Kitabı oku: «Thriller Spannung 2021: 13 Urlaubs-Krimis auf 1527 Seiten», sayfa 21

Yazı tipi:

„Das heißt, ich muss mich in Hemd und Krawatte werfen? Na schön. Einverstanden.“

Um neunzehn Uhr klingelte er an ihrer Wohnungstür und war ehrlich verblüfft, welche Frau ihm da öffnete. „Donnerwetter“, sagte er nur. „Was so ein Kleid alles ausmacht.“

Sie wusste nicht so recht, ob sie sich über dieses Kompliment uneingeschränkt freuen sollte, und weil er ihr das ansah, fügte er noch hinzu: „Du siehst toll aus.“

„Danke.“

Der Tisch war reserviert, er brauchte kein Navi, weil sie den Weg zu kennen vorgab. Sie verfranzten sich nur einmal und kamen immer noch so rechtzeitig an, dass der Tisch nicht anderweitig vergeben war.

„Das ist mir peinlich“, entschuldigte sie sich mehrfach.

„Das muss dir doch nicht peinlich sein.“

„Ist es aber, ich arbeite schließlich in einem Reisebüro und stelle mir gerade vor, dass ich Kunden in – sagen wir – Thailand so in die Irre geschickt habe.“

„Hauptsache, sie haben alle wieder nach Hause gefunden. Und für Tsunamis bist du nicht zuständig.“

„Haben die Herrschaften schon gewählt?“, wurde Rudis tröstliche Rede brutal abgewürgt.

„Nein, die Karte bietet mehr an, als wir essen können“, sagte sie trocken, „wir ringen uns noch durch, auf was wir verzichten müssen.“

Die Entscheidung fiel endlich, und Anja erkundigte sich ernsthaft: „Darfst du mir verraten, wo du dich herumgetrieben hast?“

„Von Linsengericht nach Bonn und Essen und wieder zurück?“

„Und wozu diese romantische Rundreise?“

„Ich musste eine schöne Frau begleiten.“

„Das ist nicht dein Ernst.“

„Doch, doch. Sie musste heute vor Gericht als Zeugin aussagen und man hatte ihr gedroht, sie vorher umzubringen.“

„Du nimmst mich auf den Arm.“

„Nein, aber da fällt mir ein, dass ich nicht weiß, wie der Prozess ausgegangen ist.“

Paul Fichte wusste natürlich Bescheid. „Acht Jahre wegen Anstiftung zum Mord. Der Verteidiger will das Urteil auf jeden Fall anfechten.“

„Das heißt, sie muss noch etwas länger leben bleiben.“

„Wäre empfehlenswert. Und wo steckst du im Moment?“

„Ich feiere Wiedersehen mit meiner entzückenden Blumengärtnerin.“

„Und wo?“

„In Schierstein, in der Alten Mühle.“

„Du hast es gut. Ich muss gleich mit Brock und Lössmann Bier trinken gehen.“

„Und wohin habt ihr sie verfrachtet? - keine Angst. Die Gärtnerin kann nichts hören.“

„Die Dame bestand darauf, in ihr Haus nach Schlangenbad zu fahren, zum Duschen, Schlafen und Wäschewechseln, Du kennst sie ja jetzt, sie hat einen ausgesprochen dicken Kopf und hat sich durchgesetzt ... Keine Angst, Rudi, zwei Dutzend Polizisten bewachen das Haus und alle Zufahrtswege. Und wenn wir uns wieder treffen, wirst du mal beichten, wie gut ihr euch früher wirklich gekannt habt.“

„Geht in Ordnung. Gute Nacht, Chef.“

Anja war sauer, weil sie sich mit einem Dessert zufrieden geben musste. Mehr passte beim besten Willen nicht mehr in ihren Magen.

Beim Kaffee bimmelte sein Handy. Julia Vandenburg schluchzte vor Aufregung, „Rudi, ich kann Mama nicht erreichen, ist da was mit ihr passiert?“

„Langsam, langsam. Wo bist du denn jetzt?“

„In Essen, in der Ahornstraße. Mutter wollte mich doch sofort anrufen, wenn sie im Gericht fertig ist. Aber sie hat sich nicht gemeldet. Und auf dem handy erreiche ich nur die Mailbox.“

„Sie hat vielleicht zu tun.“

„Ja, aber warum nehmen Ilka oder Jonas nicht den Festnetzapparat ab? Rudi, bitte, du musst hin und nachschauen. Wo bist du denn jetzt?“

„In Wiesbaden.“

„Ist es von da weit nach Schlangenbad?“

„Nein.“

„Bitte, bitte fahr' hin und schaue nach, wenigstens Tante Ilka oder Jonas müssten doch ans Telefon gehen.“

Er schaute auf Anja Wesskamp, die gar nicht verhehlte, dass sie auf- aufmerksam zuhörte.

