Kitabı oku: «Der Wohlstand der Nationen», sayfa 62
Dritter Artikel
Ausgaben für Erziehungsanstalten für alle Altersklassen
Die Erziehungsanstalten für alle Altersklassen sind vor allem die für religiöse Erziehung, deren Zweck nicht sowohl der ist, die Menschen zu guten Bürgern in dieser Welt zu machen, als sie für eine andere und bessere Welt in einem künftigen Leben vorzubereiten. Die Prediger der Lehre, die diese Erziehung enthält, können ebenso wie andere Lehrer ihren Unterhalt entweder lediglich von den freiwilligen Beiträgen ihrer Zuhörer, oder aus anderen durch die Landesgesetze vorhergesehenen Fonds erhalten, wie Ländereien, Zehnten oder Grundsteuern usw. Ihre Bemühungen, ihr Eifer und Fleiß werden in der ersten Lage wahrscheinlich viel größer sein als in der letzteren. In dieser Beziehung hatten die Lehrer neuer Religionen bei ihren Angriffen auf die alten herrschenden Systeme, deren Klerus, auf seinen Pfründen ausruhend, den Glaubenseifer und die Hingebung bei der Masse des Volkes wach zu halten versäumt hatte und durch seine Lässigkeit ganz unfähig geworden war, zur Verteidigung ihrer Kirche kräftige Anstrengungen zu machen, viel voraus. Die Geistlichen einer herrschenden und reichdotierten Kirche sind oft gelehrte und fein gebildete Männer, die alle Vorzüge der Vornehmen oder alle die, die sie den Vornehmen empfehlen, besitzen, aber sie verlieren auch leicht die guten wie die schlechten Eigenschaften, die ihnen bei den niederen Volksklassen Ansehen und Einfluss verschafften und die vielleicht die ersten Ursachen des Erfolgs und der Einsetzung ihrer Religion waren. Eine solche Geistlichkeit, von einem Haufen bei dem Volke beliebter und kühner, wenn auch vielleicht beschränkter und unwissender Schwärmer angegriffen, fühlt sich so vollkommen wehrlos, wie die trägen, weichlichen und wohlgenährten Völker des südlichen Asiens, als sie von den rüstigen, kühnen und hungrigen nordischen Tartaren überfallen wurden. Eine solche Geistlichkeit hat in solchen Fällen gewöhnlich kein anderes Hilfsmittel, als den Staat zur Verfolgung, Vernichtung oder Vertreibung ihrer Gegner als der Störer des öffentlichen Friedens aufzufordern. So rief die römisch-katholische Geistlichkeit den Staat zur Verfolgung der Protestanten auf, so die englische Kirche zur Verfolgung der Dissenters; und so fand sich überhaupt jede Sekte, nachdem sie ein oder zwei Jahrhunderte lang die Sicherheit eines gesetzlichen Bestandes genossen hatte, unfähig, sich gegen eine neue Sekte, die ihre Lehre oder Kirchenzucht angriff, kräftig zu verteidigen. In solchen Fällen kann zuweilen die herrschende Kirche Gelehrsamkeit und schriftstellerisches Talent voraushaben; aber die Künste der Popularität, alle die Künste zur Werbung von Anhängern, sind immer auf Seiten ihrer Gegner. In England sind diese Künste von der wohldotierten Geistlichkeit der herrschenden Kirche schon längst vernachlässigt worden, und werden jetzt fast nur noch von den Dissenters und Methodisten geübt, doch hat das unabhängige Einkommen, das den Predigern der Dissenters an manchen Orten durch freiwillige Beiträge, Stiftungen und andere Gesetzesumgehungen ausgesetzt worden ist, auch bei diesen den Eifer und die Tätigkeit sehr verringert. Viele von ihnen sind sehr gelehrte, talentvolle und achtungswerte Männer, aber sie haben im Allgemeinen aufgehört, volkstümliche Prediger zu sein. Die Methodisten sind nicht halb so gelehrt wie die Dissenters, sind aber viel mehr beliebt.
