Kitabı oku: «Magnus Carlsen», sayfa 4

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Der Weltbeste

»Ego Magnus sum.«

Im Oktober 2004 hatte Magnus Carlsen ein Rating von 2581 Elo. Als Dreizehnjähriger war er bereits auf dem Weg zum sogenannten »Supergroßmeister«. Die Schallmauer für diese Bezeichnung liegt bei 2600 Elo. Die Entwicklung des Jungen war einzigartig. Doch dann fiel seine Wertungszahl zum Jahreswechsel auf 2553, und Anfang Juli 2005 lag sie bei nur noch bei 2528. In einem halben Jahr war sein Rating dramatisch gefallen. War er ein schlechterer Schachspieler geworden, oder war sonst etwas nicht in Ordnung? Woran lag es?

Ratingverluste

Der Brite Nigel Short, ehemaliger Herausforderer des Weltmeisters und Supergroßmeister, erklärt dieses Phänomen so: »Es ist vollkommen normal, dass Spieler, die einen Großmeister-Titel erreichen, sich anschließend eine kleine Auszeit in ihrer Entwicklung nehmen. Der Großmeistertitel ist so schwer erreichbar, dass ein Rückschritt oder eine Stagnation danach nicht verwunderlich sind.«

Magnus Carlsen hatte ein derart hohes Rating in so erstaunlich kurzer Zeit erreicht, dass es überrascht hätte, wäre die Entwicklung einfach so weitergegangen. In der »Russischen Schachschule« zum Beispiel wurde eine ganz andere Ausbildungsmethode angewandt, als Magnus sie erlebt hatte. Die Osteuropäer lernten Schach Schritt für Schritt. Magnus ging anders vor, und auch das könnte ein Grund gewesen sein, dass er eine gewisse Zeit zum Nachdenken brauchte. Doch trotz seines zeitweiligen Elo-Verlusts spielte er zwischendurch weiterhin geniale Partien.

»Die anderen Spieler hatten angefangen, Magnus ernst zu nehmen. Außerdem glaubte er selbst, besser zu sein, als er in Wirklichkeit spielte. Garri Kasparow hat darauf hingewiesen. Bei einer ihrer ersten Begegnungen hat Kasparow Magnus geprüft. In einer der Partien, in der Magnus schlechter stand als sein Gegner, versuchte Magnus, auf Sieg zu spielen, statt ein Remis anzustreben«, erinnert sich sein Vater.

Zum Jahreswechsel 2004/2005 wurde das Turnier »Smartfish Chess Masters Drammen« in der Nähe von Oslo ausgerichtet. Endlich konnte Magnus an einem stark besetzten Großmeisterturnier in Norwegen teilnehmen. Er gewann sensationell gegen Alexei Schirow, der damals zu den zehn besten Spielern der Welt gehörte. Insgesamt errang Magnus aber dennoch nur drei von neun Punkten, ein für ihn enttäuschendes Ergebnis.

Nein zu Kasparow

Magnus Carlsen traf Garri Kasparow 2005 in Oslo wieder. Der Regisseur Øyvind Asbjørnsen hatte tief in die Tasche gegriffen, um die Schachlegende nach Norwegen zu holen. Der Grund waren die Dreharbeiten zu dem fabelhaften Film The Prince of Chess, der Höhepunkt des Films war die Schachpartie zwischen Kasparow und Carlsen in Reykjavik.