„Na gut“, gab er nach, „Dann gib mir mal deine Handynummer.“

Er programmierte sie in seinen Handy-Nummernspeicher und rief dann Fichte an. „Hör mal, Chef, eben hat mich Isas Tochter angerufen, sie ist ganz aufgelöst, weil sie ihre Mutter weder auf dem Handy noch auf dem Festnetz erreichen kann. Auch Isas Schwester und Jonas nehmen nicht ab. Ich hab' ihr versprochen, sofort nach Schlangenbad zu fahren und nachzuschauen. Hast du die Adresse?“

„Damenstieg 25; ich schlage auch Alarm . Wir kommen auch hin.“

„Ich bringe meine Nachbarin und Blumengärtnerin Anja Wesskamp mit, sie sitzt mit mir in der Alten Mühle, und wir sind in meinem Wagen hingefahren.“

„Weiß sie, was du beruflich machst?“

„Nur, dass ich im Landeskriminalamt arbeite und manchmal beruflich schöne Frauen auf Rundreisen und auf Spesen des Amtes begleite.“

„Versuch', es bei solchem Humor zu belassen.“

„Okay. Chef, wenn du eine Truppe zusammenstellst und mitbringen willst, dann auf keinen Fall Kowalski. Ich erzähle dir nachher, welche Schote der sich mit mir in der 'Erbsensuppe' geleistet hat.“

„Meinetwegen. Gute Fahrt, Rudi. Hast du deine schöne neue H & K dabei?“

„Doch nicht, wenn ich eine nette Frau zum Abendessen ausführe.“

„Dann unternimmst du nichts auf eigene Faust, sondern wartest, bis wir bei dir sind. Vielleicht erreiche ich noch Lederer.“

„Mit der Sturm verstehe ich mich besser.“

„Rudi, das wundert mich nicht.“

„Trotzdem zu Befehl, Chef.“

Fichte kannte seinen Schlawiner und legte höchst beunruhigt auf. Anja trank ihren Kaffee aus. „Wenn ich das richtig verstanden habe, machen wir jetzt einen kleinen Ausflug nach Schlangenbad, um eine schöne Frau zu suchen.“

„Völlig richtig.“

„Und ich hatte gehofft, wir würden bei mir noch zusammen eine schöne Riesling Spätlese Eberbacher Steinberg trinken.“

„Toll. Aber der läuft uns nicht weg und kippt auch nicht so schnell.“

*


Rudi zahlte und gab ordentlich Gas. Isas Haus war ein recht großer einstöckiger Bau mit viel Glas und Holz und einem ausgebauten Dachgeschoss. Es stand frei auf einem Gartengrundstück, mit dem ein einzelner Gärtner gut Vollzeit beschäftigt war. Das Dach der rechts angebauten Doppelgarage diente als großer Balkon für das Dachgeschoss. So etwas verdiente man nicht als Assistentin, die auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld wartete.

„Toll“, murmelte Anja Wesskamp erkennbar neidisch. „Was macht deine schöne Reisebegleiterin beruflich? Druckt sie Geld? „

„So ähnlich“, murmelte er und nahm sich vor, Isa mal gründlich zu verhören. „Du wartest jetzt hier auf mich.“