In der römischen Kirche wird der Eifer der niederen Geistlichkeit durch das mächtige Motiv des Eigennutzes lebendiger erhalten, als vielleicht in der protestantischen. Die Pfarrgeistlichen beziehen vielfach einen großen Teil ihrer Einnahmen aus den freiwilligen Gaben der Leute, und die Ohrenbeichte verschafft ihnen manche Gelegenheit, diese Einkommensquelle ergiebiger zu machen. Die Bettelorden leben ganz und gar von solchen Gaben. Es ist mit ihnen wie mit den Husaren und Tirailleuren gewisser Armeen: keine Beute, keine Einnahme. Die Pfarrgeistlichen sind ähnlich gestellt wie die Lehrer, deren Einnahme teils von ihrem Gehalt, teils von den Honoraren ihrer Schüler abhängt, und diese richten sich stets mehr oder weniger nach ihrem Eifer und Ruf. Die Bettelorden sind den Lehrern ähnlich, deren Einnahmen lediglich von ihrem Eifer abhängen. Sie haben mithin alle Mittel aufzubieten, um die Opferfreudigkeit der gewöhnlichen Leute anzufeuern. Die Errichtung der beiden großen Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner belebte, wie Macchiavell bemerkt, im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert den erkaltenden Glauben und Eifer der Katholiken wieder. In römisch-katholischen Ländern wird der Geist der Hingebung lediglich durch die Mönche und die Geistlichen erhalten. Die großen Würdenträger der Kirche sind, bei all ihrer vollendeten Weltbildung und zuweilen Gelehrsamkeit, zwar hinlänglich darauf bedacht, unter ihren Untergebenen die nötige Zucht zu erhalten, kümmern sich aber selten um die Unterweisung des Volks.
»Die meisten Gewerbe und Berufe in einem Staate«, sagt der bei weitem berühmteste Philosoph und Geschichtsschreiber der Gegenwart (Hume), »sind derartig, dass, während sie die Interessen des Volks befördern, sie auch einzelnen nützlich oder angenehm sind; in diesem Fall ist es feststehende Regel, diese Gewerbe, außer etwa bei der ersten Einführung, sich selbst zu überlassen und ihre Förderung getrost von denen zu erwarten, die den Nutzen davon ziehen. Die Geschäftsleute, die von der Gunst ihrer Kunden Vorteil haben, entwickeln Gewandtheit und Fleiß soviel sie nur können, und wenn die Dinge nicht durch törichte Einmischung gestört werden, so wird der Begehr sicher stets der Nachfrage nahezu entsprechen.
Aber es gibt auch andere Berufsarten, die zwar nützlich und sogar nötig in einem Staate sind, aber niemandem Vorteil bringen oder Vergnügen machen, und die Staatsgewalt ist genötigt, hinsichtlich derer, die sich diesen Berufen widmen sollen, ein anderes Verfahren einzuschlagen. Sie muss ihnen aus öffentlichen Mitteln Einnahmen gewähren und den Hang zur Nachlässigkeit, dem sie unvermeidlich unterworfen sind, dadurch abzuwenden suchen, dass entweder besondere Ehren an den Beruf geknüpft, oder eine lange Reihe von Rangstufen und eine strenge Disziplin eingeführt wird u. dgl. Die Angestellten des Finanzfaches, der Marine oder der Justiz sind Beispiele dieser Klasse von Leuten.
Auf den ersten Blick mag es natürlich erscheinen, dass die Geistlichen zur ersten Klasse gehören, und dass ihre Förderung, ebenso wie die der Advokaten und Ärzte, getrost der Freigebigkeit derer überlassen werden dürfe, die ihren Lehren anhängen und durch ihren geistlichen Dienst und Beistand Heil oder Trost finden. Ihr Eifer und ihre Wachsamkeit werden unzweifelhaft durch ein solches hinzutretendes Motiv geschärft werden; und ihr Geschick in dem Beruf, sowie ihre Fähigkeit, die Gemüter des Volks zu lenken, muss aus ihrer zunehmenden Übung, Beobachtung, und Aufmerksamkeit täglich Nahrung erhalten.