Magnus hatte ein Aha-Erlebnis, als er im Grand Hotel in Oslo mit Kasparow über Schach diskutierte. »Hey, hier ist wirklich jemand, der über Schach Bescheid weiß«, erklärte er hinterher.14 Garri Kasparow und seine Verlobte Dascha wurden von Simen und Espen Agdesteins Mutter eingeladen, die im Osloer Stadtteil Slemdal wohnte. Dies geschah, drei Jahre bevor Henrik Carlsen bei Espen Agdestein anrief und ihn fragte, ob er die Betreuung des Sponsorings von Magnus übernehmen wolle. Rund dreißig Gäste waren bei den Agdesteins eingeladen, die meisten kamen aus der norwegischen Schachszene. Unter ihnen war auch der Marketingdirektor von Microsoft Norwegen, Jannik Lindbæk jr., Magnus Carlsens erster Sponsor. Die Gäste kamen allerdings kaum zu Wort, Kasparow dominierte die Gesellschaft. Er wurde in den Weinkeller eingeladen, um seinen Favoriten auszusuchen, und natürlich suchte er einen der allerbesten und teuersten Weine aus. Trotz Kasparows Dominanz war diese Einladung für die norwegischen Schachenthusiasten ein großes Erlebnis. Allein die Begegnung mit dem ehemaligen Weltmeister blieb als Erinnerung fürs Leben. Bevor Magnus Carlsen den Titel errang, hatte es auf norwegischem Boden nicht viele Gelegenheiten gegeben, einen Schachweltmeister zu begrüßen.

Ein paar Monate später, am 11. März 2005, verkündete Kasparow das Ende seiner Karriere als Schachprofi. Mit seiner Ankündigung schockierte er die Schachwelt, denn noch immer stand er an der Spitze der Weltrangliste und war von 1985 bis 2000 Weltmeister gewesen. Doch Kasparow wollte sich in der Politik engagieren, Schachbücher schreiben und eventuell andere Schachspieler unterstützen.

Zwei Wochen später saßen Henrik und Magnus Carlsen im Flugzeug auf dem Weg nach Moskau. Espen Agdestein war ebenfalls dabei, allerdings eher aus Vergnügen. Ein Sekretär empfing sie am Flughafen und fuhr sie zum Hotel Rossija. Nach einem Mittagessen brachte man sie in Garri Kasparows Büro, dort wurde Magnus ein Video von einigen Partien des Weltmeisterschaftskampfes zwischen Karpow und Kasparow 1985 gezeigt. Anschließend wurden sie zurück ins Hotel gefahren. Am ersten Tag ließ sich Garri Kasparow nicht sehen.

Am Vormittag des folgenden Tages traf Magnus den siebzigjährigen Alexander S. Nikitin und den sechzigjährigen Juri S. Rasuwajew. Nikitin war viele Jahre Trainer von Kasparow gewesen, Rasuwajew von Karpow. Rasuwajew erzählte später einer Zeitung, Magnus habe gewöhnliche taktische Fertigkeiten, aber sein positionelles Talent sei auf dem Niveau von Tigran Petrosjan oder Anatoli Karpow. Außerdem schien er Informationen aufzusaugen wie ein Computer. Taktische Fertigkeiten zu besitzen bedeutet die Fähigkeit, Varianten zu berechnen, um konkrete Lösungen zu finden, während sich positionelles Verständnis als Durchdringen der Gesamtsituation erklären lässt.

Am dritten Tag trafen sie den Chef persönlich. Kasparow hatte sich von den Trainern berichten lassen und lud die Carlsens zum Mittagessen in seine dreigeschossige Wohnung in Moskau ein. Seine Mutter Klara kochte, und nach dem Essen setzte sich Magnus mit der Schachlegende zusammen, um über Schach zu diskutieren. »Im Übrigen mochte Klara Magnus, und sobald sich die Gelegenheit ergab, redete sie mit ihm. Das war mit ein Grund, warum es ihm bei den Kasparows so gut gefiel«, erinnert sich Henrik Carlsen.

Magnus durfte auch Kasparows Arbeitszimmer sehen. Hier stand ein Computer mit einer Datenbank von tausenden, extrem detaillierten Informationen zu Schacheröffnungen. Er war beeindruckt, wie gut diese Datenbank strukturiert war. Ansonsten fand er den Besuch in Moskau »ein bisschen erschreckend und auch ein bisschen langweilig«.15

Garri Kasparow war nicht hundertprozentig von Magnus Carlsens Qualitäten überzeugt. Er meinte, die Phase zwischen vierzehn und sechzehn Jahren sei für ihn besonders wichtig. »The apple is nearly rotten«, so Kasparow. Er schlug daher vor, einige Sponsoren zu finden, damit der Junge in Moskau ordentlich trainiert würde.

