucksstarkes Gesicht von herber Schönheit, das sich nicht gleich beim ersten Anblick erschloss. Es erinnerte ihn an einen Filmstar aus seiner Jugend, dessen Name ihm jedoch nicht einfiel, eine Französin oder Italienerin. Jedenfalls war es keines dieser öden Beautygesichter, die auf der Titelseite von Illustrierten prangten, keine zu Tode geschminkte Maske eines Douglasfilialengirls. Er fand, dass die junge Frau äußerst fotogen sei und je länger er sie betrachtete, desto mehr wünschte er, ihr und sich selbst dies beweisen zu können. Eine kleine Fotoserie mit dieser aparten Schönheit wäre ein kleiner Hoffnungsschimmer an diesem öden Nachmittag, ein Ereignis, das diesem Tag doch noch ein wenig Erfolg verleihen könnte. Doch als er sich endlich aufraffte und das Teleobjektiv aus dem Rucksack kramte, um wenigstens ein paar Schnappschüsse aus der Ferne zu machen, rollte die junge Frau ihre Illustrierte zusammen, stand auf, trat an den Rand des Sandkastens und rief dem Kind zu: „Komm, Schatz, wir müssen jetzt gehen“. Aber das Kind wollte nicht, es wollte sein Kuchenbacken, sein Schaufeln und Sieben nicht abbrechen. Trotzig blieb es im Sand sitzen und als die Mutter ihre Aufforderung mehrfach bekräftigte und dabei immer lauter wurde, fing es an zu plärren. Schließlich stapfte sie unwirsch durch den Sand, hob das schreiende, strampelnde, um sich schlagende Wesen hoch, trug es zum Kinderwagen und setzte es mit Schwung in den Sitz, so wie man einen schweren Sack abwirft. Sie war sichtlich genervt und schimpfte. „Wir gehen jetzt, basta. Hör sofort auf zu schreien, sonst kommst du gleich ins Bett. Kapiert?“ Die Drohung wirkte, das Geheul ging in ein unregelmäßiges Schluchzen und Schniefen über. Die Frau beruhigte sich, aber ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war ihre Stimmung auf den Nullpunkt abgesackt und die Gelegenheit für ein paar nette Fotos war dahin. Doch als sie mit dem Kinderwagen auf seine Bank zukam, stand er zu seinem eigenen Erstaunen auf, lächelte sie an, hob die Kamera etwas in die Höhe und fragte sie genau das, ob er ein paar Bilder von ihr machen dürfe. Die Frau blickte ihn perplex an. Ihre Augen verfinsterten sich noch mehr und zusätzlich bildete sich eine steile Falte auf ihrer Stirn. Man konnte ihre Gedanken förmlich an diesem Gesichts-ausdruck ablesen: „Dieser Spinner will doch nicht hier und gerade jetzt, bei dem Stress mit dem Balg, ein Bild von mir machen“? Ihre Antwort war kurz und brüsk: „Nur gegen Bezahlung“. Trotz der eindeutigen Ablehnung blieb sie mit dem Kinderwagen direkt vor ihm stehen. Er zuckte mit den Schultern, ließ den Fotoapparat wieder sinken, murmelte „dann eben nicht“ und „für's Fotografieren zahl ich nichts, ich nehme höchstens was dafür“ und bückte sich, um seinen Rucksack von der Bank aufzuheben, die Kamera wieder zu verstauen und seine Stadtwanderung fortzusetzen. Im selben Moment bückte sich auch die junge Frau, weil sie bemerkte, wie das Kind die Sand verkrustete Plastikschaufel mit Behagen ableckte. Sie schimpfte wieder, riss die Schaufel empört aus den Händen des verdutzten Kindes und löste dadurch einen neuen Schreianfall aus. Und auch bei ihm hatte ihr tiefes Hinabbücken etwas ausgelöst. Er war wie elektrisiert, denn er konnte gar nicht anders, als direkt und aus kürzester Distanz in ihre aufgeknöpften Bluse zu starren, eine chice bordeauxrote Bluse, auf ihre wohlgeformten Brüste, auf zwei feste, volle, sinnliche Halbkugeln, die in einem lila Hauch von BH ruhten, einem filigranen Netzwerk, soviel er sah. Und er folgte zum zweiten Mal einer spontanen Eingebung und fragte: „Wie viel wollen Sie denn?“