Allein wenn wir die Sache näher überlegen, so werden wir finden, dass dieser interessierte Eifer der Geistlichkeit gerade dasjenige ist, was jeder weise Gesetzgeber zu verhüten suchen wird, weil dieser Eifer in jeder Religion, außer der wahren, höchst verderblich ist und selbst die wahre Religion durch Beimischung einer starken Dosis Aberglauben, Torheit und Täuschung fälschen muss. Jeder geistliche Praktiker wird, um sich in den Augen seiner Anhänger kostbarer und heiliger zu machen, sie mit dem heftigsten Abscheu vor allen anderen Sekten erfüllen, und stets darnach trachten, die ermattende Hingebung seiner Zuhörer durch etwas Neues aufzufrischen. Auf Wahrheit, Moral oder Sittsamkeit in den eingeschärften Lehren kommt es nicht an. Jeder Satz wird angenommen, der den unordentlichen Leidenschaften der menschlichen Natur am besten entspricht. Die Konventikel werden durch immer erneuten Eifer und durch Spekulationen auf die Leidenschaften und die Leichtgläubigkeit des niederen Volkes gefüllt. Und am Ende wird die Obrigkeit finden, dass sie ihre angebliche Sparsamkeit, den Priestern kein festes Einkommen zu geben, teuer bezahlt hat, und dass in der Tat das schicklichste und vorteilhafteste Abkommen mit den Seelenhirten darin besteht sie durch feste Gehälter zur Gleichgültigkeit zu bringen, damit sie nicht nötig haben, ihre Tätigkeit weiter auszudehnen als erforderlich ist, um ihre Herde von dem Suchen nach neuen Weiden abzuhalten. Und auf diese Weise erweisen sich kirchliche Einrichtungen, wenn sie auch zuerst gewöhnlich religiösen Absichten entsprangen, am Ende den politischen Interessen des Volkes vorteilhaft.«
Welche guten oder schlechten Folgen die unabhängige Versorgung der Geistlichen aber auch gehabt haben mag, um dieser Folgen willen hat man sie wohl sehr selten geschaffen. Zeiten heftiger Religionsstreitigkeiten waren gewöhnlich auch Zeiten gleich heftiger politischer Parteiungen. In solchen Fällen hielt es jede politische Partei für geraten, sich mit der einen oder anderen der streitenden Religionssekten zu verbünden. Dies konnte aber nur durch Annahme oder mindestens Begünstigung der Lehre dieser Sekte geschehen. Die Sekte, welche das Glück hatte mit der siegenden Partei verknüpft zu sein, teilte notwendig den Sieg ihres Verbündeten, durch dessen Gunst und Schutz sie bald ihre Gegner zum Schweigen zu bringen und zu unterwerfen vermochte. Diese Gegner hatten sich gewöhnlich mit den Feinden der siegenden Partei verbunden, und waren daher Feinde dieser Partei. Hatte so die Geistlichkeit einer Sekte das Feld behauptet, und ihren Einfluss und ihre Macht bei der Masse des Volks zu unumschränkter Geltung gebracht, so war sie mächtig genug, selbst die Häupter und Führer ihrer eigenen Partei einzuschüchtern und die Obrigkeit zur Achtung ihrer Ansichten und Neigungen zu nötigen. Ihr erstes Verlangen war in der Regel, dass sie ihre Gegner mundtot machen und unterwerfen solle; und ihr zweites, dass man ihr eine unabhängige Versorgung gebe. Da sie gewöhnlich viel zu dem Siege beigetragen hatte, so schien es nicht unbillig, ihr an der Beute einen Anteil zu lassen. Sie war es überdies müde, um die Gunst des Volkes zu buhlen, und von dessen Launen ihren Unterhalt abhängig zu machen. Sie nahm also, indem sie jenes Verlangen stellte, nur auf ihr eignes Wohlsein Bedacht, ohne sich viel darum zu kümmern, welche Folgen dies in Zukunft für den Einfluss und die Macht ihres Standes haben werde. Die Obrigkeit, die jenem Verlangen nur dadurch entsprechen konnte, dass sie der Geistlichkeit etwas gab, was sie lieber für sich genommen oder behalten hätte, beeilte sich selten sehr, darauf einzugehen. Die Not zwang sie jedoch schließlich stets nachzugeben, wenn auch oft erst nach vielen Verzögerungen und Ausflüchten.
Hätte die Politik niemals die Religion zu Hilfe gerufen, hätte die siegende Partei niemals die Lehrsätze der einen Sekte vor denen der anderen bevorzugt, so würde sie wahrscheinlich alle Sekten gleichmäßig und unparteiisch behandelt und jedermann gestattet haben, sich seinen Priester und seine Religion zu wählen, wie es ihm gefiel. In diesem Falle würde es ohne Zweifel eine große Menge religiöser Sekten gegeben haben. Fast jede Gemeinde hätte dann vielleicht eine kleine Sekte für sich gebildet und eigne Lehrsätze festgehalten. Jeder Prediger würde sich gezwungen gesehen haben, allen Eifer und jedes Mittel aufzubieten, um die Zahl seiner Anhänger zu erhalten und zu vermehren. Da aber alle anderen Prediger unter demselben Zwange gestanden hätten, so hätte kein einzelner oder keine Sekte einen sehr hervorragenden Erfolg erringen können.