Magnus hatte von Kasparow Schachaufgaben bekommen. Er sollte vier Partien analysieren, die Kasparow gespielt hatte. Magnus fand die Hausaufgaben langweilig und erinnerte sich später, dass er sich lediglich mit drei Partien beschäftigte. Insgesamt kam er zu diesem Zeitpunkt zu dem Entschluss, dass er nicht mit Kasparow zusammenarbeiten wollte. Er war nicht bereit, das Spiel gegen harte Arbeit einzutauschen – so wie die russischen Schachschulen seit jeher funktionierten.

Garri Kasparow muss gekränkt gewesen sein.

Im Gespräch mit Frederic Friedel erzählte er später mehrfach, dass er Magnus Carlsens Partien verfolgt habe und einige davon brillant fand. Friedel ist ein erfahrener Schachjournalist und der Mann hinter ChessBase. Er stammt aus Hamburg und brach sein Philosophie- und Fremdsprachenstudium ab, um Journalist zu werden. ChessBase ist unter Schachenthusiasten aller Niveaus international anerkannt. Unter anderem produziert und verkauft die Firma auch Schachprogramme. Frederic Friedel setzte sich für eine enge Zusammenarbeit zwischen Magnus Carlsen und Garri Kasparow ein. Er brachte Kasparow dazu, Magnus ein signiertes Schachbuch zu schicken, und gab die Hoffnung nicht auf, dass eine Art Dreamteam entstehen würde. Friedel ließ nicht locker, und am Ende kam tatsächlich eine Kooperation zwischen Kasparow und Carlsen zustande. Allerdings sollten bis dahin noch einige Jahre vergehen.

Mit den Figuren sprechen

Manch einer hat ein angeborenes Talent für das, was er tut. Dies gilt nicht nur beim Sport, sondern im Grunde für jegliche Form von Aktivität. Ein Kunstmaler kann dieses »besondere Etwas« in den Fingern haben. Und in den unterschiedlichsten Sportarten lässt sich beobachten, dass es Menschen gibt, die einfach weitaus mehr Talent für eine bestimmte Disziplin haben als andere. Tore Øvrebø, aktuell oberster Chef der norwegischen Olympiamannschaft, war eine Zeit lang Cheftrainer der Ruderer. Er hat einmal gesagt: »Es geht darum, das Boot in Fahrt zu bringen. Die einen bekommen das Boot in Fahrt, andere nicht.«

Ähnlich verhält es sich im Schach. Einige bringen die Figuren in Fahrt, sie »versorgen sie mit Energie«, wie Garri Kasparow sagt. Einer der besten schwedischen Spieler, Großmeister Tiger Hillarp Persson, sagt, er spreche mit den Figuren. »Ich frage sie, ob sie sich auf dem Feld, auf dem sie stehen, wohlfühlen oder ob sie das Gefühl haben, dass sie woanders hingezogen werden sollten.«

Der Schwede fragt seinen Springer, ob er sich am Rand des Bretts wohlfühlt oder lieber ein bisschen mehr Kontakt zum Zentrum haben möchte. Dasselbe macht er mit dem Läufer oder der Dame. Durch diese Selbstgespräche findet er für jede einzelne Figur das richtige Feld. Und wenn alle Figuren auf den Feldern, Reihen und Linien platziert sind, auf denen sie sich wohlfühlen und als Team zusammenarbeiten, ist auch Tiger mit seinem Spiel zufrieden.