Er stieg aus. Der niedrige Jägerzaun war nur eine dekorative Grundstücksmarkierung. Er schlich links am Haus vorbei. Der große Garten lag im Dunkeln, nur unter den Schuhen spürte er, dass er über eine geflieste Fläche lief, mit einer Hand strich er über große, bis zum Boden reichende Glasflächen. Dann stutzte er. Nach einem senkrechten Holzteil hörte das Glas auf. Kein Glas mehr oder eine nach innen geöffnete Verandatür? Er hütete sich, in das Dunkel zu treten, sondern marschierte zurück zum Auto und holte aus dem Kofferraum die LED-Akku-Stablampe und einen kurzen Holzknüppel mit Lederbezug und einer Handschlaufe aus Leder. Doch dann beging er wohl einen Fehler und schaltete die Lampe zu früh an; das grellweiße Licht war von drinnen durch die großen Scheiben und Glastüren gut zu sehen. Und kaum war er an die Stelle zurückgekehrt, an der vielleicht eine Tür ins Haus geöffnet war, kam ohne jede Vorwarnung etwas aus dem Dunkel herausgeschossen und rannte ihn regelrecht über den Haufen; bis sich Rudi wieder aufgerappelt, sortiert und sein Lampe gefunden hatte, war der Kerl über alle Berge. Leise auf sich und seine Dummheit schimpfend, schalte er die Lampe an und ging möglichst leise in das Haus. Dem zur Seite gerückten Couchtisch und Sesseln konnte er mühelos ausweichen, auf die umgeschlagene Teppichkante achtete er nicht, stolperte und knallte mit der Stirn gegen ein Regal. Alles Engel begannen zu singen und wollten einfach nicht aufhören, selbst als sein Schmerz abgeklungen war. Endlich schaltete er. Da summte ein Mensch mit aller Kraft was Unverständliches vor sich hin. Rudi ging in das Nebenzimmer und knipste die Deckenbeleuchtung an. Hier sah es aus wie bei Hempels unterm Bett, und in der Mitte des Chaos lag eine mit Stricken, Handtüchern und Klebeband gefesselte und laut vor sich hinsummende menschliche Gestalt, die ihn ängstlich anstarrte. Rudi entfernte zuerst das Klebeband von ihrem Mund, und nach dem Aua-Schrei konnte sie wieder tief durchatmen.

„Du bist doch der Rudi Herzog, nicht wahr?“

„Ja, und du musst Isas Schwester Ilka sein.“

„Bin ich, danke, viel länger hätte ich nicht mehr durchgehalten, Rudi, wir müssen die Polizei rufen. Ich bin überfallen worden.“

„Die Polizei ist schon unterwegs.“

Kaum gesagt, bremsten auf der Straße vor dem Haus mehrere Autos. Rudis Mutter pflegte in solchen Fällen freudig zu sagen: „Wenn man den Teufel nennt, kommt er gleich gerennt.“

Er löste noch schnell Ilkas Handgelenkfesseln auf ihrem Rücken, bevor er über den Garten nach draußen sauste, dem Trupp entgegen. Fichte wusste natürlich sofort, woher sein Rudi wie Kai aus der Kiste erschien. Dessen noch wachsenden Beulen auf Hinterkopf und Stirn konnten Fichtes Mitleid nicht wecken, auch nicht Rudis Bericht, dass und wie er Ilka Vandenburg gefunden und befreit hatte. Erst als Rudi von Kowalskis Heldentat berichtete, seiner Ablösung die Existenz einer supergroßen Drohne über der „Erbenssuppe“ zu verschweigen, horchte Fichte auf. „Das ist ja interessant.“

Lederer hatte er zwar ans handy bekommen, aber der saß mit dem Kollegen Lössmann in einer Dienstbesprechung bei Bier, Buletten und Klaren und schickte seine Kollegin Sturm vor. Während die Truppe das Haus nach Spuren durchkämmte und absuchte, saßen sie in der Küche und tranken Kaffee; die nachbarliche Blumengärtnerin durfte dabei bleiben, nachdem sie alle denkbaren Eide geschworen hatte, über alles zu schweigen und vor allem nicht mit Journalisten zu reden, ganz gleich, was die versprachen, an Geld oder Verschwiegenheit.

Was Ilka dann erzählte, war ausgesprochen unschön. Ein Streifenwagen hatte Isa nach Hause gebracht, die ihrer Schwester kurz Bericht über die Verhandlung im Landgericht und die anschließende Vernehmung im LKA durch Hauptkommissar Lössmann, Referat Organisierte Kriminalität, erstattete, duschte, zwei Stunden schlief und sich dann mit Ilka zum Essen an den Tisch setzte. Noch vor dem ersten Bissen schellte es. Ilka ging öffnen und kam mit einer Pistolenmündung im Rücken in das Esszimmer zurück. Die beiden vermummten Männer und die maskierte Frau fesselten Isa und Ilka an die Heizungskörper und begannen, das ganze Haus auf den Kopf zu stellen. Dabei sprachen sie kein Wort und ließen auch nicht erkennen, wonach sie vergeblich suchten. Nur als Jonas gegen 18 Uhr 30 nach Hause kam und die Haustür mit seinem Schlüssel öffnete, meinte die Frau spöttisch: „So, jetzt sind wir komplett und können gehen.“ Die Frau schickte Ilka und Isa noch einmal auf die Toilette, ließ aber keinen Zweifel daran, dass sie beim geringsten Fluchtversuch schießen würde. Ilka wurde dann zum Paket verschnürt und Isa und Jonas in ein Fluchtauto verschleppt.