Der interessierte und rührige Eifer von Religionslehrern kann nur da gefährlich und störend sein, wo es entweder nur eine geduldete Sekte im Volke gibt, oder wo das ganze Volk in zwei oder drei große Sekten zerfällt, deren Prediger je unter fester Zucht und Unterordnung stehen. Vollkommen unschädlich muss aber dieser Eifer sein, wo das Volk in zwei- oder dreihundert, oder gar in viele tausend kleine Sekten zerfällt, von denen keine groß genug wäre, um die öffentliche Ruhe zu stören. Die Prediger jeder Sekte würden, da sie sieh auf allen Seiten von mehr Feinden als Freunden umringt sehen, sich notwendig jener Redlichkeit und Mäßigkeit befleißigen müssen, die man so selten unter den Predigern der großen Sekten findet, deren Lehrsätze von der Obrigkeit getragen, von fast allen Einwohnern großer Reiche in Ehren gehalten werden, und die daher nichts als Anhänger, Schüler und demütige Bewunderer um sich sehen. Die Prediger jeder kleinen Sekte würden, da sie fast ganz allein ständen, genötigt sein, die Prediger fast jeder anderen Sekte zu respektieren, und die Zugeständnisse, die sie im eigenen Interesse einander machen dürften, könnten mit der Zeit zu der reinen und vernünftigen, von jeder Beimischung von Albernheit, Betrug und Fanatismus freien Religion führen, wie sie zu allen Zeiten der Menschheit weise Männer hergestellt zu sehen wünschten, wie sie aber durch positive Gesetze noch nie hergestellt wurde und nie hergestellt werden wird, weil in Sachen der Religion das positive Gesetz stets mehr oder weniger vom Volksaberglauben und von Schwärmerei beeinflusst ist und wahrscheinlich stets beeinflusst sein wird. Dieser Plan eines Kirchenregiments oder vielmehr keines Kirchenregiments war es, das die Sekte der Independenten, gewiss eine Sekte wilder Schwärmer, gegen das Ende des Bürgerkrieges in England herzustellen vorschlug. Wäre er ausgeführt worden, so würde er, obwohl recht unphilosophischen Ursprungs, vermutlich eine wahrhaft philosophische Duldung und Mäßigung in allen religiösen Grundsätzen herbeigeführt haben. Er wurde ausgeführt in Pennsylvanien, wo die Quäker am zahlreichsten sind, das Gesetz aber in der Tat keine Sekte vor der andern begünstigt und wo deshalb jene philosophische Duldung und Mäßigung wirklich Platz gegriffen haben soll.
Sollte die Gleichheit der Behandlung auch nicht bei allen oder auch nur den meisten Religionssekten eines Landes diese Duldung und Mäßigung zuwege bringen, so kann doch, wenn die Sekten sehr zahlreich und folglich zu klein sind, um die öffentliche Ruhe zu stören, der übermäßige Eifer einer jeden für ihre Lehrsätze keine sonderlich schädlichen, sondern im Gegenteil manche gute Folgen hervorbringen; und wenn die Regierung vollkommen entschlossen wäre, sie alle unbehelligt zu lassen, sie aber auch zu zwingen, dass sie einander unbehelligt lassen, so wäre wenig Gefahr, dass sie sich nicht von selbst schnell genug spalten und bald zahlreich genug werden würden.