»Einen geborenen Farbigen«, nannte Einar Gausel16 einmal Simen Agdestein. Der langjährige Schachjournalist Gausel schuftete hart, um 2500 Elo zu erreichen, während Simen Agdestein in der Liste einfach immer weiter nach oben kletterte. Statt jahrelang am Strand in der Sonne zu liegen, um ein bisschen brauner zu werden, hat man es als »geborener Farbiger« einfacher. So ist es. Einige lernen leichter als andere. Die meisten Spieler stagnieren an einem gewissen Punkt. Das können Amateurspieler sein, die nie über eine Wertungszahl von 1900 Elo hinauskommen, oder Großmeister, denen es nicht gelingt, sich weiterzuentwickeln. Selbst wenn sie jahrelang mehrere Stunden am Tag Schach spielen oder studieren, werden sie nicht besser. Der Schachexperte des norwegischen Nachrichtensenders NRK Torstein Bae zum Beispiel hatte als Dreiundzwanzigjähriger schon drei IM-Normen auf dem Konto, aber er brauchte fünf Jahre, um sein Rating von 2370 auf 2400 Punkte zu erhöhen und damit die Voraussetzung zu erfüllen, Internationaler Meister zu werden.

Magnus Carlsens zweiter Trainer, Torbjørn Ringdal Hansen, holte seine erste Großmeisternorm 2004. Obwohl er danach lange professionell Schach spielte, vergingen elf Jahre, bevor es ihm gelang, den Großmeistertitel zu erringen. Man kann durch geringere Ursachen die Motivation und das Selbstvertrauen verlieren. Merkwürdigerweise platzte der Knoten bei Torbjørn Ringdal Hansen erst, als er seine Karriere als Schachprofi beendet hatte und einem ganz normalen Beruf nachging. Nach einem fantastischen Turnier für Norwegens zweite Mannschaft bei der Schach-Olympiade näherte er sich ernsthaft den 2500 Wertungspunkten im Rating. Und bei einem Turnier in Spanien 2015 gelang es ihm schließlich, die letzten elf Elo-Punkte zu erobern, die ihn über die Marke von 2500 hoben.

Magnus Carlsen hatte den Ehrgeiz, der beste Schachspieler der Welt zu werden. Durch dieses klare Ziel verlor er auch dann nicht die Motivation, wenn er die eine oder andere Niederlage einstecken musste. Nach dem Besuch in Moskau 2005 hielt er den Kontakt zu Garri Kasparow, er inspirierte ihn. Und da Magnus zwischendurch immer wieder einige ausgezeichnete Partien gegen besonders gute Spieler gelangen, verlor er auch nicht sein Selbstvertrauen.

In seiner eigenen Welt

Die Europameisterschaft in Warschau Ende Juni 2005, an der mehrere Spieler der Weltklasse teilnahmen, beendete Carlsens negativen Trend. Unter zweihundertneunundzwanzig Teilnehmern kam er auf den vierunddreißigsten Platz und spielte eines seiner besten Turniere. Die meisten Gegner, gegen die er antrat, hatten ein höheres Rating als er. Dies führte dazu, dass er nicht jede Partie um jeden Preis gewinnen wollte. Unterm Strich kamen dabei weniger Niederlagen und mehr Remis heraus. Etwas Unerklärliches war geschehen. Vielleicht war sein Spielstil gereift, vielleicht war auch der Junge gereift. Wie ein Mensch sich fühlt, lässt sich an der Art ablesen, wie er Schach spielt.

Ist es notwendig, dass sich jemand wohlfühlt, damit ihm etwas gelingt? Natürlich. Hat man keinen Seelenfrieden, sondern lässt sich beim Schachspiel von alltäglichen Dingen stören, wirkt sich das negativ auf die Leistung aus. Etliche Schachspieler fragen sich, warum sie phasenweise sehr gut spielen, andererseits aber auch längere Formkrisen haben. Es ist nicht leicht, diese Schwankungen zu erklären. Magnus Carlsen selbst meint, es sei bei ihm stark davon abhängig, ob er das Gefühl hat, dass es ihm gut geht und er ausgeglichen ist.