Sie posierte, anfangs etwas lustlos auf einer Bank sitzend, dann, schon mit mehr Interesse, dekorativ versteckt hinter den Blättern und Zweigen der Büsche, die den Spielplatz umgaben. Er machte ein paar romantische Bilder mit verschwommenem Vordergrund und sagte ihr dann, sie solle sich an den Stamm eines der großen Bäume lehnen. Das war die letzte Anweisung, die er ihr geben musste, denn mit jeder neuen Einstellung wuchs ihre Begeisterung. Sie machte eigene Vorschläge und setzte sie spontan um. Schon die Art, sich an den Baumstamm zu lehnen, ihn zu umarmen, sich wie die Schlange im Paradies zu räkeln, nein besser gesagt, ganz wie Eva, die nur das eine Ziel hat, Adam zu verführen, zeigte ihren Einfallsreichtum und ihre Freude, Fotomodell zu spielen. Nach dem Baum balancierte sie waghalsig auf dem maroden Balken der Wippe, kletterte auf den verdreckten Tischtennistisch und tanzte dort einen rasanten Hip-Hop, um sich schließlich sogar auf die blanke Aluminiumrinne der Kinderrutsche zu legen und in den Sand zu kullern. Die Kleine, es war doch ein Mädchen, sah dem Treiben ihrer Mutter höchst interessiert zu und rief „auch Sand spielen“. Als sie das Kind daraufhin aus dem Wagen hob und zurück in den Sandkasten trug, lachte es vor Freude laut auf und begann sofort Sand auf die Mutter zu werfen. Diese hob ihre Hände abwehrend hoch, drohte zum Spaß mit dem Zeigefinger und schubst das Kind so lange, bis es auf dem Rücken lag und mit den Beinen strampelte. Dann legte sie sich zu ihm in den Sand, kitzelte es unter den Armen und in den Kniekehlen und ließ eine Handvoll Sand nach der anderen auf seinen Bauch rieseln. Die beiden tobten, lachten aus vollem Hals, alberten herum, gieksten und prusteten vor Vergnügen. Er kam derweil kaum nach all die hübschen Motive auf seine Speicherkarte zu bannen.

Die Aufnahmen der jungen Frau allein und auch die mit ihrem ausgelassenen Kind hatten ihm zunehmend Spaß gemacht, obwohl ein Spielplatz keine aufregende Kulisse und eine Mutter mit Kleinkind kein übermäßig anregendes Motiv ist. Er war aus einem anderen Grund begeistert, weil er nämlich schon nach kurzer Zeit gemerkt hatte, dass die junge Frau ein großes Talent zum Posieren besaß und zudem ausdrucksstark und variantenreich in die Kamera blickte. Fast schon wie ein professionelles Modell, dachte er. Doch irgend wann war das Thema ausgereizt, alle Stellungen waren schon einmal eingenommen und festgehalten worden und es schien, dass die kreative Phase seiner Aktrice sich dem Ende näherte. Das war aber nicht weiter schlimm, denn er hatte die Bilder, die er wollte, nein, er hatte viel mehr und viel bessere, als er sich vorgestellt hatte und war eigentlich ganz zufrieden, soweit man als Fotograf mit seinem Werk zufrieden sein kann, weil man immer eine neue, eine besser Idee hat, kaum dass die Aufnahmen gemacht sind. Sie einigten sich, Schluss zu machen, nur die Kleine im Sandkasten wollte noch nicht aufhören und rief „mehr spielen, Mama“, aber die Mama erklärte resolut, jetzt sei Schluss, stellte sie auf die Beine, klopfte auf ihrer Kleidung herum, um sie zu entsanden und setzt sie wieder in den Sportwagen. Er verstaute derweil die Kamera in dem rosa Rucksack, zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche und gab der Frau den vereinbarten Geldschein. Wegen des Herumtobens und Herumalberns immer noch etwas atemlos, fragte sie ihn, ob er ihr Abzüge schicken könne. Er nickte und notierte sich ihren Namen und ihre Adresse. Zum Abschied tätschelte er den Kopf des kleinen Mädchens, das nach all der Bespaßung jetzt vergnügt in seinem Wagen saß und streckte der Mutter die Hand hin. Doch diese zögerte, sie zu ergreifen, druckste ein wenig herum und kam schließlich mit der Sprache heraus. „Wenn du willst“ – die beiden hatten ihre anfängliche Reserviertheit rasch abgelegt und waren zum Du übergegangen - „wenn du willst und noch etwas drauflegst, können wir in meine Wohnung gehen. Dort sind wir ungestört und könnten“ sie zögerte erneut und schien zu überlegen, wie sie es ausdrücken sollte, „dort könnten wir andere, ich meine etwas freizügigere Bilder machen. Aber“, so fügte sie sofort hinzu, „du darfst das nicht falsch verstehen. Es geht nur um Bilder, sonst um nichts. Kapiert? Ich bin keine Nutte, ich schlafe mit niemandem für Geld. Ich will nur noch mehr gute Bilder von mir“.