Unter allen zivilisierten Völkern, wo einmal der Ständeunterschied Platz gegriffen hat, waren stets zwei verschiedene Systeme der Moral gleichzeitig im Schwange. Das eine kann man das strenge oder raue, das andere das freie oder, wenn man will, lockere System nennen. Das erste wird in der Regel vom gewöhnlichen Volke bewundert und verehrt, das andere ist gewöhnlich von den sogenannten Vornehmen mehr geschätzt und gebilligt. Der Grad von Missbilligung, womit wir die Laster des Leichtsinns, die Laster, die leicht aus großem Reichtum und aus dem Übermaße von Lustigkeit und guter Laune, entspringen, brandmarken, scheint das hauptsächlichste Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden gegensätzlichen Systemen zu sein. Indem freien oder lockeren System wird Luxus, ausgelassene und selbst ausschweifende Lust, Genusssucht bis zur Unmäßigkeit, Unkeuschheit wenigstens bei dem einen Geschlecht usw., wenn sie nicht geradezu unanständig werden und zu Treulosigkeit und Unrecht führen, im Allgemeinen sehr nachsichtig behandelt, gern entschuldigt oder ganz verziehen. In dem andern System hingegen werden diese Ausschweifungen mit dem äußersten Abscheu und Unwillen betrachtet. Die Laster des Leichtsinns sind für die niederen Stände stets verderblich, und eine Woche Gedankenlosigkeit und Ausschweifung reicht oft hin, einen armen Arbeiter auf immer zu verderben, und ihn durch Verzweiflung zum Verbrechen zu treiben. Die Weiseren und Besseren der unteren Stände haben deshalb stets den äußersten Abscheu und Widerwillen gegen solche Ausschreitungen gehabt, die, wie es ihnen die Erfahrung sagt, für Leute in ihrer Lage so verhängnisvoll sind. Dagegen wird der unordentliche Lebenswandel und die Ausschweifung einiger Jahre einen Vornehmen nicht immer zugrunde richten, und Leute von Stande betrachten es gern als einen der Vorzüge ihres Vermögens und als ein Vorrecht ihrer Stellung, sich bis auf einen gewissen Grad Exzesse erlauben zu können, ohne Kritik oder Tadel fürchten zu müssen. Bei Leuten ihres Standes betrachten sie daher solche Ausschweifungen ohne eine Missbilligung und tadeln sie entweder sehr leicht oder gar nicht.
East alle religiösen Sekten haben unter den niederen Ständen begonnen, denen sie gewöhnlich ihre frühesten, so wie ihre zahlreichsten Proselyten verdankten. Daher wurde von diesen Sekten mit wenigen Ausnahmen das strenge Moralsystem angenommen. Es war das System, durch das sie sich derjenigen Volksklasse am besten empfahlen, der sie ihre Reformpläne zuerst vorlegten. Viele von ihnen, vielleicht die meisten, haben sich sogar dadurch Kredit zu verschaffen gesucht, dass sie das strenge System mit Raffinement auf die Spitze trieben, und diese übermäßige Strenge hat ihnen oft mehr als alles andere die Achtung und Verehrung des gemeinen Mannes gewonnen.
Ein Mann von Rang und Vermögen ist durch seine Stellung ein hervorstechendes Mitglied der Gesellschaft, die auf seine ganze Haltung achtet und ihn dadurch nötigt, selbst darauf zu achten. Sein Ansehen und Ruf hängt wesentlich von der Achtung ab, die ihm die Gesellschaft zollt. Er wagt es nicht, etwas zu tun, was ihn in ihr in Missgunst oder Missachtung bringen würde, und ist zu strikter Beobachtung derjenigen Moral, ob frei oder streng, genötigt, die die Gesellschaft Personen seines Ranges und Vermögens vorschreibt, Ein Mann in dürftiger Lage ragt durch nichts in der Gesellschaft hervor. Wenn er an einem kleinen Ort lebt, so kann allerdings seine Haltung beobachtet werden, und er kann genötigt sein, selbst darauf zu achten. In dieser Lage kann er allerdings einen Ruf zu verlieren haben. Sobald er aber in eine große Stadt kommt, verschwindet er in Dunkelheit. Niemand achtet auf ihn, und er gibt daher leicht selbst nicht auf sich Acht und wird liederlich und lasterhaft. Aus diesem Dunkel taucht er nie so entschieden hervor, nie wird seine Haltung von einer achtbaren Gesellschaft so beobachtet, als wenn er Mitglied einer Religionssekte wird. Von diesem Augenblick an erhält er eine Bedeutung, die er nie zuvor hatte. Alle seine Glaubensgenossen haben um des guten Rufes ihrer Sekte willen ein Interesse, seine Haltung zu beobachten und ihn, wenn er Ärgernis gibt oder von der strengen Moral, die sie fast immer von einander fordern, zu sehr abweicht, durch Ausschließung oder Bann zu strafen, eine stets sehr harte Strafe, auch wenn sie keine rechtlichen Folgen hat. In kleinen Religionssekten ist demgemäß die Moral des gemeinen Mannes fast stets außerordentlich geregelt und streng, viel mehr als in der herrschenden Kirche. Die Moral dieser kleinen Sekten war in der Tat oft peinlich streng und ungesellschaftlich.