Er hat eine ganz besondere Fähigkeit, sich auf seine jeweilige Beschäftigung zu konzentrieren. »Seit er ganz klein war, ja, bereits als Zweijähriger, konnte er sehr lange dasitzen und sich in etwas vertiefen, ohne sich darum zu kümmern, was um ihn herum vorging«, erzählt seine Mutter Sigrun. Und so ist er auch heute noch, meint seine Schwester Ellen: »Wenn er sich eine lustige Fernsehsendung ansieht, lacht er einfach so vor sich hin. Er strahlt echte Freude aus. Er ist voll darauf konzentriert.«

Dieses Fokussieren ist vor einer Partie am extremsten, vor allen in den Stunden und Minuten davor. In dieser Zeit darf er auf gar keinen Fall gestört werden. Diese Konzentration ist so speziell, dass der Wachdienst beim Weltmeisterschaftskampf im indischen Chennai darauf achten musste, dass Magnus auf dem Weg in den Spielsaal immer die Türen geöffnet wurden. Nicht, weil er sie nicht hätte selbst öffnen können, sondern weil er in seiner Konzentration auf die anstehende Partie nicht gestört werden wollte. Viele Spieler sind in den Stunden und Minuten vor einem Match in ihrer eigenen Welt, aber eine so starke Konzentration wie bei Magnus Carlsen ist ungewöhnlich.

Während des Weltmeisterschaftskampfes in Sotschi arbeitete eine junge Russin als Helferin für das Team Carlsen und das Team Anand. Sie half beim Transport, als Fremdenführerin und bei der Reservierung von Restaurants. Sie erlebte die beiden Spieler als vollkommen unterschiedliche Typen: »Beide Teams waren sehr nett. Sie lächelten, grüßten, die Kommunikation funktionierte jeden Tag sehr gut. Aber es gab gewaltige Unterschiede in der Art von Viswanathan Anand und Magnus Carlsen. Wenn sie an den Spielort fuhren, grüßte Viswanathan Anand und lächelte hin und wieder. Aber Magnus Carlsen hat mich nicht einmal registriert, glaube ich. Ich hatte jedenfalls nie Blickkontakt mit ihm.« Auf die Frage, was sie davon hielt, dass er sie in diesen Momenten nicht grüßte, befürchtete sie offensichtlich, eine falsche Antwort zu geben, doch dann meinte sie: »Er braucht eine Frau!«

Auf dem Niveau, auf dem Magnus Schach spielt, ist nicht viel Platz für Frauen. Eine Freundin würde den Alltag erheblich stören. Die extreme Konzentration wäre unmöglich. Aber vielleicht hätte eine Freundin auch etwas Gutes, wenn sie ihm mehr Energie geben als entziehen würde. Noch gibt es keine Untersuchungen darüber, ob es für einen Schachspieler von Vorteil ist, Single zu sein oder nicht. Magnus Carlsen hat vorläufig keine Freundin. Für kurze Zeit war er mit einem Mädchen liiert. Bis er ihr erklärte, dass er sich im November konzentrieren müsse. Sie könnten sich dann im Dezember wiedersehen. Es blieb bei einer kurzen Beziehung.

Der ehemalige Weltmeister José Raúl Capablanca war ein Frauenheld. Bobby Fischer fand den Zugang zum Herzen einer Frau erst, als er Weltmeister wurde. Die meisten aktuellen Weltklassespieler sind keine Singles. Für die allerbesten war es jedoch nicht entscheidend, als Teenager eine Freundin zu haben. Unter ambitionierten Schachspielerinnen gibt es einen Wettbewerb, einen Spieler mit einem möglichst hohen Rating zum Freund zu haben. Es ist eine Art Statussymbol. Man spricht vom sogenannten 5000er-Klub – das sind Liebes- oder Ehepaare, die zusammen eine Elo-Zahl von mindestens 5000 aufweisen.