Schlimmer hätte es kaum kommen können. „Hat denn keiner unserer Kollegen etwas bemerkt und eingegriffen?“, fragte Fichte ungläubig, während Andrea Sturm frisches Eis in den Beutel füllte, den sie abwechselnd auf Rudis Hinterkopf und Stirn drückte.

„Die waren doch alle abgezogen und längst weggefahren“, erwiderte Ilka aufgebracht.

„Das glaub' ich nicht!“, platzten Andrea Sturm und Paul Fichte unisono heraus. „Welcher Idiot hat denn das angeordnet?“

Rudi winkte Andrea Sturm mit dem Kopf ins Esszimmer und verschloss die Verbindungstür fest. „Haben Sie damit gerechnet, dass Rechtsanwalt Blume das Urteil gegen Schiefer anfechten wird?“

„Ha, ja, das ist bei Erich Blume die Regel. Der legt sogar gegen einen Freispruch seines Mandanten Revision ein.“

„Hat er so wenig zu tun?“

Sie nickte nur.

„Das heißt, Sie brauchen Isa unbedingt noch einmal für das zweite Verfahren?“

Sie nickte wieder.

„Und wer sucht Isa jetzt?“

„Ich hoffe auf Sie“, flötete sie so süß, dass sein Ohr juckte.

„Ich bin Personenschützer, kein Zielfahnder.“

„Das kriegen mein Chef und Ihr Chef schon hin.“

„Auf meine Kosten, wie?“

„Einer muss die Zeche zahlen, und nicht immer der, der die Musik bestellt hat“, beschied sie ihn ungerührt. Rudi beschloss, diese Frau trotz ihres Aussehens nicht mehr für sympathisch zu halten.

„Hören Sie, Frau Staatsanwalt. Bevor ich mir das überhaupt überlege, brauche ich eine Kamera mit einem frischen Chip und ausreichend Blitzkapazität, um alles das, was die Truppe hier im Haus angestellt hat, zu knipsen – nein, den Chip behalte ich ... Nein ... wozu, das behalte ich vorerst auch für mich. Und dann möchte ich ungestört längere Zeit telefonieren.“

Andrea Sturm legte noch eine großartige Szene hin, die ihrem Namen alle Ehre machte, aber gegen einen wütenden Rudi Herzog kam auch sie nicht an. Er erhielt, was er wollte, und verbrachte eine der schlimmsten Viertelstunden seines Lebens damit, einer völlig aufgelösten und verzweifelten Julia Vandenburg am Handy erklären zu müssen, dass Bruder und Mutter von Unbekannten entführt worden seien, aber Tante Ilka gefesselt zurückgelassen hätten.

„Nein, du kommst nicht nach Schlangenbad. Das ist viel zu gefährlich und schützen kann ich dich nicht. Ich muss deine Mutter und deinen Bruder suchen, das ist jetzt das Wichtigste. Gib mir mal bitte deine Tante Leni.“

„Guten Abend, Frau Behrens. Hier ist Rudi Herzog. Julia wird Ihnen bestimmt erzählen, was passiert ist. Sie könnten mir bei der Suche nach Isa und Jonas riesig helfen, wenn Sie verhindern, dass Julia nach Schlangenbad fährt. Die Gefahr ist viel zu groß, dass sie hier auch entführt wird und deswegen wäre sie mir nur ein Klotz am Bein. Wenn Sie fremde Hilfe brauchen, können Sie sich an meinen Freund und Ex-Kollegen Alexander Dorberg wenden. Haben sie was zu schreiben für seine Handynummer? Vielen Dank, ich melde mich, sobald es etwas Neues zu berichten gibt.“

Danach holte er Anja Wesskamp aus der Küche, die sofort zu kichern begann: „Bei der Staatsanwältin kannst du aber keinen Blumentopf mehr gewinnen.“

„Hübsche Frauen müssen nicht unbedingt auch nett sein. Oft reicht die Vererbung nur für eine Eigenschaft“

„Tolle Einsicht. Und wozu brauchst du mich jetzt?“

„Wir sind verheiratet und du hast mich betrogen.“

„Was soll denn das?“

„Ich darf das auf keinen Fall erfahren. Wo würdest du verstecken, was für mich ein deutlicher Hinweis auf deinen Seitensprung sein könnte, ein Foto, ein Souvenir, die Hotelrechnung, was auch immer.“