Es gibt jedoch zwei leicht anwendbare und höchst wirksame Mittel, durch deren Zusammenwirken der Staat ohne allen Zwang die ungesellschaftlichen und in der Moral peinlichen Elemente all’ der kleinen Sekten, in die das Land zerfällt, verbessern kann.
Das erste dieser „Mittel ist das Studium der Wissenschaft und der Philosophie, das der Staat unter allen Angehörigen der mittleren und höheren Stände fast allgemein machen könnte: nicht durch Zuteilung von Gehältern an die Lehrer, um sie nachlässig und träge werden zu lassen, sondern durch Einführung einer Art Prüfung, auch in den höheren und schwierigeren Wissenschaften, der sich jeder unterziehen müsste, ehe er als Bewerber um ein höheres besoldetes oder Ehrenamt auftreten dürfte. Wenn der Staat diese Klasse von Leuten nötigte, etwas zu lernen, so hätte er keine Veranlassung, sich um Beschaffung geeigneter Lehrer Sorge zu machen. Sie würden bald selbst bessere Lehrer finden, als die, die ihnen der Staat verschaffen kann. Wissenschaft ist das große Gegengift gegen Schwärmerei und Aberglauben, und wo die höheren Stände des Volkes dagegen gesichert sind, können die niederen ihm nicht gar arg ausgesetzt sein.
Das zweite jener Mittel besteht in häufigen und heiteren öffentlichen Lustbarkeiten. Ließe der Staat allen, die erwerbsmäßig, aber ohne Ärgernis oder Unanständigkeit, das Volk durch Malerei, Poesie, Musik, Tanz, durch alle Arten dramatischer Aufführungen und Ausstellungen zu belustigen und zu zerstreuen suchen, völlige Freiheit, so würde er bald bei den meisten die melancholische und finstere Stimmung verscheuchen, die fast stets die Amme des Volksaberglaubens und der Schwärmerei ist. Öffentliche Zerstreuungen sind stets ein Gegenstand der Furcht und des Hasses für alle fanatischen Beförderer jener Volkstollheiten gewesen. Die Heiterkeit und gute Laune, welche diese Zerstreuungen beleben, waren mit der für ihre Zwecke geeignetsten Gemütsstimmung durchaus unverträglich. Besonders dramatische Aufführungen, die oft ihre Kunstgriffe dem öffentlichen Gelächter und zuweilen sogar dem öffentlichen Fluch preisgaben, waren mehr als alle anderen Lustbarkeiten Gegenstände ihres Abscheus.
In einem Lande, wo das Gesetz die Lehrer einer Religion nicht mehr als die einer anderen begünstigt, würde es nicht nötig sein, sie von der Regierung abhängig zu machen und ihre Ernennung oder Entlassung zu beeinflussen. In einer solchen Lage würde der Staat sich nicht weiter um sie zu bekümmern brauchen, als dass er unter ihnen, wie unter seinen übrigen Bürgern, den Frieden zu erhalten hat, d. h. dass er sie verhindert, einander zu verfolgen, zu beleidigen und zu tyrannisieren. Ganz anders in Ländern, wo es eine herrschende oder Staatsreligion gibt. In diesem Falle kann der Souverän niemals sicher sein, wenn er nicht die Mittel hat, die meisten Lehrer dieser Religion erheblich zu beeinflussen.