Die Fokussierung von Magnus mag übertrieben erscheinen. Wahrscheinlich ist eine derartige Konzentrationsfähigkeit aber durchaus von Vorteil, wenn man auf Weltklasseniveau Schach spielen will. Nicht ohne Grund lassen die besten Schachspieler ihre praktischen Angelegenheiten von anderen Menschen erledigen. Müssten sie die Zeit aufbringen, Auto zu fahren, Rechnungen zu bezahlen, auf Kinder aufzupassen oder einer Arbeit nachzugehen, würde ihr Schachspiel darunter leiden.

Dennoch gibt es Beispiele von Spielern, die an der Weltspitze standen und gleichzeitig einem normalen Beruf nachgingen, unter anderem die Weltmeister Botwinnik, Max Euwe und Robert Hübner.

Schüler verliert gegen Lehrer

Die norwegische Landesmeisterschaft fand 2005 einige Tage nach der Europameisterschaft in Sandnes statt. Dabei kam es zu einer besonderen Situation. Der Schachtrainer Simen Agdestein gehörte zu den schärfsten Konkurrenten von Magnus Carlsen. Der achtunddreißigjährige Meister traf auf seinen vierzehnjährigen Schüler. Doch damit nicht genug. Am Ende des Turniers teilten sie sich den ersten Platz in der Eliteklasse, womit es zu einem Stichkampf kam. Das Duell erinnerte ein wenig an Karate Kid. Der junge Magnus Carlsen bewunderte Simen Agdestein nicht nur als Schachspieler, sondern auch als Fußballer.

Simen Agdestein ist ein Siegertyp. Die Art, wie er Schach spielt, ist sehenswert. Gern sitzt er in einem dicken Rollkragenpullover mit weit gespreizten Beinen am Brett. Seine Verpflegung, die aus Obst und einem Getränk besteht, hat er immer griffbereit. Kommt er in Zeitnot, ist der ganze Simen Agdestein in Bewegung. Vor allem der Kopf und die Augen. Sie schweifen über das gesamte Brett. Sie sind überall. Und wenn er am Zug ist, zieht er blitzschnell. Seine Gegner glauben oft, sie könnten Partien gegen Simen gewinnen, weil er so häufig in Zeitnot gerät. Aber aus irgendeinem Grund ist Simen besonders gut, wenn er kaum noch Zeit hat – deshalb ist er auch ein unglaublich guter Blitzschachspieler.

Im Alter von fünfzehn Jahren gewann Simen Agdestein zum ersten Mal den Titel eines Norwegischen Meisters. In Sandnes glaubten viele zu Recht, dass sich ein Generationswechsel vollziehen würde. Simen Agdestein und Magnus Carlsen sollten zunächst zwei klassische Partien spielen, und wenn es dann immer noch unentschieden stand, sollte direkt danach im Schnellschach die Entscheidung fallen. Nach den normalen Partien stand es 1:1. Beim Schnellschach gewann zunächst jeder eine Partie, dann folgten fünf Remis, aber am Ende verlor Magnus. Simen Agdestein gewann seinen siebten Königspokal. Der Lehrer hatte den Schüler geschlagen. Damit blieb Simen Agdestein weiterhin der jüngste norwegische Meister aller Zeiten.

Nummer 10 von hundertachtundzwanzig Großmeistern

Nach der Niederlage gegen Simen Agdestein im Stichkampf um die norwegische Meisterschaft reiste Magnus Carlsen im November 2005 nach Chanty-Mansijsk in Sibirien. Einhundertachtundzwanzig der stärksten Spieler der Welt kämpften darum, sich einen von zehn Plätzen für das nächste Kandidatenturnier der FIDE zu sichern. Das neue System sah einen Pokalwettbewerb vor, in dem man zunächst zwei Partien mit reduzierter Bedenkzeit spielen musste. Bei einem Unentschieden schlossen sich zwei Schnellschachpartien an, und war dann noch immer keine Entscheidung gefallen, sollte das Match durch drei Blitzschachpartien entschieden werden. Magnus Carlsen war der jüngste Teilnehmer des Turniers.