In der Wohnung

Sie gingen in ihre kleine Zwei-Zimmer-Wohnung im sechsten Stock eines Wohnblocks, der ganz in der Nähe lag. Der Flur war eng und dunkel und voll gestellt mit Tüten, Taschen und Schuhen und voll gehängt mit Jacken und Jäckchen. Die Wohnküche, in der er ihr folgte war sehr einfach, fast schon schäbig eingerichtet und ebenfalls reichlich unaufgeräumt. Die Frau entschuldigte sich wegen der Enge, wegen der Kleider auf dem Stuhl, wegen der Spielsachen auf dem Fußboden und der Essensreste auf dem Tisch. Sie setzte das Kind in einen Hochstuhl und wärmte ihm in einem Emailletopf auf einem schon fast historischen Elektroherd Milch auf. Als sie danach begann das Gröbste aufzuräumen, bat er darum, sich in der Wohnung umse­hen zu dürfen. „Ich will mir ein Bild von der location machen“ - er benutzte im Zusammenhang mit Fotografieren gerne englische Worte wie location, shooting, casting oder model – „um zu sehen wo und wie wir deine, wie hast du noch gesagt, etwas freizügigeren Aufnahmen machen können“. „Kein Problem, mach nur, ich koch uns noch schnell einen Kaffee.“ Sie schüttete Kaffeepulver in eine zerbeulte Espressokanne aus Aluminium und stellte sie auf die noch heiße Herdplatte. Er warf erst einen Blick in das kleine Bad und dann in das überraschend geräumige Schlafzimmer. Hier fiel ihm ein brandneuer, großer Fernsehapparat auf, der auf einer Kommode stand und nicht so recht in die armselige Umgebung der Wohnung passen wollte. Die Bewohnerin pflegte wohl am liebsten im Liegen fernzusehen, von ihrem sehr breiten Bett aus. Dieses nahm viel Platz ein. Ein Kinderbett sah er nicht.

Dann saßen sie zu dritt am Küchentisch. Das kleine Mädchen hatte seine Milch ausgetrunken und spielte ruhig mit einer sehr hässlichen Puppe und einem zerzausten Plüschaffen. Die junge Frau nahm die Espressokanne vom Herd und schenkte ein. Der Kaffee schmeckte vorzüglich und während sie tranken, redete die junge Frau und redete. Sie hatte offensichtlich nicht nur Vertrauen zu ihm gefasst sondern auch ein großes Bedürfnis, jemandem mitzuteilen, in welch misslicher Lage sie sich befand.