„Du spinnst!“

„Nur in Genzen. Anja, die haben hier was Bestimmtes gesucht, die Entführungen waren nicht von Anfang an geplant. Wir marschieren jetzt durch die Räume und du zeigst mir, wo du als intelligente und vorsichtige Frau etwas verstecken würdest. Einmauern gilt nicht, unter Umständen musst du rasch an das Versteckte gut herankommen.“

Sein jetzt ernster Ton beeindruckte sie. Schweigend machten sie sich auf den Weg durch die Zimmer. Sie zeigte auf Stellen, die sie vielleicht als Versteck benutzt hätte. Manche waren auch den Kollegen aufgefallen, man erkannte es an der Unordnung, die sie hinterlassen hatten. Rudi knipste, was Blitz und Chip hergaben. Unten in der Küche wurde die Besatzung ungeduldig, aber Staatsanwältin Sturm war vernünftig genug, den anderen lautstark und erfolgreich zu erklären, was Rudi Herzog als Vorbedingung gestellt hatte, sich eine Suche nach Isa und Jonas überhaupt zu überlegen. Anja und Rudi näherten sich dem Schlafzimmer und stolperten als erstes über Isas Klamottenbeutel. Anja schüttete den Inhalt auf das Bett. „Hast du mit ihr geschlafen?“, fragte sie ihn unvermittelt.

„Ja, vor vielen Jahren wollte ich ihr sogar einen Heiratsantrag machen.“

„Und?“

„Sie war schon vergeben.“

„Und wo ist der Glückliche heute?“

„Im Knast.“

„Ach nee.“

„Augen auf beim Standesbeamten.“

„Danke. Ich werd's mir merken.“

Die getragene Wäsche ließ sie mit spitzen Fingern wieder in den

Beutel fallen, dann lachte sie hell auf. „Aber nachts hat sie diesen Keuschheitsgürtel nicht getragen?“

„Nein. Das ist eine Schutzhose für den Unterleib.“

„Gepanzert?“

„Nein, wieso?

„Dann fühl' mal hier. Das ist doch ein Stück Metall – oder?“ Sie puhlte etwas aus dem Stoff-Konvolut hervor.

Rudi schaute sich das Teil genau an und traute seinen Augen nicht, das war kein Metallplättchen gegen eine Kugel, das sah vielmehr wie ein Sender aus. Und jetzt fiel ihm auch wieder ein, worüber er schon einmal gestolpert war, ohne eine Erklärung zu finden. Woher hatte das Trio in Ückesdorf gewusst, dass sie bis zum sechsten Stock hochfahren mussten. Hatte dieses Stück ihnen verraten, wo es sich befand, versteckt und flüchtig eingenäht in eine Schutzhose für eine Schutzbefohlene.

„Tust du mir mal einen Gefallen und holst Paul Fichte?“

Fichte wusste sofort Bescheid. „Hast du eine Ahnung, wer ihr das in die Hose geschoben hat?“

„Senta Stolze – so hieß sie.“

„Das Luder kann morgen was erleben. Können wir bald gehen? Ich brauche unbedingt ein paar Schlucke nach den vielen Überraschungen des heutigen Tages.“

Zehn Minuten später zogen sie ab. Ilka bestand darauf, allein im Haus ihrer Schwester zu bleiben, und Rudi glaubte auch nicht, dass sie heute nacht noch einmal unerwünschten Besuch bekommen würde. Das, was sie suchten, hatten die Entführer in mehreren Tagesstunden nicht gefunden; nichts sprach dafür, dass sie es in wenigen dunklen Nachtstunden unter dem Zwang, sich leise und unauffällig zu verhalten, entdecken könnten. Er hatte keine Ahnung, was es sein könnte. Auf keinen Fall war es groß und sperrig; das wusste er, als er seine ordentlich abgeschlossene Wohnung aufsperrte. Auch hier sah es aus wie bei Hempels unter dem Bett, und er musste sich entscheiden, entweder sofort aufzuräumen oder eine Riesling Spätlese in netter Gesellschaft zu trinken. Das Ergebnis stand von vornherein fest, und Anja Wesskamp hatte nichts dagegen einzuwenden.