Er traf zunächst auf den fünfundvierzigjährigen Surab Asmaiparaschwili, der 2658 Elo aufwies. Der Georgier probierte einen altbekannten Trick, um Magnus aus dem Gleichgewicht zu bringen – er knallte die Figuren hart aufs Brett. Es half nichts. Magnus Carlsen gewann überraschend 3:1. Aus einhundertachtundzwanzig Spielern waren vierundsechzig geworden. Unter den Verlierern befanden sich so gute Spieler wie Hikaru Nakamura und Sergei Karjakin.

An seinem fünfzehnten Geburtstag schlug Magnus den siebenundzwanzigjährigen Farruch Amonatow aus Tadschikistan mit einer Elo-Zahl von 2572. Nach einem Remis in der zweiten Partie zog Magnus in die nächste Runde ein, das Feld war von vierundsechzig Spielern auf zweiunddreißig dezimiert. Für die Spieler, die aus ärmeren Ländern kamen, lohnte es sich jedes Mal finanziell, wenn sie eine Runde weiterkamen. In der dritten Runde musste Magnus Carlsen gegen den Bulgaren Iwan Tscheparinow17 antreten, einen der Sekundanten des bulgarischen Großmeisters Wesselin Topalow. Er hatte Wassili Iwantschuk geschlagen, der damals auf dem fünften Platz der Weltrangliste stand. Mit anderen Worten: Von nun an traf Magnus Carlsen auf Gegner, die selbst an der Weltspitze standen oder gegen Weltklassespieler gewonnen hatten.

Tscheparinow war bester Laune, nachdem er gegen das Nervenbündel Iwantschuk gewonnen hatte. Aber beim Schach ist es wie beim Fußball sehr schwer, das nächste Spiel zu gewinnen, nachdem man gegen einen vermeintlich besseren Gegner gewonnen hat. Wie in allen anderen Sportarten ist es wichtig, wieder bei null zu beginnen. Tscheparinow gelang es nicht. Magnus lehnte einige Remis-Angebote ab und gewann schließlich 3:1. Nun waren nur noch sechzehn Spieler im Rennen. Aus ihnen mussten die zehn Spieler ermittelt werden, die anschließend am Kandidatenturnier teilnehmen durften. Magnus Carlsen verlor gegen den neununddreißigjährigen Jewgeni Barejew, der zwei Jahre zuvor direkt hinter Kasparow und Kramnik auf Platz 3 der Weltrangliste notiert worden war. In der nächsten Runde gewann Magnus gegen den Franzosen Joël Lautier, der 2679 Elo vorweisen konnte.18 Die erste Partie endete remis, aber dann gewann Magnus mit den schwarzen Figuren.

Damit musste Magnus im entscheidenden Duell gegen die russische Hoffnung Wladimir Malachow (2670 Elo) antreten, Zunächst spielte er remis im Normalschach und Schnellschach, doch dann gewann er beim Blitzschach mit 1,5 zu 0,5. Magnus Carlsen hatte sich damit für das Kandidatenturnier zur Weltmeisterschaft qualifiziert.

In der letzten Partie gegen das russisch-amerikanische Schachphänomen Gata Kamsky, dessen Rating bei 2697 Elo lag, ging es lediglich darum, ob Magnus Carlsen auf dem neunten oder dem zehnten Platz landete, insofern war das Match beinahe bedeutungslos. Kamsky wurde einst als Nachfolger Garri Kasparows angesehen, hatte aber mit zweiundzwanzig Jahren aufgehört, Schach zu spielen, nachdem er 1996 den Weltmeisterschaftskampf gegen Karpow verloren hatte. Neun Jahre später kam es zu einem Comeback. Gata Kamskys ehrgeiziger Vater war der Gegenpol zu dem freundlichen Henrik Carlsen. Der Vater dominierte und steuerte den Sohn in jeder Beziehung.

Magnus Carlsen verlor in der letzten Runde 3:1 gegen Kamsky, war aber dennoch für das Kandidatenturnier qualifiziert. Dies sollte im Oktober ausgetragen werden, und sein Gegner war wie zwei Jahre später bei der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2007 Lewon Aronjan.

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