„Ich lebe allein mit dem Kind. Der Vater, der Arsch, hat uns verlassen. Noch vor der Geburt. Er wollte kein Kind, keine Familie, keine Verantwortung, keine Kosten. Ich sollte abtreiben und als ich das nicht wollte, war er stinksauer. Er ist dann einfach verschwunden, von jetzt auf nachher, angeblich unauffindbar und er zahlt natürlich auch keine Alimente.“ Ihre Stimme wurde schrill, sie war sichtlich erregt. Dass ein Mann, noch dazu der Vater ihres Kindes, sie einfach hatte sitzen lassen, nagte immer noch an ihr. Als sie merkte, dass er ihr aufmerksam zu hörte, obwohl er sich jeden Kommentars enthielt, wurde sie noch vertraulicher und breitete weitere intime Details vor ihm aus. „Jetzt habe ich einen anderen, aber der ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Genauso unzuverlässig wie mein Ex, ohne regelmäßige Arbeit, ohne gescheite Ausbildung. Ein Schluri, der nichts auf die Reihe bringt. Ich kapiere selbst nicht, warum ich mit dem noch zusammen bin, aber ganz allein zu sein, ist noch mehr Scheiße. Er will nicht zu mir ziehen, das Kind nervt ihn und auch er will keine Pflichten und keine Verantwortung. Scheiß Männer, sag ich dir, obwohl du auch einer bist. Alle sind gleich. Rumpimpern, möglichst für umme, aber nichts Gscheits, nur tralala. Er wohnt immer noch bei seiner Mutter. Klar, Pension Mama ist ja viel bequemer und billiger und außerdem vergöttert sie ihr Söhnchen, so ein richtiges Muttersöhnchen. Zu mir kommt er nur, um zu bumsen und sich den Wanst voll zu schlagen, dieser Halodri.“ Ihre Stimme beruhigte sich wieder etwas, als sie zu dem Thema wechselte, das sie offenkundig am meisten bedrückte. „Dabei habe ich doch selbst nicht viel Geld. Nur das Kindergeld und das bisschen, was ich beim Kellnern verdiene. Mittwochs und sonntags arbeite ich als Bedienung im Paulaner Brauhaus. Du kennst das doch? Das in der Innenstadt. Ich schaffe von elf in der Früh bis Mitternacht. Das Gehalt ist mickrig. Ohne Trinkgeld würde sich das nie lohnen. Zum Glück bekomme ich ganz ordentlich Trinkgeld, aber nur von den Männern“ sie lachte „die Frauen geben nichts, sie sind eifersüchtig, weil ihre Männer so auf mich abfahren. Wenn ich auf Arbeit bin, lasse ich die Kleine über Nacht bei der Oma. Ich könnte ja auch ganz zu meiner Mama ziehen, das wäre billiger, ich könnte die Miete hier sparen, aber das will ich auf keinen Fall, ich will nicht in die Pension Mama, ich nicht. Die will immer so viel wissen, fragt mich ständig aus und will mir vorschreiben, was ich tun soll. Kannst du dir das vorstellen? Mir immer noch Vorschriften machen? Nein, meine Freiheit gebe ich nie mehr auf, nie mehr.“ Zur Bekräftigung schlug sie mit der flachen Hand laut auf die Tischplatte. Die Kleine in ihrem Hochstuhl fuhr erschrocken auf. Sie strich ihr beruhigend über die Haare und trank einen Schluck Kaffee. Dann lamentierte sie über die hohen Preise „obwohl ich immer nur zu Aldi gehe“, die teure Miete „eigentlich ist die Sozialwohnung nicht teuer, aber die Nebenkosten, Strom, Müllabfuhr, all der Scheiß“, stöhnte über die Schwierigkeiten, an chice Kleidung zu kommen, „wenn man anständig aussehen will, brauche man auch anständige Klamotten“ und "ich kaufe nur in Secondhandshops und auf dem Flohmarkt, da findet man auch tolle Sachen", sowie über das Geld, das sie für Schönheitspflege ausgab „einmal in der Woche kommt eine Bekannte, eine gelernte Friseuse, die macht es schwarz, will aber auch Geld und wenn ich meine Haare mal eine Woche nicht machen lasse, sehe ich grauenvoll aus.“ Ihr Resümee: „Ich kann doch nicht in Sack und Asche herumlaufen. Wer guckt mich dann noch an? Eine Frau will angeschaut werden, das ist überlebenswichtig, glaub mir.