Donnerstag, 19. Juni


Es war weit nach Mitternacht, als Rudi vorsichtig über die Hindernisse auf dem Fußboden seiner kleinen Zweizimmerwohnung ins Bett balancierte. Der Riesling war ausgezeichnet gewesen und sie fragte ihn offen nach seinem Beruf und meinte zum Schluss dann staunend: „Dass ein Mann wie du Blumen hast ...“

„Die letzte Erinnerung an eine Ex-Freundin. Als sie die Töpfe dort abstellte, habe ich nicht vermutet, dass es sich um echte Blumen handelte, die Wasser und manchmal etwas Dünger brauchen. Ich habe gedacht, die sind aus Plastik.“

„Gibst du mir den Namen und die Telefonnummer deiner Ex?“

„Warum denn das?“

„Ich wollte mich nur bei ihr bedanken. So habe ich einen netten Nachbarn kennengelernt.“

Er schaute sie aufmerksam an, sie wurde verlegen und etwas rot, was ihr gut stand. Sie war, was ihm sofort aufgefallen war, hübsch, aber etwas schüchtern. „Vorsicht, Rudi!“, hatte er sich schon damals gewarnt. „Das ist keine Frau für eine kurze schnelle Affäre. Keine Rudolfine, wie Fichte lästern würde. Ein Händchen für Blumen hatte sie zumindest. Rudi hatte vor dem Schlafen noch daran gedacht, sein Handy wieder aufzuladen: prompt bimmelte es, als er beim Frühstück saß. Alexander Dorberg gähnte, dass es ihm die Mundwinkel zu zerreißen drohte. „Ich habe wenig und sehr schlechte geschlafen, und daran bist du Schuld.“

„Wie das?“

„Du hast einer Leni Behrens meine Handynummer gegeben und ihr angeboten, sie könne mich anrufen, wenn sie wegen Julia in Nöten stecke.“

„Stimmt.“

„Sie hat mich angerufen und aus dem Tiefschlaf gerissen. Es war halb zwei. Sie hatte seltsame Geräusche gehört und war aufgestanden, um nach Julia zu sehen. Damit hatte sie einen Einbrecher gestört, der gerade dabei war, Julias Zimmer auszuräumen auf der Suche nach irgendwas. Ein unhöflicher Mann, der Tante Leni niedergeschlagen hat und mit leeren Händen getürmt ist. Die beiden Frauen haben 110 angerufen, aber die Kollegen haben nichts für sie tun können: Vereitelter Einbruch, inzwischen leider Routine. Tante Leni hat sich an mich erinnert und angerufen, ich bin hin, hab' aber auch nicht helfen können, musste aber versprechen, dich zu informieren.“

„Danke, ich komme bald mal vorbei und erkläre dir, was hier inzwischen abgelaufen ist. Was macht die Angelegenheit Reufels.“

„Keine heiße Spur. Und ich habe ungeheuer Schwein gehabt, als ich mir meine private Wumme besorgt habe. Der Saukerl besaß eine Pistole, aus der schon einmal bei einem Bandenkrieg um Rotlichtpfründe ein Boss umgelegt worden ist. Alle Ermittlungen laufen jetzt in diese Richtung, es gibt im Milieu mittlerweile schon Kollateralschäden, über die hier im Präsidium keiner eine Träne vergießt. Glück muss der Mensch haben. Wenigstens manchmal.“

„Glückwunsch, Alex.“

*


Rudi und Anja Wesskamp begegneten sich an der Treppe.

„Na, alles gut vertragen?“

„Aber ja. Und du?“

„Danke der Nachfrage, Ich kann nicht klagen; ich fand den Abend sehr unterhaltsam, besser als das Fernsehen. Wir sollten ihn wiederholen.“

„Ich gebe mir Mühe, einen ähnlichen Auftrag an Land zu ziehen.“

*


Paul Fichte verlangte ein langes, detailreiches Protokoll über Rudis Heldentaten, schickte ihn dann zu Brock, der dem Hauptkommissar Herzog verkündete, dass Bonn und zerstörte Ohrmuscheln kein Nachspiel haben würden, Rudi dafür aber vorübergehend den Personenschutz verlassen und sich der Zielfahndung unterstellen müsse. Brock war so gemein hinzuzufügen: „Ich persönlich habe Reuter angerufen, dass man bei Ihnen aufpassen müsse und auf keinen Fall absoluten Gehorsam erwarten dürfe.“

„Das freut mich aufrichtig, heißen Dank, Herr Kriminalrat.“

„Bitte, bitte, gern geschehen. Ach, noch was, Herr Herzog, die Kollegin Stolze ist heute morgen aufgefunden worden. Sie hat sich erhängt. Lederer hatte ein Verfahren gegen sie eingeleitet wegen Amtsverrat und Bestechlichkeit.“

*


Der Name Lederer hatte Rudi auf eine Idee gebracht. Er ging zur Staatsanwaltschaft und hatte Glück. Andrea Sturm hatte Zeit für ihn und war auch bereit, mit ihm über den Fall Vandenburg zu sprechen.