Die Geistlichkeit jeder herrschenden Kirche bildet eine große Zunft. Sie kann gemeinsam handeln und ihr Interesse so sehr nach einem Plane und in einem Geiste verfolgen, als wenn sie unter der Leitung eines Mannes stände; oft steht sie auch unter einer solchen Leitung. Ihr Interesse als das einer Zunft ist niemals das gleiche wie das des Souveräns und diesem zuweilen direkt entgegengesetzt. Ihr Hauptinteresse besteht in der Aufrechthaltung ihrer Macht im Volke, und diese Macht hängt von dem Glauben an die Gewissheit und Wichtigkeit der von ihnen gepredigten Lehre und von der Annahme ab, dass nur durch vollkommene Gläubigkeit das ewige Heil erworben werden könne. Sollte der Souverän so unklug sein, auch nur das Geringste an ihrer Lehre zu verlachen oder zu bezweifeln, oder sollte er aus Menschlichkeit diejenigen, welche das eine oder andere getan, beschützen wollen, so ist die kitzlige Ehre einer von ihm ganz unabhängigen Geistlichkeit sogleich herausgefordert, ihn als einen Gottlosen zu ächten, und alle Schreckmittel der Religion aufzubieten, um das Volk zu nötigen, seinen Gehorsam einem rechtgläubigeren und folgsameren Fürsten zuzuwenden. Sollte er sich ihrer Anmaßung widersetzen, so ist die Gefahr nicht minder groß. Die Fürsten, die sich auf diese Art gegen die Kirche aufzulehnen wagten, wurden nicht nur der Empörung, sondern auch noch der Ketzerei angeklagt, trotz ihrer feierlichen Versicherungen der Rechtgläubigkeit und demütigen Unterwerfung unter jeden Glaubensartikel, den ihnen die Kirche vorschreiben möchte. Die Macht der Religion ist aber jeder anderen überlegen. Die Furcht, welche sie erregt, überwiegt alle andere Furcht. Wenn die vom Staat eingesetzten Religionslehrer unter der Masse des Volkes Lehren verbreiten, die das Ansehen des Fürsten untergraben, so kann dieser seine Macht nur durch Gewalt, d. h. durch ein stehendes Heer behaupten. Selbst ein stehendes Heer aber kann ihm diesfalls keine dauernde Sicherheit gewähren, weil, wenn die Soldaten nicht Ausländer, was selten der Fall, sondern der Masse des Volkes entnommen sind, wie es fast immer der Fall ist, leicht bald durch dieselben Lehren verführt werden. Die Revolutionen welche, so lange das oströmische Reich bestand, der Aufruhr der griechischen Geistlichkeit fortwährend in Konstantinopel hervorrief, die Erschütterungen, welche während mehrerer Jahrhunderte der Aufruhr der römischen Geistlichkeit in ganz Europa veranlasste, beweisen hinlänglich, wie misslich und unsicher die Lage des Fürsten ist, der keine geeigneten Mittel hat, die Geistlichkeit der herrschenden Religion seines Landes zu beeinflussen.
Glaubensartikel, wie alle anderen geistlichen Angelegenheiten gehören offenbar nicht zum Bereich eines weltlichen Herrschers, der sich recht gut dazu eignen mag, das Volk zu beschützen, aber schwerlich, es zu belehren. In solchen Angelegenheiten kann daher seine Macht selten hinreichen, um die vereinigte Macht der Geistlichkeit der herrschenden Kirche aufzuwiegen. Allein oft kann die öffentliche Ruhe und seine eigene Sicherheit von den Lehren abhängen, welche die Kirche über solche Angelegenheiten zu verbreiten liebt. Da er sich ihren Entscheidungen kaum mit genügendem Gewicht und Ansehen widersetzen kann, so muss er sie wenigstens beeinflussen können, und er vermag das nur durch die Befürchtungen und Erwartungen, die er bei der Mehrzahl der einzelnen Glieder des Standes erregen kann. Diese Befürchtungen und Erwartungen können in der Furcht vor Absetzung oder einer anderen Strafe und in der Hoffnung auf Beförderung bestehen.