“ Schließlich endete sie resigniert mit der Klage, dass sie sich nichts leisten könne und wegen dem Kind immer zu hause bleiben müsse und nirgends hin könne, bloß in den Park und auf den Spielplatz, immer nur Spielplatz und Park, und das jeden Tag, immer dasselbe. Die einzige Abwechslung sei die Glotze und deswegen habe sie sich auch ein neues Gerät gekauft, obwohl sie sich das eigentlich nicht leisten könne. Damit war sie mit dem Jammern am Ende und versicherte ihrem stummen Zuhörer, dass heute ein guter Tag sei. Sein Auftauchen und der Wunsch, sie zu fotografieren, sei eine hochwillkommene Abwechslung in dem langweiligen Alltag und das Schönste sei, dass sie dafür sogar noch Geld bekommen habe. „Kaum zu fassen“, meinte sie, „für's Spaß haben auch noch Geld kriegen.“

Sie lachte und schien endlich ihren Frust abgeladen zu haben. Der Kaffee war ausgetrunken und sie kündigte an, sich jetzt für die Aufnahmen, für die besonderen Aufnahmen, wie sie schelmisch hinzufügte, schminken zu wollen. Sie kramte aus ihrer Handtasche einen Kamm, Lippenstift und einige Döschen und Tuben hervor und ging in das Bad. Mit lauter Stimme rief sie „Weißt, du, so richtig schön fotografiert werden, so richtig schöne, große, tolle Starbilder von mir, das habe ich schon immer gewollt. Aber leider hat das noch nie geklappt. Ich hab noch nie jemand getroffen, der das fer Umme gemacht hätte und Geld für Studioaufnahmen habe ich keins. Ich wäre liebend gern Fotomodell, das war schon immer mein Traum, weißt du, schon als Kind. Ich schau mir alle Castingshows im Fernsehen an. Einmal bei Germany’s next Topmodel aufzutreten, das wäre was.“ Sie kam wieder in die Küche und er begutachtete ihr Werk: den dezenten Lidschatten, das tiefschwarze Kajal, das frische Rouge auf den Wangen. Sie besaß sichtlich Übung und Geschmack. Nur beim Lippenstift wunderte er sich über ihren Einfall, fand das Ergebnis aber ganz gut. Sie hatte ihre etwas zu schmalen Lippen betont auffällig mit blutroter Farbe nachgezogen. Das gab ihr ein laszives, leicht ordinäres Aussehen und sie wirkte noch eine Spur vulgärer als sie ihm ohnehin schon vorkam. Er fragte, ob sie nun mit ihrer Vorbereitung fertig sei und sie mit dem Fotografieren beginnen könnten, aber seine Geduld wurde noch einmal auf Probe gestellt. Sie setzte sich wieder an den Tisch, weil sie unbedingt noch etwas los werden musste, wie sie ihm gestand. „Weißt du, was mein zweiter Traumberuf wäre? Schauspielerin! Früher habe ich jedes Jahr in der Kirchengemeinde bei den Passionsspielen mitgemacht und die Maria Magdalena gespielt, du weißt schon, das ist die, die den Jesus verführen wollte. Ich war gut und die Leute haben bei mir viel geklatscht, vor allem die Männer. Der arme Jesus war total verwirrt, so hab ich mich an den ran gemacht. Der Pfarrer“ sie musste bei der Erinnerung kichern“, der Pfarrer hat mich immer bremsen müssen, ich solle nicht gar so forsch, nicht so direkt sein, damit der Jesus nicht zu viel sündige Gedanken bekomme, das hat er gesagt.“ Sie schwieg bei der Erinnerung an ihre schauspielerischen Erfolge einen Moment lang und blickte versonnen in eine ungewisse Ferne, bevor sie die Unterhaltung mit einem Bekenntnis beendete. „Von dir habe ich einen guten Eindruck. Ich kenn mich aus mit Männern, glaub mir. Du bist ein ehrlicher Typ und außerdem machst du tolle Bilder, echt tolle Bilder.“ Toll war eines ihrer Lieblingsworte. Sie verwendete es häufig. „Du willst nicht nur meinen Arsch und meine Titten knipsen. Du willst Kunst.“ Sie stand auf, schien aber immer noch angestrengt nachzudenken. „Wenn du willst", sie rang mit sich, "wenn du willst, kannst du auch besondere Fotos von mir machen. Verstehst du? Aktfotos, ich völlig nackt. Kein Problem, das kostet aber mehr“. Er wollte.

Türler ve etiketler
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0+
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170 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783741846144
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