„Um was geht es denn?“

„Isa hat mir nie verraten wollen, warum sie sich nach einem so langen Verhältnis mit Schiefer plötzlich mit ihm überworfen hat. Kennen Sie den Grund?“

„Ich weiß, was sie bei Lederer als Grund angegeben hat.“

„Können Sie mir das verraten?“

„Lieber nicht, Herr Herzog, es würde die Glaubwürdigkeit Ihrer Ex-Freundin so sehr erschüttern, dass ihr Wert als Kronzeugin massiv in Frage gestellt würde.“

„Wieso Ex?“

„Also doch! Ihnen schleicht ein bestimmter Ruf hinterher, Herr Herzog.“

„Dann darf man mir in Zukunft keine so hübschen und so anlehnungsbedürftigen Schützlinge anvertrauen.“

„Ihr Chef hat das so formuliert: 'So gibt es wenigstens eine kleine Chance, dass der erste Schuss im dunklen Schlafzimmer nicht die Schutzperson, sondern dankenswerterweise den Schützer trifft.“

Sie lachte laut und schadenfroh, und Rudi spitzte die Lippen: „Ich glaube nicht, dass wir noch Freunde werden, Frau Staatsanwalt.“

„Das betrübt mich aber.“ Dabei lachte sie noch lauter.

*


Bei dem Namen Lederer war ihm eine weitere Idee gekommen. Kriminalrat Reuter konnte warten. Kollege Lössmann schnaufte: „Kommen Sie rein! Was kann ich für Sie tun?“

„Herr Kollege, ich bin kriminell veranlagt und habe von einer arglosen Großtante ein Vermögen geerbt. Wie lege ich es am besten im Milieu an, bevor mir das Finanzamt auf die Schliche kommt?“

„Rotlicht und Rauschgift sind nicht so Ihr Metier?“

„Eigentlich nicht.“

„Schutzgeld macht sich noch sehr gut.“

„Zu viele Mitwisser, die mich erpressen könnten. Gibt es keine etablierte Firma im Milieu, die ich kaufen könnte?“

„Wie stellen Sie sich das vor? An der Börse werden solche Firmen nicht gehandelt, Makler für so was gibt es auch nicht. Sie können keine Grundstücke, Fabriken, Maschinen oder Materiallager besichtigen. Sie sind auf Mundpropaganda angewiesen, und der Hauptwert solcher Firmen besteht darin, dass sie uralte und verlässliche Beziehungen haben und pflegen. Die überträgt man aber nicht so einfach auf einen neuen Mann oder eine neue Organisation. Sie müssen schon seit langer Zeit dazugehören und einen guten – respektive schlechten – Ruf haben.“

„Danke, das alles wusste meine Großtante nicht.“

*


Kriminalrat Reuter blies sich gewaltig auf, als sich Rudi endlich bei ihm meldete und als erstes klarstellte, dass er allein ermitteln wollte, und Reuter zu platzen drohte, als Rudi ihm ankündigte, er werde morgen erst einmal nach Bonn fahren, seinen Leihwagen gegen seinen Privatwagen austauschen und sich dann im Ruhrgebiet mit möglichen Zeugen unterhalten. Reuter konnte noch nicht wissen, dass der Hauptkommissar Herzog gegen Befehle und Schreien immun war.

Vor Reuters Tür rief er Andrea Sturm an, die sehr erstaunt tat: „Wollen Sie mir doch ewige Freundschaft antragen?“

„Nein, da sei Gott vor, ich brauche nur die Anschrift von Lucanos Frankfurter Wohnung.“

„Die ist versiegelt, Herr Hauptkommissar.“

„Aber nicht mehr lang, Frau Staatsanwalt.“

„Mit dem ruhigen Arbeiten ist es bei uns wohl vorbei, wie?“

„Das könnte gut sein“, pflichtete er bescheiden bei.

*


Das Siegel an der Lucano Wohnung war schon durchschnitten, die Wohnungstür aber ins Schloss gezogen. Rudi klingelte Sturm, bis der Mann in der Wohnung die Nerven verlor. „Hör auf, du Arsch!“

Die Tür wurde aufgerissen, und Rudi starrte erstaunt auf einen kleinen Mann herunter, der ein seltsames Instrument in einer Hand trug, eine Art langer Stahlnadel mit einem Holzgriff. Er hatte keine Ahnung, wozu das gut sein mochte. Er wollte schon fragen, als Muno, der ihn längst erkannt hatte, einen Schritt zurücktrat und die Augen zukniff. „Was willst du Arschloch denn hier?“

Das klang falsch, wie Rudi sofort merkte, der kleine Mann tat so, als kenne er ihn und erwarte, dass Rudi ihn auch erkannte.