In allen christlichen Kirchen sind die Pfründen der Geistlichkeit eine Art von Freilehen, die sie nicht auf Widerruf, sondern auf Lebenszeit innehaben, oder so lange sie kein Ärgernis geben. Wären sie abhängiger, und könnten etwa bei jedem kleinen Anstoß, den sie dem Fürsten oder seinen Ministern geben, abgesetzt werden, so würden sie wohl kaum ihr Ansehen beim Volke behaupten können, das sie dann als Kostgänger des Hofes betrachten und zur Ehrlichkeit ihrer Lehren kein Vertrauen mehr haben würde. Sollte dagegen der Landesherr Geistliche wider das Gesetz oder gewaltsam aus ihren Stellen jagen, etwa weil sie mit übertriebenem Eifer aufrührerische Lehren verbreiteten, so würde er durch solche Verfolgungen sie und ihre Lehren nur zehnmal populärer und deshalb zehnmal beunruhigender und gefährlicher machen, als sie es vorher waren. Furcht ist fast immer ein elendes Regierungswerkzeug, und sollte besonders niemals gegen einen Stand angewendet werden, der auch nur den mindesten Anspruch auf Unabhängigkeit hat. Sie schrecken wollen, dient nur dazu, ihre üble Laune zu reizen und sie in einer Widersetzlichkeit zu bestärken, die sie bei milderer Behandlung gemäßigt oder gänzlich aufgegeben hätten. Die Gewalttätigkeit, mit der die französische Regierung gewöhnlich verfuhr, um alle ihre Parlamente oder höchsten Gerichtshöfe zur Einregistrierung unpopulärer Edikte zu zwingen, führte selten zum Ziele, obgleich das gewöhnlich angewandte Mittel der Einkerkerung der widersetzlichen Mitglieder als kräftig genug gelten konnte. Die Fürsten aus dem Hause Stuart bedienten sich zuweilen ähnlicher Mittel, um englische Parlamentsmitglieder fügsam zu machen; aber sie fanden sie im Allgemeinen ebenso unlenksam. Gegenwärtig verfährt man mit dem englischen Parlament ganz anders, und ein kleiner Versuch, den der Herzog von Choiseul vor etwa zwölf Jahren mit dem Pariser Parlament machte, bewies hinlänglich, dass alle französischen Parlamente auf dieselbe Art noch viel leichter hätten gewonnen werden können. Der Versuch wurde nicht weiterverfolgt. Denn obgleich Milde und Überredung immer das leichteste und sicherste, Zwang und Gewalttätigkeit dagegen das schlechteste und gefährlichste Hilfsmittel der Regierung ist, scheint doch der natürliche Trotz des Menschen ihn das bessere Hilfsmittel fast immer verschmähen zu lassen, außer wenn er das schlechte nicht benutzen kann oder es nicht zu benutzen wagt. Die französische Regierung konnte und durfte Gewalt brauchen, und verschmähte es daher Milde und Überredung anzuwenden. Es gibt aber wie die Erfahrung aller Zeiten lehrt, keinen Stand, bei dem die Anwendung von Zwang und Gewalt so gefährlich oder geradezu verderblich wäre, als bei der geachteten Geistlichkeit einer herrschenden Kirche. Die Rechte, Privilegien und persönliche Freiheit der Geistlichen, die bei ihrem Stand etwas gelten, werden selbst in den despotischsten Staaten mehr geachtet, als die anderer Personen etwa gleichen Ranges, und so ist es unter jeder absoluten Herrschaft, von der milden Pariser Regierung bis zu dem tyrannischen und grausamen Regiment von Konstantinopel. Aber so schwer dieser Stand zu zwingen ist, so leicht ist er, gleich jedem anderen, in Gutem zu lenken, und die Sicherheit des Fürsten wie die öffentliche Ruhe hängt nicht wenig von den Mitteln ab, über die er zu diesem Zwecke verfügt. Diese Mittel bestehen aber lediglich in den Ämtern, die er an sie zu verleihen hat.
Nach der ältesten Verfassung der christlichen Kirche wurde der Bischof jedes Sprengels durch die vereinigten Stimmen der Geistlichkeit und des Volkes gewählt. Das Volk blieb nicht lange im Besitz des Wahlrechts, und befand sich selbst in der Zeit, in der es ihm zustand, fast immer unter dem Einflüsse der Geistlichkeit, die in geistlichen Dingen offenbar sein natürlicher Führer ist. Die Geistlichkeit ihrerseits war der Mühe, das Volk zu bearbeiten, bald überdrüssig, und fand es bequemer, ihre Bischöfe allein zu wählen. Auf gleiche Weise wurde, wenigstens in den meisten Klöstern, der Abt von den Mönchen gewählt. Alle geringeren Pfründen im Sprengel wurden vom Bischof vergeben, der sie nach Gutdünken verlieh. Alle Beförderungen zu kirchlichen Würden lagen mithin in den Händen der Kirche selbst. Wenn der Landesherr auch einen indirekten Einfluss auf die Wahlen hatte und wenn es auch hie und da üblich war, seine Einwilligung zur Wahl und seine Bestätigung des Gewählten einzuholen, so hatte er doch keine direkten oder genügenden Mittel, die Geistlichkeit zu lenken. Der Ehrgeiz des Geistlichen bestimmte ihn daher nicht, sowohl dem Fürsten, als seinem eigenen Stande den Hof zu machen, von dem allein er Beförderung erwarten konnte.