„Dasselbe wollte ich dich fragen, Zwerg. Wieso hast du das Siegel zerschnitten?“ Mit dem Wort „Zwerg“ hatte Rudi einen wunden Punkt getroffen, er sah es an dem Augenzucken seines Gegenübers und konnte eben noch rechtzeitig zur Seite treten, als der Kleine mit der Stahlnadel zustechen wollte. Der Stich ging ins Leere, Rudi hielt sich mit einer Hand am Türrahmen fest und trat zu. Der Treffer vor das linke Knie warf den Zwerg tatsächlich nach rückwärts in die Diele. Er schrie, aber ließ die Nadel nicht los und gab vor allem nicht auf, rollte sich herum und zog sich mit einer Hand auf das rechte Bein hoch und hüpfte wie ein Känguru auf seinen Gegner zu. Der konnte zwar ausweichen, doch auch nach dem zweiten Stich ins Leere ließ Muno die Nadel nicht los, kassierte und überstand einen weiteren Tritt, diesmal in den Unterleib. Rudi erzielte damit einen unerwarteten Erfolg. Der kleine Mann taumelte nach rückwärts und prallte gegen einen zweiten Mann, der mit einer Pistole aus einem Zimmer in die Diele kam. Der Zwerg warf ihn ungewollt um, und Lupo ließ die Waffe fallen.

„Danke“, sagte Rudi ernsthaft und holt tief Luft. Den kleinen Mann hatte er unterschätzt, der war ein echter Kämpfer. Beide trugen Hosen mit Gürteln, die Rudi liebevoll dazu nutzte, ihnen die Hände auf den Rücken zu fesseln.

„Na, was habt ihr denn hier verloren?“

Wütendes Schweigen; wenn Blicke töten könnten. Wäre aus Rudi Herzog längst Gulasch geworden.

„Keine Antwort ist auch eine Antwort.“

„Fick dich“, murmelte der kleine Mann laut.

*


Sie hatten angefangen, Lucanos Wohnung auf den Kopf zu stellen, so wie die anderen Isas Haus in Schlangenbad. Rudi rief seinen neuen Interimschef an: „Ich habe in Lucanos Wohnung zwei Einbrecher gestellt. Sie können sie abholen lassen.“

„Lucano“, fragte Reuter hilflos.

„Am besten bringen Sie die Staatsanwältin Sturm mit, ich weiß zufällig, dass sie sich über jede Abwechslung freut.“

Reuter legte wortlos auf. „Du musst noch viel lernen“, knurrte Rudi vor sich hin.

Beide Männer hatten recht klug gesucht, vor allem an Stellen, die gestern erst Anja Wesskamp ihm als mögliche, von Frauen ausgewählte Verstecke gezeigt hatte. Rudi suchte, bis die Reuter-Truppe in die Wohnung stampfte.

Rudi hielt den Mund. Er war an der Tür vorbeigekommen und hatte das zerschnittene Siegel bemerkt; als er klingelte, wurde ihm geöffnet, doch nicht von Polizisten, wie er gedacht hatte, sondern von zwei Einbrechern, die er mit viel Glück überwältigen konnte. Was Reuter und Andrea Sturm ihm davon glaubten, wusste er nicht. Jedenfalls zogen sie mit zwei Festgenommenen (Einbruch, Siegelbruch, Angriff auf einen Vollzugsbeamten) bald ab und ließen ihn mit einem frischen Siegel für später zurück. Rudi konnte in aller Ruhe suchen und erinnerte sich an genug Stellen, die Anja Wesskamp in Isas Haus angesteuert hatte, wobei er die lange Nadel vermisste, mit der man auch ungewöhnliche Stellen zum Beispiel hinter Eckschränken erreichte, aber das hilfreiche Instrument befand sich jetzt auf dem Weg in die Kriminaltechnik.

Deswegen brach Rudi seine erfolglose Suche ab, nachdem er auch alle Teppiche und Läufer wie in Schlangenbad ohne Ergebnis umgeschlagen hatte. Er schloss ab, versiegelte die Wohnungstür und fuhr fröhlich pfeifend in seine Wohnung.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
25 mayıs 2021
Hacim:
1424 s. 8 illüstrasyon
ISBN:
9783956179891
Yayıncı:
Telif hakkı:
Автор
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